Brief eines jungen Mannes ohne Geschichte an Pier Paolo Pasolini

« Du hast dein Leben wie eine Tragödie gelebt, deshalb hast du dein Leben gelebt »

Erschienen in lundimatin#349, am 5. September 2022

Ein Leser von lundimatin hat uns diesen sehr schönen (offenen) Brief an Pier Paolo Pasolini zukommen lassen. Der Autor artikuliert eine Art Hoffnungslosigkeit in Bezug auf seine Generation („Wir, die wir Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre geboren sind, mit dem Fall der Mauer und unserer Träume von Revolution“), aber adressiert sich an Pasolini, um sich von jeglicher Resignation zu befreien und bei ihm „alle Gesichter und alle Körper, die der Bourgeoisie entkommen und die Welt vor der Unwirklichkeit, der sie versprochen ist, zu retten“ zu finden.

BRIEF EINES JUNGEN MANNES OHNE GESCHICHTE AN PPP

Man kann sich nicht außerhalb seiner Epoche verorten, aber es ist möglich, dazu beizutragen sie als Objekt der gemeinsamen Erkenntnis zu konstituieren, das heißt sie wirksam werden zu lassen und darüber ihre Abschaffung ins Auge zu fassen [1].

— G. W. F. Hegel
(auf eine Zigeunerin zielend, inmitten von Ruinen unter dem bleiernen Himmel von Berlin)

Lieber Pier Paolo,

Ich schreibe dir im Namen all jener, die, um nicht zu verschwinden, annehmen müssen, diese Welt auf ihre eigene undankbare und wunderbare Art und Weise zu lieben: unproduktive Arbeiter, Arbeitslose, Parasiten, großherzige Gauner, Leiharbeiter, Ein-Euro-Jobber, Gewerkschaftler und ernsthaft Militante, deklassierte Kleinbürger, die gelernt haben in Verzicht auf ihre Privilegien zu leben etc.

Der neoliberale Kapitalismus hat seit deinem Tod vor 47 Jahren seine Sprache perfektioniert. Er mobilisiert Technologien,  die du dir nicht hättest vorstellen können, Technologien, um die Arbeit besser zu organisieren und das Umherirren aufzuzeichnen. Eine Einhegung, die die Ganzheit der Gesellschaft reglementiert. Die ganze Gesellschaft? Nein. Du weißt gut, dass alles, was lebt, diese verhängnisvolle Tendenz hat, sich bis zum bitteren Ende zu wehren. Aber die Doktrinen der Ordnung, die opportunistische Rückkehr der alten klerikal-faschistischen Werte und der kommerzielle Hedonismus haben so weit fusioniert, dass heute in Frankreich die am offensten neoliberale Partei zusammen mit der am meisten enthemmten rassistischen Rechten regiert. Und die Linke? Du kennst sie, die Linke, sie hat ihre schönen fortschrittlichen Ideale nicht aufgegeben, indem sie sich immer noch weigert zu verstehen, dass der Fortschritt in letzter Instanz der Name dieser Katastrophe ist.

Du weißt, dass wir, die wir Teil der großen Klasse der Unproduktiven sind, nicht alle im gleichen Boot sitzen: einige kämpfen, um zu überleben, andere um ihrer Existenz einen Sinn zu verleihen, einige leben in einer kontrollierten und gewählten Prekarität und wiederum andere haben nichts gewählt und versuchen lediglich ihre dringendsten Bedürfnisse zu stillen.

Die großen urbanen Zentren der Bevölkerung, Wiege der Klasse von Bastarden, wo Dichter, Arbeitslose, Emigranten lernen mussten zusammen zu leben, existieren nicht mehr – oder sind im Aussterben begriffen, wie in Marseille. Das Exil in die Neoruralität der Privilegiertesten überlässt den Platz an ein am meisten enthemmtes gentrifizierendes Kleinbürgertum, das die Gegensätze und die Gewalt zwischen Subproletariern und Kleinbürgern verstärkt. Aber der Staat arbeitet aktiv an der Perfektion seiner Doktrin der Ordnung, wir können also beruhigt sein.

Die Zerstörung der öffentlichen Dienste hat besonders meine Generation viel gekostet: ob es um die Ruinen des öffentlichen Krankenhauses oder der Schule geht, die auf die Verschärfung unserer staatsbürgerlichen und republikanischen Moral setzte, umso mehr der Staat auf Mittel verzichtete, die würdige Arbeitsbedingungen für die Arbeiter des Bildungswesens und einen wirklichen pädagogischen Freiraum für die Schüler erlaubten. Das konnte nur zur Katastrophe beitragen.

Damals [2] schriebst du, dass die Gewalt der Akkulturation, die Chimären der Entwicklung und des Fortschritts sich in Frankreich besser aushalten lassen als in Italien, weil die öffentlichen Dienste bei uns noch auf Kurs sind. Das ist vorbei, lieber Pier Paolo, das ist vorbei.

Unter den Sozialarbeitern, den Lehrern, den Assistenzpädagogen, dem Pflegepersonal, manche aus dem deklassierten Kleinbürgertum kommend, andere der großen Masse derer zugehörig, die nur ihre Arbeitskraft haben, um zu überleben (manchmal vergoldet durch ein Staatsdiplom), sind viele nicht mehr in der Lage, die Gewalt der Arbeitsbedingungen zu bewältigen, aber vor allem: wie können wir uns um andere kümmern, wenn wir selbst nicht fähig sind, unserer Existenz einen Sinn und eine Funktion zu geben?

Ein riesiger Aufruf zur Desertion rumort in allen Ecken des Landes. Sogar die Kinder des Bürgertums geben ihre glänzenden Studien auf, um ihr Erbe in ein kleines Stück Land zu investieren, um fernab der Spiegelungen des Fortschritts, der Ware und der Diktatur des Wohlbefindens zu leben.

Viele werden von dort wiederkommen, die Ärmel hochkrempeln und schließlich ernüchtert und scharfsichtig akzeptieren, an der letzten großen Parade des Fortschritts teilzunehmen. Es ist ein Ehrenbeweis. Ich wette, dass es eine einerseits extrem militarisierte und und andererseits extrem reizvolle Demonstration vom Gesichtspunkt der kommerziellen Verführung her sein wird.
Wir formen alle einen Wunsch nach Desertion, der auch ein Wunsch nach der Destitution dieses toten Körpers ist, der in uns liegt, dieses toten Körpers der Macht, der Ordnung, des Diskurses, der unsere Stimmritze, unsere Bronchien und unsere Luftröhre zerfrisst und unsere Zunge wie eine Säure verätzt.

Wir, die wir ohne Geschichte verbleiben.
Wir, die wir nicht die schöne Dämmerung unserer Vorfahren hatten, diese Selbstgefälligkeit der Ästheten, die zerrissenen Himmel der Mitteleuropa, die letzten scugnizzi aus Neapel, die versuchten uns ein Ticket zu stehlen, die Lebenskunstder Zigeuner, die sich in den Höhlen Granadas entfaltete…
Wir, die wir weder die Reise noch die große Humanistische Tradition hatten, um uns zu benebeln oder einfach an etwas festzuhalten.
Wir, die wir die jämmerlichen Erben des kleinen Hanno aus  Thomas Manns Buddenbrooks sind, die nicht mehr die Kraft haben, uns den Erwartungen einer Bourgeoisie zu stellen, die uns dazu verpflichtet das fortzuführen, woran wir nie geglaubt haben.
Ich möchte hier Camille de Toledo einführen, deren Scharfsinn und Stil ebenfalls diese dem Untergang geweihte Welt anklagen:

            In diesem touristischen Horizont Europas, in dem wir unser Gedächtnis konsumieren, in
            dem wir die Beweise unserer Verbrechen besichtigen, wurde das Museum in sein
            Gegenteil verkehrt.
            Wir spazieren in einer Galerie der Schrecken, die „dem Erbaulichen“ und „dem
            Bewundernswerten“ entgegengesetzt ist; gleichzeitig, durch die Inszenierung der Akten
            unserer Scham, scheinen das Gute und das Schlechte von einer gleichen flüchtigen,
            vorläufigen, vergänglichen Logik der Affekte erfasst. So gesellt sich der Geisterzug der
            Jahrmärkte unserer Kindheit zur Leidenschaft, die Trunkenheit der Orte der
            Erinnerung [3].

Wir sind ohne Geschichte geboren.
Weshalb wir eine Faszination für Genealogien und unzeitgemäße Verbindungen haben.
Weshalb wir so oft vom Niedergang, den Ruinen und der substanzentleerten Melancholie unserer Vorfahren verführt sind.
Aber wie könnten wir eine gerechtere und lebendigere Gesellschaft auf dem beruhigenden Nebel eines Vergnügungsparks aufbauen, dessen Themen die Kulissen ihrer eigenen Verbrechen sind, von denen sie sich mit Sorgfalt rehabilitiert haben – mit zittriger Stimme und opportunistischen Tränen der Würdigung, die sich die Republik selbst erteilt.

Wir, die wir Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre geboren sind, mit dem Fall der Mauer und unserer Träume von Revolution: was machen mit dieser abstrakten, karikaturistischen Nostalgie, der Materialität der bloßen Formen des Lebens entzogen, die die neue Vorgeschichte zermalmt, bevor sie ihre Lumpen auf unpersönlichen und traurigen Märkten weiterverkauft.

Erlaube mir einen anderen Absatz des Genossen Toledo zu zitieren – dessen programmatisch skizzenhaft-verhüllenden Charakter wir schätzen:

Wir nehmen also den Verlust und die Angst auf, in dem Wunsch uns zu versöhnen. Indem wir das tun, verlieren wir unsere Macht, diese Fähigkeit, die wir hätten erlernen müssen, in Abwesenheit der Körper unserer Toten auf einem schmalen Grat zu wandeln; eben: weder eine Moral, noch ein ewig währendes Gedächtnis, sondern der Grat zwischen Erinnerung und Vergessen [4]…

Lieber Pier Paolo, wir haben etwas, was ihr nicht hattet: wir sind nach der Hoffnung geboren. Unsere Traurigkeit, unsere neurotische, finstere, verängstigte Art hängt nur mit der Schwierigkeit zusammen, die wir haben, unsere psychische, physische und symbolische Unfähigkeit zu akzeptieren, ein bestimmtes Erbe zu würdigen und fortzuführen, das Erbe einer Geschichte, die sich uns als die einzig mögliche Geschichte darstellte und die dennoch lediglich die bürgerliche Geschichte war.
Aber sobald wir das akzeptieren, sobald wir annehmen nicht mehr mit den Nationen und dem Fortschritt, in deren Namen begangene Verbrechen unzählbar sind, solidarisch zu sein, sobald wir uns nicht mehr dem bürgerlichen Common Sense unterwerfen und der Herrschaft der instrumentellen Vernunft, sobald wir verweigern unsere Leben einem Leistungsprinzip zu opfern, sobald wir unseren Blick nicht mehr vor der lächerlichen Rhetorik der scharfen Kritiker des Kommunismus senken, aller Kommunismen, des Kommunismus schematisch verstanden als die andere Seite und die einzige Alternative zur Schließung der Geschichte, dann werden wir mit neuer Kraft ausgestattet sein. Und es wird nicht mehr erlaubt sein, enttäuscht, verraten oder geschlagen zu werden.

Ich wage zu glauben, dass diese Kraft, diese hoffnungslose Lebendigkeit, so wie du ihr Form und Konsistenz in deiner Poesie gegeben hast, und die konstitutiv für unser (Nicht-)Verhältnis zur Welt ist, uns erlauben wird, im Maße unserer Generation, vor allem aber derer, die kommen werden, die Wiederholung der hohlen Hoffnungen, der großen Verrate zu vermeiden und erfolgreich die Negativität anzunehmen, diese Kehrseite der Moderne, uns lediglich an die blaue Nacht der widerständigen Traditionen anzuknüpfen, im Feuer des ersten Ursprungs, und nicht mehr an den alten üblen Geruch, tabula rasa und Pseudo-Auferstehungen des Neuen Menschen, die unsere militanten Väter begeisterten.

Ich wage nicht, die Züge dieses „Neuen Menschen“ zu imaginieren: generisch, bürgerlich, anpassbar. Wir wagen zu sagen, dass der schlimmste Stalinismus, jener, der die westlichen bürgerlichen Werte rot anstrich, daran gescheitert ist, das Besondere abzuschaffen, Gesichter, Sprachen und Landschaften, da wo der Neoliberalismus gesiegt hat.
Aber wisse, dass wir noch immer die Hände von Baumeistern haben und dass wir sie einsetzen können, um zu reparieren, was noch repariert werden kann.
Dass wir noch immer den Schalk des Gauklers und die Anmut der Seiltänzerin haben.
Unser Gedicht gründet sich nunmehr auf der durch die Destitution des Diskurses und der Idee des Fortschritts befreiten Leere. An uns, die Posthumanität zu organisieren, deren Bastarde wir sind.

Gegen die neue Reaktion, die genauso stumpfsinnig ist wie die Idee des Fortschritts, die beide heute durch die taktischen Notwendigkeiten des Augenblicks miteinander verwoben sind, werden wir die Sprache der Dinge, die nicht die unseren waren, lernen: Fertigkeiten und Sprachen, die wir nicht geerbt haben. Wir werden neue Werkzeuge schmieden und werden jene zu nutzen wissen, die uns das Großkapital bereits zur Verfügung stellt [5] .

Wir werden lernen all das umzustoßen, was sich uns lange in der Neutralität eines Mittels präsentiert hat und dabei nichts anderes als die Bordkamera der Macht war. Wir werden spontan bereit sein all jene zu unterstützen, die ein zerbrechliches Erbe verteidigen wollen: eine Art und Weise Kartoffeln anzubauen, Knoblauch zu kochen, sich zu kleiden, zu glauben. Und wir werden die Demut haben alle sektoralen Kämpfe zu unterstützen, ohne dabei die kleinbürgerlichen Bestrebungen, die ihnen innewohnen können, zu verurteilen. Vor allem, wenn diese Kämpfe in der Lage sind, den sektoralen Rahmen zu sprengen und hier und jetzt eine andere Sprache zu bauen, eine Sprache, die zugleich total und unvollendet ist.

Die jüngste Erfahrung mit den gilets jaunes – ich hoffe, du verzeihst mir die Freiheit, dir in Bezug auf sie eine Meinung zu geben – hat uns bewiesen, dass eine Bewegung, die alle glauben ließ, dass sie sich in letzter Instanz in einem kleinbürgerlichen und rassistischen Neopoujadismus äußern würde, sich allen militanten Zeichen entziehen[6]  und die Linke von links angreifen konnte.
Der Fehler war, wie immer, wenn etwas passiert, woran man nicht mehr glaubte, zu denken, dass diese Bewegung sich selbst genügen könne, dass die neoliberale Macht gestürzt würde und dass die Revolution am Ende des Weges warte.
Der Leere des Politischen entspricht ein nunmehr leerer Signifikant: die Aggregation jeglicher Wut, aller Revolten, ob konstruiert oder zerrüttet. Eines Tages jedoch werden wir die Aufgabe übernehmen müssen, eine kollektive Bedeutung aufzubauen. Aber diese wird von selbst geboren werden. Man darf diesen Prozess nicht übereilen.

Alles, was wir heute sagen können, ist, dass die Leere des Politischen nicht von einem neuen Diskurs von links ausgefüllt werden darf. Solange die institutionelle Linke die Idee, dass ein besseres Gleichgewicht und die gerechtere Umverteilung der Reichtümer innerhalb der kapitalistischen Entwicklung zu suchen sei, nicht aufgegeben hat, wird sie uns zwangsläufig verraten müssen. Sie ist dafür nicht verantwortlich, das ist der Gang der Dinge. Ihre Verantwortung ist, zu verweigern, ihren eigenen Tod zuzugeben, das wird sie daran hindern die Bühne unter Tränen und Applaus zu verlassen.

Du, der du vor allen anderen den Tod der Linken in Italien diagnostiziert hast, hast ihr in Uccellicci e Uccellini die aufrichtigste Würdigung erteilt, wenn am Ende des Films eine Masse von Arbeitern gerührt den Leichnam von Togliatti begleitet. Du weißt gut, dass wir noch immer mit der Realität ringen, dass wir uns weigern zu akzeptieren, dass die 50er Jahre vorbei sind, dass wir uns weigern zuzugeben, dass die Trente inglorieuses dem westlichen Proletariat eine Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Rücken der kolonialen Überausbeutung gewährt haben, dass sie ebenso verantwortlich sind für die Ausrottung von Volkskulturen, deren Erhaltung rechtfertigt, dass wir kämpfen.

Während ich dies schreibe, kann ich mich nicht mehr an ein Wort erinnern, das man unweigerlich mit dem Tod verbindet, mit dem Leichnam, mit dem Friedhof: es ist das Wort Sarg. Lasst uns der Linken einen schönen Sarg schenken und vor allem den offiziellen Kommunisten. Von nun an müssen sie schweigen. Wir können nicht zulassen, dass die letzten Fälscher eines verfallenden institutionellen Kommunismus ihre „glücklichen Tage“ schwenken und so die Würde einer Geschichte beschmutzen, die eine der schönsten überhaupt war.

Das Gedicht ist Gestammel, aber es enthält alle Sprachen, sagtest du. Diese Idee besitzt mich und kehrt wie ein Skalpel über alle Hoffnungen hinweg immer wieder zu mir zurück. Wie du, und ohne Zweifel früher – ich meine im Alter – habe ich aufgehört, an die Literatur zu glauben[7] .

Aber erinnere dich, wenn die Hand noch zittert, zur Stunde, in der wir alles verloren haben, wenn das Gedicht stammelt und verschwindet wie ein weit entferntes Fest oder ein mit Gas gefüllter Luftballon, dann erinnere dich, dass wir lachend diese so lange Saison der Nachgeschichte durchschreiten.
Hier schenken wir keine Erlösung, kein Jenseits – alles, was wir wollen, ist unser Thema auszuloten. Wir suchen den Knochen der Realität, jener der nichts Antikes oder Christliches hat, „den Knochen des Alltags“, den du in „Die Tränen des Baggers“ erwähntest.

Wir haben nur eine einzige Hoffnung: jene, erfolgreich weiterzumachen, einfach weiterzumachen.
Niemals außerhalb der Geschichte. Es geht darum, einen Schritt zur Seite zu treten. Alles ist eine Frage der ethischen Positionierung: die gerechte Intensität zu wählen, die nichts Lebendiges verneint, die nicht das Gesicht des Anderen verletzt, dieses Anderen, der die Landschaft unseres Handelns ist.
So werden wir vielleicht eine bestimmte Idee der Poesie erneuern können, eine Idee der Poesie als Sprache, die zu ihrer Entfaltung eine Anstrengung des Experimentierens und eine Freiheit braucht, die sich resolut vom Diskurs und von der Einheit des Kampfes frei machen, die sich ebenso der Realität entgegen strecken müssen, jener Realität gegen die die Sprache der Macht zerschmettert ist.

Es geht nicht darum, die Stücke einer unwiederbringlich verlorenen Vergangenheit zusammenzufügen, sondern durch die Arbeit der Montage die Schaffung neuer Beziehungen zu ermöglichen. Keine tabula rasa, sondern die archäologische Obsession verbunden mit der Notwendigkeit unsere Formen an die neue materielle, technische und technologische Realität der Welt anzupassen. Es geht darum, unsere Utopien zu beleuchten, indem wir aus der Quelle dieser Suche nach Erlösung schöpfen, die zu beantworten die Geschlagenen uns zwingen und alle uns zur Verfügung stehenden Mittel zu mobilisieren, um dies zu tun. In diesem Sinne darf der Dichter sich nicht mehr einer ätherischen literarischen Repräsentation von Schönheit unterwerfen, er muss das Land der Sprache umgraben, das Regime der Repräsentation erschlagen, die etablierten Erzählstrukturen sprengen, er muss immer wieder ohne Unterlass beginnen ein neues Wort erblühen zu lassen auf dem schmalen Grat, der das Zeichen und seine Bedeutung verbindet, ohne sie zu verwechseln.


Der Künstler von heute muss sich also wieder an die Arbeit machen. Nicht in einem eigenen Zimmer, sondern auf einem rauen Weg.
Eine deiner letzten Lieben als Dichter galt Ezra Pound – erlaube mir ihn hier zu zitieren:

La beauté est difficile… la plaine aride
précède les couleurs [8]

Schönheit ist schwierig … die trockene Ebene
geht den Farben voraus[8]

Fortini warf dir vor, in einer Wüste zu brüllen. Er weigerte sich diese karge Ebene zu durchmessen, in dem Glauben, dass die politische Rede und Aktion ausreichten, um die Farben zu rufen. So schön sie auch sind, das ist nicht wahr.
Du, der du der erste der Modernen warst, und der letzte der Klassiker, du musstest dich anpassen. Und wie ich mir vorstellen kann, wie viel dich diese Anpassung gekostet haben muss.

(Haben sie sich nie gefragt, jene, die dich für einen in seiner Vergangenheitsbewältigung festgefahrenen Reaktionär hielten, warum du dich so schnell an die neuen Formen der Filmtechnik angepasst hast? Und wie diese cinematographische Technik wiederum das Schreiben deiner letzten poetischen Texte bestimmen konnte?)

Nach Elsa und und ihrem modernistischen, sensiblen und pazifistischen – aber mit Sprengköpfen bombardierten – Werk, drei Jahre also nach  Le monde sauvé par des gamins, publizierst du transhumaniser et organiser. Dieser Text, der dein letzter großer noch zu Lebzeiten publizierter poetischer Text ist – und der nie übersetzt wurde, mit Ausnahme einiger Bruchstücke in der Anthologie von Ceccatty – ist eine Meisterleistung der formalen Anpassung: Du passtest dich an, an die Fragmentierung unserer Wirklichkeit, an die Notwendigkeit mit der Idee der Großen Nationalen Poesie zu brechen, an eine Poesie des Bruches und der Gabelung, die die Register, die strenger poetisch oder dokumentarisch sind, vermischt…

Im Gegensatz zu Aragon, der bei uns den umgekehrten Weg ging – von der surrealistischen Avantgarde zur Erneuerung der nationalen Tradition – und in diesem Sinne einem Césaire näher ist, opfertest du deine Sprache, deinen Stil, das Prestige der Figur des Autors [9]  und beschrittst mit deinem Schreiben neue Wege [10] .

Auch Pétrole, dieses unfertige und zugleich fragmentarische Werk – das nicht anders hätte sein können  – [11]  schreibt sich ein in diese Bemühung der formalen Anpassung. So hast du dazu beigetragen, die Poesie neu zu erfinden, bereit Dante und Leopardi mit Füßen zu treten – aber vielleicht waren sie es, die dich insgeheim darum baten, sie mit Füßen zu treten?

Du erkennst also die Leere unserer Epoche und entscheidest das Gedicht aus dieser Leere heraus zu gründen. Zweifel, Streichungen, Montage. Mit Pound im Gepäck, die Tradition sowie den säuerlichsten Modernismus artikulierend, erschaffst du eine neue Sprache. So erscheinst du ebenso wie der weit entfernte Bruder eines Becketts oder Celan. Im Gegensatz zu vielen Verfassern von Vorworten oder Kommentatoren glaube ich nicht, dass die Poèmes à Casarsa[12]  Poesie seien und deine letzten Texte es nicht mehr sind [13] .

Transhumaniser et organiser, Pétrole sind sowohl ein Bruch mit deinem früheren poetischen Werk als auch seine legitimste und natürlichste Vollendung.

Erinnere dich an die Komik von Ninetto, in  Uccilecci e Uccelini, seinen chaotischen Busch und Totos  Grimassen, am Rande des Begräbnisses von Togliatti… Es war alles geschrieben, nicht wahr?
Im Grunde genommen hast du nie aufgehört, dem durch die konsumistische Revolution hervorgerufenen neuen Typ Menschheit, eine in ihr inbegriffene Posthumanität entgegenzustellen: eine Politik der Liebe, des Lachens und des wirklich gelebten Lebens.
Warum Posthumanität? Weil die Menschheit immer noch die bürgerliche ist: die Kluft zwischen dieser generischen und abstrakten Menschheit (dem Weltbürger) und einer konkret von Antagonismen durchkreuzte Realität (dem Klassenkampf) ist immer unhaltbarer geworden. Alles, was darauf abzielt, diese Kluft durch Repräsentationen und Worte, durch Diskurse, seien sie „sozial“ oder nicht, zu schließen, ist Ideologie und jede Ideologie ist ebenso bürgerlich.

Hier hält die Lukácssche Konzeption der Ideologie als Vermittlungsmodus für soziale Konflikte bis zu einem gewissen Punkt. Nur bis zu einem gewissen Punkt: die kommunistische Kunst hat ihre Experimentierfreiheit nicht einem Kult der Totalität zu opfern, ist diese letzte doch immer einer Grammatik der Repräsentation unterworfen, die, obwohl sehr wohl situiert, sich universell gibt. Wenn sich diese Grammatik fernab von Garibaldi und Mazzini entfaltet und neu erfindet, warum nicht. Sobald sie sich der nationalen Erzählung unterwirft, sobald sie keine anderen Ausdrucksformen als die ihrer institutionalisierten Sprache vorsieht, sobald sie instinktiv die Repräsentationen und Werte der etablierten Sprache übernimmt und vor allem, wenn diese Werte mit jenen des neuen Bürgertums koexistieren, den Werten des Unternehmertums, des Marketings und des Wohlbefindens, dann ist die Grammatik, die uns zur symbolischen Strukturierung der Wirklichkeit dient, die Matrix einer toten Sprache.

Alles was dich immer interessiert hat, war, die Wirklichkeit in das Gedicht eintreten zu lassen. Nicht mehr als Spiegelung oder Totalität, sondern als unerschöpfliche Quelle möglicher Beziehungen. Hier verbindet dich insgeheim etwas mit Godard: Détournements, Verfälschungen, Collagen etc. [14] zielen immer auf das (dialektische) Bild und nicht auf die (statische) Repräsentation der Wirklichkeit.

Nachdem du dein Bewusstsein und deine Sprache in die große nationale, humanistische und bürgerliche Tradition eingetaucht hattest, musstest du deine Poesie formal an die neuen realen Möglichkeiten, die die Technik dir schenkte, anpassen, dies mit dem Ziel den dünnen Faden zu bewahren, der uns mit einer noch nicht in der bürgerlichen Unwirklichkeit aufgelösten Wirklichkeit verbindet.

Die Werte der neuen italienischen Republik, jene der Väter der liberalen Demokratie, ihre Sprache, ihre Moral, all diese Elemente einer Kultur, die jene einer Macht war, mit der du immer kindische Verbindungen gepflegt hast [15], wurden in die neuen hedonistisch-freizügigen Werte der Konsumgesellschaft gegossen. Den ersteren konntest du auf eher binäre Art und Weise eine Sprache entgegen setzen, die aus allen Sprachen, Dialekten oder Idiomen und allen „puren Formen des Lebens“ gewebt war, die sie noch erlaubte sichtbar zu machen und zu manifestieren. Aber die zweiten setzen einen noch größeren Destitutionsakt voraus, der nicht mehr nur die Promotion spezifischer Traditionen, vernakulär gegen die Sprache und die Kultur des Staates, beinhaltet, sondern einen Durchbruch unterhalb der artikulierten Sprache, eine Montage von Lauten, Bildern, Dokumenten, die den Mythos und das Dokumentarische, die Tradition und die modernistische Technik vermischen, eine neue Sprache [16].

Du hast nicht nur immer versucht, dich an die neuen Formen der Wirklichkeit, die du hast entstehen sehen, anzupassen (zum Beispiel: die sub-proletarische Kultur der römischen Vororte), sondern auch auf diese schwindelerregende Kluft zwischen der Sprache der Intellektuellen über die Wirklichkeit und der Wirklichkeit selbst reagiert (zum Beispiel: den Ausschluss der sub-proletarischen und/oder geflüchteten Komponente im Namen eines homogenen und leeren Verständnisses des revolutionären Subjekts bei den Theoretikern des offiziellen Kommunismus).

Heute ist die Sprache der Experten und Editorialisten, der organischen Intellektuellen, denen es gelungen ist die alten klassischen Intellektuellen zu verdrängen, nur die Folge dieses Verrats, seine erneuerte und nunmehr hegemonische Form.
Es war genau um zu vermeiden, dich dieser neuen Wirḱlichkeit, die nicht existierte [17], zu unterwerfen, dass du niemals aufgehört hast, dich den neuen Formen proletarischen und sub-proletarischen Lebens anzupassen, die dir einzig würdig erschienen, gelebt zu werden – was dich natürlich dazu geführt hat deine poetische Produktion den Bedingungen anzupassen, um deines Objekts habhaft zu werden [18] – einer fragmentierten, hybriden, bedrohten Wirklichkeit – einzige Möglichkeit weiterhin Sprache zu produzieren, das heißt als Dichter zu existieren.

Sie dachten, du beklagst dich am Grabe Gramscis. Sie verstanden gar nichts. Sie sagten, dass du deine eigene innere Dramaturgie auf die Geschichte projiziertest. Fortini sagte das. Die Kommunisten sagten das. Die militante Jugend sagte es. Alle haben sie sich getäuscht. Im Gegensatz zu ihnen hast du niemals aufgehört zu lachen. Du warst lediglich ein Mann mit wirklichen Leidenschaften in einer Gesellschaft, die immer unwirklicher wurde. Du hast dein Leben wie eine Tragödie gelebt, und deshalb hast du dein Leben gelebt. Die bürgerlichen Dramaturgien, die Clankriege, der Rassismus der kleinen Unterschiede, all das entging dir, denn du warst besessen von allem, was lebt und singt, von den Possen Ninettos, von der Anmut Medeas, von dem herzzerreißenden Schrei Mama Romas, von diesen Gesichtern und diesen Körpern die alle Gesichter und alle Körper waren und es weiterhin sind, alle Gesichter und alle Körper, die dem Bürgertum entkommen und die Welt vor der Unwirklichkeit retten, der sie versprochen ist. Du selbst hast niemals in Betracht gezogen, in Nachbarschaft Anderer zu leben. Die radikalste Andersartigkeit ist ein Schwindelgefühl und es war diese Schule, auf die du dich beriefst. Denn du warst reine Liebe.

Was uns betrifft, die wir dich so sehr lieben, die wir auch die Welt lieben und nicht ihre Parodie, so wissen wir dank dir nun, dass das Gestammel alle Sprachen enthält und dass die Hoffnungslosigkeit niemals mit der Resignation zu verwechseln ist.

„Wir“, die wir reines Licht waren – und es nicht wussten.

Pierre-Aurelien Delabre
Pordenone, 10 juillet 2022.

[1] Sucht nicht die Quelle dieses Zitats, auch wenn sie aus erster Hand stammt, erscheint sie nirgendwo; wenn ihr wirklich daran festhaltet ihre Authentizität zu überprüfen, müsst ihr die Ruinen oder, ungefähr hundert Kilometer von der deutschen Hauptstadt entfernt, im Spreewald die alten grünen Erlen fragen. Man sagt, dass sie allein das Geheimnis der antiken philosophischen Weisheit bewahren. Aber beeilt euch, die neue Vorgeschichte ist ein Brand, der alles mit sich reißen wird: alte Geheimnisse, profane Worte, heimliche Lieben etc.

[2] In den  Écrits corsaires, vor allem.

[3] Camille de Toledo, Le hêtre et le bouleau, Seuil, 2009.

[4Ibid.

[5] Ich lade hier dazu ein das von dem Kollektiv « AAA » realisierte Gedicht-Video mit dem Titel « Nihil » zu gucken: https://m.youtube.com/watch?v=By_gC9KU828. Der Text ist hier zu lesen, in der Zeitschrift Error  : https://error.re/nihil/

[6] Von Félix Guattari geschmiedeter Neologismus.

[7] Lasst uns die Ernsthaftigkeit besitzen, zu erkennen, dass dies nicht durch und durch wahr ist.

[8] Wir übersetzen hier zwei Verse von Pound, Auszug aus seinem  Canto LXXIV.

[9] Était-ce un sacrifice (acte volontaire) ou une destitution (acte involontaire) déterminée par les nouveaux rapports de production et de consommation, par la nouvelle société qu’ils induisent ? Il me semble que les deux sont liés, que ton mérite fut de continuer à faire un pas vers le monde, bien que ce monde ne te reconnaisse plus, quitte à assumer une posture régressive, scandaleuse ou sacrificielle : « Destitué de mon autorité, auteur / qui n’est plus indispensable, chargé / de poésie sans être plus poète, / (la condition de poète cesse / quand le mythe des hommes / déchoit… et les instruments sont autres / pour communiquer avec ses pareils… d’ailleurs / mieux vaut se taire, en préfigurant, / dans un désoeuvrement narcissique, la paix dernière) / — et je suis de nouveau au chômage, moi, / un garçon aux mauvaises et naïves lectures / qui écrit par vengeance (contre lui-même) / et offre un corps de martyr aux indifférents. »

War dies ein Opfer (freiwilliger Akt) oder eine Destitution (unfreiwilliger Akt) bedingt durch die neuen Produktions- und Konsumtionsverhältnisse, durch die neue Gesellschaft, die sie herbeiführen? Mir scheint, dass beides zusammenhängt, dass dein Verdienst war, weiterhin einen Schritt in Richtung Welt zu tun, auch wenn diese Welt dich nicht mehr erkannte, bereit eine regressive, skandalöse und aufopfernde Haltung einzunehmen: „Von meiner Autorität entmachtet, Autor / der nicht mehr unersetzbar ist, beladen / mit Poesie ohne noch Dichter zu sein / (die Bedingung des Dichters endet / wenn der Mythos der Menschen / zerreißt… und die Instrumente sind andere / um mit ebendiesen zu kommunizieren… übrigens / besser man schweigt, indem man vorweggreift, / in einer narzisstischen Unlust, den letzten Frieden) / – und ich bin wieder arbeitslos, ich, / ein Junge mit schlechten und naiven Lektüren / der aus Rache (an sich selbst) schreibt / und den Gleichgültigen einen Körper des Märtyrers opfert.“ (Pier Paolo Pasolini, Poésie en forme de rose (1964), traduction de René de Ceccatty, Payot, 2015.)

[10] Si nous considérons évidemment Cendrars et Apollinaire comme des rampes de lancement de ces voies nouvelles — et les surréalistes en leur sillage —, ce n’est pas uniquement parce qu’ils ont promu le vers libre. Dans l’absolu, nous n’opposons pas la forme fixe au vers libre — cela ne résume pas la distinction langue/langage que nous tentons de produire ici. Ce n’est pas non plus, selon nous, le coeur du différend entre Césaire et Aragon. Par ailleurs — et notamment depuis Le condamné à mort de Jean Genet —, nous savons que la métrique classique peut fournir une contrainte formelle tout à fait féconde, qu’elle ne se confond pas avec la langue, qu’elle peut devenir un nouveau langage. Je ne résoudrai pas ici les problèmes que cette distinction conceptuelle continue à nous poser, contentons-nous de dire que cette distinction ne peut pas faire l’économie d’une articulation vivante (dialectique) de l’un et de l’autre terme, en réintégrant par exemple la langue au langage au sein d’un travail de montage (Godard) et/ou de retraduction (Pound).

Wenn wir ebenso Cendrars und Apollinaire als Startbahnen dieser voies nouvelles betrachten – und die Surrealisten in ihrem Gefolge – , dann nicht nur, weil sie den freien Vers propagiert haben. Im Absoluten setzen wir der festen Form nicht den freien Vers gegenüber – dies fasst nicht den Unterschied langue/langage zusammen, den wir versuchen hier zu produzieren. Unserer Ansicht nach ist das auch nicht das Herz der Auseinandersetzung zwischen Césaire und Aragon. Außerdem – und vor allem seit Le condamné à mort von Jean Genet – wissen wir, dass die klassische Metrik einen formalen Zwang bereit stellen kann, der absolut fruchtbar ist, und dass sie nicht mit der langue zu verwechseln ist, also dass sie eine neue Sprache (langage) werden kann. Ich werde hier nicht die Probleme, die diese konzeptionelle Unterscheidung uns weiterhin stellt, auflösen, begnügen wir uns damit, zu sagen, dass diese Unterscheidung nicht auf die lebendige (dialektische) Artikulation des einen und des anderen Begriffs verzichten kann, indem sie zum Beispiel in der Arbeit der Montag (Godard) und/oder der Rückübersetzung (Pound) la langue in den langage reintegriert.

[11] « Du vivant de l’auteur, toute décision est provisoire ; avec sa disparition, tout choix provisoire devient définitif ; le principe vaut d’autant plus quand, comme dans le projet de Pétrole, le caractère non définitif était considéré par l’auteur comme constitutif de la « forme » intentionnelle. » (Aurelio Roncaglia, « Note philologique », dans Pétrole, traduction de René de Ceccatty, Gallimard, 1995.)

„Zu Lebzeiten des Autors ist jede Entscheidung vorläufig; mit seinem Tod wird jede vorläufige Entscheidung definitiv; das Prinzip wiegt umso schwerer, wenn in einem Projekt wie Pétrole, der nicht-definitive Charakter vom Autor als grundlegend für die bewusste ‚Form‘ betrachtet wurde.“(Aurelio Roncaglia, « Note philologique », dans Pétrole, traduction de René de Ceccatty, Gallimard, 1995.)

[12] Oeuvre de jeunesse publiée alors que Pasolini n’a que 20 ans. Jugendwerk von Pasolini, veröffentlicht mit nur 20 Jahren.

[13] Ainsi, nous affirmons notre désaccord avec Massimo Cacciari quand il écrit que le Pasolini de la seconde forme « alourdit » de « dénonciations » et d’« invectives » la pureté élégiaque de la première forme. (Une amitié poétique, L’Éclat, 2022.) A contrario, nous pensons que cette prétendue « seconde forme » s’aiguise en se confrontant à la compréhension du monde du point de vue de la lutte des classes. Ajoutons également — sur un plan plus général — que deux grandes tendances s’esquissent dans l’usage actuel de Pasolini : une première tendance qui se manifeste assez dans les mots de Massimo Cacciari, faisant ainsi jouer le jeune Pasolini contre le plus vieux (à la manière dont on fait souvent jouer le jeune Marx des Manuscrits contre celui du Capital) ; et une seconde tendance qui, si elle reconnaît l’importance de l’oeuvre ultérieure, opère une entreprise de démarxisation de cette dernière, comme s’il s’agissait d’en abstraire le logiciel périmé — en occurence : une interprétation marxiste de la réalité sociale et de l’histoire —, la « contextualisation » opérant alors comme une « relativisation », et ceci afin de forger une représentation inoffensive et cool, intemporelle, du « poète contestataire ».

Insofern, bestätigen wir unsere Uneinigkeit mit Massimo Cacciaria, wenn er schreibt, dass der Pasolini der zweiten Form den Pasolini der ersten Form, der elegischen Reinheit, mit „Denunziationen“ und „Schmähungen“ „beschwert“. (Une amitié poétique, L’Éclat, 2022.) Im Gegenteil, wir glauben, dass diese sogenannte „zweite Form“ sich schärft, indem es sich mit einem Verständnis der Welt vom Standpunkt des Klassenkampfes aus konfrontiert. Lasst uns ebenso hinzufügen – auf etwas allgemeinerer Ebene -, dass sich zwei große Tendenzen im aktuellen Gebrauch von Pasolini umreißen lassen: eine erste Tendenz, die sich recht deutlich in den Worten Massimo Cacciaris manifestiert, den jungen Pasolini gegen den älteren ausspielend (auf die gleiche Art und Weise wie man oft den jungen Marx der Manuskripte gegen den älteren des Kapitals ausspielt): und eine zweite Tendenz die, wenn sie die Wichtigkeit des späteren Werks erkennt, ein Unternehmen von Entmarxisierung dieses letzteren führt, so als ob es darauf ankäme, ihm das verbrauchte Material zu extrahieren – im vorliegenden Fall: eine marxistische Interpretation der sozialen Realität und der Geschichte -, die „Kontextualisierung“ dient dann der „Relativierung“ und dies mit dem Ziel eine inoffensive und coole, zeitlose Darstellung des „streitlustigen Dichters“ zu schmieden.

[14] Lire notamment la notice de Pétrole. Insbesondere die Notiz von Pétrole lesen.

[15] Citation d’Ossip Mandelstam en exergue de Pétrole  : « Avec le monde du pouvoir je n’ai eu que des liens puérils » Zitat von Ossip Mandelstam hervorgehoben in Pétrole: „Mit der Welt der Macht habe ich nur kindliche Beziehungen gehabt“

[16] « Donquichottesques et durs, nous agressons la nouvelle langue / que nous ne connaissons pas encore, que nous devons tenter. » (Pier Paolo Pasolini, La religion de notre temps (1961), traduction de René de Ceccatty, Payot, 2015.) „Donquichottemäßig und hart, greifen wir die neue Sprache an / die wir noch nicht kennen, die wir wagen müssen.“ (Pier Paolo Pasolini, La religion de notre temps (1961), traduction de René de Ceccatty, Payot, 2015.)

[17] « …Ils auront vécu là les pires / années de leur vie : POUR AVOIR ACCEPTÉ / UNE RÉALITÉ QUI N’EXISTAIT PAS… » (« Victoire », dans Poésie en forme de rose (1964), dans l’anthologie personnelle traduite par José Guidi, Gallimard, 2020.) „… Sie werden da die schlimmsten / Jahre ihres Lebens gelebt haben: UM EINE REALITÄT AKZEPIERT ZU HABEN / DIE NICHT EXISTIERTE…“(« Victoire », dans Poésie en forme de rose (1964), dans l’anthologie personnelle traduite par José Guidi, Gallimard, 2020.)

[18] « M’emparer, peut-être, sur le plan doux et intellectuel de la connaissance ou de l’expression ; mais malgré tout, essentiellement, brutalement et violemment, comme cela se passe pour chaque possession, pour chaque conquête. » (Pier Paolo Pasolini, Pétrole, op. Cit.)

„Mich vielleicht auf der sanften und intellektuellen Ebene des Wissens oder des Audrucks bemächtigen; aber trotz allem, vor allem, brutal und gewaltvoll, so wie das bei jeder Inbesitznahme, bei jeder Eroberung geschieht.“ (Pier Paolo Pasolini, Pétrole, op. Cit.)

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