Paradroid-Alien Musik aus der n-ten Dimension

Während Kraftwerk noch die Kraftquellen der Industrialisierung anzapfen musste, saugt Paradroid die Informationsflüsse der Kommunikationsindustrien auf, dreht sich durch das digitale Equipment, um sie als clickende, entropische und nonsequenzielle Sequenzen, bei denen das nächste Pattern nicht weiß, was das erste war, als total nervöse Sounds und als angedeutete Strings auszuspucken. Die molekularen Elemente des kristallklaren Sounds ziehen sich ständig an und stoßen sich ständig ab, und in diesem Kampf um die Hegemonie ergeben sich Mikro-Melodien, die jedoch sofort wieder fliehen, um nach den nächsten Haltepunkten zu suchen. Dies erzeugt mit der Zeit eine Fiktion von kosmischer Entspannung und von Anspannung, die mit den Texturrhythmen eines Pingpong Balls vergleichbar ist, der immer genau dahin hüpft, wo der Tischtennisschläger gerade nicht ist. Jeder einzelne Sound zieht dir den Boden unter den Füßen weg, obgleich der 4/4 Takt stoisch tickt und klickt, und diese Spannung erfüllt tracks, die an irrer Quirligkeit und Ultrafunkness kaum zu überbieten sind.

Paradroids Klänge aus akustischen Phänomenen, die aus klassischer Sicht zu den minoritären Klängen gehören – Klicken, Plocken, Blubbern etc. – generieren eine Art Rhythmuswaldregen, in dem die Klänge gar nicht mehr recht lokalisierbar sind. Die minoritären Klänge bilden eine geräuschvolle Hülle für die leise klackende Perkussion. Paradroids Futurmaschinen komplexifizieren weniger den perkussiven Schlag oder den Beat in die n-te Dimension, sondern sie generieren mit ihren molekularen digitalen Sounds eine Alien-Macht – unberechenbar, zergliedert und bestürzend – indem sie Sounds und Clicks aus Rauschen programmieren und Frequenzen modulieren, sodass der Klang zum eiskalten Vibrieren gebracht wird. Eine posthumane Multiplikation des Sounds, eine Soundmatik, die als asynchrone Überlappung, Wiederholung und Aneinanderreihung von nicht-spastischen Pulsen, Clicks und Schlägen dein Sensorium neu verdrahtet und dich als Tänzer in eine Kinästhetik der falschen Schritte überführt, in einen relaxten Tanz der Epilepsie der Fülle.

Paradroids Musik-Fiktion ist radikale Objektivität ohne Repräsentation oder Intention und beinhaltet weder Imitation noch Spurensuche. Vielmehr strebt sie eine Nicht-Welt an, die aber durchaus real ist, weil die Musik-Fiktion immer auf Materialität bezogen bleibt. Diese Musik-Fiktion präsentiert keine Anti-Musik, sondern fordert die Mutation der traditionellen Vorstellungen und Theorien über Musik. Sie strebt nicht dem Ziel zu, die Musik zu zerstören, vielmehr widersetzt sie sich zunächst dem Prinzip der musikalischen Suffizienz, dem Glauben, dass alles musikalisch sei. Das Programm der Nicht-Musikologie nutzt sogar den Gebrauch der Musikologie, um Alien-Theorien zu konstruieren, die gegenüber dem Prinzip der musikalischen Suffizienz nicht verschuldet bleiben. Sonisches Denken oder Non-Musikologie komponiert die Theorie als ihr eigenes Objekt, schreibt eine autonome Musik-Fiktion.

Radikale Musik gleicht einer Art von Blackbox; sie ist eine Musikbox der und für die Blackness, und der Theoretiker und Konsument der Musik nehmen selbst einen Platz in der Blackbox ein und tretten nicht von außen an die Box heran. Es gibt eine nicht-musikalische Triangularität zu vermelden: Der (multiple) Produzent, der die Tranversalität des Schwarzen zum Klingen bringt; die schwarze Musikbox als ein unendliches Klingen des Nichtfassbaren/Schwarzen; der Konsument, der Teile aus dem Unendlichen der schwarzen Musikbox heraus hört. Die Unermesslichkeit dieser Triangularität ist wiederum Teil der Grenzenlosigkeit der Musik. In diesem Sinn ist das Schwarz der Musik die Basis für das Ultraschwarz. Produzent und Hörer teilen die Unvollkommenheit, die nur das Schwarz beglaubigen kann. Weder kann der Produzent davon ausgehen, dass seine Aktivität je beendet ist, noch kann der Hörer davon ausgehen, dass er je aufhört, Fragmente aus der Musik herauszureißen. Ultrablackness verweist dann darauf, weiterzumachen, die Suche jenseits des Schwarzen nie aufzugeben, das Ultraschwarze des Schwarzen suchen – während die schwarze Musikbox hyper-spielt und/oder still ist.

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Foto: Bernhard Weber

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