Bemerkungen zu “How Noise Matters to Finance”

Nicholas A. Knouf weist in seinem lesenswerten Buch How Noise Matters to Finance zuallererst auf die traditionellen Vorstellungen über den Aktienmarkt hin, man denke an die Steuerung des Marktes durch die berühmte unsichtbare Hand, an die Träume vom Gleichgewicht, Transparenz, erklärbaren Preisbewegungen und korrekten Preisen, die die Fundamentaldaten der Unternehmen reflektieren, alles in allem soziale Fiktionen, die von vielen Tradern, Firmen und Ökonomen trotz der immer wieder zyklisch auftretenden Finanzkrisen bis heute noch geglaubt werden, obgleich die Algorithmen die Austauschprozesse an den Börsen schneller exekutieren als die Menschen sie überhaupt wahrnehmen können. Dabei wird die Kompliziertheit der neuen Finanzinstrumente meistens ausgeblendet. Knouf stellt allerdings gerade angesichts der zunehmenden Algorithmisierung der Märkte von vornherein eines fest: Der Markt wird durch Maschinen und Menschen komponiert, wobei die Maschinen zumindest teilweise noch von Menschen hergestellt werden und selbst im Fall des automatischen algorithmischen Tradings werden die Algorithmen noch von Menschen geschrieben. Und die Handlungen der Menschen sind nicht vorhersehbar. Aber auch die Funktionsweisen von wahrscheinlichen Maschinen sind nicht zu 100% vorhersehbar, und zwar u.a. wegen des Noise der materiellen Welt, man könnte mit Kittler auch die Hardware anführen, wobei man den Noise nicht einfach als unerwünschten Sound oder Signal verstehen sollte, sondern mit Michel Serres als Turbulenz, als Ordnung und Unordnung zugleich – Ordnung, die sich durch Wiederholung und Redundanz auflöst und neu bildet, während Unordnung durch neue Ereignisse, den Wahnsinn, die Unsicherheit und das Unvorhersehbare generiert wird. Noise ist der fundamental instabile Grund, auf dem Maschinen und die menschliche Existenz basieren. Ordnung ist dann die Form einer Erscheinung, die permanent den turbulenten Hintergrund massiert und von diesem massiert wird. Alle Modelle sind nur Annäherungen an etwas, das ständig in Bewegung ist.

Es geht Knouf in seinem kurzen Buch nicht nur um die Darstellung der Relation zwischen Noise und Finance, sondern um die Beleuchtung des Nexus von Maschinen, Menschen und Noise in Hinsicht auf Debatten um die Zukunft und die Trajektoren, die uns aus dem Morast, in dem wir uns gegenwärtig befinden, herausführen.

In die Finanzliteratur fand das Konzept des Noise Anfang der 1980er Jahre Eingang, als das Verständnis vom Markt als einem informationsverarbeitendem System (Hayek), das durch Signale und „wahre“ Preise im Gleichgewicht gehalten wird, allmählich ins Wanken kam, wobei von nun an der Preis einer Sicherheit nicht nur auf Information, sondern eben auch auch auf Noise basieren kann, der von den weniger sophisticated Tradern erzeugt wird. Die forcierten, die „intelligenten“ Trader und die Ökonomen lernten jedoch schnell, wie man aus dem Noise Profite schlagen konnte, was schließlich im High-Frequency-Trading (HFT) kulminierte.

Knouf untersucht unter den Gesichtspunkten Materialität und Interferenz zwischen Menschen und Maschinen, wie bestimmte Formen und Bedeutungen den finanziellen Noise in diversen Raumzeiten begründen – zum ersten, wie die verrauschten Aktivitäten der Trader die Modelle des rational agierenden und nutzen-optimierenden Händlers ins Wanken bringen, und zum zweiten, wie der sonische Noise, der die körperlichen Aktivitäten im konventionellen Parketthandel begleitet, in finanzielle Bewertungen übersetzt wird, insofern der Affekt wichtiger als die Rationalität erscheint, zum dritten, wie die Analyse der Relation von Computerisierung und Handel aufzeigt, dass materielle Praktiken der Mensch-Maschinen-Hybride den Noise als ein Mittel einsetzen, um Profite zu erzielen, und zum vierten, wie das Problem der Geschwindigkeit dramatisch eskaliert, sodass das Rennen um risikofreie Profite hin zu einem Wettlauf gegen Null transformiert wird.

Das finanzielle Kapital kann heute nicht mehr ohne den Bezug zur Informationstheorie und den Cyborg-Wissenschaften diskutiert werden. Die Informationstheorie Claude Shannons, die zwischen Signal und dem immer präsenten Noise, der das Signal stört, unterscheidet, ist weitgehend bekannt, aber weniger bekannt sind die Ausführungen von Hayek zur Informationstheorie im Kontext der Wirtschaftswissenschaften. Hayek sieht die Preise als das wichtigste Medium, in dem Informationen an den Märkten zirkulieren. Weniger die zentrale Planung, sondern die dezentrale Planung, die von vielen Personen oder eben heute von Algorithmen ausgeführt wird, ist ökonomisch am effektivsten, weil die Akteure die ständig wechselnden Informationen, die in den fluktuierenden Preissystemen reflektiert werden, unabhängig voneinander beobachten und dementsprechend rational handeln, das heißt ihre Aktivitäten entsprechend der stets korrekten Preisbewegungen adjustieren. Der Computer – im speziellen für den Handel von Derivaten – sollte Hayeks Traum ein Stück weit Realität werden lassen.

Nach Black und Scholes folgen die Aktienpreise den Pfaden eines Random Walk oder einer geometrischen Brownschen Bewegung, nach der man, wenn man würfelt – je nachdem, ob man eine gerade oder eine ungerade Zahl erhält, geht man einen Schritt nach vorne oder zurück – sich nach einer gewissen Zeit sich gemäß dem Durchschnitt der Verläufe wieder dort befindet, wo man gestartet ist, aber viel wahrscheinlicher ist es, dass es einen Drift weg vom Ausgangspunkt gibt. Den diskreten Random Walk ersetzen Black und Scholes durch eine etwas kompliziertere Form, mit der sich mathematisch arbeiten lässt und die die Dynamik der aktuellen Preisbewegungen an den Aktienmärkten besser erfasst. Der Random Walk ist nun kontinuierlich und geometrisch und die Bewegungen basieren auf der Gaußschen Normalverteilung. Referenzen sind die statistische Physik und die Thermodynamik des 19, Jahrhunderts sowie Diffusionsgleichungen. Diese Voraussetzungen bilden die Basis für die Black-Scholes Gleichung, mit der angenommene Regeln von Mensch-Maschinen Systemen simplifiziert und kodifiziert werden, um eine kontrollierbare Repräsentation der Realität zu erstellen. Wir haben dies schon im Review zu Lee und Martins Buch Derivatives and The Wealth of Societies dargestellt. Dies führt geradewegs zu den Modellen des CAPM und EHM.

Nicht jeder besitzt allerdings das Kapital, um an die notwendigen Informationen zu gelangen, die die Voraussetzung bilden, um nach diesen Modellen effizient zu traden, denn es gibt Transaktionskosten und die Informationen besitzen verschiedene Abstufungen und Skalierungen. Man kümmert sich darum allerdings in der Finanztheorie wenig, da man von weiterhin Milton Friedmans These ausgeht, dass die Annahmen und Voraussetzungen, die eine ökonomische Theorie oder die Modelle einführen, nicht Grundlage der Kritik sein können. Zwar werden die Modelle als Idealisierungen begriffen, die ökonomisch unrealistisch sind, aber sie liefern doch so etwas wie eine brauchbare Benchmark, um Effizienz zu messen.

Das EMH-Modell besagt in der stärksten Fassung, dass der Markt effizient ist, wenn er sofort alle Informationen bereithält, zu denen dann zumindest die Insider Zugang haben. Realiter gibt es allerdings Asymmetrien, wenn bspw. Spezialisten Vorteile ziehen, indem sie winzige Preisfluktuationen ausnutzen, um Profite zu erzielen. Für Fama können jedoch diese Asymmetrien durch den elektronischen Handel, der ausschließlich unter dem Diktat der Bewegung der Zeit steht, eliminiert werden. Einige dieser Annahmen wurden zuerst von der Verhaltensökonomie, die auf die Diskrepanz zwischen stochastischen Modellen und den menschlichen Erwartungen über zukünftige Ereignisse hinwies, in Frage gestellt. Die Unmöglichkeit das Risiko auf der Basis von probabilistischen Modellen korrekt auszupreisen, verweist indeed auf die Ineffizienz als Konstituens der Märkte, egal ob bestimmte Faktor stabilisierend oder destabilisierend wirken.

Es war Black selbst, der in einem Essay darauf hinwies, dass das Noise-Trading für die Existenz von liquiden Märkten enorm wichtig ist, wodurch das EMH-Modell im Angesicht der Irrationalität von menschlichen Handlungen ein Stück weit „gerettet“ wurde. Im EMH-Modell gibt es keine Möglichkeit aus einer Information Profit zu ziehen, die Marktpreise reflektieren instantan die existierende Informationen und Arbitrage ist nicht möglich. In den realen Märkten gelten diese Voraussetzungen jedoch nicht, denn privilegierte Trader können aus der Bewirtschaftung der Informationen durchaus Profite ziehen. Diese Trader sind mit Tradern konfrontiert, die glauben, dass der Noise, den sie traden, Information ist. Der Aktienpreis reflektiert somit das Traden von Noise und von Information. Black nahm aber an, dass der Noise Trader nur eine zeitweilige Erscheinung sei und über längere Zeit keine Profite generieren könne.

Aber was, wenn die Noise Trader besser informiert sind als die informierten Investoren? Entgegen der Modellannahmen des CAPM und des EHM ist der Handel mit Derivaten nicht friktionslos, es gibt nämlich Transaktionskosten und das Leverage ist begrenzt, sodass die besser informierten Investoren vielleicht doch keinen Vorteil aus bestimmten Preisfestsetzungen ziehen können. Was nun als Arbitrage-Möglichkeit erscheint, ist das Resultat dessen, dass durch die Aktivitäten der Noise Trader die Aktienpreise steigen oder sinken, und dies könnte für die informierten Trader indeed kostspielig werden, sodass zum Schluss Noise Trader und informierte Arbitrage Trader ununterscheidbar werden. Dieser Sachverhalt wurde in ökonometrische Modelle übersetzt, die zeigen, dass Noise Trader höhere erwartete Returns allein dadurch erzielen können, dass sie mit höheren Risiken arbeiten als sie selbst kreiert haben; oder sie profitieren von ihrem eigenen destabilisierenden Einfluss. Entgegen der Annahmen von Friedman sterben sie auch nicht aus, sondern sind heute definitiv Teil des Marktes. Noise wird damit zur vitalen Komponente des Systems, eine unvorhersehbare Aktivität, die paradoxerweise die Gleichungen, die der modernen Finanztheorie zugrunde liegen, auch unterstützen kann. Es handelt sich hier um eine Binarität – solche, die Informationen besitzen und solche, die keine besitzen, wobei die letzteren als Noise Trader Vorteile aus solchen Tradern ziehen, die auf Grundlage realer Informationen traden.

Eine strikte Unterscheidung zwischen Information und Noise ist jedoch nicht möglich, da alle Märkte bis zu einem gewissen Grad von Noise durchzogen sind, insofern Transaktionen in Raum und Zeit nicht ohne Friktionen verlaufen. Noise ist ein Aspekt des Handels als Teil einer verkörperten, materiellen Welt – verkörpert im Sinne von Menschen, die traden oder Algorithmen schreiben, materiell im Sinne der Mensch-Maschine Beziehung in realen Systemen und eben nicht in idealisierten Gleichungen. Im EMH-Modell bleibt das Verhältnis und die Distinktion zwischen Noise und Information unklar. Das Modell weiß zwar, wie Information von den Märkten absorbiert werden soll, um effizient zu sein, aber es kann nicht definieren, was für eine Information das sein soll. In einer Welt ohne rationale Agenten und der Anwesenheit von Unsicherheit ist Noise unbedingt notwendig.

Knouf resümiert, dass das elektronische Trading – die Materialität der multiplen Monitore und die ubiquitären Bloomberg Terminals – die Praktiken der gegenwärtigen Finance transformiert hat, während die Sichtweisen und Sounds des physischen, „open-outcry“ Tradings nach wie unser kulturell Imaginäres bestimmen. Es sind die affektiven Momente – Panik und Furcht im Angesicht von Krisen und Kurseinbrüchen – die das Parkett bestimmen, aber das Tableau des Traders ist heute eines von Zahlen, Graphiken und Texten, eher visuell als ein Kompendium der Sinne, eher eine singuläre Modalität als eine Interferenz von multiplen Vielheiten.

Auf dem Parkett sind Käufer und Verkäufer durch ihre Körper und extreme Verhaltensweisen aneinander gekoppelt, und zwar in einer hierarchischen Art und Weise, die auch räumlich sichtbar ist. Handsignale und die Stimme sind hier die wichtigsten Instrumente, aber es gibt eine ganze Reihe von Körperbewegungen, die als spezifische Signale gelten. Diese Art des Zusammenschlusses von Bewegung und Stimme erzeugt Noise, reinen Lärm für ein nicht trainiertes Ohr, aber doch ein sorgfältig konstruiertes System für den erfahrenen Trader. Der Ambient Noise des Marktes affiziert den Markt als Ganzes. Ein steigendes Soundlevel verweist auf einen steigendes Handelsvolumen und auf hohe Volatilität, und so mag der Lärm auf dem Parkett Informationen beinhalten, die mit dem Handel am Bildschirm definitiv verlorengehen. Sounds, die Angst, Panik, Hysterie, Emotionen und Unsicherheit artikulieren, können nicht ohne weiteres auf elektronische Netzwerke übertragen werden; möglicherweise ist diesbezüglich die Maschine kein guter Ersatz für den Menschen.

Es gibt die Market Maker, die nicht an große Finanzunternehmen gebunden sind und mit ihrem Handel, egal in welchem Stadium sich der Markt befindet, für Liquidität an den Märkten sorgen sollen. Es gibt Locals, die spekulieren und mit kurzfristigen Trades zwar geringe Profite einfahren, aber eine hohe Anzahl von Transaktionen durchführen. Andere Trader sind wiederum mit Firmen verbunden und arbeiten auf Kommissionsbasis. Wegen der hohen Anzahl an Käufern und Verkäufern ist es wichtig, einen geeigneten Partner für einen Derivatvertrag zu finden, von dem man sich hohe Renditen erwartet.

Knouf diskutiert ansatzweise auch Affektthorien, man denke an Deleuze/Guattari und an ihr Spinoza geschuldetes Konzept des Affekts als Intensität oder Kapazität zwischen und innerhalb der Körper. Aktuelle Debatten drehen sich um Intentionalität bzw. um die Frage, inwiefern der Affekt prä-kognitiv und prä-sozial ist. Gegen Brian Massumi wendet Knouf ein, dass Affekte nicht asozial und autonom seien und sich deshalb auch nicht außerhalb sozialer Signifikation befänden. Gerade weil der Affekt nicht autonom ist, besitzt er eine politische Kraft. Die Macht der affektiven Ereignisse sind auch in den Strukturen der gegenwärtigen Finance verkörpert. Die Gesten der Trader, die sich auf dem Parkett beefinden, sind nicht zu verstehen, wenn man nicht davon ausgeht, dass sie die Strukturen und Mittel, mit denen der Markt funktioniert, internalisiert haben. Die Affekte mögen direkter als die der Trader vor den Bildschirmen sein, aber sie sind als Resultat vorheriger sozialer und ideologischer Interpellationen zu verstehen.,

Mit dem elektronischen Handel werden neue Trading Floors zur Norm, die von Batterien von Servern in sorgfältig klimatisierten Räumen „bevölkert“ werden. Anstatt des Schreiens auf dem Parkett hört man jetzt nur noch das weiße Rauschen und das Summen der Klimaanlagen.Während die populäre Perzeption im Kontext finanzwissenschaftlicher Diskurse nach wie vor die Wall Street als die zentrale Lokalisierung der globalen Finance sieht, sind es gerade Städte wie New Jersey und Chicago, in denen ein Großteil des amerikanischen Finanzsystems derzeit zumindest physisch angesiedelt ist. HFH-Hubs wie der NYSE-Standort Mahwah beherbergen viele der größten »matching engines« (Maschinen, deren Algorithmen Transaktionen aus der ganzen Welt bewerten, vergleichen, kaufen und verkaufen). Es gibt also durchaus auch eine physische Konzentration der Verteilungssysteme globaler Finance, und diese Nicht-Orte, Global Citys, gelten of course als stark zu beschützende Komponenten der jeweiligen nationalen Infrastrukturen. Die materielle Infrastruktur bzw. Hardware der finanziellen Systeme ist intrinsisch verteilt und vernetzt. Und seit die elektronischen Signale über optische Fiberkabel fließen, deren Übertragungsraten im Gigabit- bis Terabit-Bereich liegen, gilt die Distanz zwischen dem Sender und dem Empfänger von Informationen als eine Schlüsselvariable für die temporale Latenz der Systeme. Die Konkurrenzsituation stimuliert einen rasanten Wettlauf um die kürzesten Reaktionszeiten an den Märkten, was in der Regel dazu führt, dass die Finanzunternehmen ihre HFH-Server unmittelbar an den Standorten der Börsenserver lokalisieren, wenn sie denn noch einen börsennorientierten Handel betreiben. Vorausgesetzt bleibt natürlich eine funktional einwandfreie Operationalität der Konnektivität, die den Parasiten, der für die Nichtoperationalität verantwortlich zeichnet, so gut wie möglich auszuschließen hat. Finanzunternehmen sehen sich als komplexe sozio-technische Systeme gezwungen, permanent die Produktion eines parasitären Rauschens zu bearbeiten und die ständig fluktuierenden Informationsgefälle zu reduzieren, indem sie mit einer hohen Rate von Datendurchlaufleistungen und dem Versuch der Glattstellung von Rauschen und Entropie im Rahmen einer finanziellen Ökologie operieren.

Elektronische Netzwerke prozessieren auf algorithmischer Basis. Es geht angeblich ausschließlich um Effizienz. Wenn bspw. ein Trader 100000 Anteile einer Sicherheit verkaufen will, wird bei Ausführung der Preis am Markt sicherlich sinken und vielleicht wird der Trader nicht sofort Käufer finden, weshalb ein speziell designter Algorithmus die Order in kleinere Teile splittet, womit der Einfluss auf die Preisbewegungen am Markt geringer wird. Diese Order kann über einen gewissen Zeitraum noch verteilt werden. Den entsprechenden Algorithmus nennt man time-weighted average price (TWAP). Werden die Volumen immer weiter verkleinert, so geschieht dies mit Hilfe des volum-weighted average price (VWAP). In der Praxis sind die Algorithmen inzwischen noch viel komplexer. Wenn man annimmt, dass der Raum für potenzielle Marktalgorithmen praktisch unendlich ist, dann kommt es zu einem Wettlauf gegen Null, der bestimmte Time Frames und Komplexitäten jenseits des menschlichen Wahrnehmungsvermögens verschiebt.

Neben neuen elektronischen Handelsplätzen wie BATs und Chi-X Europe gibt es die Expansion des elektronischen Handels auh an etablierten Börsen wie der NASDAQ, die zum Aufbau solcher Datenzentren wie in Mahwah geführt hat. Und dies führt wiederum dazu, dass sich die Grenzen der Computerisierung noch weiter verschieben, insofern Finanzunternehmen mit enormer Kapitalgröße Computeringenieure anheuern und spezielles Equipment kaufen, das garantiert, dass ihre Algorithmen um Mikrosekunden schneller als die der Konkurrenz arbeiten. Colocation ist einer der letzten Trends im elektronischen Trading.Einer der Gründe für die Existenz des NYSE Datenzentrums liegt darin, Raum für Firmen zur Verfügung zu stellen, um näher an den Maschinen zu sein, die den aktuellen Handel exekutieren. Es gibt inzwischen über Laser-Transmissionen hergestellte Verbindungen zwischen der NYSE und der NASDAQ, die Nanosekunden schneller als die bisherigen Kabel sind. Das infrastrukturelle Investment erlaubt es gewissen Finanzunternehmen neue Profite zu realisieren, die ansonsten nicht möglich wären. Die Latenzzeit und die Schließung der Entfernung zu den Marktcomputern wird deshalb immer wichtiger.

Wenn die Algorithmen nicht unbedingt von der Geschwindigkeit abhängig sind, dann muss hier eine weitere Logik ins Spiel kommen, nämlich die winzigen Preisfluktuationen, eine Form des Noise, die die Aufmerksamkeit heute so stark auf das High-Frequency-Trading lenken. HFT inkludiert extreme hohe Ordermengen und ihre rasche Eliminierung, das Ausnutzen von Spreads, das kurzfristige Halten von Positionen und niedrige Gewinnspannen. Die niedrigen Gewinnspannen werden durch die Verarbeitung einer hohen Anzahl von Transaktionen kompensiert. Die Möglichkeit schnell aus den Positionen und in die Positionen zu gehen, welhe durch schnelle Computer ermöglicht wird, eröffnet neue Arbitrage-Möglichkeiten. Latenz wird nun definitiv Teil der Profitproduktion. Das Geldkapital, das benötigt wird, um bei diesen Geschwindigkeiten erfolgreich zu performen, existiert nur für solche Finanzunternehmen, die riesige Geldsummen bereithalten können, um in die computerisierten Infrastrukturen zu investieren, und die damit natürlich ein sehr ungleiches finanzielles Spielfeld für Spekulanten eröffnen.

Auf jeden Fall hat das HFT im Kontext anderer Veränderungen an den Märkten, die das Resultat veränderter Verhaltensweisen der Menschen und Maschinen sowie eines erhöhten Konkurrenzdrucks sind, die Märkte als Netzwerke noch weiter zusammengeschlossen und vielleicht müssen heute die Märkte ähnlich wie Atomkraftwerke als large-scale-Systeme begriffen werden, die ein entsprechendes Modelling oder eine neue Ökologie von Praktiken benötigen. Wenn HFT die Volatilität an den Märkten erhöht und entsprechende Strategien Vorteile im Millisekundenbereich suchen, dann stellt sich die Frage, wie das Konzept des Noise helfen kann, diese Phänomene zu verstehen. Für einen Ökonomen lässt sich von der Mikrostruktur des Noises genau dann reden, wenn es schwierig wird, den Wert einer bestimmten Zeitserie von Daten einzuschätzen; des Weiteren ist der Noise ein Faktor, der dafür verantwortlich ist, dass beobachtete Werte von den Fundamentaldaten abweichen. Noise ist die Verfälschung eines idealisierten und beobachtbaren Prozesses, obgleich es genügend Versuche gibt, ihn in die mathematischen Modelle einzubauen, um ein „wahres“ Maß des Prozesses zu erhalten. Andere Forscher gestehen dem mikrostrukturellen Noise eine unabhängige Existenz gegenüber der Mathematik zu. Er wird dann als ein notwendige Abweichung aufgrund menschlicher Aktivitäten, interkonnektiver Systeme und von Prozessen, die nicht perfekt der mathematischen Modellierung folgen, begriffen, obgleich der Noise damit gerade zu einer konstanten Komponente des Marktes werden kan. Entscheidend ist hier die Signal-Noise-Rate, die für einen erfolgreichen Handel größer als 1 sein muss, und damit wird der Noise innerhalb eines dualen Systems als etwas verstanden, dem ein Informationsgehalt fehlt.

Knouf untersucht eingehend einige künstlerische Projekte, die finanzielle Daten aus finanziellen Bewegungen in Sound übersetzen, wobei Projekte wie rynb noch einen Schritt weiter gehen und das Problem der Sonifizierung der Resonanz und des Feedback in den Mittelpunkt stellen. Es gibt die Resonanz mit verschiedenen Strängen der Noise-Musik und zeitgenössischen sonischen Praktiken, die Daten in Sound transformieren, wobei es auch den informatorischen Noise im digitalen Signal selbst gibt, ein Resultat der Steigerung des mathematischen Chaos durch HFT. Der finanzielle Noise wird durch alle Arten des Feedback, der mimetischen Kräfte und der Antizipationen erzeugt. Flash Sonification von rynb soll den Obskurantismus der heutigen finanziellen Sprachen aufzeigen, die Art und Weise, wie angeblich nutzloser Noise in eine diskursive Sprache übersetzt wird. Gleichzeitig wird die menschliche Perzeption in die Zeitskalen der Algorithmen integriert. Sonic Noise inkludiert die Übersetzung der Daten des Marktes, abstrakt und materiell zugleich, in verschiedene abstrakte Formen, die nicht sofort etwas signifizieren. Das Hören solcher Sounds führt uns nicht zu einem rationalen Verständnis der Finance, vielmehr gibt es uns eher düstere Vorahnungen von den Mechanismen der Finance – High Frequency Pulses, die im Rhythmus des Herzschlags beginnen und schnell so hochgespeeded werden, dass man sie nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Goodman bezeichnet dies als „Bass Materialism“. Noise als Volatilität und Fluktuation ist ein Mittel, um Profite kontinuierlich zu generieren und zu akkumulieren. Die Intersektion zwischen sonischen und informtionellem Noise produziert zum einen vokale Indikationen wie Panik und Furcht, und zum anderen eine dunkle gespensterhafte Cloud, die auf dem Angriff der Daten basiert. Wenn man anstatt die Wall Street anzugreifen, die Datenzentren angriffe, dann benötigt man ein Verständnis dafür, dass die realen physikalischen Manifestationen der Finance heute die klimatisierten Einheiten und Computer der Datenzentren sind.

Abschließend geht Knouf auf einige Aspekte zur gegenwärtigen Akzelerationismus- Diskussion ein. Müssen wir die in den Finanzzentren stattfindenden Prozesse lediglich beschleunigen, wie manche Akzelerationisten annehmen, ein Begriff, den Benjamin Noys im Rekurs auf die Schriften von Deleuze/Guattari, Lyotard und Nick Land ins Spiel gebracht hat. Die Thematik wurde an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert, sodass wir im Falle von Deleuze/Guattari nur darauf verweisen, dass die Autoren ihre im Anti-Ödipus getätigten Aussagen zur Re- und Deterritorialisierung in Tausend Plateaus doch weitgehend relativiert haben, wenn sie etwa schreiben, dass man die deterritorialisierten Ströme nur dann beschleunigen sollte, wenn die Umstände es verlangen, womit sie nicht eine ultimative Beschleunigung favorisieren, sondern eher eine pragmatische Aussage treffen. Benjamin Noys glaubt, dass sowohl Deleuze/Guattari als auch Lyotard ihre relativierenden Bemerkungen zur Akzeleration deswegen vorgenommen haben, weil sie bemerkten, dass ihre früheren Positionen den kapitalistischen Geldströmungen kongruent wurden. Noys sieht im Akzelerationismus die Fantasie einer leichten Integration von Maschinen, Menschen und Kapital, wobei die Misere in eine neue jouissance transformiert wird. Knouf fügt dem als Kritik hinzu, dass es problematisch erscheine, dass allein diese Fantasie als Richtlinie für zukünftiges politische Aktionen dienen soll.

Snirzek/Williams teilen die Freude Nick Lands, vom Kapital konsumiert zu werden, nicht und fordern aus der linken Perspektive die kybernetische Vollautomation, das bedingungslose Grundeinkommen und die Verkürzung der Arbeitszeit. Aber die prometheische Politik der Herrschaft über die Technologie übersieht die Eigenheiten der Maschinen und den positiven Umgang mit den Maschinen. Die Art und Weise wie die Maschinen als Strategeme unabhängig von ihren Kreatoren arbeiten, wird völlig verkannt, sodass auch nicht verstanden werden kann, wie der Nexus zwischen Maschinen, Kapital und Menschen wirklich funktioniert, die Basis für neue Konfigurationen, die nichts mit einer Herrschaft über Maschinen zu tun haben. Hans-Dieter Bahr fordert zu einem anderen Umgang mit den Maschinen auf, wenn er von den Strategemen als Wirkungen »des Experimentellen schlechthin, als Versuch und Versuchtwerden« spricht, und dies weder in einem unendlichen noch in einem endlichen, sondern in einem indefiniten Feld, einem «campus indefinitum«. An dieser Stelle fordert Bahr zudem eine »Archäographie« ein, die sich dem Problem des »Überdeutlichen, des Undeutlichen, der Andeutung und der Überdeutung« stellt, um dem philosophischen Zirkel der Abbildung, Reflexion und Repräsentation zwischen Realität und Diskurs zu entkommen. Bahrs Labyrinth der Monumente, der Mannigfaltigkeiten von zeitlichen Funktionen, lässt sich auch hier in eine gewisse theoretische Nähe zu Laruelles fraktaler Unbestimmtheitskraft bringen, die ganz von sich aus das Gegebene at once unregelmäßig macht, und zwar im Campus indefinitium gemäß dem Realen.

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