Andrew Culps Dark Deleuze: Anstiftung zum Widerstand

In dieser ersten, kurzen Besprechung des Buches „Dark Deleuze“ von Andrew Culp geht es um die Nachzeichnung der wesentlichen Argumente, die in der Einleitung vorgebracht werden. Man könnte nun sagen, Culp bemüht sich um einen Bruch mit der bisher dominanten Deleuze-Rezeption, um die Rehabilitierung eines revolutionären Deleuze oder um eine Art Hermeneutik, die bestimmte Problematiken, die in den Texten von Deleuze zwar anwesend, aber nicht genügend expliziert sind, herauskristallisiert. Dem ist zu widersprechen. Man sollte “Dark Deleuze” als eine Anstiftung lesen, aber keineswegs nur als eine Anstiftung zu einem anderen Denken, sondern als eine Anstiftung Begriffe als Werkzeuge, ja als Waffen zu benutzen, ergo keine Anstiftung zur Kreation von Welten, sondern zur Destruktion der Welt, wie sie ist.

Andrew Culp beginnt seinen Text „Dark Deleuze“ mit einer Bemerkung von Deleuze zu den Funktionen eines guten Buchs. Es muss drei Funktionen erfüllen. Der Autor muss zeigen, dass 1) andere Bewerber einen Irrtum begehen, b) dass eine essenzielle Erkenntnis fehlt, und c) muss ein neues Konzept kreiert werden. Dies nimmt Culp mit seinem Text „Dark Deleuze“ für sich selbst in Anspruch. Er argumentiert zum Ersten gegen einen Deleuze, der den Kanon der Freude singt, woraufhin eine ganze Reihe von Deleuzianern es geschafft haben, Deleuze als einen naiven affirmativen Denker der Konnektivität vorzustellen. Zum Zweiten will Culp mit Deleuze die destruktive Kraft der Negativität in Szene setzen, mit der man den Hass gegen die Welt, wie sie ist, kultiviert. Zum Dritten schlägt Culp die Konspiration von antagonistischen Termen vor, die gegenüber jeder glücklichen Kreation von Termen, die aufeinander bezogen sind, sei es, dass sie sich teilen, sei es, dass sie sich synthetisieren, de jure divergieren. Zugegebenermaßen spricht Deleuze oft von einer freudvollen Affirmation und äußerst dabei seine Ablehnung der Negativität, die er dann immer in Verbindung zum Ressentiment setzt. Im Kanon der Freude ist der Kosmos eine komplexe Kollektion von Gefügen, die durch andauernde Prozesse der Differentation/Differenzierung produziert werden. Die Kreation von Konzepten, die sagen, wie die Welt ist, erscheint hier als ein eminent genussvoller Prozess. In diesem Kontext sind es heute die Denker des Realismus (OOO, Spekulativer Realismus, De Landa etc.), die versuchen mithilfe einer deleuzianischen Metaphysik der Positivität eine neue Ontologie zu kreieren.

Für einen Moment gilt es innezuhalten, denn ein anderer, ein dunkler Deleuze wirft jetzt schon seine Schatten voraus, ein revolutionärer Deleuze, der die Negativität in die Welt der zwanghaften Freude, der dezentralisierten Kontrolle und Transparenz einbrechen lässt. In den Texten von Deleuze führt, was vielfach übersehen wurde, die Negativität auf der Ebene des Konzepts zu vielen seiner verwendeten Präfixe, die die Differenz, das Werden und die Bewegung betreffen – de-, a-, in- und nicht-. Hier findet man deutliche Parallelen zu Laruelle, dessen Präpositionen als Operatoren fungieren, mit denen die Zugehörigkeit zu der Welt, wie sie ist, tunlichst vermieden wird, man denke an ohne- (ohne-Konsistenz, ohne-Welt) und nicht- (nicht-konzeptuell, nicht-definitorisch, nicht-philosophisch). Wenn es um Konzepte geht, dann  will Andrew Culp in “Dark Deleuze” apokalyptische Science Fiction schreiben. Auf der Ebene des Affekts ist die Negativität auf die Unwahrnehmbarkeit, die Konspiration, die Scham Mensch zu sein und auf die monströse Macht des Schreis bezogen.  

Unser Zeitalter ist das der Engel, zitiert Culp Michel Serres, eine Armee von unsichtbaren Boten, die, mit der Aufgabe der Kommunikation, Transmission und Übersetzung betraut, den Himmel durchqueren. Sie fordern uns auf, alle Botschaften in Worten und Taten auszudrücken. Medien haben heute die Funktion der Engel übernommen. Im Jahr 1991, als der eiserne Vorhang endgültig fiel, gelang Deleuze/Guattari dazu eine entscheidende Bemerkung: Wir leiden an keinem Mangel von Kommunikation. Im Gegenteil, wir werden mit ihr vollgestopft, wir sind gesättigt, wir leiden am fehlenden Widerstand gegen diese Gegenwart.

»Bedeutung, immer mehr Bedeutung! Information, immer mehr Information!«, das ist das Mantra der hermeneutisch-logischen Differenz, das unaufhörlich die Terme Wahrheit und Kommunikation miteinander vermischt, das Reale und die Information. In dieser “self-inscribed world”, so Laruelle im Gleichklang mit einem dunklen Deleuze, müsse tatsächlich noch das letzte Geheimnis aufgedeckt und kommuniziert werden, alles, was bisher noch nicht gesagt wurde, sei nur dazu da, damit man es endlich sage. Für Laruelle ist die kommunikative Entscheidung noch heimtückischer als die philosophische Entscheidung: Es ist eine Sache, zu sagen, dass alles, was existiert, einen zureichenden Grund besitzt, aber es ist eine andere Sache, zu fordern, dass alles, das aus irgendeinem Grund existiert, kommuniziert werden soll. Wenn die philosophische Entscheidung eine Variante des Prinzips des zureichenden Grundes ist, dann fügt die kommunikative Entscheidung die absolute Kommunizierbarkeit als heimtückisches Aperçu noch hinzu. Es sind das Kapital mit seiner Maßlosigkeit und die Politik seiner Staaten, die das Ziel der vollkommenen Kommunikation und der reinen Transparenz vor sich her schieben und ihm doch nur infinitesimal nahe kommen können, und so erklärt sich denn auch die paranoid-depressive Tendenz, die heute wie eine unerträgliche Schleimspur alles zu überziehen versucht. Nietzsche sagte irgendwo, wer dem Ziel nahe ist, der tanzt – er verstand darunter aber einen ganz anderen Tanz.

Žižek scheint Recht zu haben, wenn er Deleuze – betrachtet man ihn als Apologeten der Konnektivität – als das Vorzeigekind für die Exzesse des kulturellen postmodernen Kapitalismus bezeichnet. Culp zitiert in diesem Kontext den Google Chef Eric Schmidt, der kürzlich erklärt hat, dass das Internet verschwinden werde, da es längst untrennbar von unserem Sein sei. Das sollte uns sehr aufmerksam machen. Es geht Culp nicht um eine Kritik des Internets, deren Kernaussage darin besteht, dass die digitale Technik unsere menschlichen Kapazitäten, sie zu managen, übersteige, denn, so Culp, schon Foucault habe gesagt, dass heute der Mensch seine eigene Zukunft stärker beeinflusse als je in der Geschichte zuvor. Das Problem sei, dass die Menschen ganz genau wissen, was sie an Unerträglichem tun, aber sie tun es trotzdem.

Philosophisch gesehen bedeutet Konnektivität das Erzeugen von Welten. Das Ziel einer Prophetie der Konnektivität besteht darin, alles und jedes zum Teil einer einzigen Welt zu machen. Culp sieht dies schon bei Kant angelegt, der den ewigen Frieden will, im marxistischen Universalismus, der die Einheit von Theorie und Praxis fordert, und bei Habermas, der uns alle als Teil einer großen Konversation phantasiert. Besonders letzteren trifft die unschlagbare Kennzeichnung der heutigen Kommunikationsgemeinschaften, wie sie Kroker/Weinstein vorgenommen haben: „Ich könnte für immer hier bleiben und mir dir weiter reden. Das ist die Einstellung jener Leute, die bei Mc Donald`s herumhängen: die ideale Sprechgemeinschaft, die es bereits gibt, aber von der Kritischen Theorie übersehen wurde.“ Aber diese Art der Kommunikation wird heute noch viel stärker durch Google dirigiert, was noch einmal überzeugend Deleuzes Aussage, dass Technik sozial sei, bevor sie technisch sei, bestätigt. Wenn Konnektivität als ein Mantra gepredigt wird, dann erscheint es leicht, ihre Effekte überall zu erkennen. Jobsuchende sollen sich auf das Internet verlassen, flache Hierarchien sind gut für das Business-Management und schließlich gilt das Internet als die größte Ressource menschlichen Wissens, wobei die Information nur darauf wartet endgültig frei zugänglich zu werden. Viele Deleuzianer unterstützen dieses Konzept, das in der Promotion von transversalen Linien, rhizomatischen Verbindungen, komplexen Assemblagen, affektiven Erfahrungen und entzückten Objekten besteht. Es sei wahrlich kein Wunder, so Culp, dass Deleuze dann schlussendlich dem Camp des kalifornischen Buddhismus zugeschlagen werde, denn die Deleuzianer hätten seine Philosophie auf die Differenz, die Offenheit für Begegnungen in einer schwierigen Welt oder auf erhöhte Kapazität durch Synergie reduziert. In gewissem Maße funktioniert heute selbst das finanzielle Kapital und die Logistik des Kapitals rhizomatisch.

“Dark Deleuze” will all diese Idole killen und die erste Aufgabe dieser Aktion ist negativ, so wie Deleuze/Guattari es im Anti-Ödipus mit der Schizoanalyse vorgeschlagen haben: Sie läuft auf eine komplette Ausschabung hinaus, sie muss zeigen, dass der Optimismus für die Konnektivität endgültig am Ende ist. Die selbstverwalteten autonomen Zonen sind längst den Gesetzen der Kapitalisierung unterworfen. Zudem erleben wir den Terror der Publizität, die Diffusion der Macht und die Übersättigung durch Information. Alexander Galloway hat unlängst davon gesprochen, dass das Netzwerk zu einer totalitären Basiskategorie des Kapitals mutiert sei, inzwischen sei alles ein Netzwerk, und die beste Antwort auf Netzwerke seien noch mehr Netzwerke. Hyperkonnektivität wird heute durch das »L-Gesetz« bestimmt, das den Nutzen der Komplexität eines Netzwerks erfasst (die möglichen Verbindungen zwischen einer Anzahl von Knoten plus die Geschwindigkeit; Wachstum des Nutzens proportional zum Quadrat der Zahl der Verbindungsknoten.) So entsteht der neue „Inforg“ (Floridi), der in die Netzwerke als Modul eingebaut wird, wenn diese den Umweg über das Subjekt überhaupt noch benötigen, um operierende und kommunizierende Objekte modular zu prozessieren.

“Dark Deleuze” folgt hingegen Deleuzes Vorschlag, Vakuolen der Nicht-Kommunikation in die Netzwerke, seien sie flach oder hierarchisch angelegt, zu schlagen, und die kommunikativen Kreisläufe zu unterbrechen anstatt sie zu erweitern. Es geht nicht darum den Raum des Kapitals zu verlassen, sondern ihn zu kannibalisieren: wir sind zwar von dieser Welt, aber nicht für diese Welt.

Deleuze fordert uns oft genug dazu auf, an diese Welt zu glauben. Culp fordert hingegen an dieser Stelle dazu auf, eine andere Orientierung einzuschlagen als an etwas zu glauben, das etwa so flüchtig sei wie die Sensationen des Kinos. Anstatt die Kräfte zu unterstützen, die diese Welt produzieren, müsse man sie zerstören. Heute sprechen wir nicht mehr über den Tod Gottes oder den des Menschen, sondern wir verlangen den Tod dieser Welt, und um dies zu tun, muss man den Hass kultivieren. Deleuze zitiert häufig genug Nietzsches Aussage „Zerstören um zu kreieren“. Im “Anti-Ödipus” schreiben Deleuze/Guattari, dass das Kapital das Vorherige zerstört habe, um seine eigene irdische Existenz zu kreieren, wobei die erste Aufgabe negativ zu bewerten sei (zerstören) und beiden nächsten positiv (kreieren, kreieren).

Etwas wirklich Entwaffnendes schleppt Deleuze/Guattaris Definition der Philosophie (eine Art und Weise Konzepte zu erzeugen) mit sich, wenn es heute im Business bis hin zu allen möglichen Lebensbereichen nur noch darum geht, konstruktiv und nicht destruktiv zu sein. Wenn heute die Werbefritzen für sich proklamieren, sie seien die kreativsten aller kreativen Geschöpfe, dann wird es wirklich Zeit das Konzept der Kreativität als zentralen Mechanismus der Befreiung komplett zu verabschieden. Wie weit, so Culp, sei das doch alles von Marxens Aufforderung zur schonungslosen Kritik all dessen, was existiert, entfernt!

Konzepte sind nur dann mit dem Denken vereinbar, wenn sie den Konsens durchbrechen. Konzepte sind das Resultat von Katastrophen, sagen Deleuze/Guattari, von Not und Misstrauen. Wahre Gedanken sind rar, schmerzvoll und sie werden uns von Ereignissen aufgezwungen, die so grauenhaft sind, dass sie ohne die Mühe des Denkens nicht bestanden werden können.

Der Produktivismus ist der zweite große Gegenstand der Kritik. Er prozessiert qua einer Logik der Akkumulation und limitiert die Produktion auf die Reproduktion, sodass uns seine bloße Übernahme in diese Logik einbinden würde. Nur diejenigen Kreisläufe der Produktion, die ihre eigene Basis erweitern, werden heute anerkannt. Es mag zwar noch möglich sein das Konzept vom Produktivismus zu trennen, insofern der letztere längst zum professionellen Training von Businessleuten verkommen ist, das sich auszahlen soll. Im Zeitalter der zwanghaften Happiness erscheint die Trennung aber schwierig, insofern jede Konstruktion mit den Anforderungen des Kapitals konfrontiert wird.

Deleuze korrumpiert den Holismus durch eine alte atomistische Vorstellung: Die Relation zwischen zwei Termen produziert einen unabhängigen dritten Term. So nämlich konstruiert Deleuze laut Culp seine Metaphysik der Positivität, i.e, alle Elemente stehen allein, und dies ohne Bezug auf den hegelschen Widerspruch, auf Opposition oder Identität. Die Dinge sind niemals vollkommen abhängig von ihrem Umfeld, dem Kontext der Produktion, sie können dem Ort ihres Ursprungs entfliehen. Culp erwähnt an dieser Stelle den späten Althusser und dessen Theorie des aleatorischen Materialismus.

Foucault hatte in gewisser Weise an der Eins und Zwei nichts auszusetzen, aber eben nur insofern als die Macht sich immer in Kampf, Herrschaft und Widerstand auseinander dividiert (und nicht zusammensetzt). Anders bei Deleuze: Entgegen der landläufigen Deleuze Rezeption, die in der Figur der inklusiven Disjunktion zuweilen sogar ein libertäres Moment vernimmt, gilt es darauf hinzuweisen, dass Deleuze dieser Art der Konnektivität doch eher skeptisch gegenüberstand. Es handelt sich bei der inklusiven Disjunktion um einen Prozess, der ansonsten fremde oder gar feindliche Entitäten miteinander in Beziehung setzt, ohne dass sie eine gemeinsame »Logik« bezüglich des verhandelten Gegenstandes teilen müssen. So kann die Inklusion im Kapitalismus durchaus auch über die Prozessierung von Divergenz stattfinden, sie muss nicht unbedingt als Homogenisierung von Differenzen stattfinden.

Während sich für Laruelle angesichts der Bevorzugung der Immanenz die Frage des Dritten gar nicht erst stellt (Superposition und Idempotenz erfordern folgende Formel: 1+1=1), beharren Deleuze/Guattari, wenn man sie jenseits der logischen Figur der inklusiven Disjunktion liest, auf einer durchaus interessanten Nicht-Beziehung zwischen dem zweiten und dem dritten Term, insofern der dritte, der nomadische Term, die beiden anderen Terme nicht synthetisiert, sondern sich radikal von ihnen abtrennt. Dabei werden zunächst zwei Terme innerhalb eines einzigen Gegenstandes gedacht (beispielsweise die liberale und die autoritäre Komponente des Staates), wobei der dritte Term des widerständigen Nomadischen keineswegs die Synthesis der beiden Terme oder die Fortschreibung der Differenz, sondern die Herstellung einer Beziehung zum Außen anstrebt. Widersprüche müssen nun definitiv außerhalb der Dualität gedacht werden. Die inklusive Disjunktion (weder… noch bzw. dieses oder dieses und/oder dieses und/oder dieses) sollte man deshalb durch die radikal exklusive Disjunktion ersetzen. Es gibt jedenfalls keinen Sieg der goldene Mitte qua Synthesis zu vermelden, jedoch gilt es etwas außerhalb der bisherigen Welt des Kapitals anzustreben.

Die Macht des Außen eröffnet eine zusätzliche Fluchtlinie. Deleuze/Guattari haben im Anti-Ödipus eine Autoproduktion des Realen vorschlagen, die ein passiver Prozess ist, der vom menschlichen Bewusstsein nicht erreicht werden kann. Viele Deleuzianer begreifen jedoch, indem sie Politik mit Metaphysik vermischen, die Autoproduktion als einen positiven Prozess, der für sich selbst steht. Hingegen insistiert Culp darauf, das wir uns zwar mit den Kräften der Autoproduktion verbinden sollten, aber nicht um die jetzige Welt des Kapitals zu reproduzieren, sondern um sie zu zerstören. Das mächtigste System der Autoproduktion ist das Kapital, das Hunderte von Millionen Menschen in die Armut und Verelendung wirft, Kriege der Verwüstung anzettelt und die Subjekt einer peniblen Kontrolle unterwirft. Es kann keinerlei Kompromiss mit dem gegenwärtigen globalen System des Kapitals geben, wie dies etwa der linke Akzelerationismus anstrebt, wenn er für einen Postkapitalismus plädiert, für einen universellen Normativismus unter dem Deckmantel aufklärerischer Rhetorik.

Culp fordert hingegen einen dunklen Turn – nicht-dialektisch, nicht telisch – und plädiert für einen nicht-teleologischen Pfad der Negation und des Widerstands. Es geht einfach darum, die Welt des Kapitals zu zerstören. Gegen die Oszillationen eines Badiou oder Žižek, die sich zwischen Wahrheit-Bedingungen und Akte-Ereignisse bewegen, will Culp die barbarischen Kräfte des Außen erneuern. Im Kontext der Figur des Migranten hat kürzlich auch Thomas Nail einen neuen Barbarismus eingefordert, der auf die destruktiven Kräfte setzt, wie sie bspw. Walter Benjamin beschrieben hat. Wir sollten aufhören, das Leben zu romantisieren und wir sollten der kalkulierten Politik, den Lösungen der Technokraten und den schlechten Arten zu denken einen fröhlichen Tod wünschen.

Wir sollten schließlich, so Culp, Deleuzes Irrtum korrigieren, der darin bestünde, dass er es versäumt habe, den Hass auf diese Welt zu kultivieren. Hören wir für einen Moment wieder auf Walter Benjamin: Der destruktive Charakter kennt nur eine Parole: Platz schaffen; nur eine Tätigkeit: räumen. Sein Bedürfnis nach frischer Luft und freiem Raum ist stärker als jeder Haß.“ Oft genug spricht Deleuze zwar von Nietzsches Grausamkeit und dessen Geschmack für die Destruktion, aber Deleuzes Bild der Zukunft ähnelt noch zu sehr der Gegenwart. Die Deleuzianer, die ihren Master nur endlos wiederholen, sie sind eine grandiose Parodie, wenn sie etwa von den rhizomatischen Gärten, von der kooperativen Selbstreproduktion und der Affirmation eines affirmativen Lebens schwärmen und schwadronieren.

Gegen diese Maximen will Culp mit Dark Deleuze den neuen Barbaren setzen, der in der Tradition Rimbauds steht. Barbarischer Hass ist nicht rücksichtslos, aber er folgt ganz und gar nicht der Wissenschaft des Urteils. Culp weist allerdings auch darauf hin, dass der Hass das ambivalente Komplement zur Liebe sei und deswegen schnell ins Ressentiment abgleiten könne.

Meistens wird die Welt immer noch nur durch die Brille der Aufklärung gesehen, der Erleuchtung, aber es geht darum sie zu verdunkeln. Die wichtigste Instanz der Helligkeit, Konnektivität, ist nichts weiter als die Realisierung des techno-affirmativen Traums von der kompletten Transparenz. Culp bringt dagegen die Metapher der Gruft ins Spiel: Für Deleuze falten sich solche Räume in sich selbst, indem sie simultan die Autonomie des Innen und die Unabhängigkeit der Fassade als ein Innen ohne Außen und ein Außen ohne Innen ausdrücken, je nachdem wie man es sieht. Es geht hier keineswegs um die Gleichsetzung der Gruft mit dem Tod, sondern um die Projektion einer unterirdischen architektonischen Macht. Von der Metapher der Gruft bezieht Culp auch das Moment der Konspiration. Sie ist gesättigt mit Negativität, aber nicht im Sinn von Antinomien. Man sollte lernen entschieden Nein zu denjenigen zu sagen, die die Welt so nehmen, wie sie ist.

Der Dunkle Deleuze hat einiges mit dem Schwarzen Laruelle gemein. Für Alexander Galloway bietet Laruelle ein neues Uchromia an, eine Utopie, die auf einem generischen schwarzen Universum basiert. Als Beispiel wählt Galloway die Verfassung Haitis aus dem Jahr 1804, die alle Bürger als schwarz erklärte, und zwar unabhängig von ihrer Hautfarbe. Man forderte damals schon die Subtraktion von der Welt der Farbe und des Lichts, die vom Multikulturalismus und seiner Politik der kulturellen Differenzen bis heute so übermäßig abgefeiert wird.

Deleuze fordert die nicht-dialektische Negation, die als Distanz zwischen zwei unabhängigen Pfaden operiert. Culp zitiert Klossowski, der in seinem Nietzsche Buch „Circulus vitiosus“ die Konspiration als die Art und Weise bezeichnet, mit der institutionalisierten Moral, dem Kapitalismus und dem Staat zu brechen. Dazu gilt es eine kryptische Sprache zu verwenden, die nur denjenigen eigen ist, die wissen, wie die Kriegsmaschinen zu bedienen sind, um das Geheimnis erneut in sein Recht zu setzen. Culp fordert die Perzeption des Geheimnisses, das sich unter dem Leichentuch der Geheimhaltung viral ausbreitet. Er resümiert: Perzeption plus Geheimnis = das Geheimnis als Sekretion. Die beste Konspiration ist paradoxerweise die, bei der es nichts mehr zu verbergen gibt. Und es gibt durchaus eine affektive Dimension der Konspirativität. Der Pessimismus wird dann wieder zur Notwendigkeit, wenn man in einer Ära des generalisierten Prekariats, einer extremen Stratifikation der Klassen und des Rassismus lebt.

Das Problem mit der Metaphysik der Differenz besteht darin, dass sie zu genussvoll und zu affirmativ ist. In ihr ist kein Platz für das Marx`sche Konzept der Extraktion des Mehrwerts, den eine Klasse aus der anderen zieht. Hier muss der Widerstand in seiner strategischen Dimension labyrinthische Pfade entwickeln, um eine neue Kryptographie zu erzeugen. Der revolutionäre Traum muss in konterrevolutionären Zeiten unbedingt aufrechterhalten werden!

Die Konspiration von “Dark Deleuze” besteht aus einer Serie von Antagonismen: Antagonismen sind keine Gegensätze, die in dialektischer Opposition zueinander stehen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Eines der zentralen Argumente von “Differenz und Wiederholung” besteht darin, dass die Philosophie das Denken auf die Äquivalenz und die logische Identität zwischen zwei Termen reduziert hat. Das Denken der Antagonismen muss dagegen jede Nachbarschaft zum Denken der Ähnlichkeit, der Analogien und der Opposition vermeiden. Und es gibt noch einen zweiten Grund Oppositionen zu vermeiden: Sie implizieren als friedliche Auflösung die goldene Mitte, sodass der optimale Platz irgendwo zwischen den Extremen zu finden ist. Der vermittelnde Kompromiss sei, so Culp, die größte Tragödie und dies hinsichtlich der Dualismen, die Deleuze/Guattari in Tausend Plateaus aufgelistet haben: glatt/gekerbt; molar/molekular; baumartig/rhizomatisch. Um dem Dualismus und der goldenen Mitte zu entkommen, muss man die konzeptuellen Paare durch einen dritten, einen komplett unabhängigen Term erweitern, der ganz aus dem Außen kommt.

Culp fordert keineswegs die Inversion der vitalistischen Philosophie des Lichts und der Freude, sondern er bemüht sich um die Konstruktion einer Serie von Antagonismen. Dazu schlägt er ein Diagramm vor, das die Aufgaben eines Dark Deleuze anzeigt, um die Pfade der Freude und der Dunkelheit neu zu entwerfen. Culp entwickelt also eine Liste, bei der die gegensätzlichen Terme nicht so gegeben sind, als würde der einen den anderen implizieren, sondern die dunklen Terme werden einzig und allein ins Spiel gebracht, um die Kapazität anzuzeigen, mit sie die gegensätzlichen Terme usurpieren können. Konträre Kontakte sollten als gegenseitig exklusiv angenommen werden, es handelt sich um voneinander unabhängige Prozesse, die mit ihren eigenen Ressourcen spielen, ohne aufeinander zu rekurrieren. Was sie dunkel macht, das ist ihre Position der Exteriorität, mit der die irregulären Gedanken den Status der Freude angreifen. Culp will den Leser dazu anstiften, mit ihm die fremden Pfade der dunklen Alternativen zu gehen. Es wäre aber am besten, wenn auch diese Pfade irrelevant würden, womitDark Deleuze” sein ultimatives Ziel erreicht hätte: Das Ende dieser Welt, die Zerschlagung des Staates und der Kommunismus.

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