Kriegsmaschinen des Finanzkapitals, Staatsfaschisierung und Krieg

Die folgenden Bemerkungen beziehen sich auf das kürzlich erschienene Buch „Wars and Capital“ von Éric Alliez and Maurizio Lazzarato. Man kann nach Ansicht der Autoren den Ausnahme- oder Sicherheitsstaat nicht mehr allein im Bezug zum Gesetz denken, wie Agamben das noch tut, weil der gegenwärtige Staat ein konstitutives Prinzip der Gouvernementalität oder Macht darstellt. Die juridische Leere, die durch die andauernden Weiter- und Neuschreibungen der Gesetze und der Dominanz der Rechtsprechung gegenüber dem Gesetz entstanden ist, mag zwar für den souveränen Staat und das Gesetz undenkbar sein, aber sie ist der Praktik der staatlichen Macht keineswegs ganz unbekannt, insofern das Gesetz die Macht konstant umgibt und sich zudem die Macht immer stärker außerhalb der juristisch-politischen Souveränität des Staates abspielt.

Was seit dem 1.Weltkrieg über die historische Entwicklung des Faschismus bis heute immer stärker an Macht hinzu gewonnen hat, ist nicht der Ausnahmestaat, sondern die Kriegsmaschine des Kapitals, für das der Ausnahmestaat nur ein weiterer Apparat oder ein Dispositiv ist, das es je nach politökonomisch konjunkturellen Notwendigkeiten so weit zu möglich zu integrieren oder zu transformieren versucht. Staat und Krieg wurden  im 20. Jahrhundert definitiv zu integralen Komponenten des Kapitals, was grundlegende Transformationen der staatlichen Funktionen, Regulationen und Relationen nach sich zog. Die Modelle der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation und das militärische Modell der Organisation penetrierten tief die Funktionsweisen des Staates, wobei die liberale Gewaltenteilung innerhalb des Mediums der parlamentarischen Demokratie rekonfiguriert wurde, während die Politik des Kapitals (nicht des Staates) sich stark auf die Organisation und Finalitäten des Kriegs bezog.

Den neuen Kriegsmaschinen des Kapitals korrespondieren  heute das Zusammenspiel von ziviler und repressiver Macht und diese Verzahnung macht beide Komponenten tendenziell ununterscheidbar. Der Staat tendiert zur Privilegierung der Exekutivmacht, was mit dem Rückgang der legislativen und juristischen Macht verbunden ist, und zu einer tiefen Transformation seiner administrativen und gouvernementalen Funkionen, die durch die fast tägliche stattfindende Produktion von Gesetzen, Dekreten und Direktiven artikuliert werden und sich als wesentlich effektiver als die einmaligen Interventionen des Ausnahmestaates herausstellen. Der Ausnahmestaat ist damit eher eine Folge der Zunahme der Macht der Exekutive (unter der Kontrolle des Kapitals), um effektiv in die zwei strategischen Ströme des Kapitals, die Geld und Krieg sind, zu intervenieren. Die Geschwindigkeit der Interventionen und die Effizienz der Entscheidungen, die die Ströme des finanziellen Kapitals und die des Krieges benötigen, erfordern eine neue materielle Konstitution des Staates selbst, mit der die Exekutive einen großen Teil der juristischen und legislativen Macht absorbiert, um unter anderem die wissenschaftliche und militärische Organisation der Arbeit zu forcieren. Der politisch-militärische Körper entspricht dem militärisch-industriellen Komplex. Dies gilt insbesondere für die Periode von 1933-45.

Der Krieg gegen und unter den Bevölkerungen impliziert eine Ausweitung des Kontrollapparates und eine neue Governance, die der neuen Zusammensetzung des Proletariats, globalen Logistikketten, Surplusbevölkerung etc. entspricht. Die Governance der Bevölkerungen beruht auf zwei Bedingungen: Der Krieg informiert nun die Machtbeziehungen, und die Governance wird nicht direkt auf die Bevölkerung, sondern durch ihre Teilungen ausgeübt. Das Objekt des Krieges ist die erweiterte Reproduktion der Klasse, Sex, Rasse und der Subjektivitäten. Entsprechend erschöpft sich das Kriegspotenzial zwischen den Staaten und befördert stärker den Krieg unter den Bevölkerungen, indem ein virtuell-reales Kontinuum zwischen den ökonomisch-finanziellen Operationen und einem neuen Typus der militärischen Operationen erzeugt wird, das nicht mehr auf die Peripherien beschränkt ist.

Die Prozesse der Konzentration der Macht resultieren ab den 1980er Jahren in neoliberalistischen Strategien, wobei die Regierungen und ihre Administrationen weitestgehend die Strategien des finanziellen Kapitals exekutieren. Die  strukturelle Anpassung des Staates an die Erfordernisse der Kapitalakkumulation ist von einer Intensivierung der Dominanz des finanziellen Kapitals begleitet, wobei dies ganz offensichtlich seit dem Abkommen von Bretton Woods immer stärker exekutiert wird. Die Exekutivmacht gehorcht heute nicht nur dem Staat, sondern folgt insbesondere den Interessen der finanziellen Institutionen, welche die Exekutivmacht immer weiter gemäß ihren Interessen umgebildet haben. Es geht um die permanente Wachsamkeit der Kontrollapparate und um die Aktivität eines starken Staates, der allerdings den Interessen des finanziellen Kapitals folgen muss.

Der Verlust der Souveränität der Nationalstaaten, ihre Unterordnung unter ökonomische und finanzielle Politiken, die Reduktion der Parlamente auf simple Folien der Exekutive und die Kriegsgovernance intensivieren sich seit den 1970er Jahren; das juristisch-politische Modell des Staates erlaubt es nicht länger, die Strategien des Kapitals, welche auch die Rekonfiguration der Modalitäten der Organisation, der Entscheidung der Regierungen und der Administration der Staaten beinhalten, zur Zufriedenheit des Kapitals durchzuführen.

Die parallele Evolution von Armee, Unternehmen und Regierungen stehen für einen Prozess, der wie folgt beschrieben werden kann: Der industrielle Krieg affirmiert die Rolle der Zivilmacht im militärischen Universum: Wenn der Krieg beendet ist, kehrt die Hybridisierung zwischen ziviler und militärischer Macht zu den normalen Funktionen der Governance zurück. Es ist eher ein Krieg der Regierungen als der Armeen, da das Wissen und das Management der Ressourcen, die mobilisiert werden müssen, der zivilen Macht angehören.

Die Kriegsführung integriert disziplinarische Techniken und diejenigen des Sicherheitsstaates. Ein hierarchisches und disziplinarisches Modell der Organisation und des Managements der Leute, ein Sicherheitsmodell zum Management des Krieges als einer Serie von unvorhersehbaren Ereignissen. Das industrielle Management, dessen Logistik die Gesellschaft organisiert, muss mit dem Sicherheitsmodell der staatlichen Governance verbunden werden, das heute viel stärker noch als die industrielle Planung einbeziehen muss, dass Krieg stets Risiko und Aktion bedeutet, ja Unvorhersehbarkeit, wozu man Strategien des Angriffs und der Antwort entwickeln muss, Aktionen auf Aktionen, reziproke Aktionen. Diese Rekonstruktionen werden heute ökonomisch-finanziell überformt. Das Management des Geldkapitals erfordert zentralisierte Institutionen, um schnelle und effiziente Entscheidungen zu treffen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese Prozesse beschleunigt und unter dem ökonomischen Druck fortgesetzt.

Im Zuge der Unterordnung des Staates unter die Finance hat schon Carl Schmitt diesen als einen motorisierten Gesetzgeber bezeichnet und eine wachsende Motorisierung der exekutiven Maschinerie konstatiert. Die Regierungen und deren Administrationen folgen dem tayloristischen Modell der Arbeitsorganisation, ihre Gesetze und Regeln generell denen der kapitalistischen Unternehmen. Selbst die Regierungen müssen sich nun um ihre verschiedenen Outputs kümmern, die oft genug monetär bewertet werden, und sie selbst werden zu Fabriken der Gesetze, der Dekrete und Regulationen, ja sie transformieren zu Maschinen, um Gesetze zu produzieren und exekutive Macht herzustellen.

Die Krisenschübe des finanziellen Kapitals gehen mit Geschwindigkeiten und Reaktionen einher, die es einfach erfordern, dass insbesondere Gesetze, die der parlamentarischen Untersuchung und Absegnung bedürfen, durch schnelle Dekrete ersetzt werden. Neue Beschleunigungen werden durch Marktgesetze produziert, die aber selbst zahllose neue Institutionen, Kommissionen und Verbindungen hervorbringen. Nach den Dekreten drücken Direktiven die nächste Stufe der Zentralisation der politischen Repräsentation aus. Während das Dekret noch als ein motorisiertes Gesetz gilt, wird das Direktiv nun ein motorisiertes Dekret. Der Staat selbst wird zu einem Unternehmen. Der Taylorismus ist dafür der neue Modus des Kommandos. Sein wahrer Impact ist nicht allein technisch zu bestimmen, sondern liegt in der Organisation der Macht. Und es kommt szu einer wissenschaftlichen Analyse der Governance, wobei es nicht nur um die Verwissenschaftlichung der Arbeitsorganisation, sondern um die Verbindung verschiedener Funktionen durch das Management geht: Programmierung, Organisation, Koordination, Entscheidung und Kontrolltechnologien, womit das Management eine Umzingelung des juristisch-politischen Frameworks erlaubt.

Die Fabrik bedurfte nach dem 2. Weltkrieg neuer administrativer Funktionen, insbesondere denen der Transformation der Kommandostrukturen, welche einen neuen Typus des Managers hervorbrachten, der alle möglichen Techniken, die in einem Unternehmen implementiert sind, unter finanziellen Gesichtspunkten zu systematisieren und zu koordinieren hat. Paul Virilio hat zudem eine enge techno-logische Beziehung zwischen Armee, Fabrik und dem Management nachgewiesen. Für ihn sind die Technokraten definitiv eine militärische Klasse. Sie verstehen die Rationalität nur in den Formen der Effizienz, egal was der polit-ökonomische Horizont letztendlich sein mag, und ein negativer Horizont interessiert sie überhaupt nicht. Es kommt zur Bürokratisierung staatlicher und privater Organisationen; sie ist zuallererst ein Produkt großer Unternehmen. So wie die Manager die Arbeitsorganisation zu verändern hatten, so bauten die Technokraten die Konzepte der Exekutivmacht um. Diese Techno-logien setzte später dann auch der Neoliberalismus ein, indem er all die Apparate des Wohlfahrtsstaates der Verantwortung, der Zählbarkeit und den Regeln der Operationen der finanziellen Institutionen unterwarf. Diese Veränderungen der Governance führten zu einem neuen Prozess der Legitimation von Entscheidungsprozessen, der nicht dem leeren Raum eines Ausnahmestaates entspricht, der selbst noch die konstitutive Dimension des Gesetzes besitzt. Stattdessen handelt es nun um exekutive Demokratien, die zu einem Zahnrad der Finanzialisierung transformieren und damit nicht mehr nur die Motorisierung der exekutiven Maschinerie des Staates selbst verfolgen und das Parlament auf beratende und legitimierende Funktionen reduzieren, sondern die Kriegsmaschine des Kapitals selbst befördern.

Die wirkliche exekutive Macht ist nicht länger nur ein Teil der nationalen Staatsapparate, sondern in ein diagrammatisches Ensemble von transnationalen Institutionen eingebunden, welche die Staaten als eine ihrer Artikulationen unter der Dominanz des finanziellen Kapitals erscheinen lassen. Während die transnationalen Institutionen bezüglich des finanziellen Kapitals eine Laissez-Faire-Politik verfolgen, entscheiden die nationalen Schatten-Regierungen über die Level der Beschäftigung und Steuersätze und forcieren die Kontrolle der Bevölkerungen qua Statistik. Die nationalen Exekutivmächte werden zunehmend darauf reduziert, die Direktiven und Entscheidungen der Zentren der globalen Finanzmacht zu exekutieren und zu implementieren. Ohne die klassische Souveränität noch zu besitzen, bleibt es die Aufgabe der Nationalstaaten, die Weltökonomie des Kredits und der Schulden zu reterritorialisieren. Die USA mag hier die Ausnahme sein, da sie kein klassischer Nationalstaat, sondern immer noch der führende imperialistische Staat ist, der seine nationalen Interessen mit den Termen der Erweiterung und der Verteidigung des globalisierten US- Kapitals definiert, insofern er die Axiomatik der Weltökonomie der Schulden durch transnationale Institutionen, die er selbst etabliert hat, regiert.

Finanzielle Aktivitäten implizieren Kriege ohne Blut, welche aber durchaus die Effekte eines bloody wars haben können, wobei die Staaten heute weniger durch die Armeen feindlicher Staaten bedroht werden, sondern jeder Bedrohung präventiv zuvorkommen wollen, indem sie selbst das Grabbing von ökonomischen Ressourcen, Landnahmen, Kontrollen des Kapitals, Handelssanktionen und andere ökonomische Faktoren ins Spiel bringen. Nicht-militärische Waffen können so gefährlich wie militärische Waffen sein, am wichtigsten ist die Finance, die durch Abwertungen der Währungen operiert.

Der Staat verliert immer stärker das Gewaltmonopol, insofern die Mittel des Zwangs diversifiziert werden müssen: diplomatisch, ökonomisch, sozial und kulturell, was zu einer Multiplizierung der Apparate führt, in denen die finanzielle Gewalt sicherlich die effektivste ist, insofern ihre Effekte die gesamte Gesellschaft destabilisieren können, während die Effekte differenziert werden.

Das Modell der Regierungen wird nun vertikal und horizontal, und verbindet supranationale, transnationale und nicht-staatliche Institutionen: Staat plus supranational plus transnational plus nicht-staatlich. Schon in der Asienkrise von 1997 waren folgende Player involviert: Die USA, Fed, IWF, Weltbank, Investmentfonds, multinationale Unternehmen, Ratingagenturen.

Diese reale Exekutivmacht repräsentiert die realisierte Identität zwischen Ökonomie, Politik und Militär, sie bildet eine hyperstrategische Waffe des finanziellen Kapitals, wobei ihre Kriegsmaschine per definitionem keine regulierende Institution, sondern selbst ein Machtapparat ist, um die neuen Bürgerkriege zu planen und durchzuführen, Kriege unter der und gegen die Bevölkerung. EU, EZB und IWF müssen weniger den Staaten oder den Bevölkerungen Rede und Antworten, um ihre Strategien zu legitimieren, sondern nur noch den transnationalen finanziellen Unternehmen, welche an vorderster Front die Bürgerkriege gegen die Bevölkerungen führen. Alle Staatsmächte sind heute einer transnationalen Exekutivmacht untergeordnet. Die ganze Welt wird ein Kampffeld, wobei die Waffen more sophisticated und weniger blutig, aber um so brutaler sind. Die Kriegsmaschinen, die ein Kontinuum zwischen Ökonomie, Politik und Krieg implizieren, kombinieren heute Strategien der Horizontalität (Multiplikation und Diffusion der Zentren der Macht) und der Vertikalität (Zentralisierung und strikte Unterordnung dieser Zentren und der Entscheidung findenden Apparate unter die Logik der Maximierung der Renditen der Shareholder.)

Zwei Ströme der Deterritorialisierung des Kapitals, Geld und Krieg, überlappen sich bei der kapitalistischen Globalisierung, wobei die Finance eine nicht-militärische Waffe ist, mit der unblutige Kriege geführt werden, die aber genauso zerstörende Effekte wie blutige Kriege haben können. Die Politik des Kapitals besteht darin, asymmetrische Kriege mit den Mittel einer neuartigen Kriegsmaschine zu führen, wobei die finanziellen Krisen, selbst Teil der Kriegsmaschinen, ununterscheidbar von dieser Entwicklung werden, ja ununterscheidbar von der Entwicklung der Kriege, aber eben nicht der Kriege zwischen Staaten, sondern der neuen Formen transnationaler Kriege, die von der Entwicklung des Kapitals ununterscheidbar bleiben. Finance wäre damit immer auch ein unblutiger Krieg mit nicht-militärischen Mitteln, eine Strategie, mit der Ökonomie, Politik und Krieg hinsichtlich des Projekts eines entfesselten globalen Kapitalismus integriert werden. Die gegenwärtige Kriegsmaschine des Kapitals führt die Kolonialisierung des Staates fort, und zwar durch ihre Unternehmen und Administrationen, während simultan die Regierungen Agenten dieser Kolonialisierung werden, indem sie die Plätze der Entwicklung, Kontrolle und Techniken der Governance regulieren.

Ranciere beschreibt das liberal-demokratische System als einen Kompromiss zwischen dem oligarchischen Prinzip (die Bevölkerung delegiert ihre Macht an die Repräsentanten der ökonomischen und finanziellen Institutionen) und demokratischen Prinzipien (die Macht der Bevölkerung wird auf das Ausüben der Wahl reduziert). Exekutive Demokratie ist die institutionelle Artikulation der Kriegsmaschine des Kapitals.

In der heutigen globalisierten Welt sind die Räume der Kapitalakkumulation trans-national, womit der Wettbewerb und die Modalitäten der fortdauernden Konflikte nicht nur über die Staaten und ihre Währungen redefiniert werden, sondern in der Relation zur globalisierten Bevölkerung, die ganz der Logik des Kapitals unterworfen werden. Der Krieg unter den Bevölkerungen adressiert nicht nur Terroristen, sondern in seiner pluralen Form des Krieges gegen die Bevölkerungen ist er ein Instrument der Kontrolle, Normalisierung und Disziplinierung einer globalisierten Arbeitskraft. Eine auf die Bevölkerungen ausgerichtete Counterinsurgency ist das Synonym für eine unendliche Pazifizierung der Konflikte.

Der Feind ist nun weniger ein fremder Staat, sonder unspezifiziert der nicht sichtbare Feind, der nicht-beschreibbare Feind, der mitten in der Bevölkerung produziert und reproduziert wird. Diese neue Definition eines diffusen, zerstreuten und ausschwärmenden Feindes taucht in der militärischen Literatur nach 1968 auf.

Der gegenwärtige Krieg wird auch ein möglicher Krieg genannt, der keine Front hat und mit der Bevölkerung koinzidiert. Mögliche Kriege erscheinen nicht zwischen Gesellschaftsformationen, sondern innerhalb derselben, wobei die Kriegsmaschine jetzt nicht mehr den Krieg zum Ziel hat, sondern den Frieden, der sich wiederum in eine neu Form des Krieges transformiert. Die Ziele der Kriegsmaschine werden nicht durch die Politik der Nationalstaaten, sondern die des Kapitals bestimmt, dessen strategische Axis durch Kredite/Schulden gebildet wird. Insofern der Gegner nur irregulär sein kann, muss man, wenn man intervenieren will, sein Milieu und seine Umgebungen, in denen die Leute leben und in dem auch die Irregulären leben, kennen und kontrollieren. Die Modalitäten der Kontroll- und Sicherheitstechniken, die das finanzialisierte Risikosubjekt betreffen, entsprechen den Interventionen gegen den irregulären Feind, der insbesondere in den Milieus oder den Umgebungen der globalisierten Armut vermutet wird, wobei hier das bedrohliche Terrain die Suburbs oder die sub-cities sind..

Der soziale Impact des Neoliberalismus geht dahin, eine Situation allgemeiner Unsicherheit aufrechtzuerhalten und zu kontrollieren, indem man die Furcht breit streut und die ökonomischen Bedingungen bestimmter Teile der Bevölkerung immer weiter verschlechtert. Es geht um eine Governance durch zivile Kriegsführung, die qua konstanten Sicherheitskampagnen geführt wird, wobei die alte Souveränität des Staates nicht wieder hergestellt wird, sondern ein transnationaler Staat der Biopolitik entsteht, der eine neue Form des Friedens schafft, sodass gesetzlich kein Unterschied mehr zwischen der Zeit des Friedens und der des Krieges besteht.

Interne und externe Kolonialisierung durchziehen heute alle Territorien, der Norden hat seinen Süden (Hartz4, Migranten, Unbeschäftigte und die Armen), und der Süden hat seinen Norden (Zonen der Hightech-Produktion, Comprador Eliten). Der Krieg ist fraktal, er reproduziert sich selbst auf unbestimmte Zeit und in immer demselben Modell, aber unter verschiedenen Modalitäten und auf verschiedenen Ebenen der Realität. Dabei ändert sich zwischen dem Norden und Süden nur die Intensität des Bürgerkrieges zwischen geteilten Bevölkerungen, nicht die kommunizierende Natur selbst.

Die Finance regiert heute die Globalisierung der Produktion und die neue transnationale Teilung der Arbeit (globale Produktionsnetzwerke), was zu neuen Grenzziehungen führt, auch zwischen finanziellen und politischen Aktivitäten, während die Finance selbst jeder effektiven Regulierung entkommt. Die globale Unsicherheit ist die Bedingung für die Sicherheits-Governance des gegenwärtigen Kapitalismus. Die Normalität des Staates besteht darin, Furcht und Unsicherheit unter die Bevölkerung zu streuen anstatt sie zu schützen, und die Quelle findet man nicht in den legal-politischen Dimensionen, sondern im Kapital und seiner zivil-finanziellen Kriegsmaschine, die durch strukturelle Anpassungen funktioniert.

Gemäß der systemischen Instabilität bildet die Multiplizierung von möglichen Feinden einen notwendigen Aspekt des Sicherungssystems der sozialen Kontrolle auf nationaler und internationaler Ebene. Mit der Saturation des Systems wird auch die Instabilität zu einem permanenten Phänomen, wobei man mit der Militarisierung der Regierungen auf die fundamentale Aufgabe des Vorhersagens reagiert, auf die Antizipation und Verhinderung der zahllosen Möglichkeiten des real-virtuellen Bruchs, der selbst in die Dynamik der Dominanz des finanziellen Kapitals und seine Kriegslogik inskribiert ist.

Die Ordnung des finanziellen Kapitals ist eine Unordnung, die instabil und unersättlich ist, ein Zustand im konstanten Wandel und weit weg vom Gleichgewicht, immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten der Akkumulation und der Verschiebung jeder Schranke. Die Ausweitung der Kompetenzen der Exekutive genügt dabei nicht, um diese Instabilitäten zu kontrollieren, ja die Exekutive muss direkt in die Hände des Kapitals und seiner finanziellen Institutionen übergehen, und zwar auf der Ebene der Weltökonomie, einem instabilen Zustand, dem sich auch die Staaten anzupassen haben (dies geschieht über die Unabhängigkeit der Zentralbanken, der Versicherung der öffentlichen Schulden und die Finanzierung des Haushaltsdefizits der Staaten.) Zwar scheinen manche Maßnahmen der Nationalstaaten wie finanzielle Stabilität und ausgeglichen Haushalte im Widerspruch zu den Bewegungen des Kapitals zu stehen, aber dies täuscht, denn die Stabilität bezieht sich hier vor allem auf die Budgets, welche die Ausgaben für die Bevölkerung betreffen, die nun unter noch stärkerer Überwachung steht. Die Governance und all ihre Apparate funktionieren als spezifische Waffen, um vor allem die Bevölkerungen zu kontrollieren, Austeritätspolitik zu betreiben und die Macht der Gläubiger sicherzustellen, wobei insbesondere die neuen faschistischen Bewegungen die Governance in Richtung eines Bürgerkrieges treiben, der als wesentliche Feinde die Flüchtlinge, Fremden undMuslime bestimmt, wobei die Unterscheidung interner und externer Feind kollabiert.

Die Politik des totalen Krieges qua Finanzialisierung ohne Grenzen lässt keine andere Strategie als die Intensivierung der strukturellen Anpassung zu, die vom IMF seit den 1980er Jahren weltweit implementiert wird, wobei nicht die Dynamik der Biomacht den Rassismus determiniert, sondern dieser wird durch die Notwendigkeit, die Klassenteilung in einer Population zu produzieren und reproduzieren, bestimmt, einer Population, die je schon geteilt ist, biopolitisch differenziert in und durch die Strategien des Kapitals, wobei die Klassenteilung je schon rassistisch ist. Der Widerspruch der auf globaler Ebene zwischen der kompletten Freiheit der Geldkapitalströme einerseits und der begrenzten Mobilität der Bevölkerungsströme andererseits besteht, bedarf eines Apparats der Regulation, der gegenwärtig eine faschistische Tendenz besitzt. Und diese neuen Faschismen können sich der Kontrolle des Staates und des Kapitals auch entziehen, da die Kriegsmaschine des Kapitals sich auf den Feldern des zivilen Krieges als offen situieren muss. Der strategische Zeitraum, innerhalb dessen sich die finanzialisierte Akkumulation und ihre Governance verbinden, kann nur das Kontinuum blutiger und unblutiger ziviler Kriege aufrechterhalten, das sich heute von Europa über die Türkei, den Nahen Osten bis nach Afghanistan verbreiten. Griechenland ist ein Feld, in dem sich das Experiment in aller Deutlichkeit anzeigt, nämlich eine politische Governance des Bürgerkriegs, die durch die Schuldenkrise gefüttert wird, begleitet von einem angeblich humanitären Regime der Flüchtlingskontrolle. Die in diesem Kontext zentralen Subjekte, die politisch sui generis sind, da sie homogen in den globalen Markt integriert sind und die Wahrheit dieses politischen Situation ausdrücken, sind die Migranten und Flüchtlinge, die beim Reisen ihr Leben riskieren.

Die Kritik der politischen Ökonomie muss anerkennen, dass die Ökonomie den Krieg nicht nur substituieren, sondern auch fortführen kann, und zwar auch mittels der Staates, der durch die monetäre Regulation und das staatliche Gewaltmonopol, das gegen äußere und innere Feinde eingesetzt wird, operiert. Die Akkumulation des Kapitals sowie das Privateigentum, welches das Kapital exekutiert, und die Akkumulation und das Gewaltmonopol des Staates bedingen einander. Ohne die externe Kriegsführung und den Bürgerkrieg innerhalb seiner Grenzen gibt es kein Kapital, während umgekehrt ohne die Kapitalverwertung der Staat niemals in der Lage wäre, seine administrativen, legalen und regierungstechnischen Funktionen auszuüben und eine Armee zu organisieren. Die Aneignung der Produktionsmittel und die Aneignung der Mittel zur Ausübung exekutiver Macht sind die Bedingung zur Konstitution des Kapitals und des Staates, die sich beide parallel entwickeln.

Die Geschichte des Kapitalismus ist von Serien von Kriegen begleitet, Klassenkriege, rassistische und sexistische Kriege, Bürgerkriege etc. Multiplizitäten der Staatsformen und transnationale Organisationen, politisch-institutionelle Ensembles, welche die Nationen auszeichnen, werden dem finanziellen Kapital untergeordnet, dessen Logik nach der Formel G-G operiert. Der Staat konnte sich ab dem 16. Jahrhundert die vielen Kriegsmaschinen der feudalen Periode aneignen, um sie zu zentralisieren und zu institutionalisieren, letztlich in eine Kriegsmaschine umzuwandeln bzw. eine Armee, die auf der legitimen Macht gründete. Die Arbeitsteilung in der Fabrik und der Armee ähneln sich. Der Staat als die Megamaschine der Macht beruht auf der Vereinnahmung, Zentralisation und Institutionalisierung der Mittel der Exekutivmacht. Ab 1870 war aber das Kapital mit einer bloßen Allianz mit dem Staat und seiner Kriegsmaschine nicht mehr zufrieden und begann direkt mit der Vereinnahmung des Staates durch die Integration seiner Instrumente. Die Konstruktion der neuen kapitalistischen Kriegsmaschine integrierte den Staat, seine politische und militärische Souveränität und all seine administrativen Funktionen, um sie unter der Dominanz des finanziellen Kapitals immer weiter zu modifizieren. Ab dem ersten Weltkrieg hat die wissenschaftliche Organisation der Arbeit und das militärische Modell der Organisation des Krieges die politischen Funktionen des Staates beeinflusst, um die liberale Gewaltenteilung in Richtung der Dominanz der Exekutive zu verschieben. Unter dem Fordismus garantierte der Staat noch die Territorialisierung von Kapital und Krieg, was auch heißt, dass die danach stattfindenden Prozesse der Globalisierung den Prozess der Befreiung des Kapitals vom Staat und die Befreiung des Krieges zum Ziel haben mussten. Der deterritorialisierte Krieg ist kein Krieg zwischen den Staaten mehr, sondern eine Kaskade von multiplen Kriegen gegen die Bevölkerungen, womit die biopolitische Governance des Krieges als eine differenzielle Verteilung der Instabilität und als Norm des alltäglichen Lebens aufrechterhalten wird. Die Matrix der Bürgerkriege bleiben die kolonialen Kriege, die niemals Kriege zwischen Staaten waren, sondern Kriege unter und gegen die Bevölkerungen, wo die Unterscheidungen zwischen Krieg und Frieden, Kämpfenden und Nicht-Kämpfenden, zwischen Ökonomie, Politik und Krieg hinfällig wurden. Koloniale Kriege dieser Art sind das Modell eines Krieges, den das finanzielle Kapital im Namen des Neoliberalismus seit den 1970er Jahren bevorzugt und führt. Dieser Krieg ist fraktal und transversal, ersteres, weil er unendlich seine Invarianz durch konstante Veränderungen der Dimensionen produziert, transversal, weil er die Makro- immer mit der Mikroebene verknüpft.

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