Kurze Anmerkung zu einem übersehenen Varoufakis Plan

Es gibt das Argument der linken Plattform von Syriza, dass, nachdem Griechenland den Euro erst einmal verlassen hat, zunächst zwar immense Kosten anfallen, dann aber das Land sozusagen frei wäre und eine neue ökonomische Politik ausarbeiten könne, von der die Mehrheit der Bevölkerung profitieren würde. Wie kann das aber vor sich gehen, wenn nach wie vor ein massives Zahlungsungleichgewicht vorhanden ist und man enorme Geldsummen den ausländischen Banken und anderen ausländischen Institutionen schuldet? Die verschiedenen „Structural Adjustment Programms“ des IWF zeugen doch davon, wie „frei“ ein Land wirklich ist, wenn es hohe Schulden im Ausland und Handelsbilanzdefizite hat, man denke etwa an nicht-kapitalistische Länder wie Yugoslawien, Polen und Ungarn, die vom IWF regelrecht in Haft genommen wurden.

Eine starke Abwertung einer neuen griechischen Währung bietet sicherlich keinen gangbaren Weg an, um Griechenland an den internationalen Märkten wettbewerbsfähiger zu machen. Vieles deutet eher in die entgegengesetzte Richtung, weil Abwertung zu einer Spirale von niedriger Produktivität, höheren Handelsbilanzdefiziten und weiteren Abwertungen führt, da Kapitalisten in dieser Situationen keinerlei Veranlassung sehen, in neue Technologien zu investieren, wenn sie ihre Profite mit der Abwertung selbst realisieren können. Eine stark abgewertete Währung dient vornehmlich den Interessen der griechischen Exporteure, zu denen bekanntlich die Arbeiterklasse nicht zählt.

Griechenland scheint heute gefangen. Wenn man im Euro bleibt, dann muss man harte Austeritätsmaßnahmen akzeptieren, die die Rezession nur noch weiter verschärfen werden. Der Austritt bedeutet Abwertung, niedrigere Produktivität und Insolvenzen von Unternehmen ud privaten Haushalten.

Varoufakis hat vor kurzem einen Plan in der Öffentlichkeit vorgelegt, der bisher kaum beachtet wurde. Er schreibt:

“The Greek government proposes to bundle public assets (excluding those pertinent to the country’s security, public amenities, and cultural heritage) into a central holding company to be separated from the government administration and to be managed as a private entity, under the aegis of the Greek Parliament, with the goal of maximizing the value of its underlying assets and creating a homegrown investment stream. The Greek state will be the sole shareholder, but will not guarantee its liabilities or debt.”

Die Holding Company würde eine aktive Rolle spielen, um die Assets zu verkaufen. Es benötigt “a fully collateralized bond on the international capital markets”, um etwa €30-40 Billionen zu generieren, die, wenn man den gegenwärtigen Wert der Assets veranschlagt, u.a. in die Moderniserung und Restrukturierung der Assets unter eigenem Management investiert würden.
Der Plan, der ein Investment-Programm von 3-4 Jahre vorsieht, inklusive “additional spending of 5% of GDP per annum,” und “a positive growth multiplier above 1.5,” würde „boost nominal GDP growth to a level above 5% for several years.” Dies würde zu einem proportionalen Wachstum der Steuern führen – “contributing to fiscal sustainability, while enabling the Greek government to exercise spending discipline without further shrinking the social economy.” In diesem Szenario würde der Primärüberschuss (der Zinszahlungen ausschließt) zu “‘escape velocity’ magnitudes in absolute as well as percentage terms over time” führen. Die Holding Company würde in ein oder zwei Jahren “be granted a banking license, thus turning itself into a full-fledged Development Bank capable of crowding in private investment to Greece and of entering into collaborative projects with the European Investment Bank.”” (Quelle hier)
Die Message von Varoufakis ist in etwa Folgende: Man kann sich nicht auf private Investoren verlassen, um wachstumsbringende Investitionen zu realisieren, stattdessen muss der Staat die Initiative übernehmen, indem er seine eigenen Sektoren kontrolliert. Wenn er seine eigene Holding Company koordiniert, dann kann er seine Stärke maximieren, um auf dem Weltmarkt zu konkurrieren (“managed as a private entity” und “with the goal of maximizing the value of its underlying assets”). Dies würde ein Wachstum um die 5% erbringen, desweiteren einen Anstieg der Steuern und den Abbau des Staatsdefizits, um damit Weg für genuine Reformen freizumachen. Das staatliche Investment würde das “crowding in” von privaten Investments in die griechische Ökonomie erlauben, da das private Kapital immer Anlagemöglichkeiten in wachsenden Ökonomien sucht.

Der Plan enthält ungefähr das, was man als eine dynamische Planung bezeichnen könnte. Um das Wachstum und die Produktivität zu stimulieren, müssten jedoch die inländischen Banken und die Unternehmen der Oligarchen verstaatlicht werden. Indem man diese Unternehmen dann in derselben Art und Weise wie die existierenden staatlichen Sektoren behandelt, kommt eine positive Spirale der Investments, des Wachstums und der Produktivitätszuwächse in Gang.

Varoufakis glaubt, dass das Kapital für diese Investments an den internationalen Finanzmärkten rekrutiert werden kann. Das ist vielleicht nicht möglich oder gar nicht wünschenswert, im speziellen, wenn der griechische Staat mit Schulden überlastet ist, die ihn von Rezession zu Rezession führen. Eine Rückzahlung der Schulden unter den gleichen Bedingungen, die Deutschland im Jahr 1953 beim sog. London Agreement erhalten hat, würde es allerdings der Syriza Regierung ermöglichen, eine neue ökonomische Strategie zu implementieren. Das „London Agreement on German External debts“ reduzierte dmals Deutschlands Schulden (öffentlich und privat) um die Hälfte, verlängerte die Rückzahlungen um 30 Jahre, und limitierte die Rückzahlungen auf 3% der Exporteinnahmen, wenn es denn zu  Handelüberschüssen kam. Für Griechenland würde ein solches Abkommen, in Kombination mit geringeren Militärausgaben und Einsparungen bei der staatlichen Bürokratie, der Besteuerung der Kirche und reicher Einkommen, einer effizienteren Steuereintreibung und einer Anzahl weiterer Maßnahmen, die eine demokratische Regierung implementieren kann, weiteres Geld für Investmentpläne freisetzen.

Die Troika wäre damit definitiv aus dem Spiel. Aufgrund der Austeritätspolitik der letzten Jahre besitzt Griechenland inzwischen einen geringen Primärüberschuss, man hat genug Geld für seine Ausgaben (außer Zinsen und Tilgung der Schulden). Der Außenhandel ist nahe am Gleichgewicht, da es in der Rezession zu einer drastischen Senkung der Importe kam. Wenn die Regierung die inländischen Banken verstaatlicht und zugleich Kapitalkontrollen einführt, dann können auch die Reichen bis zu einem gewissen Maß gestoppt werden, ihr Geld weiterhin außerhalb des Landes zu bringen. Es würde also generell weniger Geld das Land verlassen, da keine Schulden zu zahlen sind, kein Surplus der Importe über die Exporte zu vermelden ist, und den Reichen wäre es eben nicht erlaubt, ihr Geld ins Ausland zu transferieren. Die Euros im Land würden ausreichen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, und die EZB hätte keine Mittel an der Hand, um die Ökonomie erneut abzuschnüren.

Natürlich würden die EZB und die Eurogruppe alles versuchen, um diese Strategie zu unterlaufen, wie auch der IWF, die USA und viele andere Regierungen und Unternehmen. So impliziert die Strategie von Varoufakis auch nicht, dass man unter allen Bedingungen im Euro bleiben sollte, sondern im Gegenteil hatte Varoufakis ja selbst einen Plan vorbereitet, wenn es denn unvermeidbar würde, aus dem Euro auszutreten. (Ein Grexit würde zwingend die Zusammenarbeit mit einer anderen großen Zentralbank erfordern, da er ansonsten an den Devisenmärkten schutzlos den Spekulationen des finanziellen Kapitals ausgesetzt wäre. Eine weitere Notwendigkeit besteht darin, das Niveau der Abwertung (gegenüber dem Euro circa 30%)  auf einem gewissen Level zu halten, da ansonsten der Zugang zu wichtigen Waren, bspw. Rohstoffen, nicht mehr möglich ist. Die Carry Trades sind zu beachten, die sie  eine neue Währung schnell ins Straucheln bringen können. Es erscheint also wahrscheinlich, dass die griechische Zentralbank die Währungsabsicherung des Grexit aus eigener Kraft nicht leisten kann, weil sie nicht über ausländische Devisen in ausreichender Höhe verfügt, um obigen Problemen erfolgreich begegnen zu können )

Es ist allerdings ziemlich klar, dass Griechenland den von Varoufakis vorgeschlagenen Weg nicht ohne ausländische Hilfe beschreiten kann, sodass letztendlich eine soziale Transformation in ganz Europa benötigt. Es ist auch klar, dass weder keynesianische Strategien noch eine Planwirtschaft nach dem sowjetischen Modell hier helfen würden. Neue Überlegungen zu neuen Planungsmodellen sind dringend geboten, und dies in Relation zu den sozialen Kämpfen. Varoufakis resümiert: “At a turning point in European history, our innovative alternative was thrown into the dustbin. It remains there for others to retrieve.”

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