Buchpräsentation Ultrablackness of Music: Feindliche Übernahme

Ultrablackness of Music: Feindliche Übernahme
Andrzej Steinbach & Achim Szepanski
Buchpräsentation / Installation
DJ Bleed
Mittwoch 29. März, 19:00 Uhr

In einem parcours de force durchschreitet Achim Szepanski in dem kurzen Text “Ultrablackness in der Musik. Eine Non-Remixologie” Aspekte der elektronischen Musik bei Deleuze/Guattari und François Laruelle, fragt nach den Verbindungen und Verschiebungen zwischen Noise und Rhythmus und nach den Linien, die vom Rhythmus zu einer neuen Politik der Konstruktion und des Hörens von Rhythmus und Sound führen. Diese Politik der perkussiven Verkettung soll aus dem Bann der Uhrzeit herausführen und verdichtet sich in dem Prinzip: and-when-you-hear-in-rhythm-you-are-the-co(s)mic-warrior-with-the-golden-imperative-in-the-last-instance: tic-toc – fuck the clock. Der Term »Rhythmacht« eröffnet eine neue experimentelle Methode der rhythmischen Produktion, allerdings ist die potenzielle Virtuosität des Perkussions-Gräuschapparats längst ins Innere der Maschinen (Software und Hardware) gewandert.

Und dem akzelerierenden Kapital ist es längst gelungen, Körper und Hirn noch viel effektiver als die Breakbeat-Science in Panik zu versetzen, um das verteilte Körper-Hirn der Überspasmisierung auszusetzen, die jedoch immer eine gute Schwingung beibehalten soll, … aber, indem Körper und Hirn von den angeblich guten Schwingungen unaufhörlich invadiert, dividuiert und bedröhnt/berieselt werden, bis die Dividuen förmlich überschnappen und deshalb wiederum überwacht und überdosiert werden müssen, implodiert der Körper in sein eigenes Multisensorium und explodiert zugleich als verteiltes Hirn.

Kunstwerke sind heute Finanzanlagen, die ähnlich wie Derivate funktionieren.Der erwartete Gewinn erzeugt die Mittel, mit denen man ihn erzeugt. Dabei kann die Differenz zwischen der erwarteten Zukunft und der Zukunft, die real eintritt, nicht aufgehoben, sie kann nur bewirtschaftet werden.

In der Techno-Musik werden die derivativen Prozesse auf einem monetär meist niedrigen Level durch die praktisch gelebte Ideologie der Kreativität vorangetrieben. In einer Zeit, in der in der Tendenz alle Aspekte des Lebens quantifiziert, gemessen und spekulativ gehandelt werden, erlangt der nebulöse Term »Kreativität« eine überragende Aktualität Die technoide Musikproduktion scheint ganz auf Innovation ausgerichtet zu sein, wobei von den Akteuren ständig Kreativität, die den Willen zum Wandel impliziert, eingefordert wird. Der Absatz der Musik-Waren soll gerade durch die kreative Erzeugung von Differenz im Wettbewerb gewährleistet werden, aber gerade der über den Wettbewerb sich durchsetzende ökonomische Zwang zur profitablen Produktion führt durch die Differenz hindurch zur Reproduktion bestimmter Mechanismen der Standardisierung, die den organisierten Trend, der das Neue als Markenzeichen setzt, konterkarieren, um wiederum die Kreativität als dominanten Trend anzuschieben. Man müsste nun von so etwas wie einer Versität (Gleichmachung) sprechen, einer Inversion und Mutation der Diversität. Sie meint nicht die Eliminierung von Differenz bzw. der sozial-kulturellen Differenzierung, ganz im Gegenteil benutzt Versität die Differenz als ihr reales Substrat, um bestimmte standardisierte Organisationssysteme zu generieren. Ständig werden neue Ordnungssysteme und Machttechnologien generiert, welche die Differenzen absorbieren oder modulieren.

Dies alles führt zur Überdosierung: Die Kulturindustrie berieselt und enerviert zugleich das erregte und zugleich erschöpfte Nervensystem, lässt die Leute hören, bis sie selbst immer öfter hören wollen, und sie würden am liebsten noch viel mehr hören. Was nicht bedeutet, dass sie einen Geschmack hätten oder an die Bedeutung der Musik glauben würden – ganz im Gegenteil kommt darin das Verlangen nach einer Hör-Verfressenheit zum Ausdruck: Das Musiksystem wird in gefräßiger und exkrementeller Weise verschlungen und verdaut. Man entledigt sich seinem durch einen Exzess (nicht durch Ablehnung, sondern durch eine Verdauungsstörung) – das ganze System wird in einen riesigen weißen Musik-Wanst umgewandelt.

Anstatt aber gemäß diesen Prozessen in der Welt zu sei, fordert die Non-Musikologie ein radikales Sein-in-der-Musik. Indem die Musik radikal immanent zu sich selbst prozessiert, wird sie politisch. Als solche ist sie erst fähig, sich im und mit dem Außen zu treffen (nicht zu verbinden). Underground Ressistance sagen irgendwo, Verschwinden sei unsere Zukunft, und damit sollte die Black Power unsichtbar sein, nicht identifizierbar, verborgen, unkenntlich und nicht öffentlich. Die Non-Musikologie fordert keineswegs eine neue Musikologie, sondern eine generische Wissenschaft der Musik, oder, um es anders zu sagen, eine Häresie oder eine Fiktion im Angesicht der Musik. Musik-Fiktion ist radikale Objektivität und ihre Ultrablackness verweist darauf, weiterzumachen, die Suche jenseits des Schwarzen nie aufzugeben, das Ultraschwarze des Schwarzen suchen – während die schwarze Musikbox hyper-spielt und/oder still ist.

Achim Szepanski ist ein deutscher Schriftsteller, Musiker und Gründer von das Techno-Label Force Inc. und weitere Sublabels wie Mille Plateaux oder Ritornell.

Andrzej Steinbach absolvierte 2013 sein Diplom an der HGB Leipzig, seit 2015 ist er dort Meisterschüler bei Prof. Heidi Specker.

Ultrablack of Music: Feindliche Übernahme

Andrzej Steinbach und Achim Szepanski

Spector Books

ISBN: 978-3-95905-138-5

Auflage: 1 (15. März 2017)

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