Automation. Zu Jason E. Smiths “Smart Machines and Service Work” (5)

Im nächsten Abschnitt behandelt Smith die Jobs im Servicesektor eingehender und konstatiert, dass in den USA vor allem in der Foodindustrie, im Pflegebereich und im privaten Servicebereich seit der Rezession 6,5 Millionen niedrig bezahlter Jobs geschaffen wurden. Vor einem starken Ausbau steht auch der Gesundheitsbereich. Wir sehen insgesamt in den entwickelten Ländern einen Anstieg von Jobs mit niedrigen Einkommen und niedrigen Qualifikationen, während Innovationen eher im administrativen Bereich und in der Routine-Büroarbeit stattfanden.

Smith unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Aufgaben und Jobs, die mehrere Aufgaben, seien sie entweder repetitiv oder intuitiv, miteinander verbinden. So würde die Automation eher Aufgaben als Jobs ersetzen, das heißt, eher eine Restrukturierung der bisherigen Arbeitsteilung als eine fache Ersetzung von Tätigkeiten hervorbringen. Während die Automation im Produktbereich zu sinkenden Kosten des Produkts und wahrscheinlich zu einer Steigerung der Nachfrage führt, das Produkt also preiselastisch ist (Korrelation zwischen Preis und Output) und damit die technologische Ersetzung von Arbeitskraft durch höhere Nachfrage ausgeglichen werden kann gibt es hier aber auch Sättigungseffekte zu konstatieren. Smith führt die durch neue Techniken in der Agrarindustrie induzierte Verbilligung der Lebensmittel an, wobei die absolute Quantität des Lebensmittelkonsums mit der Innovation nicht mitgehalten habe, während zugleich der Konsum im Servicesektor, auch der im Gaststättengewerbe, angestiegen sei. Servicearbeiten wie Pflege, Erziehung, Restaurants sind einkommenselastisch, das heißt mit steigenden Einkommen steigt auch die Nachfrage nach ihnen. Wenn die Beschäftigung in niedrig bezahlten und wenig produktiven Servicebereichen stattfindet, dann führt die Konkurrenz und das Überangebot unter den Beschäftigten zu einem weiteren Lohndruck.

Eine vollautomatisierte Ökonomie durch alle Sektoren hindurch ist in einer Ökonomie, die durch Lohnarbeit gekennzeichnet ist, ist für Smith nicht möglich, da immer ein Überangebot an billiger Arbeit (Marxens Reservearmee) vorhanden ist, das eine volle Automation nicht notwendig macht, vielmehr treibt diese in einem Sektor die Arbeitsproduktivität voran, während in einem anderen Sektor die Arbeitsproduktivität stagniert. Und wenn Produkte und Dienstleistungen durch den Produktivitätsanstieg in einem Sektor billiger werden, steigt die Nachfrage nach arbeitsintensiven Dienstleistungen in einem anderen Sektor.

Dabei bleibt es generell schwierig einige Arbeiten, die niedrig bezahlt sind, zu automatisieren, benötigen sie doch Intuition, das Verständnis sozialer Normen, bestimmte linguistische Fähigkeiten und die Einsicht in Unwägbarkeiten. Das ist etwas anderes als die Automation repetitiver Aufgaben wie im Taylorismus. Dabei ist der Begriff der skills recht dehnbar und durch und durch sozial. Vielfach werden Tätigkeiten auch gerade deshalb nicht automatisiert, weil genügend Arbeitskräfte auf dem Markt sind, was die Lohnkosten senkt und die Investoren davon abhält, in teure Maschinen zu investieren.

Für Marx wird der Wert der Ware Arbeitskraft durch die Reproduktionskosten bestimmt, das heißt, durch die sozial notwendige Anzahl von Gütern und Dienstleistungen, um sie Tag für Tag gemäß bestimmten sozialen Konventionen zu reproduzieren, wozu eben auch die Kosten der Bildung, Know How und Qualifikation (gemessen in Zeit und Geld) zählen, die wiederum einen gewissen Platz in der Hierarchie der Lohnskala sichert. Dennoch sind eine ganze Reihe von hochqualifizierten Tätigkeiten, die mit hohen Bildungskosten verbunden sind, im Marx`schen Sinne unproduktiv, da sie keinen Mehrwert produzieren, und werden anstatt reine Lohnkosten darzustellen eher aus den Profiten der Unternehmen bezahlt.

Im letzten Abschnitt erneuert Smith die These, dass ein Surplus an vorhandenen Arbeitskräften nicht nur die Löhne nach unten drückt, was die Unternehmen dazu verleitet gerade nicht in teure Maschinensysteme zu investieren, sondern der Exzess an Arbeitskräften die Automation in einem bestimmten Sektor verhindert, und dies gerade aufgrund des Exzesses der Automation in einem anderen Sektor. In diesem Zusammenhang erwähnt er Marxens These, die dieser selbst als ein absolutes Gesetz bezeichnet hat, dass bei gegebenem physischen Output die Maschinen die Quantität der lebendigen Arbeit reduzieren, die notwendig ist, um diesen Output zu produzieren. Dies ist keine besondere Einsicht, wenn eben nicht Marx auch davon ausging, dass die Automation in einem Sektor zu einer Zunahme von Jobs in einem anderen Sektor führt. So führt die Automation eines Sektors der Industrie zur Erweiterung der Infrastruktur, der Kultivierung und Extraktion weiterer Rohstoffe und dem Bau weiterer Maschinen. Hinzu kommen Bereiche wie Marketing, Recht und Kommunikation. Die hohe Produktivität in der Industrie führt also dazu, dass ein ganzes Heer von Arbeitskräften in Sektoren mit niedriger Produktivität getrieben wird, im Sinne von Marx in unproduktive Sektoren. Dennoch sieht das absolute Gesetz der kapitalistischen Akkumulation eine Grenze im Wachstum der Nachfrage nach Arbeitskräften vor. Der totale Output einer Industrie wird nach und nach mit einer geringeren Rate wachsen. Marx sprach in diesem Zusammenhang schon die Existenz nicht nur einer industriellen Reserverarmee an, die auf dem Arbeitsmarkt bleibt, sondern eines Surplus-Proletariats, das ganz vom offiziellen Arbeitsmarkt gedrängt wird und im sog. informellen Sektor mit niedriger Produktivität arbeiten muss. Diese Diskussion führt Smith in seinem Buch nicht aus.

Wir haben unsere Einwände hinsichtlich der Vernachlässigung der Kapitalproduktivität, der Einschätzung des Finanzsektors und der unproduktiven Arbeit vorgebracht. In diesem Kontext müssten dann offizielle Statistiken neu gelesen werden, wenn überhaupt aus diesen Statistiken marxistische Kennziffern wie die Profitrate so ohne weiteres abgeleitet werden können, was zu bezweifeln ist. Zuzustimmen ist Smith jedoch, dass die Thesen der Automations-Theoretiker in weiten Teilen der Realität nicht entsprechen.

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