Bemerkungen zu Anwar Shaikh`s „Capitalism: Competition, Conflict, Crises“ (4)

Ein Kapitel widmet Shaikh dem postkeynesianischen Ökonom Michal Kalecki. (Kalecki lässt sich der europäischen Gruppe von Postkeynesianern um Robinson, Kaldor, Kahn und Harcourt zurechnen, die von Sraffa kommend sich wenig um die Finanzökonomie kümmern.) Kalecki geht wie Keynes davon aus, dass das Investment kurzfristig gegeben ist, aber langfristig auf die Differenz zwischen der zukünftigen Profitrate und der Zinsrate reagiert. Ein gegebenes Niveau der Profitrate impliziert ein bestimmtes Investment. Die Zinsrate wird durch monetäre Faktoren und die Profitrate durch die Kapazitätsauslastung und die Höhe der Löhne determiniert. Kalecki fügt in seiner späten Phase noch eine Art Klassenanalyse hinzu, indem er das totale Einkommen in das von Kapitalisten und Arbeitern teilt und davon ausgeht, dass beide eine fixe (marginale) Neigung zum Sparen besitzen. Der Multiplikator ist derselbe wie bei Keynes, jedoch ist die Sparneigung vom Verhältnis der Löhne zu den Profiten abhängig, die wiederum durch monopolistische Gewinnaufschläge gekennzeichnet sind und von den Firmen zu ihren primären Kosten hinzuaddiert werden. Inflation basiert auf Reallohnerhöhungen. In seiner frühen Phase geht Kalecki noch davon aus, dass die Reallöhne und der Lohnanteil weder durch Klassenkämpfe noch durch die Arbeitslosenrate beeinflusst werden können, während er in seiner späten Phase behauptet, dass die Kämpfe der Arbeiter zu einer Senkung der Gewinnaufschläge führen können, während im Fall einer Senkung der Arbeitslosenquote höhere Reallöhne in Aussicht stehen.

Wie Keynes widerspricht Kalecki der Auffassung, dass ein Anstieg der Reallöhne per se die Profitabilität senkt und die Arbeitslosigkeit steigert, da der Anstieg der Reallöhne zwei sich widersprechende Effekte auf die aktuelle Profitrate besitzt: Er verringert die normale Profitrate, aber er erhöht auch die Kapazitätsauslastung der Unternehmen, wenn eben die effektive Nachfrage der Arbeiter steigt. Dabei gehen die Keynesianer davon aus, dass der Effekt einer Erhöhung der Nachfrage größer als beim Fall der Profitrate ist, wobei es jedoch Shaikh zufolge anzumerken gilt, dass die Etablierung der Kapazitätsauslastung auf einem niedrigeren Niveau der Profitrate zu einer Senkung des Wachstums führt. Die Kapazitätsauslastung erhält den Status einer freien Variable, und dies heißt, dass Überschusskapazitäten niemals vollkommen eliminiert werden können, was wiederum mikroökonomisch keinen Sinn ergibt. Für die Keynesianer ist eines klar: Die Fiskalpolitik kann dann den Output und die Beschäftigung erhöhen, während die Geldpolitik den Druck auf die Zinsrate abschwächt.

Generell folgt der Postkeynesianismus folgenden Thesen: Die aggregierte Nachfrage bestimmt den Output, das Geld wird endogen durch das Bankensystem kreiert und der Staat kann Vollbeschäftigung bei einem entsprechenden Niveau der Inflation herstellen. Wenn die Nachfrage den Output treibt, dann heißt dies für das Investment, dass es unabhängig vom Angebot der privaten Ersparnisse bleibt, sodass es allein durch Bankkredite finanziert wird. Die existierenden Ersparnisse bilden damit kein Hindernis für die Investitionen. Hinsichtlich des Multiplikators muss das Wachstum der Investitionen ein bestimmtes Wachstum des Outputs nach sich ziehen, wobei es unter Umständen zur Ponzi Finanzierung für neues Investment kommt. Dass die Ersparnisse mit den Erfordernissen der Finanzierung des Investments nicht verlinkt sind, erscheint empirisch unhaltbar. Folgendes gilt es weiter zu beachten: Wenn das Investment von der Differenz der erwarteten Profitrate zur Zinsrate abhängig ist, dann impliziert ein gegebenes Level der Profitrate ein bestimmtes Investment. Beim Multiplikator führt ein bestimmtes Level des Investments zu einem bestimmten Level des Outputs. Wenn das Investment steigt, dann steigt auch der Kapitalstock, sodass auch die Kapazität steigen muss. Die Kapazitätsauslastung (Rate zwischen Output und Kapazität) muss dann fallen. Die traditionelle Multiplikatortheorie ist hinsichtlich des Bestand-Fluss-Problems inkonsistent. Man kann sich damit helfen, dass man die Akkumulationsrate (Verhältnis von Investition zu Kapital) auf die erwartete Nettoprofitrate bezieht, aber die daraus resultierende Rate der Kapazitätsauslastung wird gegenüber der normalen Rate pendeln. Wenn man hingegen davon ausgeht, dass die Akkumulation der normalen Kapazitätsauslastung entspricht, dann wird die Akkumulationsrate von der Ersparnisrate beeinflusst. Das Problem löst sich auf, wenn man die Annahme aufgibt, dass die Ersparnisse der Unternehmen unabhängig von den Investitionen sind.

Es lassen sich bei Keynes laut Shaikh eine Reihe weiterer Widersprüche finden. Während Keynes einerseits behauptet, dass das Geldangebot durch die staatlichen Autoritäten reguliert würde, sagt er andererseits, dass die Differenz zwischen den Ersparnissen und dem Investment durch Bankkredite geschlossen werden könne (bei jeder gegebenen Zinsrate), womit das Geldangebot direkt von der Nachfrage nach Kredit abhinge. Damit würde Keynes korrekterweise von der Endogenität des Geldes ausgehen. Und dies wiederum kollidiert mit seiner LM-Funktion, weil die Liquiditätspräferenz dann die Zinsrate determiniert, da das Geld endogen ist.

Ein Postkeynesianer, der wie etwa Minsky sich stärker um die Finanzökonomie kümmert, ist Paul Davidson. Dieser führt folgende grundlegende Theoreme aus. 1) Die Nachfrage ist kurzfristig aufgrund der Möglichkeit von Konsumentenkrediten als autonom einzuschätzen, allerdings bleibt die Investition die wichtige autonome und paradigmatische Variable, die auf dem Nettogewinn basiert. 2) Die Kapitalökonomie wird vom Geld getrieben. Unternehmen investieren Geld in Material, Arbeitskräfte und Maschinen, um Mehr Geld zu erzielen, wobei der gesamte Prozess in Form Geldverträgen für gegenwärtige und zukünftige Lieferungen überbrückt und angeleitet wird. Diese Ausführungen kommen Marxens Kreislauf G-W-G` nahe. 3) Geld ist endogen, insofern es vom Kredit getrieben wird und reale Effekte auf die Produktion, Wachstum und Beschäftigung hat. 4) Es gibt keine Garantie dafür, dass erwartete ökonomische Ereignisse sich auch realisieren, da die Zukunft grundlegend unsicher ist. Unsicherheit impliziert, dass es viele unvorhersehbare Ereignisse gibt, denen keine Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Risikotheorie kann deshalb nicht auf Wahrscheinlichkeitstheorie basieren. Bei der neoklassischen Theorie der rationalen Wahrscheinlichkeit hingegen muss die Zukunft ergodisch sein (durchschnittliche Zukünfte sind gleich durchschnittlichen Vergangenheiten) und die subjektive Verteilung der zukünftigen Ereignisse muss gleich der objektiven sein. Wegen der fundamentalen Unsicherheit der Zukunft sind liquide Assets wichtig und die Nachfrage nach Liquidität steigt, wenn die Angst vor einer unsicheren Zukunft steigt. (Liquidität definieren wir als die nominale Relation zwischen Fristigkeit und Wert. Wenn Liquidität Geld bedeutet, das virtuell bzw. latent in einem finanziellen Asset vorhanden ist, so geht das nur, wenn das Asset aktuell sich nicht in der monetären Form befindet. Wenn Liquidität sich aktualisiert bzw. zu Geld transformiert, dann ist damit die Liquidität des Assets liquidiert. Demzufolge kann die Anlage niemals perfekt in ihrer Liquidität bleiben, und in diesem Sinne erscheint Liquidität als die intensive Konsequenz zur extensiven Eigenschaft des Wertpapiers, das im Geld denotiert ist. Somit handelt es sich bei der Liquidität um eine funktionale Relation zwischen einer Zeit der Verzögerung und dem Zeitpunkt der Realisierung des Assets.)

Shaikh bemüht sich natürlich auch um die Rekonstruktion der Makroökonomie durch die klassische Ökonomie, wobei hier der Begriff des realen Wettbewerbs eine zentrale Rolle spielt. Die wichtige These ist, dass die Wachstumsrate des Kapitals durch die erwartete Nettoprofitrate (Differenz der erwarteten Profitrate und Zinsrate) bestimmt wird. Im Gegensatz zum Keynesianismus, bei dem die Profitrate sozusagen in der Luft hängt, ist die erwartete Profitrate an die aktuelle Profitrate und diese bleibt wiederum an Durchschnittsprofitraten gebunden. Im Boom steigt die erwartete Profitrate über die aktuelle Rate, in der Rezession ist es umgekehrt. Beide Raten fluktuieren um einander in einer turbulenten Art und Weise. Wenn die Gewinnrate im finanziellen Sektor größer als im industriellen Sektor ist, dann fließt Kapital mit einer beschleunigten Rate in den finanziellen Sektor. In diesem Prozess affizieren die Erwartungen die aktuellen Preise, diese wiederum die Fundamentaldaten, während die Erwartungen wiederum durch die Bewegungen der aktuellen Preise und der Fundamentaldaten affiziert werden. Die aktuellen Preise oszillieren somit in turbulenter Art und Weise um die gravitationsorientierten Werte. Da die Erwartungen die Fundamentaldaten affizieren können, deswegen müssen die gravitationsorientierten Zentren selbst pfadabhängig sein. Somit ist die Zukunft keine stochastische Reflexion der Vergangenheit, sondern sie ist nicht-ergodisch. Dennoch können die Erwartungen keinerlei Realität erzeugen, die sie selbst nur bestätigt, vielmehr fungieren die gravitationsorientierten Zentren wie etwa die allgemeine Profitrate weiterhin als Regulatoren der aktuellen ökonomischen Ereignisse, sodass Boomphasen in Rezessionen münden, und umgekehrt. Shaikh geht weiterhin davon aus, dass es zwei Unterscheidungen zu beachten gilt, nämlich die zwischen der Durchschnittsprofitrate und derjenigen von neuem Kapital sowie die zwischen der Profitrate von finanziellen Firmen und den Renditeraten auf die finanzielle Spekulation. Der Wettbewerb führt zum turbulenten Ausgleich der Rentabilität bzw. der Renditeraten in allen Bereichen. Dies gilt es allerdings bei der Verzinsung und den Renditen auf Spekulationen zu bezweifeln. Der Zins besitzt keine notwendige Relation zum Profit, außer dass die totalen Nettozinsen niedriger als der Mehrwert sein müssen.

Im Kontext einer wachsenden Ökonomie gilt es dann das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu berücksichtigen. Das Wachstum des Outputs wird nicht von der Nachfrage getrieben, vielmehr wird eine exogene Erhöhung der Nachfrage zu einem Sinken des Wachstums führen (Harrod). Auch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wird durch die Profitabilität reguliert: Das Produktionsangebot basiert auf Profit, während die Nachfrage bzw. Konsumtion von den Löhnen und der Zinsrate abhängt; die Dividenden sind Teile des Profits und die Nachfrage nach Investitionen wird durch die erwarteten Profite reguliert. Die klassische Makroökonomie, so resümiert Shaikh, sei weder angebots- noch nachfrageorientiert, sondern eben profitorientiert. Weiter sind die Ersparnisse der Unternehmen nicht unabhängig von den Investitionen, weil beide Größen derselben Entität angehören. Wenn die Ersparnis derart ansteigen, dass man mit ihnen jeden Anstieg der Investitionen finanzieren kann, dann gibt es keinen Multiplikator. Jede Ersparnisrate der Unternehmen reagiert auf die Differenz zwischen Investment und aktuellen Ersparnissen. Diese Rate ist endogen.

Beim einfachsten makroökonomischen Modell der Klassik antwortet die Akkumulationsrate (Wachstumsrate des Kapitals) auf die erwartete Nettoprofitrate (erwartete Profitrate minus Zinsrate), und die Ersparnisrate bezieht sich auf die Differenz zwischen Investment und Ersparnissen. Kurzfristig wird die Zinsrate steigen, wenn die finanzielle Differenz positiv ist, aber langfristig wird die finanzielle Situation der Unternehmen mit dem Ausgleich der Profitraten korrelieren und die normale Zinsrate mit dem Preislevel und der normalen Profitrate. Des Weiteren bietet der Bankkredit die Möglichkeit, dass die Ausgaben gegebene Einnahmen übersteigen können. Banken können neue Kaufkraft erzeugen, sodass das Investment schneller als die Ersparnisse steigt, und die Konsumtion schneller als das Einkommen. Für Skaikh bleibt aber die Profitrate der Dreh- und Angelpunkt des Systems, obgleich Banken das Verhältnis von erwarteter und aktueller Profitrate, von Angebot und Nachfrage und von Output und Kapazität beeinflussen können. In einem wachsenden System steigt die nominale Wachstumsrate, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, die Wachstumsrate des Kapitalstocks steigt, wenn der Output die Kapazität übersteigt und das Kapital fließt stärker in den finanziellen Sektor, wenn die aktuelle Zinsrate die normale Zinsrate übersteigt. Dies vollzieht sich stets im Rahmen turbulenter Ausgleichsbewegungen, wobei kurzfristig Angebot und Nachfrage dominiert, langfristig das Verhältnis zwischen Kapazität und Output, zwischen den aktuellen und normalen Zinsraten sowie zwischen den aktuellen und den erwarteten Profitraten. Dies synthetisiert die Bemerkung von Keynes, dass die Nachfrage relativ autonom hinsichtlich der Generierung der Kaufkraft sein könne, mit der klassischen und keynesianischen These, dass die Akkumulation von der Nettoprofitabilität abhängig sei, sowie der klassischen These, dass die erwartete Profitabilität von der normalen Profitabilität abhängig sei und dass die aktuelle Kapazitätsauslastung um die normale Auslastung schwanke. Das Niveau der Ersparnisse und des Investments sind von der Zinsrate und dem Level des Outputs abhängig, wobei die Zinsrate wiederum von der Profitrate determiniert wird, und die Ersparnisrate mit der Investmentrate verlinkt ist. Weil die aktuellen Wachstumsraten um das Gleichgewicht fluktuieren, wird der Level des Outputs einen stochastischen und einen deterministischen Aspekt besitzen, er ist pfadabhängig. Selbst ein temporärer Anstieg der Profitrate wird den Level des Outputs und der Beschäftigung erhöhen. Das ist die klassische Antwort auf Keynes Multiplikator.

Bei der Untersuchung des Verhältnisses von Löhnen, Beschäftigung, Profitabilität und Wachstum kommt Shaikh zu dem Schluss, dass Wettbewerb und flexible Reallöhne immer zu einer bestimmten Arbeitslosenrate führen. Hinsichtlich der Frage der Vollbeschäftigung hat Marx festgestellt, dass man im Kapitalismus je schon eine bestimmte Arbeitslosenrate vorfindet. Goodwin hat das Marx`sche Argument formalisiert, indem er den Reallohn zunächst auf die Produktivität und die normale Arbeitslosenrate bezieht. Das Wachstum der Produktivität und der Beschäftigung öffnen Räume für die Erhöhung des Lohnanteils und der Reallöhne. Wenn die Arbeitslosigkeit unter ein bestimmtes Level fällt, steigt unter Umständen die Kampfkraft der Arbeiter. Daraus folgt, dass die Rate des Wandels der Reallöhne im Verhältnis zur Produktivität eine negative Funktion der Arbeitslosenrate ist. Diese ist wiederum von der Höhe des Outputs, der Produktivität und der Macht der Arbeiter abhängig. Die Wachstumsrate des Outputs ist von der normalen Nettoprofitabilität, die die Akkumulation treibt, abhängig. Da Wachstum der Produktivität und der Beschäftigung korrelieren mit den Lohnstückkosten, wobei deren Anstieg die Bemühungen der Unternehmen forciert, die Produktivität zu erhöhen. Die gegenseitige Beeinflussung des Wachstums von Output und Produktivität ist als Verdoon`s Gesetz bekannt.

Wenn ein stabiler Lohnanteil (ß), der die Stärke der Arbeiterklasse reflektiert, zum nationalen Einkommen ins Verhältnis gesetzt wird (der Nettooutput per Arbeiter (y) ist gleich der Summe der realen Löhne und Profite per Arbeiter), dann erhält man folgende Relation: yt=At x kt hoch 1-ß. Dies sieht nach einer aggregierten Cobb-Douglas Funktion aus, obgleich sie aus der Klassenkampftheorie der Arbeiter in Bezug auf die Reallöhne abgeleitet ist. Langfristig ist der Lohnanteil positiv mit dem ursprünglichen Lohnanteil und der Beschäftigungsrate korreliert, negativ mit der Produktivität und dem Wachstum der Beschäftigten. Eine Erhöhung der aggregierten Nachfrage kann kurzfristig die Beschäftigung und das Wachstum des Outputs erhöhen, aber wird die Arbeitslosigkeit langfristig nicht beseitigen, da es interne Mechanismen gibt, die die Arbeitslosigkeit erneut in Szene setzen. Diese Aussage setzt Shaikh in Beziehung zur Philipps Kurve. Philipps hat die Effekte der Arbeitslosigkeit auf die Löhne untersucht. Seine Antwort bezog sich auf die Veränderung der Geldlöhne und affirmiert weitgehend die Perspektive von Keynes. Shaikh glaubt, dass der Kampf um Reallöhne in Relation zum generellen Level der Produktivität geführt wird, sodass die entsprechende Philipps-Kurve den Wandel der nominalen Löhne im Verhältnis zum Produktivitätswachstum und zur Inflation spiegeln muss. Ein stabiler Reallohn existiert nur dann, wenn das Produktivitätswachstum konstant ist, und eine stabiler Geldlohn, wenn die Inflation konstant ist. Empirische Untersuchungen folgen.

Weitergehend untersucht Shaikh die Ursachen der Inflation unter den Bedingungen des modernen Fiatgeldes. Für Shaikh hat der Staat das Geld nicht erfunden, er hat nur dessen Basis auf einer bestimmten historischen Stufe erweitert, und erst in einem späten historischen Stadium hat er das Geld monopolisiert, das heißt, er hat private Funktionen übernommen, während private Banken weiterhin den Großteil des Geldes als Zirkulations- und Zahlungsmittel kreieren. Zwar übt der Staat eine gewisse Kontrolle über die Banken aus, eine Kontrolle, deren intrinsische Limitationen jedoch bei jeder Finanzkrise deutlich werden. Für Shaikh ist das Fiatgeld (inkonvertibles Zeichengeld) die moderne Form des Geldes. Die Geschichte des Geldes zeigt, dass die private Geldzirkulation das Zeichengeld ermöglicht, sobald ihre Funktion als Geld und zugleich ihre Inkonvertabilität akzeptiert wird. Keynes applaudiert hingegen dem Chartalisten Knapp, der die Macht des Staates und die Passivität der privaten Agenten rühmt, während die Neoklassiker das Geld als die Kreation der privaten Märkte definieren. Keynesianer und Neo-Chartalisten gehen davon aus, dass der Staat Fiatgeld unbegrenzt schöpfen kann und es dabei zu keiner Inflation oder zu einem Anstieg der Zinsrate kommen muss. Das Fiatgeld befreit den Staat zumindest von gewissen Budgetrestriktionen. Es war der Sauerstoff für verschiedene Revolutionen, hat aber auch immer wieder zu Hyperinflationen geführt. So musste der Fiskus der modernen Staaten bestimmte Regelungen einführen, die das direkte Schöpfen von Geld, um etwa Finanzdefizite auszugleichen, verbieten. Der Staat kann Geld nur in einem bestimmten Verhältnis zu seinen Steuereinnahmen und zur Emission von Staatsanleihen ausgeben, allerdings kann die Zentralbank Geld schaffen, wenn sie direkt Staatsanleihen aufkauft, wobei allerdings weiterhin die Schuldenfähigkeit des Staates berücksichtigt werden muss.

Bezüglich der Frage der Inflation geht Shaikh zunächst davon aus, dass der Wettbewerb die relativen Preise durch die Ausgleichsbewegungen der Profitraten bestimmt. Das Wachstum der aggregierten Nachfrage kann durch neue Kaufkraft angeheizt werden, wobei das moderne Kreditsystem zumindest virtuell die Kaufkraft unbegrenzt anheizen kann, womit die Frage nach den Grenzen des Angebots auftaucht. Für Shaikh ergeben sich die Grenzen dadurch, dass keine Ökonomie eine höhere Akkumulationsrate als diejenige erzeugen kann, bei der der gesamte ökonomische Surplus reinvestiert wird (größer als die Profitrate): Shaikh setzt hier Ricardos Korn-Korn-Modell mit Marxens Schemata der erweiterten Reproduktion sowie mit von Neumanns und Kaldors Modellen gleich. Es geht darum, wie das maximale Wachstumspotenzial einer Ökonomie genutzt werden kann (Wachstums-Gebrauch-Index). Dabei ist der Fall einer gestiegenen Nachfrage qua neuer Kaufkraft bei begrenztem Angebot zu betrachten. Da die Profitrate die Rate von Profit zu Kapital, und die Akkumulationsrate die Rate des Investments zu Kapital ist, ist die Wachstum-Nutzen Index der Anteil des Investments am Profit.

Foto: Bernhard Weber

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