Automation. Zu Jason E. Smiths “Smart Machines and Service Work” (1)

Einführung

Das Buch von Jason E. Smith Smart Machines and Service Work lässt sich auf einen Nenner bringen: Die Theorien des Postkapitalismus und der Automation entpuppen sich als eine hohle Form der kalifornischen Ideologie. In dieser führe die Welt der digitalen Technologien – sei es das Smartphone, smart cars oder smart cities, smart Fabriken oder smarte Krankenhäuser, sei es die Implementierung von Computertechnologien, die Arbeitskräfte ersetzen und sparen, und zwar nicht nur als Automation der Produktionsprozesse, sondern auch die der Büros, Schulen Hotels und Krankenhäuser – zu einer Explosion der Produktivität, aber gleichzeitig zu einem rasanten Verschwinden von Arbeitsplätzen, sodass sich dann doch die Frage stelle, was die Leute ohne Arbeit tun werden und ob die neue Welt der joblessness nicht für die Vielen zu einer sozialen Misere ungeahnten Ausmaßes führen könne.

Die drei Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg gelten als die Jahre einer steigenden Arbeitsproduktivität in der Industrie, welche die materiellen Bedingungen für sowohl steigende Profite als auch für höhere Löhne schuf, wobei die Gewerkschaften immer stärker mit den Eigentümern und Managern der großen Industrieunternehmen kollaborierten. Dies führte gleichzeitig dazu, dass Arbeitskräfte im Zuge von Prozessinnovationen aus den kapitalintensiven Industrien herausgedrängt wurden und in Sektoren der Serviceindustrie wie Gesundheit und Erziehung, Staatsapparate und finanzielle Unternehmen, Foodindustrie und andere Bereiche des tertiären Sektors absorbiert wurden. Heute, so die Vertreter der Automationstheorie, sei es nun nicht mehr in erster Linie die Industrie, die von arbeitsplatzsparenden Technologien umstrukturiert würde, sondern der Servicesektor selbst, dessen Jobs, die das Resultat der ersten Welle der Automation in der Industrie waren, durch eine neue Welle der Automation ersetzt würden: Automation 2.0. Aber, so wirft Smith sofort ein, während die erste Welle der Automation im industriellen Nachkriegsboom stattgefunden habe, befänden wir uns heute mitten in einer langen Periode der ökonomischen Stagnation bzw. Stagflation, wobei sich vor allem die Kernländer des Kapitals schon seit der 1970er Jahren durch sinkende Wachstumsraten des BIP und der Arbeitsproduktivität auszeichneten. Zudem fallen, noch einmal angetrieben durch die Finanzkrise des Jahres 2008, die Reallöhne der Arbeiter, einhergehend mit wachsender Arbeitslosigkeit und sinkenden Investitionsraten in der Industrie und sogar negativen Raten in der Arbeitsproduktivität. Wir werden später untersuchen, ob es zulässig ist, dass Smith das Problem der Produktivität rein auf die Arbeitsproduktivität verkürzt und die Frage der Kapitalproduktivität vollkommen außer Acht lässt.

Smith hält es für dringend geboten, darauf hinzuweisen, dass die Ubiquität von technologischen Tools wie dem Smartphone, das Telekommunikation, Shopping, Video und Sozialität in einem Gadget integriert, im Zusammenhang mit dem Aufstieg der großen Tech-Unternehmen und den neuen Plattformfirmen zwar weitreichende Effekte auf Finance, Mobilität, Konsum etc., aber nur vernachlässigbare Wirkungen auf die Produktivität am Arbeitsplatz haben. An dieser Stelle zitiert er den Ökonomen Robert Solow, der bereits im Jahr 1987 davon spricht, dass man das Computerzeitalter überall sehen könne, außer eben in den Statistiken zur Produktivitätsentwicklung. Für Smith wiederum gibt es eine Reihe von Gründen, warum die Effekte der Automation und der neuen Technologien keinen signifikanten Einfluss auf die Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität in den entwickelten Ökonomien haben, sei es, dass bestimmte Arbeitsprozesse nach wir vor intuitive und sozial vermittelte skills und Wissen benötigen, die selbst durch maschinelles Lernen der AI noch nicht ersetzt werden können, sei es, dass die Existenz billiger Arbeitskräfte verhindert, dass die Unternehmen in teure maschinelle Systeme investieren, die unter Umständen dann doch nicht amortisiert werden können.

Die stagnierenden Löhne, wie man sie seit Jahrzehnten verzeichnen kann, sind selbst ein Effekt der technologischen Stagnation, insofern eben steigende Löhne zum Teil auch von den Steigerungen der Wachstumsraten der Produktivität abhängig sind, die wiederum höhere Investitionsraten und die Implementierung neuer Technologien benötigen, wobei aber gerade in den USA und anderen entwickelten Ländern seit den 1980er Jahren ein Rückgang des privaten Investments zu verzeichnen ist, der auf stagnierende oder fallende Profitraten auch infolge der Expansion billiger oder sog. unproduktiver Arbeit zurückzuführen ist. So führt heute die Einführung von Robotern in Bereichen in Unternehmen wie Amazon der Walmart nicht unbedingt zur Ersetzung von Arbeitsplätzen, vielmehr gerade zu einer weiteren Nachfrage von billiger Arbeit. Amazon hat Mitte des Jahres 2020 bekanntgegeben, dass man 100 000 neue Arbeiter für Operationen in den Lagern und für Lieferdienste einstellen werde. Wenn in anderen industriellen Bereichen die Revenues und Profite zurückgehen, kann man zudem nicht davon ausgehen, dass hohe Investitionen in fixes Kapital stattfinden, während Unternehmen mit hohen Cashflows die Geldbeträge oft genug dazu verwenden, Aktienrückkäufe der eigenen Unternehmen vorzunehmen. Steigerungen der Arbeitsproduktivität erfolgen dann zunehmend durch Erhöhung der Arbeitsintensität bei gegebenem Kapitaleinsatz.

Smith beginnt sein Buch mit einer kleinen Abhandlung über die Geschichte der Automation, angefangen mit den griechischen Begriffen automaton und automata bei Homer und Aristoteles, der Verwendung der Begriffe bei Descartes und Liebniz (Monaden als automata), der Beschreibung des Organismus als eine Maschine bis hin zu Norbert Wieners Definition der Kybernetik in den 1940er Jahren als wissenschaftliche Untersuchung der Kommunikation und Kontrolle der Tiere und der Maschinen infolge von Feedback-Prozessen. Beim kybernetischen Feedback geht es auch darum, ob die Störungen von den maschinellen Komplexen selbsttätig oder extern durch menschlichen Eingaben ausgeglichen werden. Zumindest bei der Eingabe von Sollwerten, auch wenn es sich um eine einmalige Programmierung handelt, ist das menschliche Schaltelement noch vorhanden, das instrumentelle Organon, das den Automaten davon abhält, reines Perpetuum mobile zu werden. Der sich selbst regelnde Automat bleibt im kybernetischen Diskurs also noch an die Verkopplung von Maschinen und Menschen gebunden, wobei das humane Entscheiden und Steuern einer logifizierten Struktur des Entweder/Oder, der Ja/Nein-Entscheidung folgt und deshalb das Zulassen der infinitesimalen Differenz ausschließt.

Zeitgleich zu Wiener hatte der Vizepräsident von Ford Del Harder den Begriff der Automation schlichtweg noch zur Bezeichnung für elektromechanische, pneumatische und hydraulische Teile/Maschinen in der industriellen Produktion benutzt, während ein Jahrzehnt später der Begriff zur Bezeichnung der Weiterentwicklung von Feedback-Technologien und der Selbstregulierung nicht nur von individuellen Maschinen, sondern ganzer Maschinensysteme diente. Über ein Jahrhundert davor schwärmte allerdings schon Andrew Ure, ein wichtiger Referenzautor für Marx bezüglich seiner eigenen Theorie der Maschinen, von einer automatischen Fabrik mit sauberen, gut durchlüfteten und geräumigen Hallen, in der die Arbeiter schon ganz neben den Maschinen stehen und diese allenfalls noch kontrollieren, oder wie Marx formuliert, eher als Regulatoren denn als Initiatoren oder primäre Komponenten der Produktion fungieren.

Smith erwähnt die Studien von Friedrich Pollock, der die Automation als eine Technik der industriellen Produktion definiert, in der Maschinen durch andere Maschinen kontrolliert werden, anknüpfend an die Theorie Kontrollsysteme des Engineering oder der Applikation der Prinzipien der automatischen Kontrolle von dynamischen Systemen, seien es biologische, mechanische oder soziale Systeme. Es geht hier um geschlossene Feedback-Loops, in denen ein gegebener Output durch ein Kontrollsystem überwacht und gemessen wird, um die Information dann zu verarbeiten und zur Adjustierung des Inputs, falls nötig, weiterzugeben. Man denke sowohl an Thermostate und Fotoapparate als auch in die ersten Computersysteme, die in Petroleum-Raffinierien und chemischen Brennereien eingesetzt wurden.

An dieser Stelle kann man mit Hans-Dieter Bahr anmerken, dass die Kybernetik sich vom mechanischen Maschinendiskurs, was die Steuerungs- und Ordnungskapazitäten anbelangt, seien sie interner oder externer Natur, nicht wesentlich unterscheidet. Der Konstruktion eines Regelkreises, bei dem jede Veränderung einer Regelgröße, die als Abweichung gilt, durch eine ihr entgegenwirkende Größe ausgeglichen wird, geht die newtonsche Formulierung der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung voraus. Wenn wir von kybernetischen Systemen in Hinsicht darauf sprechen, dass möglichst kein (störendes) menschliches Element in ihr Prozessieren eingeschaltet wird und das Steuern, das hier im Gegensatz zu einer Handlung nur als „Verhalten“ erscheint, im Wesentlichen sich auf das Ein- oder Ausschalten der maschinellen Systeme durch den menschlichen Agenten reduziert, dann wird dem anthropologischen Schema aber noch lange nicht der Rücken gekehrt. Denn man spricht eben weiterhin von steuernden Eingriffen in einen Regelkreis, die gerade dann perfekte Eingriffe sind, wenn es eben nicht zur Störung oder zum Unfall kommt, womit die Steuerung in der Tendenz wiederum auf die Aufrechterhaltung eines linearen störungsfreien Ablaufes reduziert wird, der einem Fließgleichgewicht entsprechen soll, das in jedem seiner Momente der jeweilige Abstand binärer Zustände ist, bis hin zum Grenzwert ihres Zusammenfallens.

Die digitale Automation, die diskrete und keine kontinuierlichen Signale verwendet, funktioniert heute electro-computational, sie erzeugt ständig Simulationen der Feedbacks und andere autonome Prozesse in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Sie entfaltet sich in diversen Netzwerken, die aus elektronischen und neuronalen Verbindungen bestehen, in die die Angestellten gleichwie die User als quasi-automatische Relaisstationen in einen pausenlosen Informationsstrom von Maschinen, der in verschiedenen Rhythmen prozessiert, integriert werden. In den 1960er Jahren war die digitale Implementierung noch auf auf einzelne Einheiten durch numerische Kontrollmaschinen beschränkt, aber auch im 21. Jahrhundert besitzen nur die höchst entwickelten Fabriken in bestimmten industriellen Bereichen automatisierte und zentralisierte Kontrollsysteme für den gesamten maschinellen Komplex. In Regionen, in denen die Löhne niedrig sind, gibt es nach wie vor viele Unternehmen mit einer hohen Arbeit-Kapital-Rate und primitiven Kontrollsystemen. Aber, so Smith, letztendlich gehe es bei der Automation nicht nur um die Ersetzung manueller Tätigkeiten, sondern auch um die der Überwachung und Kontrolle, und zudem um die Integration früherer diskreter Operationen und damit um die Herstellung eines ununterbrochenen flows in den Arbeitsprozessen. Diese Fließproduktion ohne menschliche Eingriffe hat schon Marx als die maximale Kontinuität der Produktion beschrieben, und es verwundert nicht, dass diese Art der Produktion zuerst in Industrien mit flüssigen oder gasähnlichen Produkten stattfand, in Öl-, Elektrizitäts- und chemischen Fabriken, bevor sie beispielsweise in die Automobilindustrie eingeführt wurde. Smith resümiert, dass die Idee einer voll automatisierten Fabrik mit integrierter Planung, Processing und Verteilung mittels digitaler Feedbacksysteme bis heute weitgehend eine Vision geblieben ist.

Die Gefahr einer durch die Automation in Gang gesetzten Massenarbeitslosigkeit, die auch Pollock noch befürchtet hat, mit Heeren von Arbeitslosen, die keine Anstellung mehr finden, hat sich zumindest in den hoch entwickelten Ländern nicht bewahrheitet, so Smith, insofern es seit den 1960er Jahren zu einer massiven Ausweitung des sog. Dienstleistungssektors kam, der die Absorption der durch technologische Innovation freigesetzten Arbeiter übernahm, wobei es zudem zur Integration von Millionen von Frauen in diese Sektoren kam. Die sinkende Anzahl von Arbeitern, die einen höheren industriellen Output im Zuge des Einsatzes neuer Technologien produzieren konnten (im Jahr 1970 in den USA nur noch ein Viertel der gesamten Arbeiterschaft), stand eine Explosion der absoluten Anzahl von Sercicearbeitern gegenüber. Smith konstatiert in den USA hier ein Wachstum von 62 Millionen Servicearbeitern im Jahr 1953 hin zu 140 Millionen Servicearbeitern im Jahr 2010. So ließ die Rhetorik der Arbeitsplatz vernichtenden Automation zunehmend nach und flammte in den 1990er Jahren aufgrund des Einführung des Barcodes und der RFID-Tracking-Techniken, die wichtige Innovationen in den internationalen Lieferketten und der Organisation des Managements ermöglichte, erneut auf. Es war Jeremy Rifkin, der in seinem Buch Das Ende der Arbeit einen nahezu vollständig automatisierten Servicesektor für die Mitte des 21. Jahrhunderts prophezeite. Seit diesem Statement wanderten in den entwickelten Ländern Millionen neuer Arbeiter in den Servicesektor, der nach wie vor von einer niedrigen Produktivität gekennzeichnet ist. Insgesamt bestätigt sich der Trend einer sinkenden Arbeitsproduktivität seit den 1970er Jahren, der nur durch einen Tick Mitte der 1990er Jahre unterbrochen wurde, weiter. Damit beginnt die eigentliche Untersuchung von Smith und damit beginnen auch die Probleme.

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