Das Kapital des 21. Jahrhunderts – Zweite Notiz

Schon für Marx besteht eine wichtige Konsequenz, die sich aus der Extraktion des Mehrwerts in der Warenproduktion ergibt, darin, den Mehrwert in das zu transformieren, was wir heute ein Asset nennen. Das Asset ist ein Mittel, mit dem der Mehrwert einerseits bewahrt und andererseits akkumuliert werden kann. Wenn das nicht so wäre, würde dieser erst gar nicht produziert werden. Deswegen hat Marx sein Buch auch „Kapital“ und nicht „Ware“ genannt. Die frühe kapitalistische Produktion, sowohl in ihrer abstrakten Form als auch als eine historische Formation, impliziert Aktivitäten, die zunächst von Produzenten getätigt werden, die keine Eigentümerschaft über die Produktionsmittel und auch keine Kontrolle über die Arbeitskräfte besitzen. Eine Farmer konnte sich beispielsweise Land vom Feudaladel mieten und Geld leihen, um damit Samen zu kaufen, wobei er für diesen zahlte, wenn die zukünftige Ernte als Sicherheit für die Schulden dienen konnte. Die zukünftige Ernte war somit ein potenzielles Pfand, bevor sie überhaupt zu einer Ware transformierte. Es wurden also mit der Herstellung des Konsumprodukts zugleich zwei finanzielle Produkte – die Schulden und die Sicherheit – kreiert. Wenn ein Kapitalist in späteren historischen Phasen schließlich die Produktionsmittel sich aneignete, dann nur, insofern sie als Mittel fungierten, um den Mehrwert, der in  denvorherigen Zeitperioden von den Arbeitern geschaffen wurde, zu bewahren und zu akkumulieren. Die Funktionsweise der Produktionsgüter bestand nicht nur darin, als  Mittel zur Produktion des Mehrwerts zu fungieren, sondern sie verkörperten gleichzeitig finanzielle Assets, die als Sicherheit für die Aufnahme von zukünftigen Schulden dienten und damit zugleich als Material für das Kreation von neuen finanziellen Produkten gelten konnten.

Der Fakt, dass finanzielle Produkte nicht nur Instrumente der Zirkulation, sondern auch Mittel für die Akkumulation realen Reichtums sind, ist das Problem, das Marx an dieser Stelle adressiert, wobei er zudem zu erklären versucht, wie der Kapitalismus in einer spezifischen historischen Situation entsteht. Es muss dabei immer auch gezeigt werden, welche Rolle die Finanzmärkte für das Kapital haben und zwar zunächst für die laufende Reproduktion der Warenmärkte. Heute ist das Kapital aber ein System, dessen akkumulierter realer Reichtum ganz von der Organisation der Liquidität der Finanzmärkte abhängig ist, an denen die finanziellen Assets unabhängig vom Output der Gebrauchsgüter und über deren Wachstumsraten hinaus wachsen können. Die kapitalistische Produktion muss je schon finanziert werden und die Tatsache, dass die Asset-Märkte schneller wachsen als der materielle Output der Industrieproduktion ist eine logische Konsequenz der Kapitalisierung, zugleich aber auch immer an historische Bedingungen gebunden.

Marx hat die finanziellen Instrumente meistens der Zirkulationssphäre zugeordnet und ihre Funktion getrennt von der Funktionsweise der physikalischen Produktionsmittel analysiert, die den vergangenen Reichtum aufbewahren und zugleich eine zukünftige Nachfrage nach produzierten Gütern ermöglichen. Bei Marx scheint es, wenn es um den Wert geht (analog zur Energie und Materie), eine Art Erhaltungsprinzip zu geben, wobei das Wachstum des real akkumulierten Reichtums nie größer sein kann als die Profite, die durch die totale Beschäftigung in der Industrieproduktion in einer gegebenen Periode produziert werden (multipliziert mit der Ausbeutungsrate/Mehrwertrate, die durch die Investmentrate diskontiert wird), sodass jede Duplizierung oder Multiplizierung des Werts des physischen Kapitals in Form der finanziellen Instrumente als rein fiktiver Reichtum gelten muss. Für Marx kann das reale Wachstum also niemals größer als der industriell produzierte Profit sein. Dies alles kann aber heute nicht mehr nicht für Finanzinstrumente gelten, deren Liquidität die jederzeitige Konvertibilität in Geld impliziert, ohne dass sie selbst Geld sind, und die selbst Finanzierungsmittel sind, um Investitionen in Gang zu setzen.

Marx nimmt den Arbeiter, wenn er in den Arbeitsmarkt eintritt, als kreditunwürdig und schuldenfrei an, und gerade dies macht ihn zum rein Lohnabhängigen, das heißt auch, dass er seine Subsistenzmittel ausschließlich aus dem Lohn generieren muss: Lohnarbeit ist für Marx eine soziale Relation, bei der die Arbeiter nach Erhalt des Lohns das Geld sofort für Waren ausgeben muss, welches dadurch nicht als ein Asset fungieren kann, das den Wert bewahren kann – weder für ihn noch für den Verkäufer. Aber die Frage, die sich hier stellt, ist Folgende: Wie kann das Kapital die Konsumtion der Arbeiterklasse überhaupt garantieren, wenn es gleichzeitig die Akkumulation des Kapitals immer weiter beschleunigen muss? Manchmal scheint es, um dieses Ziel erreichen, doch viel adäquater, wenn die Lohnarbeiter sich stetig verschulden. Die Reproduktion der Arbeitskraft läuft heute längst nicht mehr allein über den Lohn allein, sondern auch über Finanzinstrumente wie Konsumentenkredite, Studentendarlehen, Hypothekarkredite, Versicherungen etc. Heute wird ein immer größerer Teil des Konsumkorbs der Lohanabhängigen dazu benutzt finanzielle Produkte zu kaufen, man denke an Krankenversicherungen und  Immobilienkredite, wobei diese Produkte wiederum dazu dienen, neue finanzielle Instrumente zu kreieren, die als Vehikel zur Akkumulation weiteren Reichtums fungieren. Und selbst das Prekariat, ganz zu schwiegen von der Surplusbevölkerung, ist heute neben dem Lohn auf andere finanzielle Fonds angewiesen, um überhaupt überleben zu können. Die Surplusbevölkerung ist  vom Verkauf ihrer Arbeitskraft als dem alleinigen Mittel die Subsistenz zu sichern ausgeschlossen und sie partizipiert von finanziellen Mitteln, die in nicht-lohnababhängigen oder staatlichen Sektoren generiert werden.Für Marx war es gemäß des “Absolute General Law of Capitalist Accumulation” ganz klar, dass in der letzten Konsequenz der Kapitalakkumulation zu einer riesigen Surplusbevölkerung führt. Die lohnabhängigen Arbeiter erhalten dagegen in der Regel von den Kapitalisten ausreichende Löhne, um zumindest ihre Subsistenz zu sichern und effektive Nachfrage für die Massenprodukte des Konsums zu generieren, was im Fordismus tatsächlich auch im Durchschnitt der Fall war. Heute jedoch ist in vielen Fällen der Lohn nur noch ein Teil, um die Reproduktionsmittel zu kaufen, sodass es nun verschiedener finanzieller Produkte bedarf, um den Konsum der privaten Haushalte zu sichern und ihre Angehörigen gegen Krankheit, Alter etc abzusichern. Diese Möglichkeiten bleiben aber unsicher – sie müssen deswegen gehedgt  und damit finanziert werden, und dies angesichts dessen, dass ihre Zeitlinien und ihre Kosten bezüglich zukünftiger Ereignisse kontingent bleiben.

Marx` Argument hinsichtlich des Reproduktionszyklus des Kapitals ist, dass die Produktion von Waren und Dienstleistungen, die durch Lohnarbeit generiert werden, parallel eine Nachfrage der Investoren kreiert, und zwar nach finanziellen Mitteln, die der Erhaltung und der Akkumulation des Mehrwerts dienen und im selben Prozess der Herstellung von Waren und Dienstleistungen produziert werden. Die Produktion der Waren muss heute mit der Produktion und der Akkumulation der Werte der Assets zwangsläufig verbunden sein. Marx bedenkt an dieser Stelle schon die Unterscheidung zwischen Assets, die Wert erhalten und/oder liquide bleiben, und den Konsumwaren und Dienstleistungen, deren Wert mit dem Gebrauch verschwindet und die damit auch als Investments illiquide oder wertlos werden.

Wir stellen nun hinsichtlich der Funktionsweisen der Finance folgende Frage: Welche neuen Typen von finanziellen Assets müssen heute entstehen, um die kapitalistische Reproduktion zu sichern und zu erweitern, und wie kann das variierende Verhältnis zwischen den Asset-Märkten und den Konsumgütermärkten gleichzeitig eine neue Bewegung für soziale Konflikte hervorbringen? Marx sieht sehr früh schon im Kapital Bd. 1, dass diese neuen Typen von finanziellen Assets, die zum Zweck der Beschleunigung der Kapitalakkumulation benutzt werden, vom Geld zu unterscheiden sind, das bis heute eben das wichtigste finanzielle Produkt bleibt. Die allgemeine Formel des Kapitals kann für Marx nicht einfach G-G` sein, Geld, das zu MehrGeld führt, sondern es muss zunächst, um den realen Reichtum erzeugen zu können, ein monetäres Investment in ein Asset geben, das anders als nur als Geld im Warentausch funktioniert. Marx sieht zudem genau, dass der neue Wert qua Lohnarbeit produziert wird, der wiederum die Funktion besitzt, die effektive Nachfrage für die von den Arbeitern produzierten Güter zu steigern. Marx ist allerdings weniger bekannt für das Argument, dass der Mehrwert erhalten und akkumuliert wird, indem Produktionsmittel gekauft werden, die nicht nur als Mittel (konstantes Kapital) dienen, um in der Produktion den materiellen Output zu erhöhen, sondern die auch als Assets fungieren, welche wiederum als ein Hedge gegen die Gefahr dienen, dass das Geld, das im letzten Zyklus der Produktion kreiert wurde, nur gespart oder gehortet wird. Der Kauf der Produktionsgüter (konstantes Kapital) stellt eine partielle Lösung für das Problem dar, wie der Reichtum erhalten und akkumuliert werden kann, ohne das Geld zu horten. Das Konzept des konstanten Kapitals, hier begriffen als ein relativ liquides Asset, das seinen Wert bewahrt, indem es austauschbar gegen Geld ist, ist essenziell für die Marx`sche Einsicht, dass die kapitalistische Produktion finanziert und der aus ihr resultierende Surplus in neue Produktionsmittel reinvestiert werden muss.

Die Produktion von finanziellen Instrumenten ist definitiv eine Alternative zum Halten oder Sparen des Geldes zu begreifen, und zwar als finanzielle Mittel, den realen Reichtum zu erhalten und zu akkumulieren. Für einen finanziellen Investor bedeutet dies, dass der Kauf von finanziellen Assets als eine Version der Formel G-W-G` mit der Formel G-G` verglichen werden muss – erstere als eine Strategie des Hedgens des Werts begriffen. In der Formel G-W-G` gibt es nämlich zwei Substitute für W (Ware), nämlich das Geldkapital, das in die Löhne investiert wird, und das Kapital, das in die Produktionsgüter investiert wird, die, und das ist der springende Punkt, zum einen als Produktionsmittel, zum anderen als mehr oder weniger liquide Sicherheiten fungieren, die benutzt werden, um Cash zu generieren. Das Konzept der Securization zeigt uns deutlich, wie heute die Produktion im Allgemeinen finanziert wird. Es gibt hier hinsichtlich der Kapitalisierung einen Flow der Finanzierung und der Versicherung zu vermelden, mit denen die Liquidität, die der Produktion und Zirkulation von Waren dient, garantiert sowie die Kreation des Werts hergestellt wird, wobei die Relation zwischen der Liquidität und dem Wert durch die Marktpreise garantiert wird, sodass Werte definitiv nicht in Preise transformiert werden müssen.

Am nächsten kommt Marx dem Problem der Darstellung der Relation zwischen Warenproduktion und der Produktion von Assets in seiner Analyse der relativen Mehrwertproduktion im Kapital Bd.1. Der relative Mehrwert basiert nicht auf der Frage der notwendigen abstrakten sozialen Arbeitszeit, sondern, wenn es um das Finanzsystem geht, auf deren erster Maxime, dem Gesetz des einen einheitlichen Preises. Diese besagt, dass zwei identische Wareneinheiten unabhängig von den jeweiligen Kosten der Unternehmen zum selben Preis verkauft werden sollten, was immer die Formen der Produktion sind, bei denen Rohmaterialien mit Hilfe von Maschinen und Arbeitskräften in fertige Produkte verwandelt werden. Dies gibt dem Unternehmen eine positive Arbitrage-Möglichkeit hinsichtlich seines Investments in Produktionsmittel, wenn es denn in der Lage ist, mehr Wareneinheiten in derselben Arbeitszeit produzieren zu lassen als die Konkurrenten. Die Kreation der Arbitrage via der effektiveren Transformation des Rohmaterials (ein Teil des konstanten Kapitals) ist Teil der Erhöhung der Produktivität durch das Investment in neue Maschinen (ein anderer Teil des konstanten Kapitals). Der Extramehrwert wird hier nicht durch die Anstellung neuer Arbeiter oder durch  Arbeitsintensivierung generiert, sondern dadurch, dass das fertige Produkt zu einem niedrigeren Preis per Einheit als das Produkt der Konkurrenz verkauft werden kann. Diese Akkumulation des Reichtums durch die relative Mehrwertproduktion ist ganz real und materiell, auch wenn sie von der Arbitrage bezüglich des konstanten Kapitals herrührt, und eben nicht vom absoluten Mehrwert, der einer Erhöhung der Arbeitszeit oder einer wachsende Zahl von Jobs entspricht. Das Marx`sche Argument hinsichtlich der Effekte der relativen Mehrwertproduktion (bezogen auf die Rate zwischen Rohmaterial; Maschinen und Arbeitskosten; die organische Zusammensetzung des Kapitals) ist keineswegs spekulativ, insofern es stets auf die Möglichkeit bezogen bleibt, dass das Endprodukt am Markt realisiert werden muss, was wiederum vom Konsumgütersektor und vom finanziellen Sektor abhängig bleibt, wobei letzterer den ersteren dominiert. Das Marx`sche Konzept der relativen Mehrwertproduktion führt somit zu realer Akkumulation, wobei es in der letzten Instanz die Logik der Finanzialisierung ist, die sich in der relativen Mehrwertproduktion ausdrückt und zum allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation führt. Dieses Gesetz beschreibt die Kreation einer erhöhten Produktionskapazität sowie des konstanten Kapitals bei gleichzeitigem Wachstum der Surplusbevölkerung, die aufgrund des Einsatzes der arbeitssparenden Techniken überhaupt nicht mehr an die Lohnarbeit herangeführt werden kann. Marx sieht ganz deutlich, dass die Produktionsgüter bzw. das konstante Kapital bei der relativen Mehrwertproduktion eine doppelte Aufgabe erfüllen, nämlich als Produktionsmittel und als Mittel der Akkumulation/finanzielle Assets zu fungieren. Die kapitalistischen Investoren werden reicher, indem sie den Spread ausnutzen, der durch die Erhöhung der Produktivität qua Maschinisierung entsteht und zu höheren Rückführungen der Investments führt, die letztendlich nur ausgeführt werden, um die Produktion auf erweiterter Stufenleiter fortzuführen. Ein Parallele zur Finance besteht hier einfach darin, dass die heute massiv expandierende Kreation von Schulden und Kredit eine ähnliche doppelte Funktion hinsichtlich der Assets erfüllt wie die erweiterte Produktion des konstanten Kapitals hinsichtlich der Warenproduktion. Hier sind die Schulden das Rohmaterial, um weitere finanzielle Assets zu produzieren, die das Splitten und Neuverpacken von verschiedenen Aspekten des Risikos involvieren (Zinsratenrisiko, Ausfallrisiko, Währungsrisiko etc.). Die Schulden dienen auch direkt als Vehikel zur Kapitalakkumulation, insofern sie zukünftige Renditeströme konstruieren, die gegenwärtig schon einem Wert besitzen.

Zwei Argumente spielen eine wichtige Rolle in Marx` Darstellung und Kritik der allgemeinen Formel des Kapitals G-W-G`. Neben der absoluten Mehrwertproduktion gibt es eben die relative Mehrwertproduktion, wobei es zuallererst die Finanzialisierung der Produktionsgüter es den Kapitalisten erlaubt, in der Produktion den materiellen Output zu erhöhen, und zwar durch das Investment in Maschinen, Rohstoffe, Energie, Software etc., während sie simultan immer versuchen die Lohnkosten und die Anzahl der Arbeitskräfte zu senken. Das an dieser Stelle zwangsläufig folgende Realisierungsproblem beinhaltet die Frage, wie es überhaupt möglich ist, die produzierten Waren als Preise zu aktualisieren und zu monetarisieren und damit weitere monetäre Fonds zu erzeugen; Marx behandelt das Problem im  Kapital Bd.2, das oft so verstanden wird, als ginge es hier nur um die Frage des Gleichgewichts der Reproduktionsprozesse in den Sektoren der Produktions- und der Konsumgüter. Was Marx aber hier nicht diskutiert, das ist das Verhältnis von Markt und Liquidität. Die potenzielle Möglichkeit, dass Waren nicht realisiert  werden, tritt hier zu Tage und dem folgt, dass keine weiteren monetäre Fonds erzeugt oder in Geld realisiert werden (die Nicht-Realisierung ist allen finanziellen Assets immanent, anders als beim Geld, dessen inneres Geheimnis darin liegt, dass es nicht ausgegeben werden muss). Das Problem der Liquidität wird von Marx dem Horten des Geldes zugerechnet, was Keynes wiederum die erhöhte Liquiditätspräferenz nennt.

Das Realisierungsproblem differiert von anderen finanziellen Bewertungen nur insofern, als die Assets hier auch produzierte Produktionsmittel sind und nicht allein finanzielle Vehikel bzw. Assets der Akkumulation. Insofern diese Assets hier einen Gebrauchswert besitzen, der über die reine Liquidität hinausgeht, sind sie keine rein finanziellen Produkte, deren Gebrauchswert allein darin besteht, in einer differenziell-imannenten Bewegung einen Preis zu realisieren, der Rendite generiert. Die Nicht-Realisierung des Marktpreises für ein Endprodukt resultiert in einem Rückgang der monetären Fonds und einer reduzierten Möglichkeit, die unbenutzten Rohmaterialien und die nicht ausgelastete Maschinerie weiter anzuwenden, um neue, höhere monetäre Fonds zu erzeugen. Was nun Marx nicht wissen konnte, das besteht einfach darin, dass die Realisierung der produzierten Waren durch die Fabrikation von Puts und Calls auf Optionen gehedged werden kann; sie bewahren zumindest den Wert eines Investments in Rohmaterialien und Maschinen während der Zeit, in der sie in Endprodukte transformiert werden. Noch konnte Marx wissen, dass mit der Fabrikation von Optionen in den am Markt doch fluktuierenden Preis eine fertigen Produkts interveniert werden kann. Vor der Black Scholes Formel gab es nämlich keine Technologie zur Fabrikation von Puts und Calls, egal in welcher Quantität sie öglich gewesen wären, um die Nachfrage für diese finanziellen Instrumente zu erzeugen. Die Existenz eines Marktes für Puts und Calls – die kontinuierliche Möglichkeit sie auszupreisen und zu monetarisieren – erzeugt heute genügend Liquidität für den unterliegenden Markt der Konsumgüter, um die Risiken für deren Realisierung immer stärker zu beseitigen. Der Wert wird nun in der Form von finanziellen Assets bewahrt und akkumuliert, indem mit dem Spread, der auf der Relation zwischen dem Marktwert des Assets, wenn es denn liquide bleibt, und dem Liquidationswert des Assets beruht, gedealt wird. Ein voll liquides Asset ist so gut wie Cash und es ist dann auch eine Alternative zum Geldhorten (als ein Behälter von Wert), sodass es so gut wie keine Risiken gibt, das Asset sofort zu seinem Marktpreis zu realisieren. Um ein Asset zu finanzieren, das nicht voll liquide ist, muss dann eine Liquiditätsprämie gezahlt werden, indem man entweder einen Hedge oder indem man eine Sicherheit kauft, die liquider als das Asset selbst ist. Der Liquidationswert des Assets wird wiederum das Cash sein, das man bekommt, wenn man die verpfändete Sicherheit verkauft, und die Liquiditätsprämie wird das Ausmaß reflektieren, mit dem der ursprüngliche Wert der Sicherheit den Wert des finanziellen Assets, das benutzt wurde, um es abzusichern, übersteigt.

Die  G-W-G` Formel beschreibt W nun auch als ein Portfolio, das aus Schulden und Equity sowie aus Puts und Calls besteht. Diese sind anders als das Geld reine finanzielle Produkte und deren Relation kann statistisch in einem finanziellen Formular angeschrieben werden, das die Parität von Schulden und Equity in den Termen beschreibt, die wiederum auf die Parität von Puts und Calls bezogen sind.

Stock + Put=Call + Debt

Es handelt sich hier um eine simple Identität, die besagt, dass, wenn man einen Stock und einen Put besitzt, der eine Absicherung nach unten gibt, man dann einen Return auf ein Investment replizieren kann, der äquivalent einem Call ist, der eine Partizipation nach oben gibt, und zwar auf den Stock plus dem gegenwärtigen Wert eines Kredits, der einen Wert hat, der gleich dem gegenwärtigen Stockprice ist. Die Marktliquidität ist das Resultat der Möglichkeit zur Fabrikation all dieser Elemente, wobei das Auspreisen eines jeden Elements von der Existenz der Märkte abhängt, in denen all die anderen Elemente fungieren.

So muss der Mittelterm der Formel G-W-G` nicht einfach nur als Ware, die im Produktionsprozess produktiv angewandt wird, sondern auch als ein gehedgtes Portfolio begriffen werden, das als Kapital ausgepreist wird. Es ist ganz einsichtig, dass bei großen Konzernen wie etwa General Motors die Produktionsgüter auch Teil des eigenen Portfolios sein können, das natürlich auch Anleihen oder Optionenauf sie  enthält. Randy Martin registriert an dieser Stelle einen Shift von G-W-G` zu G-D-G`, wobei D für das Derivat steht, das nun gleich der Ware Teil des Kapitals ist und die Selbstbewegung des Kapitals auch antreibt. (Ebd.: 3347) So kann beispielsweise ein Unternehmen durch den Kauf von Optionen auf einen Rohstoff, den es für seine Produktionsprozesse benötigt, seine eigene Kreditwürdigkeit, die durch das Risiko steigender Rohstoffpreise beeinträchtigt wird, wiederum steigern. Gleichzeitig werden die Operationen einer ganzen Reihe weiterer Akteure vom Kursindex dieses Rohstoffes beeinflusst. Dabei werden Risiken transferiert, dupliziert und in andere Räume verschoben.

Warengüter besitzen keine Liquidität, insofern in ihnen keine ökonomisch verwertbaren Optionen verkörpert sind. Deshalb kann der Lohnarbeiter auch nicht investieren, wenn er sein Geld für den Konsum ausgibt, und deshalb muss er kontinuierlich zum Arbeitsmarkt gehen, um das Geld für seine Konsumtion zu verdienen. Jede Ware, außer den Konsumgütern, besitzt aber Liquidität und muss als ein Vehikel für die Bewahrung und die Akkumulation des Kapitals verstanden werden. Zudem sind finanzielle Produkte wie  Krankenversicherungen, Pensionsfonds und Studentendarlehen  heute Teil der Lebenskosten eines Haushalts – aber anstatt sie als ein Investment in das Humankapital zu begreifen, sollte man sie eher als ein Art Steuer verstehen, die man dem finanziellen Kapital zahlt. Diese finanziellen Produkte machen heute auch einen immer größeren Teil des Konsumkorbs aus. Und manche nicht-finanziellen Produkte wie Kleidung und Nahrungsmittel werden heute vermarktet, als ob der Konsument mit ihnen eine finanzielle Option auf ein besseres Leben kaufen würde.

Der Preis eines gehedgten Portfolios wäre von der finanziellen Seite der Produktion aus gesehen das Gegenstück zum Auspreisen der Waren – von der reinen Produktionsseite aus gesehen. Die Möglichkeit des Hedgens ist genau das, was den akkumulierten Reichtum bewahrt, indem verhindert wird, dass er außerhalb eines bestimmten Rahmens in einer gegebenen Periode fluktuiert. Der Hedge, der ein vermarktbarer Vertrag ist, hat keinen Gebrauchswert außer seinem Tauschwert. Es muss weiter zwischen der Preisstabilität der Waren und dder finanziellen Produkte (als Vehikel der realen Kapitalakkumulation) unterschieden werden. Selbst wenn die Profite, die durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte entstehen, fallen, so können die Rückflüsse auf das Kapital durch einen wachsenden Markt für Finanzprodukte steigen.

Die Essenz der Marx`schen Kritik des Mysteriums des Mehrwerts G-W-G` besteht also darin, dass es eine finanzielle Liquidität geben muss, um die Kreation von Wert zu fundieren, und dies selbst noch im technischen Sinne. Die finanzielle Liquidität ist keine positive Externalität, sondern sie entsteht mit dem Preis. Der Preis der Liquidität wird wiederum durch die Kapitalmärkte gegeben, die die Liquidität erzeugen, indem sie den Marktteilnehmern einen Zuschlag zahlen, wenn sie das Risiko austarieren, dass ein relativ illiquides Investment nicht direkt monetarisiert bzw.  nicht sofort in Geld umgewandelt oder vielleicht überhaupt realisert werden kann. Das Risiko der Illiquidität wird an den Finanzmärkten gehedgt, indem sie den Derivaten, das Liquidität besitzt, einen Preis zuordnen.

 

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