Der Imperialismus heute – Vor dem 4. Weltkrieg

Die Dinge im Ofen der imperialistischen Rivalitäten wärmen sich zunehmend auf und nicht nur mehr nur an den Randzonen des imperialistischen Systems. Vielfach wurde in linken Analysen in der letzten Zeit von der Krise des Neoliberalismus, womit die Krise des imperalistischen Systemes gemeint ist, und von einer Rückkehr zum Nationalismus und Protektionismus gesprochen. Bevor man dem allzu schell zustimmt, sollte man sich vergegenwärtigen, wie  der heutige Weltmarkt und das ihn konstituierende imperialistische System funktioniert, wer die Player auf der ökonomischen Ebene sind, um dann in einem nächsten Schritt zur politischen Analyse vorzudringen.

Deleuze/Guattari schreiben: “Hier (nach dem zweiten Weltkrieg) kam es zur Umkehrung der Formel von Clausewitz: Die Politik wird zur Fortsetzung des Krieges, der Frieden löst technisch den grenzenlosen materiellen Prozess des totalen Krieges aus. Der Krieg hört auf, eine Materialisierung der Kriegsmaschine zu sein, die Kriegsmaschine wird selbst zum materialisierten Krieg. In diesem Sinne ist Faschismus gar nicht mehr nötig. Die Faschisten sind nur kindliche Vorläufer gewesen, und der absolute Frieden hatte den Erfolg, dass der totale Krieg gescheitert war. Wir befanden uns bereits im Dritten Weltkrieg.” Entscheidend für den Übergang in die nächste Periode des Kapitalismus war dann die globale Digitalisierung der Kriegsmaschine, die damit zur permanenten virtuellen TODESMASCHINE wurde. Die digitale Kartographisierung der Kriegsschauplätze in Echtzeit, ja der ganzen Welt, der Einsatz der Flugdrohnen, der Krieg am Bildschirm, bei dem zeitgleich der Blick in das umgebende Territorium und auf den Bildschirm mit Informationen gerichtet wird, bezeugen jene postmoderne Kriegsmaschine, die nun direkt an die Axiomatik des globalen Finanzkapitals gekoppelt ist, ja ihm untergeordnet wird.

Die Finanzkapitalmärkte werden zu Cybermärkten. Die Axiomatik des Kreditgeldes inhäriert, dass in der Gegenwart mit der Ungewissheit der Zukunft gehandelt wird, wobei die Kapital- und Kreditgeldströme wiederum regulative Instanzen der Reterritoralisierung benötigen, den Staat und die Zentralbanken. Allerdings sind es nicht die Finanzkapital- und Finanzderivatströme, die legitim oder illegitim (virtuelle) Grenzen überschreiten, um diesseits der Grenze vom Staat wieder eingebunden zu wer­den, sondern die Grenze selbst wird durch die Strategemisierung der Axiomatiken sowohl der Kapital- als auch der (immateriellen) Arbeitsströme als stets vorgeschobene Relation aufgeschoben. Das imaginäre Zentrum des Kapitals war nie etwas anderes als die vielen Knotenpunkte von Ver­dich­tung, die weniger denn je der symbolischen Rahmung durch den Staat bedürfen, sondern im Ge­gen­teil als symbolische und spekulative Managements selbst ge­währ­leisten, dass Anschlussfähigkeit immer durch die Deterritorialisierung der Kapitalströme hindurch in der zu kalkulierenden Zeit erfolgt. Es ist der Unfall, der digitale Tippfehler und die Störung, jene “Friktionen”, von denen Clausewitz spricht, welche die Konkurrenz zwischen den Finanzkapitalen unaufhörlich vorantreibt. Gegenwärtige Zukünfte und künftige Gegenwarten sind niemals deckungsgleich, d.h. sobald eine künftige Gegenwart aktuell wird, aktualisiert sich auch der Unterschied zu jener Zukunft, auf die man spekuliert hat und deren Potenziale man einstmals genutzt hat, und so kehren im Medium eines maschinellen u-topos stets andere Zukünfte als die erwarteten in die Gegenwart zurück. Finanztransaktionen sind also immer in kybernetische Feedbacksysteme integriert, die als abstrakte Maschinen, sofern sie binäre Maschinen dirigieren, Erwartungen von Erwartungen erzeugen, Information, Kompentenz und Kenntnisse, welche von wissenschaftlichen Diskurssystemen extrahiert und akkumuliert werden. Die Materialisierung der digitalen Kriegsmaschine erfolgt zeitgleich mit dem Entstehen der Risikokapitalmärkte; es ist die wahrscheinliche Maschine, die prinzipiell unberechenbare Effekte produziert, und zwar nicht im negativen Sinne des Nichtfunktionierens oder der Störung, sondern im postiven Sinne der Hervorbringung von Wirkungen, die auch mit kybernetischen Feedbacksystemen nicht zu 100% berechenbar sind, womit je der Toleranzgrad zu bestimmen ist, in welchem Maschinen abzuschalten sind, ehe sie sich als Zerstörungsmaschine andere Geltung verschaffen. Tschernobyl. Japan etc. dokumentieren, dass die Kriegsmaschine von der zivilen Maschine nicht mehr zu trennen ist. Der Krieg wird zum Cyberkrieg, die Kriegsmaschine zur kybernetischen Cybermaschine, von denen die Staaten nur Teile sind.

Und die Staaten müssen den Finanzkapitalen helfen, um den Staatsbankrott zu verhindern. Dafür bekommen sie keinerlei Gegenleistungen, wofür sie den Wirtschaftskrieg gegen die eigene Bevölkerung forcieren müssen. Die Realtimevernetzung der globalen Finanzmärkte verunmöglicht den Einsatz von internationalen Kontrollorganisationen, im Gegenteil sie schafft einen militärisch-finanziellen Komplex, in dem kriegsfähige Staaten, Finanzkapital und Kriegsmaschine eine derart unheilvolle Allianz eingehen, dass der Sicherheitsbegriff des 3. Weltkrieges, der die molekularisierte, programmierte Katastrophe ergab, durch den Begriff des permanent präventiv zu kalkulierenden und kontrollierenden Unfalls ersetzt wird. Zu diskutieren wird sein, welche Auswirkungen gemäß den Anforderungen der neuen Axiomatik das in geoökonomischer Hinsicht, der wissenschaftlich-digitalen Kapitalisierung, der macht- und wirtschaftlichen Verhältnisse haben wird.

 

Imperialismus

 

Das finanzielle Kapital und die Finanzmärkte nahmen schon im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine immer bedeutendere Rolle in der Weltökonomie ein. Die ständige Beobachtung der Aktien- und Devisenkurse sowie der Anleiherenditen auf internationaler Ebene wurde für die Unternehmen und Staaten mit der Zeit immer wichtiger. Heute konzentriert sich der nach wie vor auch lokal und territorial praktizierte Handel von fiktivem Kapital, obgleich es doch in Lichtgeschwindigkeit in digitalisierten Infrastrukturen um den Globus rast, vornehmlich an den großen Finanzplätzen wie New York, Chicago, Hongkong, Shanghai, Frankfurt, Paris, Tokyo und London. Mit der Finanzierung des internationalen Warenhandels, des Ex- und Imports von Kapital, der Expansion des Wertpapier- und Derivatehandels und des globalen Devisenhandels schaffen die großen privaten Banken für sich und ihre Kunden immer wieder neue Ressourcen zur Vermehrung des Geldkapitals.

In den letzten Jahren wurde auch die Debatte um den Begriff des Imperialismus wieder aufgenommen, allerdings in einem ganz anderen Sinn, als Lenin oder Hilferding den Imperialismus des zwanzigsten Jahrhunderts noch diskutiert hatten. Tony Norfield fasst seine eigene, an der Aktualität der Mechanismen des heutigen Weltmarktes orientierte Imperialismusdefinition in seinem Buch The City folgendermaßen zusammen: Eine kleine Anzahl von Staaten bildet heute eine hierarchische Allianz auf dem Weltmarkt, der zugleich mittels der multinationalen Unternehmen, die große Mengen an Waren, Dienstleistungen, Kapital und finanziellen Serviceleistungen kapitalisieren, konstituiert wird. Die ökonomischen Machtzentren am Weltmarkt beruhen also auf einem komplexen Zusammenspiel zwischen den imperialistischen Staaten, die aufgrund der Bereitstellung materieller und sozialer Infrastrukturen die Ausgangsplattformen für das entwickelte Kapital sind, und den großen transnationalen Unternehmen, deren Geldkapital ständig rund um den Globus fließt. Dabei sind die ökonomischen Machtverhältnisse zwischen den führenden kapitalistischen Ökonomien streng hierarchisiert, wobei sich aber die relative Macht der einzelnen Länder und ihrer Ökonomien immer verschieben kann. Daraus folgt eine Aufteilung der Welt, die auf der expansiven Ausübung der Macht der großen Unternehmen und ihrer Staaten beruht. (Norfield 2016: Kindle-Edition 189f) Die führenden imperialistischen Staaten müssen eine gewisse ökonomische Größenordnung erreichen, damit eine hohe Konzentration des Kapitals und ein entwickelter und differenzierter Arbeitsmarkt im eigenen Land sowie der günstige Zugang zu den ökonomischen Ressourcen an den Weltmärkten und bis zu einem gewissen Maß auch die Kontrolle über die internationalen Kapitalströme möglich wird.

Die führende hegemoniale Macht im internationalen geo-ökonomischen und geo-politischen Vergleich stellt vor allem aufgrund ihrer militärischen Stärke und der Leitwährung Dollar immer noch die USA dar. Norfield nennt hier ganz konkret fünf Kriterien, die für die ökonomische und politische Machtposition eines Landes auf dem Weltmarkt ausschlaggebend sind: 1) Die Größe der Ökonomie eines Landes (eine annähernde Kennzahl ist das BIP). 2) Die Menge an fremden Vermögenswerten, über die eine Nation verfügt. 3) Die internationale Macht des eigenen Bankensektors. 4) Der Status der eigenen Währung als international gültiges Zahlungsmittel. 5) Die Höhe der Militärausgaben. (Ebd.: 1960ff.)

Die polit-ökonomische Machtposition eines Landes auf dem Weltmarkt kann schließlich nur dann festgestellt werden, wenn man dessen Beziehungen zu anderen Ländern berücksichtigt. Norfield kommt zu dem Schluss, dass heute zwanzig Länder insbesondere aufgrund der Stärke ihrer Ökonomien wichtige und führende Stellungen am Weltmarkt einnehmen, wobei die USA bei vier der fünf oben angegebenen Kriterien die führende Position innehaben und lediglich bezüglich der Größe des internationalen Bankenwesens und seiner Dienstleistungen (Interbankenhandel) werden sie von Großbritannien mit seinem Finanzplatz London übertroffen. Großbritannien liegt aufgrund der hohen Anzahl von Banken und Direktinvestitionen, die sich auf ausländische Vermögen beziehen, auf Platz 2 noch vor Deutschland (Platz4), das als die führende politische Macht in Europa gilt. China nimmt als der führende »emerging market«, der von den westlichen Industrieländern unbedingt ernst genommen werden muss, den dritten Platz ein. (Ebd.; Position 2060) Am Ende der Skala befinden sich die sog. Rohstoffländer, die vor allem als Lieferanten von billigen Rohstoffen, Energien, Lebensmitteln und Arbeit (Jason W. Moores Cheap Four; Moore 2016) für die westlichen Industrieländer sowie für die Schwellenländer interessant sind und deshalb auch permanent an den Rohstoffbörsen beobachtet und bewertet werden. Eine besondere Rolle spielen die Ölstaaten, die aufgrund ihres einzigartigen Naturprodukts Öl hohe Anteile am abstrakten Reichtum an den Weltmärkten erlangt haben und heute selbst versuchen, auf internationaler Ebene neue Standorte für die Kreditschöpfung und für den Handel von fiktivem und spekulativem Kapitals zu gründen.

Die großen Unternehmen der imperialistischen Länder besitzen gewichtige ökonomische Vorteile am Weltmarkt (sie können Preise setzen, das heißt Produkte, Dienstleistungen und Geldkapital zu vergleichsweise niedrigen Preisen anbieten und sie produzieren ihre Waren mit den effektivsten und den kostengünstigsten Technologien) und nehmen, was oft unterschätzt wird, eine machtvolle Position in den Netzwerken der nationalen Ökonomie und in denen der Weltökonomie ein, letzteres gerade aber auch aufgrund ihrer intensiven Beziehungen zum eigenen Staat. Die imperialistischen Staaten schützen nämlich ganz massiv die Eigentumsrechte ihrer eigenen Unternehmen (Patente) und verstärken durch eine Reihe von politischen Maßnahmen deren ökonomische Macht im internationalen Handel und bei der Ausweitung ausländischer Direktinvestitionen, und nicht zuletzt sichern sie gerade in Krisen die Solidität der eigenen Währung und agieren als öffentliche Versicherungseinrichtungen für das Kapital. Auch die mächtigen Finanzunternehmen erhalten permanent Unterstützung von ihrer nationalen Basis, und wenn es nur der privilegierte Zugang zur eigenen Währung ist, den sie über die einheimische Zentralbank erhalten. Die polit-ökonomischen Machtverhältnisse differieren auf dem Weltmarkt mit der ungleichen differenziellen Akkumulation der nationalen Kapitale, der Konkurrenz der transnationalen Unternehmen und den Machtkämpfen zwischen den verschiedenen Ländern.

Die ökonomische Macht der großen Unternehmen an den Weltmärkten entfaltet sich heute insbesondere auch über die globalen Wertschöpfungsketten. Wenn ausländische Zulieferfirmen Teile für ein Produkt liefern, das in der Endproduktion in den Fabrikhallen eines Konzerns, der in einem entwickelten Industrieland angesiedelt ist, zusammengesetzt wird, dann besitzt der Konzern zwar keine direkten Zugriffsrechte auf die Zulieferfirmen, jedoch bleiben diese, speziell, wenn sie in den Niedriglohnländern angesiedelt sind, ganz an die Produktionszyklen der Unternehmen der reichen Länder gebunden (siehe Foxconn). John Smith geht auf Basis der Daten von UNCTAD davon aus, dass heute ungefähr 80% des Welthandels über die Produktions- und Verteilungsnetzwerke international agierender Unternehmen abgewickelt wird, und es deshalb falsch wäre, sich in der Analyse der Weltmarktbeziehungen nur auf die Daten zu konzentrieren, die über ausländische Direktinvestitionen vorliegen. (Smith 2016: 50) Die UNCTAD schätzt , dass ungefähr 60 Prozent des globalen Handels intermediäre Produkte und Dienstleistungen auf verschiedenen Stufen der Produktion betreffen. Man nehme als Beispiel etwa das Iphone, das zwar in Silicon Valley entworfen und dort permanent neu designt wird, während die Einzelteile für Produktionskosten von ca 225 Dollar in Asien gefertigt und montiert (Foxconn) werden, um dann das Produkt in die USA zu verschiffen (85 Dollar Transportkosten), wo es schließlich für 650 Dollar verkauft wird. Der einzige Moment, an dem Apples Profite, die in China extrahiert werden, dort auch direkt in Erscheinung treten, ist der Verkauf der Apple-Produkte auf dem chinesischen Markt. Wir haben es heute mit einer Super-Exploitation der Arbeiter (Smith) in der süd-östlichen Hemisphäre des Globus zu tun, die von bestimmten transnationalen Unternehmen inszeniert wird, wobei die Gewinne in die nördlichen imperialistischen Länder transferiert werden. Eine große und immer noch wachsende Proportion derjenigen Arbeitskräfte, die in die globalen Wertschöpfungsketten integriert sind, befindet sich heute in den Schwellenländern. Große Teile der globalen industriellen Produktion wurden also vom Norden in den Süden verlegt, seien es die in Bangladesh hergestellten T-Shirts oder die neuesten elektronischen Gadgets in China; der Strom des Reichtums, der von den chinesischen und anderen niedrig bezahlten Arbeitern ausgeht und die Profite und die Prosperität der nördlichen Firmen und Nationen aufrechterhält und erhöht, taucht in den ökonomischen Daten westlicher Institute und in den Hirnkästen der Ökonomen gar nicht erst auf. Smith argumentiert, dass das Outsourcing von Unternehmensteilen durch die Konzerne in fremde Länder eine bewusste Strategie des Kapitals der führenden imperialistischen Länder ist, womit man das unternehmerische Risiko auf Zulieferfirmen und Länder verschiebt, in denen die Gewerkschaften schwach sind und erfolgreich Strategien zur Senkung der Löhne und der Sozialkosten gefahren werden können, während es aber gleichzeitig auch zur Intensivierung der Exploitation der Arbeiter in den entwickelten Ländern kommt, die mit der Expansion der Beschäftigung in den Niedriglohnländern einhergeht. (Ebd.: 22)

Von der ökonomischen Stärke der großen Unternehmen am Weltmarkt, die über weit gefächerte internationale Handels- und Produktionsnetzwerke verfügen, hängt auch die Macht des jeweiligen Staates ab, der wiederum jene Unternehmen durch den Schutz der Eigentumsrechte (Patente) und mit der Aushandlung von bestimmten Wirtschaftsabkommen unterstützt. Oligopolistische Unternehmen und imperialistische Staaten bedingen sich also gegenseitig. Was ein führendes transnationales Unternehmen auszeichnet, das ist nicht nur seine ökonomische Größe und Produktivität, sein Vernetzungsgrad oder Markterfolg, seine globale Wichtigkeit für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen, sondern eben auch sein Backing durch den eigenen imperialistischen Staat sowie die Vorteile, die aus dieser Zugehörigkeit gezogen werden können. Heute taucht das Problem auf, dass manche Finanzinstitute nicht einfach nur zu groß oder zu vernetzt sind, sondern sie sind einfach viel zu groß, um sie überhaupt noch durch staatliche Subventionierungen retten zu können. Diese großen Unternehmen tätigen permanent signifikante internationale Geschäftsoperationen und verfügen über eine enorme Lobby in ihren eigenen, aber auch in fremden Staaten. Internationale Konzerne bleiben aber weiterhin insofern nationale Unternehmen, als sie einen einzigen nationalen Kapitalstandort besitzen und durch feindliche Übernahmen, Fusionen und Investment im Ausland expandieren. Die mächtigen kapitalistischen Unternehmen und Staaten sind Key-Player an den Weltmärkten, insofern sie wichtige Bedingungen für den internationalen Handel, das Finanzsystem und grenzüberschreitende Investmentflows setzen können. Die Regierungen setzen jedoch den Marktoperationen der Konzerne aber auch immer gewisse Grenzen, die zum Teil auch zwischen den Staaten selbst verhandelt werden. Produkte, die im Ausland verkauft werden sollen, können dort Gegenstand von hoher lokaler Besteuerung und Importtarifen werden, oder sie werden gar nicht verkauft, da sie im Ausland gewisse Standards verfehlen. Man kann Exporte in das eigene Land unterbinden, wie es die USA und die EU mit den Restriktionen der Agrarimporte aus Afrika tun, oder man kann ausländische Industrien durch die eigenen Billigexporte schwächen. Manche Unternehmen profitieren von den Restriktionen in ihren einheimischen Ländern und bauen daraufhin ihre Positionen auf dem Weltmarkt aus und generieren im Gegenzug auch Einkommen, Beschäftigung und höhere Steuereinnahmen für den fremden Staat. Während nationale Unternehmen, die stark auf dem Weltmarkt operieren, nicht unbedingt den Reichtum der eigenen Nation im Auge haben, werden die Staaten stets versuchen, sowohl die Expansion der eigenen Unternehmen als auch das eigene Land als Kapitalstandort und schließlich die einheimische Ökonomie insgesamt zu fördern. Je mehr ökonomische Ressourcen ein Land besitzt, desto machtvoller auch sein Staat, und dies geschieht wiederum zum Vorteil der einheimischen Unternehmen und auch von Teilen der eigenen Bevölkerung.

Es muss in der Analyse des Weltmarktes immer auch der jeweilige Zugang der multinationalen Unternehmen zur international agierenden Finanzindustrie berücksichtigt werden. Global operierende Konzerne benötigen unbedingt deren finanzieller Service, man denke an die Stabilität der internationalen Zahlungssysteme, an die Rolle der Devisen im internationalen Handel, an die langfristigen Investments, den Wertpapier- und Derivatehandel, die kurzfristigen Kredite und generell an den Austausch von Geld gegen Geld. Die wichtigen Funktionen des Finanzsystems für die Kapital-Ökonomie lassen sich heute umfassend nur im internationalen Rahmen beurteilen. Während es eine differenzierte Arbeitsteilung innerhalb des Finanzsystems selbst gibt, man denke an die Kreditvergabe der Banken, Wertpapiermanagement, Währungshandel, Aktien- und Anleihenmärkte etc., sind ihre wichtigsten Operationen in nur wenigen Ländern konzentriert. Das finanzielle Kapital entsteht generell aus den Notwendigkeiten der Marktökonomie des Kapitals und ist zugleich ein wichtiges Instrument der führenden imperialistischen Länder und ihrer Unternehmen, um ihren privilegierten Status am Weltmarkt aufrechtzuerhalten und zu verbessern, wobei ihre Finanzindustrien Vermögenswerte und Einkommen aus allen möglichen Ländern bewirtschaften. In den ökonomisch entwickelten Ländern profitieren nicht nur die berühmten 1% der Reichen, sondern ein wesentlich höherer Teil der Bevölkerung vom finanziellen Status des eigenen Landes am Weltmarkt, indem selbst Arbeiter und Angestellte noch finanzielle Sicherheiten halten, die wiederum an den Weltmärkten gehandelt werden. Auch die umsatzstarke Finanzinstitutionen wie etwa Versicherungen und Pensionsfonds befinden sich meistens in den reichen Ländern, da es hier Bevölkerungsgruppen gibt, die in solche Fonds investieren können.

Der leichte Zugang zur einheimischen Währung via der Zentralbank kann für (finanzielle) Unternehmen den ökonomischen Einfluss in anderen Ländern erhöhen. Obgleich eine US-Bank, die in Frankreich angesiedelt ist, dort bestimmten Restriktionen unterworfen ist, kann sie US-Firmen und auch Firmen aus anderen Ländern in Frankreich einen günstigeren Zugang zum Dollar anbieten, und dies aufgrund ihrer Vernetzung mit dem US-Finanzkapital und der Fed. Finanzielle Unternehmen besitzen genau dann bessere Chancen auf dem Weltmarkt zu expandieren, wenn ihre Länder schon eine dominante Position im globalen Handel ausüben und finanzielle Transaktionen in hohem Umfang in deren Währung abgewickelt werden. Die ökonomische Macht besteht zudem in der Potenz zur Vergabe von hohen Kreditsummen und den leichten Zugängen zu den Kreditmärkten. Macht bedeutet für finanzielle Organisationen, Kredite zu relativ niedrigen Zinssätzen überall auf der Welt aufnehmen zu können, das heißt eben eine einflussreiche Position in den globalen finanziellen Netzwerken einzunehmen. Und dies ist wiederum auch von denjenigen Staaten abhängig, dem die Finanzunternehmen angehören, denn dieser stellt die technologische Infrastruktur bereit, die erforderlich ist, um die Expansion zu ermöglichen.

Tony Norfield nennt drei wichtige Faktoren, die anzeigen, dass der finanzielle Sektor eine dominante Rolle in der Ökonomie eines imperialistischen Landes und insbesondere auch in der Weltökonomie spielt (Norfield 2016: 2926ff.) :

a) Die Inanspruchnahme von Geldmitteln aus dem Ausland, um es an einheimische Unternehmen und an den Staat zu verleihen. Dies können heute insbesondere US-Finanzunternehmen (aufgrund des Dollars in seiner Funktion als weltweite Reservewährung) und das in London ansässige Bankensystem leisten.

b) Die Finanzierung der im Ausland getätigten Investitionen einheimischer Unternehmen, um im Ausland Mehrwert erzeugende Produktionsprozesse in Gang zu setzen. Dies kann durch die Bankenfinanzierung oder durch die Aktienmärkte erfolgen, was eine weitere Konzentration des Kapitals über nationale Grenzen hinweg ermöglicht.

c) Die Aneignung eines Teils des global produzierten Surplus, indem die großen Banken der imperialistischen Staaten Kredite und andere finanzielle Sicherheiten an in- und ausländische Unternehmen und Staaten vergeben. Jeder dieser finanziellen Vorteile der Unternehmen einer imperialistischen Macht hängt auch von deren privilegierten Beziehungen zu bestimmten Staaten ab.

Macht wird oft als extern zur Ökonomie und speziell zur Finanzindustrie und damit als rein der Politik angehörend definiert. Dies ignoriert die finanziellen Privilegien der Unternehmen und die Machtverhältnisse der entwickelten imperialistischen Länder, die neben den politischen und militärischen Machtbeziehungen eben auch ökonomische Machtverhältnisse inkludieren. Länder mit starken finanziellen Zentren ziehen hohe Geldsummen aus allen möglichen Ländern und Unternehmen an, und deren Unternehmen haben wiederum leichteren Zugang zu global agierenden Investmentfonds und benutzen die globale finanzielle Cloud, um bspw. Firmen in eigenen und fremden Ländern zu übernehmen. Größe des finanziellen Engagements der USA (256.)

 

Nach oben scrollen