Der Wasserwerfer und die Staatskarosse – Symptome des Bunkerstaates

Anlässlich des G 20 Gipfels in Hamburg listet SPON unter der Überschrift „Panzerparade“ und dem Motto „Freie Fahrt für die Oberhäupter der freien Welt“ die Staatskarossen für die Repäsentanten der führenden kapitalistischen Staaten auf. In Wirklichkeit sind diese Staatskarossen Symptome oder Zeichen eine längst angekommen neuen Totalitarismus, Symptome von Bunkerstaaten und Bunkereliten. Zum Teil hausen in ihnen noch Repräsentanten von Rechtsstaaten, weniger wegen eines Verteidigens der Gerechtigkeit, sondern im Sinne einer Prävention, die stets das Richtige für die Eliten tut, was das Richtige auch gerade sei, es muss getan werden, die Drecksarbeit, in der die Nazis schon so erfolgreich waren.

War in den 1970er Jahren das Auto noch die Heimat der Kleinfamilie, so ist das hoch aufgerüstete Automobil heute das Zeichen eines besitzergreifenden und obsessiven Individualismus und dem entsprechend sind die Staatskarossen eine Materialisierung der Macht – Bunker, Heimat und Knast zugleich, nämlich für die leitenden Staatsbeamten, die auch einmal gerne zu Staatsterroristen mutieren.

Der Feind des Staates ist immer da, er lauert überall, immer und nirgendwo, ist immer flüchtig, deshalb muss die Bevölkerung überwacht und bis ins kleinste Detail quantifiziert werden. Die Nazis waren nur kleine Hunde. Am meisten fürchten die leitenden Staatsdiener den plötzlich auftauchenden und wieder verschwindenden Partisan, die Guerilla, und klar ist diese  immer rücksichtslos und gewalttätig.

Die Staatskarosse ist harte Abschottung gegenüber der Außenwelt und zugleich gewalttätige Kolonialisierung der Herrschaft nach innen, sie ist an die herrschenden Sklaven verordnete, stumm gewordene Disziplin, eine extravagante Mischung aus Büro, Leichenhalle und Luxus. Während die Bevölkerung im Stau ankommt, zu Durchschnittsgeschwindigkeiten zusammenschrumpft und in den Schlangen der Klassenlosigkeit tranquilisiert wird, reicht den Eliten Größe, Chrom und Geschwindigkeit ihrer monströsen Fahrzeuge und die banale Überlegenheit, die sie mir ihren Lichthupen signalisieren, um ihre Dominanz festzuschreiben. Dennoch reduziert die Hyper-Kollektivität der Verkehrsmaschine ihre Teilnehmer auf ein unterschiedsloses Gleiten im Gelten des Verkehrsflusses, trotz herrschaftlicher Wut und Jagd hier, unterwürfigem Neid und Ressentiment dort. Die Staatskarosse macht insofern eine Ausnahme, als sie der fluiden Diktatur der Verkehrsmaschine nicht ausgesetzt ist, und das sie bekommt sie zu spüren: Die intimste Reise findet nämlich in ihr statt, ihren Insassen wird förmlich durch den Leib gefahren und sie werden ganz in die Strukturen der Maschinen eingegraben. Ihre Insassen sind lebende Tote, Zombies.

Sie sind Symptome eines Bunkerstaates. Kroker/Weinstein beschreiben schon 1996 in ihrem Buch “Datenmüll” präzise den neoliberalen Staat. „Mit dem Bunker Staat exkludiert der liberale Faschismus die Überschuß-Körper (Einwanderung), mit dem Austeritäts-Staat setzt er Schuldenreproduktion und hohe Arbeitslosigkeit ein, um den Arbeitsmarkt zu kontrollieren und soziale Programme zu minimieren, und mit dem Sicherheits-Staats unterwirft er Körper der Erprobung und Überwachung. Unter der liberalen faschistischen Ideologie ist alles, was den Opfern angetan wird, entweder für ihren eigenen Nutzen oder ist eine bedauerliche Handlung, die aber notwendigerweise für ein offensichtlich allumfassendes humanitäres Interesse stattfindet. Die dominante Stimmung des liberalen Faschismus ist zynische Pietät; seine Strategie ist positionslose Macht – die kontinuierliche Verschiebung und Zirkulation politisch-taktischer Initiativen maskiert nur das Versagen der politischen Institutionen, mit der liquiden Geschwindigkeit des virtuellen Kapitalismus zurechtzukommen.“ Der verschuldete Bunker-Staat inkludiert eine Governance, gewissermaßen eine hilflose und doch schlaue Governance, aber letztere nur insofern, als er seinen Dienst am Kapital, das von dem reinen Regierungshandeln nicht zu trennen ist, als eine starke Präsenz simulieren kann (die ihm natürlich fehlt). Unter den Bedingungen der (finanziellen) Ökonomie als Determination-in-der-letzten-Instanz kann er gar nicht anders. (Stellt man den kapitalistischen Wert als so etwas wie einen ideellen »Horizont« ab, vor dem die heterogenen Produkte unweigerlich einen Tauschwert annehmen (sollen), dann wird schnell deutlich, worin das utopische Potenzial des Kapitalismus immer noch liegt. Man geht und sieht den Horizont, und obgleich der Horizont sich weiter und weiter verlagert und man ihn nie erreichen kann, gibt die Möglichkeit ihn zu sehen dem Gehen Sinn. Die Utopie ist dieser Horizont, den man nie erreicht, den aber das Kapital als permanente Möglichkeit aufspannt. Und das Gehen ist in die in unzählige Virtualisierung/Aktualisierung-Transaktionen aufgespaltene, potenziell infinite Bewegung des semio-finanziellen Kapitals eingelassen. Batailles allgemeine Ökonomie unterliegt darin einer gewaltigen Inversion: Die Verschwendung macht sich in gewaltigen Überproduktionskrisen von Kapital und Zeichen Luft. Da die soziale Verschwendung als Einbruch des Realen konsequent ausgeschlossen bleiben muss, kommt es zugleich den furchtbarsten Reterritorialisierungen in Form des Fundamentalismus, der das Reale zu usurpieren versucht.)

In den Wasserwerfern potenziert sich die Macht. Die Fahrer simulieren den Bomberpiloten, ihnen wird freie Fahrt gewährt, und das heißt, sie kommen dem echten Bomberpiloten wieder nahe, dem der Andere gnadenlos ausgeliefert ist. Der Wasserwerfer ist ein Phallus aus spritzendem Stahl. Selbst der Phallus als Wurzel aus -1 ist gelöscht oder wird vom Wasserwerfer gelöscht. Der Wasserwerfer ist die reine Masturbation der Macht. In der Zeit heißt es: “Insgesamt ist das neue Gerät potenter, vor allem aber sicherer für die Beamten, die es steuern. Damit Steine nach unten abprallen, ist die Frontscheibe nach vorne geneigt; die schrägen Heck- und Dachelemente lassen Brandsätze abrollen. Gerät das Fahrzeug doch in Brand, treten die 15 Düsen des Eigenlöschsystems in Aktion. Das Seitenblech ist gegen Durchstiche mit Eisenstangen gerüstet; die Kabine hält dem Aufprall einer Betonplatte aus dem dritten Stock stand; Luftfilter und Klimaanlage sorgen für Frischluft, ergonomische Sitze und ein Kühlschrank für Komfort.”

Die Staatskarosse und der Waserwerfer  sind auch ein Symptom der finanzialisierten Bunker-Eliten. Edmund Berger hat da so beschrieben: While such grandiose plans were not realized, the sort of architectural atomization has found itself actualized in the towering skyscrapers that have become the homes of the super-rich elite. As city core are reshaped by the flows of finance capital and the so-called processes of ‘post-industrialization’, urbanization has locked into vertical growth, ushering in a new array of what is being described as “vertical gated communities”. With helicopters and helipads, closed off causeways and lifts, and private, direct-to-suite elevators, the nouveau elite – usually representative of the FIRE (finance, insurance, real estate) industries – can practically live their lives detached from the comings and goings of the underclasses tooling in the spaces beneath. Stephen Graham has noted that in many spaces around the globe, these new patterns of exclusion and expulsion transform themselves in a spectacle: “From the patios, pools, cocktail bars, and penthouses on top of towers and podiums, the violent landscape of the city far below become an aesthetic spectacle to be consumed from afar. A troubling and gritty place is rendered instead as a tranquil spectacle, an aesthetic background.

Foto: Bernhard Weber

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