Der Riot als Teil der globalen Zirkulationskämpfe (2)

In einem ökonomistisch verkürzten Sinn wird der Riot als ein spontaner Protest gegen die Erhöhung der Lebensmittelpreise interpretiert – man denke an die Aktionen gegen den IWF, der die Bedingungen für die Lebensmittelpreise in den unterentwickelten Ländern setzt -, als ob eine Erhöhung der Preise ab einem bestimmten Punkt zu Reaktionen der Bevölkerung führen könne oder gar müsse. Den politizistischen Gegenpart nimmt hier die Alain Badiou ein, der den Aufständigen einen armseligen Spontaneismus unterstellt, zu dem Lenin und Rosa Luxemburg schon alles Notwendige gesagt hätten. Gleichzeitig gesteht Badiou zumindest zu, dass die kommunistische Idee dem Ereignis eines Riots entspringt, wobei diesem jedoch eine organisatorische Form und Dauer gegeben werden muss. Insofern kann der Riot immer nur einen proto-politischen Modus annehmen, der in die revolutionäre Konzeption der politischen Aktion übersetzt werden muss. Es ist aber nicht die Partei, sondern die Idee, die für Badiou hier die Vorgaben setzt. So erscheint der Riot als als eine a-kausale Angelegenheit, die sich quasi außerhalb der (sozialen) Zeit befindet. Das rein Ökonomistische und das rein politisch Abstrakte können den Riot als soziales Phänomen nicht erfassen, vielmehr muss er, wie wir im ersten Teil des Textes festgestellt haben, als ein Teil der globalen Zirkulationskämpfe gegen das Kapital begriffen werden.

Der Riot ist ein Ereignis im deleuzianischen Sinne; es lässt sich daher immer nur von einem Riot (welchem auch immer) sprechen. Gewöhnlich wird er im Kontext eines Mangels begriffen, obgleich er doch die kollektive gelebte Erfahrung eines Surplus ist. Surplus-Affekt, Surplus-Gefahr, Surplus-Instrumente, Surplus-Gewalt. Der Surplus ist die Verschwendung selbst.

Der Surplus hat aber rein gar nichts mit einer optimistischen Revolte zu tun, bei der jede Kritik und Negativität durch eine in die Zukunft projizierte Positivität gedeckt sein; man kritisiert, um eine solidere Konstruktion des Wissens zu herzustellen, man revoltiert, um eine stabilere und komfortablere Lebensweise zu etablieren, man kämpft gegen die kapitalistische Realität, um das Sein in die volle Positivität zu entlassen. Das Credo lautet: Solange ihr keinen überzeugenden Plan von der Zukunft habt, werden wir eure Form der Negativität denunzieren und delegitimieren. Die optimistische Revolte kommt immer mit dem Slogan daher, besser irgendetwas machen als nichts zu tun. Sie ist Teil einer beschränkten Ökonomie, einer unendlichen Sinnsuche.

Der Surplus des Riots hat mit diesem Optimismus rein gar nichts gemeinsam, vielmehr springt er sozusagen aus dem Pessimismus heraus, der selbst ein kollektiver affektiver Prozess einer bedingungslosen Revolte ist, mit der die Alltäglichkeit des Lebens im Kapitalismus außer Kraft gesetzt wird. Der Riot ist die Kommunion mit dem Tod (der mehr als die Auslöschung einer bestimmten Form des sozialen Lebens, die die des Kapitals ist, ist), insofern der Tod nicht das Objekt des Riots ist. Es ist der Tod selbst, der im Riot seine Stimme findet, insofern dieser ganz auf die Verschwendung setzt.

Bataille erzählt uns davon, dass das Universum energetisch ist, und das Schicksal der Energie ist heillose Verschwendung. Die Sonnenenergie geht unilateral verloren und das Leben erscheint als eine kurze Pause auf diesem energetischen Pfad, es ist eine prekäre Stabilisierung und eine Komplizierung des solaren Zerfalls. Und die Produktion ist nichts weiter als das Management dieses Zerfalls, während die Verschwendung als einziger definitiver Term fortbesteht.

Der Riot ist ein komprimierter Augenblick solarer Energie, insofern sein Surplus die Verschwendung selbst ist. Der Riot fokussiert für einen Augenblick jeden Wert auf den Verlust des Sinns, er ist eine Eruption und eröffnet die Möglichkeit, dass der Klassenkampf exzessiv wird und eine enthusiastische Verschwendung generiert, bei der die Massen selbst phantastisch werden.

Der Riot ist ein Moment, in dem die Massen dem Luxus begegnen, dem Luxus der exzessiven Verschwendung des Lebens. In dieser Situation kommt es darauf an, das kommunistische Moment des Klassenkampfs mit dem orgiastischen Moment des Riots, seiner Verschwendungswut zu verbinden, ohne die beiden Momente zu harmonisieren, ja man muss sie in ihrer Disjunktion belassen, denn nur so transformiert die doppelte Revolution zu einer absoluten Revolution.

Das essenzielle Moment des Riots ist die Bevölkerung, welche auch immer, wenn sich sich als die Aufständischen formiert und die Kapazität der Polizei, eine Situation zu meistern, zerschlägt, wenn die Polizei anfängt zu zögern oder sich auf dem Rückzug befindet. In diesem Moment ist der Riot ganz er selbst und trennt sich von der Kontinuität des alltäglichen Lebens, das durch die Transformation der augenblickhaften, explosiven heterogenen Energie in eine auf dem Markt angebotene sterile Arbeitskrafts-Energie gekennzeichnet ist, die kontinuierlich homogenisiert wird. Die Arbeitskraft wird vom Kapital als potenzielle Energie in die Mehrwertproduktion hineingezogen, indem sie sich als Arbeit bzw. als quantitative Differenz von notwendiger Arbeit und Mehrarbeit aktualisiert, sodass sich der Gebrauchswert der Arbeit mit der Realisation von Waren am Geld vergleichen kann.

Der Riot setzt für einen Augenblick nicht nur die Lohnarbeit, sondern auch die Konsumtion außer Kraft. Plünderungen sind in diesem Kontext keine hyperbolische Realisierung der Konsumideologie, sondern stehen für die Unterwanderung der Ware als solche, wie Guy Debord schreibt. Aber er greift hier noch zu kurz, denn der Riot steht mit seinem Potenzial zur Unterbrechung, für einen eruptiven Angriff auf die Kapitalisierung und der damit verbundenen infrastrukturellen Prozesse.

Foto: Robby Basler

Nach oben scrollen