Bemerkungen zu: A History of the World in Seven Cheap Things (Moore/Patel) – (2)

Die Verbindung zwischen Arbeit, Natur und der Logik der Vereinfachung zeigt eine längere Kontinuität an. Und in diesem Kontext Arbeit und Umwelt als Gegensatz zu begreifen, ist analytisch falsch. Schon Marx kritisierte die deutschen Sozialisten dafür, die Arbeit als die einzige Quelle des Reichtums zu propagieren, während heute die Umweltschützer umgekehrt der Natur eine mehr oder weniger übernatürliche Kraft zuschreiben, die die Zivilisation entweder erschaffen oder beenden könne.

Moore/Patel zeichnen die Entwicklung der Arbeitsverhältnisse und des Widerstandes gegen diese im 20 Jahrhundert nach. Dabei kommt der japanischen Strategie des Kapitals, was die Neutralisierung des Widerstands anbetrifft, eine besondere Bedeutung zu. Anstatt die Gewerkschaften zu zerschlagen, was meistens nicht ganz gelingen kann, wurde die Strategie einer Reorganisation des Managements gewählt. Anstatt große, durch Arbeiteraktionen verwundbare Fabriken aufzubauen, wurden in Japan ganze Serien von Subunternehmen gegründet, welche die verschiedenen Komponenten, bspw. die eines Autos, herstellten und zusammensetzten, womit zum einen die Militanz der Arbeiter geschwächt und zum anderen den Arbeitern weitere Konzessionen hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen abgerungen werden konnten. Global bedeutete das für die Arbeitsmärkte den Aufstieg des Korporatismus, den Shift von despotischen hin zu hegemonialen Fabrikregimen. Das Management lernte schnell, aber auch die Arbeiter. Moore/Patel fassen zusammen: Die Schaffung des modernen Arbeitsregimes vollzog sich in Europa schon mit dem Beginn der Einhegung, einem Prozess, der die menschlichen Beziehungen zur Natur umfassend transformierte, sowie mit der Art und Weise, wie von der Bevölkerung der Tag verbracht werden musste. Im Kapitalismus wurde mit allen möglichen Varianten von Arbeitsregimen gleichzeitig experimentiert, aber selbst das Fortbestehen der Sklaverei, wobei es heute auf der Welt mehr Sklaven gibt als je zur Hochzeit der Sklaverei über den Atlantik transportiert wurden, und die Existenz der Arbeitslager (Kongo) sowie neue prekäre Arbeiten in der sog. „Sharing Economy“ zeigen an, dass es mit der Barbarei der Arbeit im Kapitalismus längst nicht an ein Ende gekommen ist.

Es gibt eine weitere Dimension der Arbeit, die oft übersehen wird, nämlich die Aneignung der reproduktiven Arbeit außerhalb des Cash-Nexus. Die globale Fabrik und die globale Farm benötigen die Familie oder eine Gemeinschaft, welche die Arbeit der Fürsorge übernimmt. Das Regiment der billigen Arbeit und der billigen Natur war von Anfang an nicht nur auf die Art und Weise, wie Menschen sich etwas aneignen können, sondern auch darauf bezogen, wer sich etwas aneignen kann, wie und wo jemand geboren und wie für ihn gesorgt wird. Arbeit, die der Ernährung, der Gesundheit und unmittelbare Organisation des Lebens dient, gehen dem Kapitalismus voraus. Die ersten großen ökologischen Transformationen wurden durch die Pflegearbeit initiiert, im speziellen mit dem Einsatz des Feuers. Mit dem Kapitalismus nahm auch diese Arbeit eine dramatische Wende an, vorangetrieben durch die modernen christlichen Ideen über den Sex und die Macht. Um das System der billigen Arbeit und der billigen Natur zu organisieren, bedurfte es unbedingt der unbezahlten Arbeit, insbesondere derer, die für die Kreation und das Management der menschlichen Körper notwendig war. Ohne die unbezahlte Arbeit, insbesondere die der Fürsorge, wäre die Lohnarbeit für das Kapital schlichtweg zu teuer. Und es waren von Anfang an vor allem die Frauen, die unbezahlte Reproduktionsarbeit leisteten. Und damit entstand unter anderem die bis heute scheinbar unüberwindbare Trennung von Mann und Frau.

Wenn man über die reproduktive Arbeit im Kapitalismus redet, dann geht es immer um ein spezifisches Arrangement der Weltökologie, das bis heute andauert. Dies fassen Moore/Patel unter der Bezeichnung “Die große Domestizierung“ zusammen, mit der ein Großteil der Menschen zu neuen sozialen, politischen und ökologischen Einheiten zusammengefasst wurden – den Haushalten. Die modernen Haushalte und ihre Mitglieder haben ihren Ursprung in den ökologischen Veränderungen des europäischen Kapitalismus. Die Basiseinheiten Ehemann, Ehefrau und Kind entstanden durch einen Shift in der ökonomischen Geographie der Fürsorge und der Produktion, und zwar weg von den Commons und hin zu größeren Produktionseinheiten: größere und geschlossene Bauernhöfe, Monokulturen, exklusives Privateigentum und die Erschaffung der Arbeitskraft, die mit der Entstehung des Gefängnisses und dem Hunger einherging. Die Frauen wurden bspw. in der landwirtschaftlichen Produktion nur für das Melken der Kühe bezahlt, für die härteren Arbeiten im Frühling und die Erntearbeiten wurden Männer eingesetzt, was wiederum zu differenziellen Löhnen zwischen Männern und Frauen führte. In diesen Bereichen finden wir die Ursprünge der bis heute anhaltenden Differenzen der Lohnhöhen, ein Phänomen, in das die Relationen des Menschen mit der Natur von Anfang an involviert waren.

Die Menschen in die Haushalte zu stecken war für das Kapital in der Frühphase des Kapitalismus nicht genug, vielmehr mussten Frauen und Männer für ihre neuen Verantwortlichkeiten in den Haushalten geschult und diszipliniert werden. Gleichzeitig mussten sich die Frauen den Männern und die Diener ihren Herren unterwerfen, ein Modell, das zuerst vom Heiligen Vater eingesetzt wurde. Zudem wurde die Hegemonie des modernen Haushalts nicht allein durch Anweisungen, sondern auch mit Gewalt durchgesetzt. Um die Körper der Frauen in fügsame Maschinen der Reproduktion zu transformieren, bedurfte es massiver Gewalt, der Verbreitung von Furcht und Schrecken und schließlich der Polizei: Die Institutionen der sozialen Polizei umfassten Irrenhäuser, Kliniken, Schulen und Gefängnisse sowie das Management der öffentlichen und privaten Sexualität. Wie Silvia Federici in Anlehnung an Michel Foucault immer wieder betont, waren die Formen der Gewalt, insbesondere die der Disziplinierung der individuellen Körper und ihrer Zurichtung für die Arbeit, eine unbedingte Notwendigkeit für das Kapital schon im frühen Kapitalismus. Dies implizierte, wie John Locke schon früh formulierte, die Unterscheidung zwischen manchen Männern, die im öffentlichen Bereich frei und gleich agieren konnten, und einer Privatsphäre, in der Sklaverei, das Patriarchat und die legale Repräsentation der Frau als die Ehefrau des Mannes herrschten.

Die ökonomischen Aktivitäten der Frauen waren lange, insofern sie überhaupt erlaubt waren, an den Haushalt gebunden, aus dem die Politik tunlichst verbannt wurde. Und selbst mit der Maschinisierung bspw. mit der Einführung der Waschmaschinen in den 1960er Jahren verbesserte sich die Lage der Frauen hinsichtlich der unbezahlten Reproduktionsarbeiten erst einmal nicht unbedingt, denn die Waschmaschinen erhöhten meistens nur die Erwartungen der Männer an eine höhere Frequenz der Säuberung der Kleidung, die wieder von Frauen geleistet wurde.

Die Frauen kämpften oft aufopferungsvoll in der qualvollen Geschichte des Kapitalismus und die französische Revolution begann mit Frauen, die die Proteste gegen die hohen Brotpreise anführten. Aber die Logik der kapitalistischen Ökologie erforderte es immer wieder, dass die Geschichte, der Aktivismus und Widerstand der Frauen marginalisiert oder kriminalisiert wurden. Die Männer kontrollierten selbst noch den Schlafplatz im Haushalt und die Bürger regierten den öffentlichen Bereich und um ein Bürger zu werden, musste man ein weißer Erwachsener mit genügend Privateigentum sein. Um dieses System zum arbeiten zu bringen, musst der Staat ein reges Interesse an der Unterscheidung von Mann und Frau entfachen. Rasse, Klasse und Geschlecht wurden simultan produziert.

Generell war die proletarische Arbeit nur aufgrund der Transformation der Pflegearbeit in unbezahlte Arbeit möglich, letztere verstanden als eines der freien Geschenke der Natur. Dabei wurde die unbezahlte Arbeit nicht nur als natürlich vorausgesetzt, sondern sie wurde als billige Arbeitskraft auch der Kommodifizierung zugeführt, und das bis heute, man denke an die Arbeit in den maquilas, in den Callcentern oder an andere billige Arbeiten, die ein Leben lang ausgeübt werden können und denen man Qualitäten zuschreibt, die angeblich denjenigen der Frauen entsprechen. Dabei geht es nicht nur um die Kompetenzen der Fürsorge, sondern auch um dieFlexibilität. Es scheint so, dass die Prekarisierung heute etwas Neues darstellt, aber Mobilität, Flexibilität und permanente Verfügbarkeit waren immer wichtige Merkmale der Pflegearbeit. Die prekäre Beschäftigung hat ihre Wurzeln sowohl in der Logistik der kapitalistischen Arbeitsregime als auch in den vorherigen Regimen der unbezahlten Arbeit. (Die Freelancer-Ökonomie kann als eine Ausweitung und Verbreitung der verschiedenen Disziplinen der Pflegearbeit über den ganzen Globus gelesen werden.) Das Wachstum der Pflegearbeit, das von 2012 bis 2022 weltweit auf 70% geschätzt wird, hält diese strukturell billig. In der Periode des Neoliberalismus, der u.a. durch seine Austeritätsprogramme charakterisiert wird, sind die Jugendlichen wieder gezwungen länger bei ihren Eltern zu wohnen, wobei die Frauen nicht nur für ihre Kinder, sondern zunehmend auch über längere Zeiträume für ihre eigenen Eltern sorgen müssen.

Immer wieder wiederholen Moore/Patel, dass, obgleich die Entstehung des Kapitalismus insbesondere mit den Energien Kohl und Öl in Verbindung gebracht wird, die Etablierung eines billigen Nahrungsmittelsystems zuallererst stattfand. Ohne den Surplus bei der Erzeugung der Nahrungsmittel gibt es keine Arbeit außerhalb der Landwirtschaft. Vor der Entstehung des Kapitalismus gab es eine Reihe von agrarischen Bedingungen, die eines gemeinsam hatten: Die Produktivität beruhte eher auf der Qualität des Landes als auf der Arbeitsproduktivität und die Kontrolle des Nahrungsmittelsystems gründete auf der Politik und nicht auf dem Markt. Die kapitalistische Agrarwirtschaft transformierte den Planeten grundlegend. Von nun an begann die Ökologie der Cash-Agrikultur, die einzig auf den Profit ausgerichtet war, zu regieren, sowie der Drive billige Lebensmittel zu produzieren, um die städtischen Arbeiter und ihre Familien zu ernähren, und dies nicht nur, um Riots zu verhindern, sondern auch die Arbeit billig zu halten.

Im 17.Jahrhundert waren die meisten Bauern Englands schließlich gezwungen, Landarbeit, die mit Lohn vergütet wurde, zu leisten, oder sie waren längst vom Land in die Städte vertrieben worden, i.e. 61% der arbeitenden Bevölkerung machten zu dieser Zeit etwas anderes als Nahrungsmittel herzustellen. Die Einhegungen der beiden Jahrhunderte zuvor hatten die Landwirtschaft in ein durch die Konkurrenz angetriebenes Business transformiert und eine ganze Reihe von Innovationen (Pflug, Ernterotation und Bewässerungssysteme) machten sie biologisch produktiv. Die Landwirtschaft war nun vollkommen auf die Produktion des Surplus ausgerichtet, wobei die Arbeitsproduktivität vom Jahr 1500 bis zum Jahr 1700 rapide anstieg, um circa 46 Prozent. Eine der wichtigsten Innovationen im Bereich der Landwirtschaft, das Düngemittel, war das Resultat von Kriegen und Geopolitik.

Die Reduzierung der Arbeit auf dem Land begünstigte neue Formen der Industrialisierung. Die für den Lohn arbeitende Bevölkerung stieg in den zwei Jahrhunderten nach 1550 um mehr als sechzig Millionen an und diese musst billig ernährt werden. Jede globale Fabrik benötigt eine globale Farm, resümieren Moore/Patel. Und billig wird hier in einem ganz bestimmten Sinn verwendet: Mehr Kalorien wurden mit weniger durchschnittlicher Arbeitszeit und niedrigen Löhnen innerhalb des waren- und Kapitalsystems produziert. Mit billigen Nahrungsmitteln konnten die Löhne noch weiter gedrückt werden, womit die Proletarisierung und die Exploitationsrate anstieg, i.e. die Kapitalakkumulation konnte nur ansteigen, insofern ein immer höherer in der Landwirtschaft realisierter Surplus die billige Arbeit ermöglichte.

Im 17. und 18. Jahrhundert (Moore/Patel erwähnen in diesem Kontext wieder die Ausführungen von Fernand Braudel über die Reis-, Weizen- und Maisproduktion, aber auch die des Zuckers) versuchten die europäischen Regierungen das Management der Nahrungsmittelpreise insbesondere in den Städten effektiv zu regulieren, was nicht immer gelang. Es gab zahlreiche Brotaufstände, die meistens von Frauen angeführt wurden, die aufgrund ihrer unbezahlten Pflegearbeit und Abhängigkeit vom Markt an vorderster Front der Kämpfe für das Brot standen. Die europäischen Regierungen kümmerten sich dabei mehr um das Problem des Hungers in den Städten als auf dem Land.

In diesem Zusammenhang muss man auch die Entwicklung der Grünen Revolution sehen – Erntevariationen, Dünger und Pestizide, Bewässerung, Marktanforderungen und Maschinisierung sowie die Staatsgewalt, die in diesem Fall dazu da war, das System billiger Lebensmittel, Fürsorge und Rohstoffe aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt die Technologien des Saatguts, die notwendig waren, um bestimmte Pflanzen über ganze Kontinente hinweg anzubauen und zu kultivieren. Dabei wurden die Bauern oft von verschiedenen Wirtschaftsverbänden subventioniert, um mehr von bestimmten Pflanzen anzubauen. Billige Nahrungsmittel benötigten unbedingt die Unterdrückung des politischen Dissens. Die Grüne Revolution bestand alles in allem in einem Paket von Reformen, um den Forderungen vieler revolutionärere Bauern und landloser Arbeiter zuvorzukommen: Sie war ein durch und durch autoritäres Programm. Obgleich der Output verschiedener Nahrungsmittel im globalen Maßstab anstieg, hat die Grüne Revolution keineswegs den Hunger reduziert, im Gegenteil stieg er während dieser Zeitperiode um 11% an. Gleichzeitig stiegen von 1990 bis 2005 die Preise für industrialisierte Nahrungsmittel geringer als die von Gemüsen und Früchten. In einkommensschwachen Ländern müssten heute die Haushalte mindestens die Hälfte ihres Einkommens für den Kauf frischer Früchte und frischen Gemüses aufbringen, wenn sie die empfohlenen Mengen von mindestens fünf Mahlzeiten konsumieren wollten, wobei es für die Bewohner ländlicher Gegenden noch schlechter aussieht.

Aufgrund der konstant niedrigen Löhnen in der Phase des Neoliberalismus macht es Sinn die billigen Nahrungsmittel nicht nur in Relation zu den niedrigen Lohnkosten zu setzen, sondern direkt die Preise zu untersuchen. So sind unter anderem in Mexiko die Preise für billige Hähnchen drastisch gefallen, eine direkte Konsequenz des Handelsabkommens NAFTA und des Siegeszuges der Soyabohnenindustrie in den USA. Und die Modernisierung der Landwirtschaft in Mexiko schuf gleichzeitig Horden von Immigranten und damit neue Arbeitsreservoirs in den USA. Das Fleisch ist seit den 1970er Jahren das Epizentrum der ernährungswissenschaftlichen Umformierungen, das heißt die Erzeugung billigen Fleisches ist unmittelbar mit dem Aufkommen der Ernährungswissenschaften verknüpft: Eine Art und Weise den Hunger nicht direkt durch die Armut zu adressieren, sondern man untersucht die individuelle Zufuhr molekularer Komponenten an diejenigen, die zu wenig davon haben. „Vom Gemüse mit ein bisschen Fleisch hin zur Armut mit zugesetzten Vitaminen“ heißt folgerichtig eines der Kapital zu den billigen Nahrungsmitteln. Für Personen mit einer romantischen Sichtweise über die Natur erscheint das Fleisch eher als ein rohes Gut denn als ein industrialisiertes Nahrungsmittel. Aber die Techniken der Zerteilung, der Vereinfachung und der Spezialisierung, die zuerst in der Zuckerindustrie angewandt wurden, fanden ihren Weg auch schon früh in die industrialisierte Fleischproduktion. Und die Erschaffung der Märkte für Getreide und vereinheitlichte Fleischprodukte wie das „Chicago Board of Trade“ ermöglichte es, dass diese Waren heute nicht nur als billige Nahrungsmittel, sondern zudem noch als Basiswerte für Finanzanlagen dienen, die wiederum danach verlangen, dass die Pflanzen, die sie transformieren, vereinheitlicht, homogenisiert und industrialisiert werden. Solche finanzialisierten Industrien verlangen zudem nach neuen Praktiken, von der intensiven Hormonzufuhr bis hin zum Zusatz von Antibiotika in das Tierfutter, was globale Effekte hinsichtlich der Qualität des Essens, des Wassers, des Bodens und der Luft nach sich zieht.

Natürlich werden die Umweltschäden der wachsenden Fleischproduktion als extern angenommen, extern zum Profitkalkül der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion (hoher Verbrauch von Rohstoffen und Wasser). Dies ist einer Gründe, warum die Fleischproduktion so billig ist. Die Gefahr besteht hier darin, die kapitalistische Produktionsweise als ein ökologisches Problem und die Industrieproduktion als ein soziales Problem zu betrachten. Dabei hat doch gerade die billige Fleischproduktion zu einer Restrukturierung der Klassenzusammensetzung an zwei Polen geführt: In den USA gibt es seit 1980 eine aggressive Strategie der in die Fleischproduktion involvierten Unternehmen, die versuchen die Gewerkschaften zu zerschlagen und organisierte Arbeiter durchbillige Immigranten, insbesondere Latinos zu ersetzen. Die andere Strategie beinhaltet die Destabilisierung der landwirtschaftlichen Ordnung in Mexiko durch das Abkommen NAFTA, was in den billigen Arbeitsströmen resultierte. Die Industrialisierung und die Grüne Revolution haben unter anderem die Ernährungswissenschaft hervorgebracht, um insbesondere auch die Akzeptanz der Konsumenten für standardisierte Nahrungsmittel zu steigern, und dies als Nebeneffekt der steigenden Profitabilität einer ultraindustrialisierten Food Substance. Die Logik des billigen Fleisches oder des Designs der Nahrungsmittel besteht aber nicht nur in der Produktion profitablen billigen Fleisches, sondern darin, die billige Arbeitskraft aufrechtzuerhalten, die auch an dieser Linie mehr Profit zu erzielen imstande ist. Jedoch garantieren die billigen Food-Regimes keineswegs, dass die Menschen ernährt oder billig ernährt werden, wie die globale Persistenz von Mangelernährung und die Zunahme von Krankheiten aufgrund falscher Ernährung beweist. Die billigen kapitalistischen Nahrungsmittelregime sind Hunger-Regime.

Und am Horizont zieht der Klimawandel herauf und nicht zuletzt die letzten Jahrhunderte haben die Einhegung der atmosphärischen Commons als einen der Gründe für die CO2 Emissionen hervorgebracht. Im 21. Jahrhundert ist die Land- und Forstwirtschaft für bis zu 30% der CO2 Emissionen verantwortlich, nicht zuletzt aufgrund der energieintensiven Wirtschaft und gleichzeitig geht damit ein Sinken der landwirtschaftlichen Produktivität einher. Die Versprechen der Agrarbiotechnologie verbleiben bisher leer, weder ein Boom in den Gewinnen noch die Ersetzung des Glyphosat und anderer giftiger Pestizide ist bisher gelungen, während das billige Nahrungsmittelsystem den Klimawandel weiter vorantreibt. Und der Klimawandel ist weit mehr als eine hinauszuschiebende Grenze, vielmehr zeigt er die Implosion des billigen Nahrungsmittelsystems an, auch insofern er die Produktivität der Landwirtschaft senkt. Dabei handelt es sich um einen absoluten Fall: Jeder Anstieg der durchschnittlichen globalen Jahrestemperatur wird größere Risiken nicht-linearer und dramatischer Effekte der globalen Erwärmung nach sich ziehen. Die Gewinne aus der Agrarproduktion werden in den nächsten Jahrzehnten von 5% bis zu 50% fallen, während die globale Landwirtschaft bis zu 50% für die klimatischen Veränderungen in der Welt bis zum Jahr 2050 verantwortlich sein wird. Das Nahrungsmittelsystem wird im 21. Jahrhundert zusammenbrechen.

Kommen wir zur billigen Energie. Feuer gibt es, sobald auf dem Land trockenen Dinge zum Verbrennen vorhanden sind. Schon vor dem Menschen hatte das Feuer aufgrund der saisonalen Veränderungen und der klimatischen Oszillationen seinen eigenen Rhythmus. Menschen benutzten das Feuer für einen ganze Reihe von Dingen und durch das Kochen wurde der Mensch vom Homo Erectus zum Homo Sapiens. Die indigenen Leute haben die Landschaften der Welt durch das Feuer modifiziert, wobei ihre Reduktion durch die Kolonialisierung vom Jahr 1492 bis zum Jahr 1650 (um 95%) dazu führte, dass die Abholzung der Wälder zum Stillstand kam, diese sich erholten und den Planeten abkühlten. Um das Jahr 1750 erlebte die Welt eine Zeit eiskalter Winter, schwerer Kriege und politischer Unruhen. Es wäre falsch, so betonen Morre/Patel erneut, die Zeit der Genocide und der neuen Aufforstung der Wälder als anthropozän zu bezeichnen, vielmehr trifft die Bezeichnung „kapitalozän“ es besser. In Europa waren die Wälder für die Bevölkerung notwendig, um an Nahrung zu gelangen, aber die Destruktion der Commons führte zum Hunger, darüber hinaus zum Mangel an Baumaterial und Ressourcen zum Heizen. Deshalb war es kein Wunder, dass eine der ersten proletarischen Revolten, die Bauernrevolte in Deutschland im Jahr 1525, die Restauration der Waldrechte der Commons in den Mittelpunkt stellte. Die Besitzlosen kämpften über Jahrhunderte für den freien Zugang zum Holz. Die Revolutionierung der Energien im Kapitalismus begann also nicht mit der Kohle oder dem Erdöl, sondern mit dem Holz und mit der Privatisierung, das heißt der Einhegung der Wälder. Gerade aktuell steigt wieder bundesweit die Nachfrage nach Wald. In Brandenburg werden Hektarpreise um 13.000 Euro erzielt, in der niedersächsischen Nordheide 18.000 Euro. In Baden-Württemberg sind die Hektarpreise noch deutlich höher.

Billige Energie ist eine Art und Weise, die billige Arbeit und die billige Fürsorge zu steigern, manchmal auch zu substituieren. Wenn billige Nahrungsmittel im Kapitalismus ein Mittel sind, um die Arbeit billig zu halten, so ist die billige Energie ein Mittel, um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Zuerst mussten die Bauern von den Commons vertrieben werden und die neuen Arbeiter mussten Arbeit in irgendeiner Form finden. Und die Fabriken, in denen die Arbeiter unterkamen, mussten miteinander konkurrieren. Über die Konkurrenz prozessiert die relative Mehrwertproduktion bzw. die Arbeitsproduktivität. Dabei geht es insbesondere um die Innovation durch Maschinisierung, aber diese benötigt immer auch außermenschliche Naturfaktoren, und diese haben billig zu sein, da die Nachfrage nach ihnen endlos ist. Man denke an die ersten Kohleminen, aus denen Tausende von Tonnen Kohl heraus geschafft wurden. Energie qualifiziert hier ein Ding, insofern es als ein Teil des Netz des Lebens in eine Ware transformiert wird, die gekauft und verkauft werden kann. (Das fossile Leben wird zum Stoff für das Feuer. Das kapitalistische Energiesystem erledigt verschiedene Aufgaben simultan: Billige Kohle führt zu billigem Stahl, billiger Torf führt zu billigen Ziegelsteinen. Billige Energie begünstigt niedrige Lohnkosten.)

Die fossilen Energien sind keineswegs eine Erfindung des 18. Jahrhunderts, vielmehr sind sie ein Produkt des langen 16. Jahrhunderts. Die erste große Industrialisierung begann nach 1450 und zwar in den Bereichen des Zuckeranbaus und der Silberminen, aber auch in den Bereichen des Schiffsbaus, der Textilproduktion, des Drucks, des Eisen- und Kupferabbaus etc. In allen Bereichen wurde massiv Energie verbraucht. Mit der Kohle wurden um das Jahr 1625 die Vorteile der Industrialisierung Englands deutlich. Die Existenz billiger Energie und gleichzeitig hoher Löhne setzte eine Reihe von technologischen Veränderungen in Gang: Die Benutzung des Kohlederivats Koks für die Eisenproduktion und die Dampfmaschinen, die dem Entleeren der Kohleminen dienten, die wegen der größeren Tiefe konstant überflutet wurden. Billige Energie führte zu billigem Eisen und dieses wiederum zu billigen Maschinen und Instrumenten. So lange reichlich Energie extrahiert werden konnte, waren die Arbeitskosten und die weiteren Kosten des Kapitals kein Problem, wobei die Rohstoffe billiger wurden.

Moore/Patel untersuchen drei wichtige Bereiche, in denen die billige Energie für das 21. Jahrhundert relevant ist. Das ist zum Ersten die Herstellung von Ammoniak mittels des Haber-Bosch-Prozesses in den BASF-Laboren. Die damit im Zusammenhang stehende Waffenproduktion darf getrost mit 100 Millionen Toten in Verbindung gebracht werden, aber auch für die Düngemittelproduktion und die Herstellung billiger Nahrungsmittel, Arbeit und Fürsorge war Ammoniak ein wichtiger Faktor.. Zum Zweiten die Relation von Kohle und Arbeit, und zum Dritten die Transformation von Energie in Geld im Kontext des american way of life. Im zwanzigsten Jahrhundert waren die USA die führende Erdölmacht. 1945 wurden zwei von drei Barrel Öl in den USA produziert. Nur in den 1970er Jahren wurde die USA von Saudi Arabien und der Sowjetunion übertroffen. Die Geschichte des Petrodollars ist bekannt. In den letzten 20 Jahren sind die Kosten für die Herstellung eines Barrel Öls jedes Jahr um 11 Prozent gestiegen. Das billige Öl kommt langsam zu einem Ende und der damit im Zusammenhang stehende Klimawandel wird bis zum Jahr 2030 100 Millionen Menschen töten.

Es ist nicht so, dass der Kapitalismus nicht ohne fossile Energien existieren könnte. Die Unternehmen kümmert es wenig, ob ihre Energie aus fossilen Quellen, Windmühlen oder Solarzellen kommt. Aber billiges Öl bleibt weiterhin wichtig, weil die Kapitalisten die massiven Investments, die notwendig wären, um die Solarenergie umfassend einzusetzen, nicht vornehmen wollen. Natürlich werden einige Kapitalfraktionen in erneuerbare Energien investieren, aber es ist kaum anzunehmen, dass das Kapital 45 Trillionen Dollar bereitstellen wird, um eine breite Einführung der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 durchzuführen. Wenn, dann müssen dies die Staaten zahlen.

Die Krise der Treibstoffe ist nicht unbedingt auf Knappheit oder Überproduktion zurückzuführen. Und der langsame Shift von fossile Energien bedeutet nicht das Ende billiger Energie. Und die Klimakrise hat dem finanziellen Kapital sogar erlaubt sich als Retter des Globus zu repräsentieren. Durch Kredite und Derivate, durch Entlastungen und die Erlaubnis die Luft zu verschmutzen könne die Atmosphäre gerettet werden, im Klartext: Durch die finanzielle Externalisierung bestimmter Verantwortlichkeiten werden kollektive Entscheidungen über das Schicksal der Menschheit in finanzielle Produkte auf einem globalen Markt verwandelt.

Nach oben scrollen