Bankenkrise?

Eine systemische Bankenkrise kann aus folgen Faktoren resultieren: i) eine Kettenreaktion, bei der der anfängliche Ausfall einer Bank angesichts der starken Verflechtung der Banken zu einer Reihe weiterer Ausfälle führt; ii) das Ergebnis einer zyklischen Expansion der Wirtschaft, die angesichts der zunehmenden Verschuldung der Wirtschaftsakteure und der daraus resultierenden Verringerung ihrer Margensicherheit eine Tendenz zur finanziellen Fragilität hervorruft; und iii) ein gemeinsamer Schock, der sich aus einem “Makroschock” ergibt, der gleichzeitig negative Auswirkungen auf den gesamten Bankensektor hat.

Im Falle des Konkurses der SVB konzentrierten sich die Verbindlichkeiten auf einen schlecht diversifizierten Kundenstamm (und auf Einlagen, die über der Einlagensicherung lagen) und die Vermögenswerte, um Gewinne in einem Niedrigzinsumfeld zu erzielen, auf Staatsanleihen mit langen Laufzeiten. Als Bankunternehmen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung hat die SVB diese Anleihen nicht durch den Einsatz von Derivaten gegen Zinsänderungen abgesichert. Mit der raschen Anhebung des Zinssatzes durch die US-Notenbank – von 0,25 % im März 2022 auf 5,0 % im März 2023 – fielen die Marktpreise dieser Wertpapiere stark, was Zweifel an ihrer langfristigen Zahlungsfähigkeit weckte und eine Vertrauenskrise auslöste, die zu einem raschen Abzug der Kundeneinlagen führte.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Geschäftsbanken nach der Finanzkrise von 2008 gegenüber dem Schattenbanksystem und den großen Vermögensverwaltern an Macht verloren hat. Und ihre Lage wird prekärer. Laut Amit Seru, Bankenexperte an der Stanford University. Hat die Hälfte der 4.800 amerikanischen Banken hat ihre Kapitalpuffer bereits aufgebraucht. Sie sind noch nicht insolvent, aber auch nur zum Teil zahlungsfähig.

Es stellt sich die Frage, ob die Politik der geldpolitischen Straffung durch die Fed zu einem Schock im amerikanischen Bankensystem führen wird. Mehr als 2.315 US-Banken sollen derzeit auf Vermögenswerten (u.a. Staatsanleihen) sitzen, die weniger wert sind als ihre Verbindlichkeiten. Der Marktwert ihrer Kreditportfolios liegt um 2 Billionen Dollar unter dem angegebenen Buchwert. Und davon sind anscheinend auch einige Großbanken betroffen.

Die US-Behörden können einen unmittelbare Liquiditätskrise eindämmen, indem sie vorübergehend für alle Einlagen garantieren. Die US-Regierung sträubt sich aber gegen eine Pauschalgarantie für alle Einlagen, da dies wie eine Sozialhilfe für die Reichen aussehen würde. Außerdem verfügt die FDIC nur über Vermögenswerte in Höhe von 127 Mrd. Dollar, so dass sie am Ende möglicherweise selbst gerettet werden muss.

Das US-Finanzministerium macht derzeit noch rücksichtslose Kreditvergabe, schlechtes Management und die übermäßige Abhängigkeit einiger weniger Banken von unversicherten Einlegern für die Zusammenbrüche von Silicon Valley etc. verantwortlich. Das klingt sehr vertraut. “Sie sagten dasselbe, als Bear Stearns 2008 unterging. Alles würde gut werden”, sagt Prof. Seru.”Wo wir heute stehen, ist ein nahezu perfekter Sturm”, sagte Jeff Fine, Immobilienguru bei Goldman Sachs. Die Zinsen seien innerhalb eines Jahres um 400 bis 500 Basispunkte gestiegen, und die Finanzierungsmärkte seien fast völlig zusammengebrochen.  Vier bis fünf Billionen Dollar an Schulden sollen im gewerblichen (Immobilien-)Sektor werden, von denen etwa eine Billion in den nächsten 12 bis 18 Monaten.

Pakete von gewerblichen Immobilienkrediten haben in der Regel kurze Laufzeiten und müssen alle zwei bis drei Jahre refinanziert werden. Die Kreditaufnahme explodierte während der Pandemie, als die Fed das System mit Liquidität flutete. Diese Schulden werden Ende 2023 und 2024 fällig. Capital Economics zufolge erreichte die Investitionsblase bei Wohnimmobilien in den USA im Jahr 2007 mit 6,5 % des BIP ihren Höhepunkt. Der vergleichbare Wert für Gewerbeimmobilien liegt heute nur bei 2,6 %.

Aber die Lage ist auch nicht als undramatisch zu bezeichnen. Die Preise für US-Gewerbeimmobilien sind bisher nur um 4-5 % gefallen. Capital Economics rechnet mit einem Rückgang von 22 % vom Höchststand bis zum Tiefststand.

“Im schlimmsten Fall könnte dies zu einem Teufelskreis führen, der den Abschwung im Immobiliensektor beschleunigt, der sich dann auf das Bankensystem auswirkt”, so Neil Shearing, Chefökonom der Gruppe.

Die Silicon Valley Bank hatte ein anderes Problem: Ihre überschüssigen Einlagen bestanden in der vermeintlich sichersten Finanzanlage der Welt: US-Staatsanleihen. Bei steigenden Zinssätzen verlieren ältere Staatsanleihen an Wert, da ihre Kurse an den Geldmärkten sinken. Banken machen enorme Verluste, wenn sie Anleihen frühzeitig verkaufen müssen, um Liquidität zu erhalten. Einige dieser Schuldverschreibungen haben bei langen Laufzeiten 20 % an Wert verloren. Nach Ansicht der US-Behörden hätte die Bank diese Staatsanleihen mit Zinsderivaten absichern müssen. Durch die Absicherung werden aber lediglich Verluste von einer Bank auf eine andere Bank übertragen. Die Gegenpartei, die den Absicherungskontrakt gezeichnet hat, muss die Verluste tragen.

Die exzessiven Offenmarktinterventionen der Fed von 2019 bis 2022 waren die Hauptursache für das Scheitern der First Republic und der Silicon Valley Bank, sagt Seru. Er prognostiziert, dass sich die Bankenkrise von den ursprünglichen Ausreißern bis hin zu den Mainstream-Banken fortsetzen wird, bis die Fed einen Rückzieher macht und die Zinsen um 100 Basispunkte senkt. Derzeit sieht es aber nicht danach aus. Die Fed plant, die Zinsen weiter anzuheben. So schrumpft die Geldmenge in den USA weiterhin im Rekordtempo mit einer monatlichen quantitativen Straffung im Umfang von 95 Milliarden Dollar.

Die Fed befindet sich in einem Dilemma: Wenn sie die Geldpolitik zu sehr strafft und die Zinssätze zu schnell anhebt, könnte dies dazu führen, dass die Kosten für die Aufnahme von Krediten ansteigen, sodass die Neuinvestitionen in Technologien zurückgehen, die kreditierte Nachfrage der Konsumenten nach Produkten ins Stocken gerät und es zu einem allgemeinen Konjunktureinbruch kommt. Wenn die Zentralbank jedoch nicht handelt, das heißt, ihre Geldspritzen nicht reduziert und die Zinssätze nicht erhöht, dann ist die hohe Inflation möglicherweise nicht vorübergehend. Obgleich allein mit einer Erhöhung der Zinssätze die Inflation auch nicht bekämpft werden kann. Es sollte inzwischen hinreichend klar sein, dass jedes Geldschöpfungsprogramm, das zur Stützung des Finanzsektors dringend erforderlich ist, in Verbindung mit der Inflation zu einer weiteren Erosion der Kaufkraft führen kann, sodass neue kreative Methoden zur Kontrolle der verarmten Massen erforderlich werden. Die Alternative zum Szenario des billigen Geldes wäre, dass die Zentralbanken die Zinsen so lange erhöhen, bis die Marktblasen platzen. Das Ergebnis des Delirierens im Dilemma ist, dass die Fed mittelfristig nach einem Mittelweg suchen wird. Das Gleiche gilt für die Bank of England und die Europäische Zentralbank. Kurzfristig scheint man eine Bankenkrise zu präferieren.

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