Das Gesetz vom tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate im Kapital Bd.3

Nach Auffassung von Georgios Stamatis nimmt Marx bei der Darstellung des Gesetzes vom tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate eine Gleichsetzung von Wert und Preis u. a. deswegen vor, um die Wirkung der sog. Wicksell-Effekte (u. a die Beobachtung der Relation von Profit- und Zinsrate) auf den Verlauf der allgemeinen Profitrate unberücksichtigt zu lassen.1 Weiter setzt Marx voraus, dass Parameter wie Produktivität, technische Zusammensetzung des Kapitals, Rohstoffverbrauch und Produktionsmittelbestand im Verlauf der Binnengeschichte des Kapitalismus eine beständige Tendenz zum Wachstum aufweisen, u. U. auch der Reallohnsatz. Und Marx nimmt weiter an, dass die prozentuale Steigerung der Produktivität auf der Ebene der Gesamtkomplexion des Kapitals geringer ausfällt als die prozentuale Steigerung der technischen und organischen Zusammensetzung des Kapitals. Dabei zwingt der kapitalistische Wettbewerb die Unternehmen ständig zur Beschleunigung der Prozesse der Forschung, der technologischen Innovation und führt damit zur Einführung neuer (industrieller) Produktionsmethoden. Und schließlich interessiert sich das Einzelkapital weniger für die absolute Profitmasse, die nach einer gegebenen Produktionsperiode realisiert wird, sondern stärker für die Geldsumme, die es in Bezug auf seine ursprünglichen Investitionen erhält, ergo für die Profitrate (und die Profitrate in ihrem Verhältnis zur Zinsrate). Und das Resultat besteht in einer sich immer weiter verstärkenden technologisch fundierten Kapitalisierung der Produktion, was Marx in der Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals (Wertrelation von konstantem (c) zu variablem Kapital (v) inklusive der preislichen Indexierung des Wertwechsels von konstantem und variablem Kapital von gleicher Qualität) ausgedrückt sieht.

Die Relation zwischen Mehrwert (m) und konstantem Kapital (c) + variablem Kapital (v) impliziert die Profitrate p = m / c + v. Erweitert man die Marx’sche Formel für die Profitrate um 1/v, so gelangt man zu folgender Formel: 

p=                  m/v

                       ——

                        c/v +1

 

Demzufolge wird die Profitrate als eine Relation zwischen absoluten Größen in eine Relation von Relationen transformiert, wobei diese Relation der Relation auf die allgemeine durchschnittliche Profitrate bezogen bleibt. (Vgl. Heinrich 2006: 330) Marx identifiziert die beiden wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Profitrate in der Mehrwertrate (m/v) und der Wertzusammensetzung des Kapitals (c/v). (MEW 25: 221ff.) Die Profitrate impliziert die Relation einer Stromgröße – des Profits in einer Rechnungsperiode – zu einer Bestandsgröße, dem vorgeschossenen konstanten und variablen Kapital. Während im Fall des Kredits die Rendite ex ante in einem Vertrag festgelegt wird, nämlich als Zins, so kann die empirische Bestimmung der Profitrate und ihrer allgemeinen Bewegungstendenz nur das Ergebnis einer komplizierten statistischen ex post Berechnung sein, wobei die Transformation von Datensätzen, die der VGR (volkswirrtschaftliche Gesamtrechnung) entnommen sind, auf Marx’sche Größen eine exakte Bestimmung dessen erfordert, was sich ausgehend von den empirischen Datenserien überhaupt als Größen zur Berechnung der Profitrate annehmen lässt. Es muss erstens der sog. Überschuss eingegrenzt und erfasst werden, der in die Profitrate oberhalb des Bruchstrichs eingeht, d. h., der Gewinn vor oder nach Abzug der Abschreibungen und Steuern und unter Berücksichtigung abgeleiteter Einkommen und der Arbeitseinkommen von Selbständigen. Und zum zweiten wäre zu klären, welches Kapital man als vorgeschossenes Kapital bestimmt, ob das Nettoanlagevermögen oder das Bruttoanlagevermögen anzusetzen ist. Nicht zuletzt erfordert die Berechnung der Profitrate eine Berücksichtigung der Preisveränderungen bei der Bestimmung des Kapitalstocks, der meistens aus Investitionen zu ganz verschiedenen Zeiten entstanden ist. Und weiterhin gilt es zwischen der Profitrate als einer relativen Zahl und der Profitmasse, einer absoluten Größe, zu unterscheiden.

Marx’ Gesetz des tendenziellen Falls der allgemeinen Profitrate will besagen, dass den kapitalistischen Produktionsmethoden unter ganz spezifischen Bedingungen, die für ihn solche der klassischen industriellen kapitalistischen Produktion waren, eine langfristige Tendenz zur Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals korrespondiert, die prozentual höher als der Anstieg der Mehrwertrate ausfällt, womit die allgemeine Profitrate, wenn wir sie als Verhältnis von Mehrwertrate und organischer Zusammensetzung des Kapitals anschreiben, langfristig fallen muss. (Vgl. Stamatis 1977: 115ff.) Der notwendige und hinreichende Fall der allgemeinen Profitrate ist vor allem Folge einer übermäßig steigenden Kapitalintensität bzw. Produktivität, die mit einer steigenden Sparquote der Kapitalisten (steigendes Verhältnis der Produktionsmittel am Mehrwert) einhergeht, über die die steigende Produktionsmittelintensität realisiert wird. Wir haben es aber in bestimmten historischen Phasen gleichzeitig mit sog. Gegentendenzen zu tun, die ein prozentual höheres Wachstum der Mehrwertrate als das der organischen Zusammensetzung des Kapitals herbeiführen können: 1) extreme Erhöhung der Mehrwertrate; 2) Senkung des Arbeitslohns und das Faktum der Überbevölkerung; 3) Expansion des Kapitals ins Ausland; 4) Aktienkapital etc. (MEW 25: 242ff.) Es kann schließlich auch zu einer starken Verbilligung der Elemente Maschinerie und Technologie kommen, was zu einem Fall der organischen Zusammensetzung des Kapitals führt, womit die Profitrate wiederum ansteigen kann.

Modifikationen der stofflichen Eigenschaften von Produktionsprozessen versucht Marx mit der Relation technische Zusammensetzung des Kapitals zu erfassen, dem Verhältnis zwischen Produktionsmitteln/Rohstoffen und lohnabhängigen Arbeitskräften, wobei man diese Relation gewissermaßen als technologisches Set-Up der Produktionsprozesse in physischen Einheiten zu verstehen hat. Weil wir es zugleich mit Verwertungsprozessen zu tun haben, gibt es immer schon ein spezifisches Verhältnis zwischen dem konstanten Kapital (Produktionsmittel) und dem variablen Kapital (Löhne), das Marx bezüglich der Darstellung des Gesetzes vom Fall der allgemeinen Profitrate vor allem in Werten anschreibt. (Vgl. Stamatis 1977: 189f.) Die technische Zusammensetzung des Kapitals ausgedrückt in Werten bezeichnet Marx als Wertzusammensetzung bzw. organische Zusammensetzung des Kapitals (c/v). Während die Wertzusammensetzung des Kapitals auch die indirekten Wirkungen und Variationen der sie bestimmenden Parameter berücksichtigt, bezieht sich die organische Zusammensetzung des Kapitals rein auf die direkten Veränderungen von (c) und (v). Für Marx’ Darstellung der langfristigen Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Produktionsweise ist die Annahme einer steigenden technischen und in einem geringeren Maße der organischen bzw. Wertzusammensetzung des Kapitals (dies aufgrund der Produktivitätssteigerung, die fallende Preise für das konstante Kapital nach sich zieht) von großer Bedeutung, wobei dies Marx mit dem durch die Konkurrenz vermittelten Zwang zur Erhöhung der Binnenproduktivität für Einzelkapitale begründet. (Ebd.: 221f.) Dabei unterscheidet Marx zwei Arten der Konkurrenz, und zwar a) die intrasektorale Konkurrenz, die die Einzelkapitale innerhalb einer Branche erfasst, und (b) die intersektorale Konkurrenz zwischen Einzelkapitalen der unterschiedlichen Branchen. Die Einsparung von Arbeitskräften durch den verstärkten Einsatz von Maschinerie (in Form der unmittelbaren Freisetzung von Arbeitskräften oder in Form eines größeren Produktionsausstoßes bei gleichbleibendem Arbeitseinsatz) führt also im Kapitalismus tendenziell zu einer Steigerung des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen Kapital, d. h., zu einer steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals. Und Marx nimmt weiter an, dass der vermehrte Einsatz von Maschinerie, Technologie und Apparaturen – als Resultat der Verwissenschaftlichung der Produktion – die signifikante Struktur der Steigerung der Produktivität im Kapitalismus darstellt und damit zugleich die maßgebliche Methode zur Senkung der Produktionskosten ist. (Ebd.: 236f.)

Allerdings wird effizientere Maschinerie und Technologie unter den von Marx definitorisch vorgenommenen Voraussetzungen, die die logischen Rahmenbedingungen für das Gesetz des Falls der allgemeinen Profitrate darstellen, zum Zweck der Kostensenkung von einem Einzelkapital erst dann eingesetzt, wenn damit für eine kommende Produktionsperiode die Mehrausgaben an konstantem Kapital (das in Maschinen und Rohstoffe investierte Geldkapital) geringer ausfallen als die Einsparungen von variablem Kapital, i. e. das in die Entlohnung der Arbeitskräfte investierte Geldkapital. Die technologische Innovation wird dann angewandt, wenn zumindest für das Einzelkapital ∆ c1 < ∆v1 gilt, womit sich der bisherige Kostpreis der Waren vermindert. (Vgl. Heinrich 2003: 338) Dies führt zunächst zur Realisierung von Extraprofiten für das technologisch dominante Unternehmen, solange bis das Produktionsniveau sich in einer Branche wieder verallgemeinert hat. Das dominante Unternehmen kann zudem durch die Erhöhung des stofflichen Outputs weitere Extraprofite realisieren. Dabei sollte man zwei Tendenzen berücksichtigen: Einerseits führen die neuen Produktionsmethoden, die eine Erhöhung der Produktivität mit sich bringen, über die Einsparung von Arbeitskräften hinaus zu einer Verbilligung der Lebensmittel, die zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendig sind (es verbilligen sich aber im Laufe der kapitalistischen Entwicklung sämtliche Waren, seien es Rohstoffe, Maschinen und Lebensmittel, weil bei gegebener Arbeitszeit mehr oder qualitativ hochwertigere Produkte hergestellt werden), was in einer steigenden Wertzusammensetzung des Kapitals resultiert. Zugleich können die neuen Technologien und Produktionsmethoden auch zu einer Verbilligung der Elemente des konstanten Kapitals führen, was sich dann in einer sinkenden Wertzusammensetzung des Kapitals ausdrückt, wobei allerdings die Verbilligung der Elemente des konstanten Kapitals auf der Ebene des Gesamtkapitals nur dann zu sinkender Wertzusammensetzung führt, wenn die Steigerung der Produktivität in der Produktion von Produktionsmitteln (Abteilung I) auf Dauer höher ist als diejenige in der Produktion von Konsumgütern (Abteilung II). Um nun die Tendenz einer langfristig steigenden Wertzusammensetzung des Kapitals und damit den Fall der Profitrate zu begründen, müsste gezeigt werden, dass die mit der Steigerung der Produktivität einhergehende Verbilligung der Elemente des konstanten Kapitals die anderen Aspekte, die im sog. Gegentrend zu steigender Wertzusammensetzung des Kapitals führen – technische bzw. unmittelbare Erhöhung des konstanten Kapitals relativ zum variablen Kapital, Senkung des Werts der Arbeitskraft – nicht kompensieren kann. (Stamatis 1977: 221f.) Es gilt daher zu berücksichtigen, wie sich die Relation zwischen konstantem Kapital und variablem Kapital verhält, ob z. B. das variable Kapital stärker sinkt als das konstante Kapital steigt, sodass invers der Mehrwert stärker steigt als das konstante Kapital, nämlich in dem Maß wie das variable Kapital sinkt, womit wir es in der Tat mit einer steigenden Profitrate zu tun hätten. Es kann aber auch das konstante Kapital stärker steigen als das variable Kapital sinkt, und dennoch vermag man eine allgemein steigende Profitrate (und Profitmasse) festzustellen, nämlich in einer Periode, in der zumindest die technologisch dominanten Unternehmen Extraprofite erzielen, wenn nämlich deren Gesamtkosten von (c) plus (v) pro Produkteinheit geringer sind als die Durchschnittskosten in der Branche und deren Produkte zum alten noch gültigen gesellschaftlichen Preis verkauft werden oder zumindest an der Grenze zum alten Preis. Preissenkungen (über dem individuellen, aber unter dem gesellschaftlichen »Wert«) sind u. U. notwendig, um die größeren stofflichen Produktmengen auch zu realisieren. Das Einzelkapital hat sowohl den relativen Mehrwert bzw. die Gesamtkosten pro Produkteinheit als auch die Erhöhung sowie Realisierung ihrer Stückzahl in ihren Rechnungen, Planungen und Kalkulationen zu berücksichtigen. Zudem kann das technologisch dominante Kapital auch über die Entlassung von Arbeitskräften Vorteile erzielen, ohne dass die Mehrwertrate erhöht wird. Es kann sogar die Profitmasse sinken, was durch den Extraprofit wiederum kompensiert wird. Wir haben es hier mit individuellen Strategien zur Senkung der Produktionskosten pro Produkteinheit zu tun, wobei aber hinsichtlich der Entwicklung der allgemeinen Profitrate und ihres tendenziellen Falls auf die Verallgemeinerung der neuen Produktionsmethoden abzustellen ist, insofern sie das allgemeine Wertniveau gesenkt haben, wobei mit dem Wegfall des Extraprofits u. U. sich tatsächlich ein Fall der allgemeinen Profitrate einstellt, weil nun die Steigerung des konstanten Kapitals bzw. der Kapitalintensität auf der Gesamtebene des Kapitals seine volle Wirkung zeigt, und zwar abhängig davon, ob die neuen Technologien die Verwertungsbedingungen einer gesamten Branche verbessern oder eben nicht.

Dabei stellt sich Marx den Prozess, der tendenziell zum Fall der allgemeinen Profitrate führt, folgendermaßen vor: Wenn man unterstellt, dass bei gegebener Produktion der Umfang der Waren, die zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendig sind, gleich bleibt, wie auch die Länge des Arbeitstages und die Intensität der Arbeit und zudem das von der Arbeitskraft pro Arbeitstag geschaffene Wertprodukt konstant bleibt, dann folgt daraus, dass mit steigender Produktivität wegen der Verbilligung der Waren die Mehrwertrate m/v steigt, jedoch bedeutet diese Steigerung weiterhin, dass die einzelne Arbeitskraft in derselben gegebenen Zeitspanne eine größere Menge von Produktionsmitteln (Rohstoffe und Maschinerie) einsetzt wie in früheren Produktionsperioden. Die Einsparung von Arbeitskräften durch den Einsatz von Maschinerie führt demnach unmittelbar zu einem Anwachsen des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen Kapital, d. h., zu einer steigenden technischen und in einem geringerem Maße (aufgrund der Verbilligung der Maschinerie) zu einer steigenden Wertzusammensetzung des Kapitals. Marx unterstellt, dass der größeren Menge an Produktionsmitteln je Arbeitskraft auch ein größerer Wert dieser Produktionsmittel entspricht, was, wie wir gesehen haben, problematisch ist, da sich durch die Steigerung der Produktivität alle Waren verbilligen – schließlich auch die Produktionsmittel. (Ebd.: 249f.) Es kann zwar sein, dass in einer bestimmten Branche eine geringfügige Erhöhung der Produktivität einen hohen Aufwand an zusätzlichem konstantem Kapital erfordert, wie dies in den traditionellen kapitalistischen Industrien wie z. B. der Stahlindustrie oder der chemischen Industrie früher der Fall war, andererseits lässt sich in manchen Branchen, wie z. B. heute in der Computerindustrie, wo die neuen Computer kaum teurer sind als die alten Modelle, eine hohe Steigerung der Produktivität mit relativ wenig zusätzlichem konstantem Kapital erreichen, ja es kann sogar der Fall sein, dass ein Industrieroboter weniger Wert darstellt als die alten mechanischen Apparaturen und damit selbst bei konstantem Mehrwert pro eingesetztem konstantem und variablem Kapital ein höherer Gewinn/Profit erzielt wird. Trenkle/Lohoff argumentieren an dieser Stelle, dass es zwar für das Einzelkapital profitabel sein könne, Arbeitskräfte durch Industrieroboter zu ersetzen (anstatt zwei Arbeiter an alten mechanischen Apparaturen stünde dann nur noch ein Arbeiter an einem Industrieroboter), andererseits führe gerade das auf der Ebene des Gesamtkapitals zu einem »Abschmelzen der Wertmasse«. (Vgl. Lohoff/Trenkle 2012: 105f.) Wir haben dazu oben schon Stellung genommen.

Fassen wir die grundlegenden Bestimmungen der kapitalistischen Form der Produktivitätssteigerung, die den tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate implizieren, mit Stamatis noch einmal zusammen: Jede Steigerung der Produktivität führt zu einer prozentualen Erhöhung der technischen Zusammensetzung und damit auch der Wertzusammensetzung des Kapitals, wobei man gleichzeitig im Lohngütersektor eine Senkung des Werts der Reproduktionsmittel, plus, wenn die Wachstumsrate der Produktivität höher als die des Reallohns ist, eine Abnahme des Werts der Arbeitskraft feststellen kann. Allerdings reicht die daraus resultierende Erhöhung der relativen Mehrwertrate längst nicht aus, um die Erhöhung der Wertzusammensetzung des Kapitals zu kompensieren, so dass letzten Endes die allgemeine Profitrate fallen muss. Nun gibt es aber durchaus »neue« kapitalistische Produktionsmethoden (die Stamatis ausführlich erörtert, siehe dazu Stamatis 1977: 305ff.), auf die Marx selbst in den Grundrissen im Zusammenhang mit der Darstellung der Problematik um die Grundrente kurz hinweist; Methoden, die aufgrund spezifischen Produktivitätssteigerungen die relative Mehrwertrate erhöhen, wobei gleichzeitig die Wertzusammensetzung des Kapitals gleich bleibt oder gar fällt (u. a. aufgrund der Verbilligung der Maschinerie, was heute in den digitalisierten Industrien ja tatsächlich durchaus der Fall sein kann): Per definitionem steigt damit die allgemeine Profitrate an. Selbst bei steigender technischer Zusammensetzung des Kapitals und in geringerem Maße der Wertzusammensetzung kann also die Profitrate steigen, wenn die Produktivität prozentual stärker als die Wertzusammensetzung des Kapitals wächst – und das scheint entscheidend, damit es überhaupt zur Einführung dieser neuen kapitalistischen Produktionsmethoden kommt. Insofern die kybernetischen Systeme die Maschinen schneller laufen lassen und zugleich ihren technischen Verschleiß reduzieren, ist der Wert von solchen Innovationen von vornherein als niedriger zu bewerten als der, den sie ersetzen (Verbilligung des konstanten Kapitals). Und es gilt zu berücksichtigen, dass die Maschinerie als Hardware heute der effizienten Steuerung durch die Software unterliegt, die den Takt der Uhrzeit übersetzt und iterieren lässt. Und in diesen Prozessen werden sogar spezifische Reserven der Produktion an- und aufgegriffen, die als Teile gemeinschaftlicher Arbeit und Kooperation (Affekte, Kognition, Sprache etc.) bzw. als Gratisleistung für das Kapitals zu gelten haben. Für Marx waren es dagegen die klassischen Produktionsmethoden des Industriekapitals sowie die damit verbundene spezifische Form der Produktivitätssteigerung (vor allem in den thermodynamischen und chemischen Industrien), die zur Erhöhung der technischen Zusammensetzung und in geringerem Maße zur Wertzusammensetzung des Kapitals und gleichzeitig zu einem allerdings geringeren Anstieg der Mehrwertrate als demjenigen der Wertzusammensetzung des Kapitals führten. Und somit entscheidet letztendlich das Verhältnis zwischen der relativen Zunahme der Mehrwertrate und der relativen Zunahme der Wertzusammensetzung des Kapitals, ob die Profitrate im Rahmen der allgemeinen Bedingungen, Parameter und Variablen, die Marx mit der Konstruktion des Gesetzes des tendenziellen Falls der allgemeinen Profitrate vorgegeben hat, steigt oder fällt. (Vgl. Heinrich 2013) Im Falle einer fallenden Profitrate muss dann aber sui generis gelten, dass die Mehrwertrate prozentual langsamer ansteigt als die Wertzusammensetzung des Kapitals. Es müsste deshalb gezeigt werden, dass die Wertzusammensetzung des Kapitals schneller steigt als die Mehrwertrate, oder, was auf dasselbe hinausläuft, dass das Gesamtkapital schneller wächst als die absolute Mehrwertmasse. (Vgl. Stamatis 1977: 249f.) Die Elastizität der Mehrwertrate in Bezug auf die Wertzusammensetzung des Kapitals, die angibt, um wie viel  % die Mehrwertrate steigt, wenn die Wertzusammensetzung um ein  % zunimmt, muss eine bestimmte Größe annehmen, damit die Profitrate schließlich fällt, und dies ist exakt dann der Fall, wenn die prozentuale Zunahme der Mehrwertrate im Vergleich zur prozentualen Zunahme der Wertzusammensetzung niedriger ist als das Verhältnis des konstanten zum gesamten Kapital. (Ebd.: 143ff.) Marx glaubt nun zu wissen, dass tendenziell, d. h., über einen längeren historischen Zeitraum hinweg, die Mehrwertrate langsamer wächst als die Wertzusammensetzung des Kapitals, die Elastizität der Mehrwertrate also kleiner als ihr kritischer Wert ist. (Ebd.: 282f.) Man sieht hier, wenn man denn die formalen und mathematisch fundierten Begründungsversuche von Stamatis berücksichtigt, dass es hinsichtlich der Affirmation des Gesetzes des tendenziellen Falls der allgemeinen Profitrate längst nicht ausreicht zu konstatieren, dass das konstante Kapital im Verhältnis zum variablen Kapital steigt, sondern das konstante Kapital muss immer in einer bestimmten Dimension steigen (und zwar um so mehr, je größer die Produktivitätssteigerung ist). Und man sieht schließlich, dass man zwar die Bewegungsrichtung der einzelnen Größen angeben kann, die letztendlich die Profitrate bestimmen, aber es steht immer auch die relative Bewegungsgeschwindigkeit der Variablen zur Debatte. Und man könnte im Rahmen der mathematisch formulierten Bedingungen des Gesetzes sogar berechnen, um wie viel  % das konstante Kapital steigen müsste, damit die Profitrate fällt; ob das konstante Kapital aber in den singulären historischen Verläufen der differenziellen Gesamtkapitalakkumulation um so und so viele  %punkte wirklich steigt, ist anhand von empirischen Untersuchungen, die zudem noch auf statistischen Daten, Konstruktionen und Methoden beruhen, die auf den Begriffen der Volkswirtschaftslehre basieren, nicht so ohne Weiteres zu eruieren. (Vgl. Heinrich 2013a) Und es lässt sich nun resümieren, dass sich bei Marx zwar unter formallogischen Gesichtspunkten durchaus so etwas wie eine Konsistenz des Gesetzes vom tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate feststellen lässt, wie dies bspw. Stamatis mit mathematischer Präzisionsarbeit auch vorgeführt hat, was aber noch lange nichts über eine etwaige historische Gültigkeit des Gesetzes aussagt. Unter ganz bestimmten Bedingungen, die gegeben sein müssen, führt nach Marx die Produktivkraftsteigerung zu einer tendenziell fallenden Profitrate, was dann aber wiederum durch empirische Untersuchungen und Analysen bestätigt werden sollte, wobei auch die Hypothesen und Gründe für die empirische festgestellte Entwicklung zu benennen wären. Die rein funktionalistische Betrachtungsweise des Gesetzes, welche die Beschreibung und Hypothesen der Bedingungen fundiert, unter denen ein spezifischer funktionaler Zusammenhang zwischen Mehrwertrate und Wertzusammensetzung des Kapitals existiert, sollte deshalb immer um die Begründung der Bedingungen der empirischen Entwicklung der Profitraten durch die Binnengeschichte des Kapitals hindurch erweitert werden. Das Gesetz selbst behandelt weniger die Variation der Niveaus der Wirkungen und Gegenwirkungen auf die Profitrate, sondern die Hervorbringung der Wirkungen und Gegenwirkungen unter ganz bestimmten Bedingungen, die Marx von den Grenzen, in denen Variationen möglich sind, her aufzeigt, und diese Grenzen werden von der kapitalistischen Struktur als Gesamtkomplexion determiniert.

Die Sache wird noch komplizierter und komplexer, wenn man, wie dies Ernest Mandel in den 1970er Jahren in seinen Analysen zum Spätkapitalismus getan hat, die Profitrate als einen synthetischen Indikator begreift, bei dem neben den wichtigen Parametern Wertzusammensetzung des Kapitals und Mehrwertrate zusätzlich noch das Verhältnis zwischen fixem und zirkulierendem Kapital, die Umschlagszeit des Kapitals, die Akkumulationsrate sowie die Austauschrelationen der Produktionsmittel- und Konsumgüterabteilung als variable Faktoren zur Bestimmung der Profitrate mit in die Analyse einbezogen werden. (Vgl. Mandel 1972: 104ff.) Dabei bleibt sowohl die Entwicklung der Mehrwertrate als auch die der Kapitaleffizienz von der relativen Entwicklung der Löhne abhängig. Nicht nur als Maß der Rentabilität des Kapitals, sondern geradezu als einen synthetischen Indikator sollte man Mandel zufolge die Bewegung der Profitrate auch empirisch, in ihrer historischen Zyklizität untersuchen, um bspw. Überakkumulationstendenzen in der Binnengeschichte des Kapitals etwa aufgrund sinkender Kapitalrentabilität nachweisen zu können. Nach Mandel konnte Marx bei seiner Beschreibung des Gesetzes noch von einer reinen Bewegung des Ausgleichs der Durchschnittsprofitraten zwischen den Branchen (intersektoriell) und im nationalen Maßstab ausgehen, sowie von einer einheitlichen nationalen Gestaltung der Löhne in den einzelnen Branchen, was schließlich für die Bestimmung des Indikators Mehrwertrate ganz entscheidend war. Mit der Internationalisierung und Globalisierung der Kapitalakkumulation hätten sich jedoch, so Mandel, die Regulationsmöglichkeiten innerhalb der Nationalstaaten reduziert, womit sich die Parameter der Profitproduktion heute zunehmend entlang der globalisierten Konkurrenz der Kapitale und der Dynamik der Kapitalisierung/Finanzialisierung bewegen würden. (Ebd.: 42ff.) Es wären damit sowohl die Verschiedenheit der Kapitalumschlagzeiten der international agierenden Konzerne als auch die netzwerkförmigen Strukturen der Kapitale untereinander und nicht zuletzt die innerbetrieblichen Wertströme und die stofflichen Bedingungen dieser Konzerne selbst neu zu untersuchen.

Betrachten wir in diesem Zusammenhang ein letztes Problem, das durch den Versuch der Widerlegung des Marx’schen Gesetzes durch den japanischen Ökonomen Okishio an Schärfe gewonnen hat. (Vgl. Stamatis 1977: 160ff.) Hinsichtlich der Problematik der Verzeitlichung der Akkumulation können wir davon ausgehen, dass bei der Realisierung neuer Investitionen mit Produktionsmitteln und Löhnen produziert wird, die noch zu »alten« Preisen gekauft wurden, was zunächst impliziert, dass eine Veränderung der technischen Zusammensetzung nur zeitversetzt sich in einer höheren oder niedrigeren organischen Zusammensetzung des Kapitals niederschlägt, die wiederum die Entstehung neuer Preise für Produktionsoutputs (aufgrund höherer Produktivität) beeinflusst. Die Produktion von Gütern drängt deren Aktualisierung als Waren in der Zirkulation auf, ohne dass die verkauften Quantitäten im voraus gesetzt werden können, während umgekehrt die Zirkulation (qua ökonomischem Mathem) diese Waren in Abhängigkeit vom Volumen der Produkte aktualisieren muss. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass auch technologische Veränderungen in anderen Produktionsstätten und Produktionszweigen wirksam werden. Will das Einzelkapital nun sofort zu neuen Preisen wechseln, so würde dies dem Prozess der Aktualisierung des Werts vorgreifen, insofern die Produktion auf der Basis eines Sets von »alten« Preisen sowie die Generierung eines neuen Sets von Preisen zu beachten ist, mit denen die Unternehmen in der Zirkulation konfrontiert werden. Betrachten wir einen einzigen Wirtschaftssektor mit unterschiedlichen Produktivitätsniveaus: Zu einem gegebenen Zeitpunkt haben innovative Firmen in leistungsfähigere Maschinen als andere Unternehmen investiert, um zumindest temporär einen Extraprofit zu erzielen. Diese Unternehmen stehen sofort vor folgenden Problemen: Im Zuge der Etablierung dieser neuer Technologien lassen sich durch die sukzessive Entwertung der Waren ihre vorherigen Investitionen weniger rentabel verwerten. Zwar vermag der neu erzielte Extraprofit dieses Problem z. T. aufzuheben, allerdings verschärfen Investitionen in fixes Kapital, sprich Kapital, das über mehrere Produktionsperiode in der Produktionssphäre verweilt und seinen Wert nur in Intervallen an das Produkt weitergibt, dieses Problem. Dieser Stock an fixem Kapital wurde meistens zu fixierten Warenpreisen angeschafft, während sich dessen »Wert« über mehrere Produktionsperioden hinweg zu aktualisieren bzw. im Durchlauf mit u. U. neuen Warenpreisen zu realisieren hat, sodass die operativen Parameter der Kapitalverwertung auf den verschiedenen Zeitskalen, um eine aussagekräftige Relation bezüglich der Preisgrößen zu erhalten, die der empirischen Bestimmung der Profitrate (Strom- und Bestandsgrößen) dienen, auf ein gemeinsames Zeitintervall hin reduziert werden müssten. Wenn also ein Unternehmen eine neue Technologie für eine kommende Produktionsperiode einsetzt, wird Marx zufolge der Wert der eingesetzten Arbeit verringert. Wenn man aber der Interpretation von Okishio folgt, dann führt dieser Prozess aufgrund der mit der erhöhten Produktivität verbundenen Verbilligung der Maschinerie sowie u. U. der Verbilligung der Werts der Arbeitskraft zumindest für das technologisch dominante Einzelkapital zu keinem Druck auf die Profitrate, sondern vielmehr zu deren Anstieg. (Ebd.) Dies stellt sich wiederum für den amerikanischen Ökonomen Kliman vollkommen anders dar, denn seiner Ansicht ist es unmöglich, die Kosten für eine zukünftige Produktionsperiode, in der neue Technologien zum Einsatz kommen, zu reduzieren, da man ja die Maschinerie noch zu den »alten« Preisen bezahlt hat. Und insofern können neue Preise nur das Resultat einer zukünftigen Produktionsperiode sein, weil man sich die kapitalistischen Produktionsprozesse nicht in erster Linie hinsichtlich ihrer Simultaneität, sondern vor allem als sukzessiv aufeinanderfolgende Phasen vorstellen muss. Für Kliman liegt bei Marx der Schwerpunkt der Beschreibung der Preise und Profitraten eindeutig auf dem temporalen Aspekt, wobei die Preise der Inputs der Produktion je schon von den Outputpreisen differieren. Man könne nun mit der Mathematik alles Mögliche machen, folgert Kliman mit einem Seitenhieb auf die sog. Simultaneisten, aber wenn die angenommenen Voraussetzungen schon unrealistisch seien, gelänge man eben auch zu vollkommen unrealistischen Schlussfolgerungen. (Vgl. Kliman 2006) Allerdings führt, und dies darf man getrost gegen Kliman einwenden, der technologische Wandel (den Kliman ja auch annimmt) nicht zwangsläufig zu einem Fall der Profitrate, denn hinsichtlich der neuen Produktionsperioden schrumpfen, selbst wenn man fixierte Inputpreise voraussetzt, stets auch die Quantitäten der Inputs, die notwendig sind, um einen gleichbleibenden Output zu erzeugen – und dies wegen des immanenten Anstiegs der Produktivität kontinuierlich. Zudem wäre an dieser Stelle gerade auch die Frage aufzuwerfen, zu welchem Zinssatz ein Unternehmen sich Fremdkapital leihen kann, und dieser wäre wiederum in ein Verhältnis zu den Standards der Profitraten zu setzen, was die Verwertungsbedingungen eines Einzelkapitals natürlich drastisch verändertn kann. Und schließlich würden dessen Verwertungsbedingungen, insofern seine Outputs in diejenigen anderer Kapitale eingehen, den Gesamtverwertungsprozess der pluralen Kapitale im Rahmen der differenziellen Akkumulation wesentlich tangieren. Und nicht zuletzt hängt das quantitative Ergebnis der Berechnungen jeweils von der Wahl eines bestimmten Zeitintervalls ab (wegen des permanenten Kapitalumschlags kann man mit Hilfe von empirischen Methoden nur äußerst mühsam brauchbare Ergebnisse erzielen, berücksichtigt man etwa nicht vollständig abgeschriebene Investitionen: man sollte deshalb mit einem prospektiven Ansatz arbeiten), wobei sich als brauchbares Zeitintervall zumindest unter der Perspektive des Einzelkapital die Zusammenfassung solcher Intervalle anbietet, deren Anfang und Ende mit möglichst vielen Umschlagsperioden von anderen Kapitalen zusammenfallen. Dabei bleibt die Existenz solcher zeitlichen Intervalle nicht nur für die theoretische Analyse relevant, sondern stellt sich über den Zwang der Unternehmen zur Aufstellung von Monats- und Jahresrechnungen über den Takt der vernetzten Produktion sowie über deren Synchronisationseffekte in der Tendenz auch praktisch her. Allerdings lassen sich die operativen Parameter auf den verschiedenen Zeitskalen letzten Endes schwerlich auf ein einziges Zeitintervall zusammenfassen oder reduzieren, um annäherungsweise eine aussagekräftige Relation bezüglich jener Größen, die der empirischen Berechnung der Profitrate (Strom- und Bestandsgrößen) dienen, vornehmen zu können.

Gegen die These, dass eine Verbilligung des konstanten Kapitals zur Senkung der allgemeinen Profitrate führen könne, wird von einer Reihe von marxistischen Autoren folgende Argumentation vorgebracht: Zunächst hängt der Anstieg des stofflichen Umfangs von konstantem Kapital rein logisch mit der Verbilligung des konstanten Kapitals zusammen. Ein Grund besteht in der Einsparung von Arbeitskräften in Abteilung I, der Abteilung der Produktion, die konstantes Kapital herstellt, d. h., der entsprechende Anteil dieser Arbeitskräfte sinkt mit der Entwicklung der Produktivität kontinuierlich. Ähnlich wie bei der relativen Mehrwertproduktion wächst dabei die Ersparnis von variablem Kapital nicht proportional zur Produktivität, sondern lediglich um den Schritt für Schritt immer weiter sinkenden Anteil an lebendiger Arbeit, der sich in Abteilung I einsparen lässt. Ein Sinken der Anzahl der benötigten Arbeitskräfte in Abteilung I führt natürlich auch zu einem Rückgang der Produktion in der Konsumtionsmittel produzierenden Abteilung II. Während zugleich die Gegentendenzen zum Fall der Profitrate immer weiter abgeschwächt werden, bleibt die Erhöhung der Wertzusammensetzung (c/v), die zum Fall der Profitrate führt, von der absoluten Verringerung der Arbeitskräfte in Abteilung I unangetastet, insofern es sich bei der Wertzusammensetzung nicht um eine absolute Größe, sondern um eine Relation handelt, die gerade durch das tendenzielle Schrumpfen des variablen Kapitals zugunsten des konstanten Kapitalanteils ansteigt. Die Verbilligung von (c) kann also letztendlich das Sinken von (v) nicht überkompensieren, zumindest ist dies so in Bezug auf die Profitmasse zu sehen, womit schließlich auch der tendenzielle Fall der allgemeinen Profitrate durch die Tendenz zur Verbilligung des konstanten Kapitals nicht aufgehalten werden kann. Voraussetzung dieser Argumentation bleibt natürlich, dass man die Profitrate als ein Relation absoluter Größen (Profitmasse in Relation zur Summe vorgeschossenen Kapitals) und nicht als Relation von Relationen anschreibt, was gewiss einer Hypostatisierung gleichkommt, mit der man die Differenzialität der Akkumulation und die entsprechenden differenziellen Profit- und Zinsraten überhaupt nicht in den Blick bekommt. Zusätzlich werden bei dieser Argumentation die von Stamatis ins Spiel gebrachten neuen Produktionsmethoden nicht berücksichtigt, bei denen es mit jeder Produktivitätssteigerung gerade nicht zu einer noch höheren Steigerung der technischen Zusammensetzung des Kapitals kommt, die mit einem Ansteigen der Sparquote der Kapitalisten einhergeht (Zunahme der Produktionsmittel am Mehrwert), im Gegenteil die Wachstumsrate der Produktivität wird jetzt tatsächlich stärker als die prozentuale Erhöhung der technischen Kapitalzusammensetzung ansteigen, wobei die Zusammensetzung der eingesetzten Arbeit konstant bleibt oder fällt. Es ist nun möglich, dass selbst bei konstanter oder fallender Wertzusammensetzung des Kapitals die Produktivität steigt, und dies nicht in erster Linie als Produktivität der Arbeit, sondern dies ist eher dem Grad der Effizienz in der Anwendung des konstanten Kapitals geschuldet, die man als Kapitalproduktivität bezeichnet. Wir kommen auf diese Problematik zu Beginn des letzten Abschnitts in diesem Buch noch einmal genauer zurück.

Im Kontext permanenter technologischer Umbrüche wäre nun zu fragen, wie und in welchen zeitlichen Horizonten eine durchschnittliche und allgemeine Profitrate nach einer durch technologischen Fortschritt hervorgerufenen »Störung« qua Einzelkapitale überhaupt statt haben kann. Und dies bedeutet wiederum, dass man die Dynamik kapitalistischer Produktion auf der Ebene der Gesamtkomplexion als nicht-lineares Nicht-Gleichgewichts-Problem zu erfassen hat, womit die Aussagekraft von ceteris paribus Ansätzen, wie sie Marx mit dem Gesetz des tendenziellen Falls der allgemeinen Profitrate tatsächlich vornimmt, recht zweifelhaft wird. Im Gegenteil, es ist davon auszugehen, dass man wesentlich differenziertere Ansätze und Methoden der mathematisch orientierten Ökonomietheorien zu berücksichtigen hat, die ihre Problematiken etwa analog dem Ehrenfest-Theorem in der Physik bestimmen, das besagt, dass nur unter ganz spezifischen Bedingungen die klassischen Bewegungsgleichungen der Mechanik, die stets Gleichgewicht inkludieren, für Mittelwerte in der Quantenmechanik gelten. Daran könnte man nun anschließen und schließlich behaupten, dass auch im Falle der Ökonomie ungleichgewichtige Systeme nicht unbedingt zu wachsender Unordnung und fehlender Stabilität führen müssen, selbst wenn sie auf lange Dauer Entropie produzieren, die man aber u. U. in stark gegliederte und stratifizierte lokale Umwelten und Milieus verlegen kann, um sie derart zu kontrollieren und zu steuern. Wenn man Entropie als eine thermodynamische Quantität begreift, dann sind Schemata und Inhalt nicht entkoppelt zu behandeln, womit jetzt ein System erst ein System ist, weil es arbeitet und nicht weil es etwas erobert. Entropie als ein Maß für Unordnung besitzt seine maximale Unordnung im Zustand thermodynamischen Gleichgewichts, und zwar als ein Stadium der puren Potenzialität ohne Regelmäßigkeit, und dies bedeutet schließlich den Tod des Systems. Es wäre dann als ein statisches System anzusehen, das keinerlei Energie von der einen Form in eine andere mehr übersetzt. Wenn wir uns nun einem nicht-thermodynamischen Denken der Entropie zuwenden, dann haben wir es immer auch mit monströsen Quantitäten (Negentropie) zu tun, die diskret und unendlich zugleich sind. Das ökonomische Mathem und darüber hinaus die Algebra von Konzepten verweist auf diese Art der Quantifizierung, und dies sollte man mit Deleuze durchaus als ein wichtige Möglichkeit des Denkens verstehen. Seit der Entstehung der symbolischen Algebra im 19. Jahrhundert haben wir es mit Zahlenkörpern zu tun, die eine Fall-zu-Fall-Rationalität beinhalten; wir gehen von lokalen oder disparaten Universen aus, in denen Differenzen als unterschiedlich different insistieren. Mehr noch, es wäre zu fragen, ob letzten Endes nicht sämtliche ökonomischen Prozesse inhärent instabil sind und sobald sie in der Tendenz einem (ideellen oder hypothetischen) Gleichgewicht zustreben sich schon wieder diskret verschieben, womit auch die historisch-singuläre, die außerordentliche und zähe Überlebenskraft der kapitalistischen Ökonomie davon abhängig ist, dass sozusagen schon der nächste Stein in den Teich geworfen wird (Extraprofit qua Innovation), noch bevor sich die Wellen der diversen Profitratenverläufe inklusive der Durchschnittsbildungen durch alle Sektoren der Produktion hindurch prozessiert haben. Damit wäre die strukturelle Dynamik der kapitalistischen Produktion mit ihrer engen Verzahnung von technologischer, symbolischer und diskursiver Veränderung tatsächlich als die von nicht-linearen, dynamischen, heterogenen Systemen zu beschreiben, die vor allem Zukunft bearbeiten, indem sie sie beleihen oder vorwegnehmen. Allergings handelt sich nicht um vollkommen indeterministische Systeme, weil diese Systeme zumindest auf der mikroskopischen Ebene der Organisationen hochgradig organisiert sind und auf der makroökonomischer Ebene Durchschnittsbildungen von Profitraten durchlaufen, die jedoch von krisenhaften Akkumulationsbrüchen überhaupt nicht zu trennen sind. Wir nehmen hier von von vornherein die Möglichkeit einer determinierten Chaos an. (Vgl. Deleuze 1992a: 96f.) Egal ob diese Art Chaos des Kapitalismus als permanent »reaktualisierendes Netzwerk« oder als »reine Kontingenz« (Ayache) sich präzisieren lässt, feststeht jedenfalls, das wir es mit nicht-linearen Strukturierungen und Restrukturierungen des Kapitals (als Gesamtkomplexion) zu tun haben, die sich real in unendlich vielen Frequenzen der Überlagerung von Produktionen und Zirkulationen vollziehen, wobei kohärente Bahnungen erstellt und wieder aufgelöst werden, um neue Bahnungen hinzuzufügen, ganz im Sinne von Deleuzes maschinellen Prozessen, der konnektiven und disjunktiven Synthesen, denen schließlich eine ganz spezifische Todesimmanenz zu eigen ist.

Und es lässt sich an dieser Stelle wieder an das Präfix »nicht« der Nicht-Ökonomie anschließen, insofern dieses keine Negation, sondern eher eine Alienation ausdrückt – das »nicht« wäre mit Laruelle im Zuge seiner Hinwendung zu einer nicht-euklidischen Geometrie zu verstehen. (Vgl. Laruelle 2003) Infolgedessen betreibt Laruelle die Generalisierung der Philosophie in der gleichen Weise wie die nicht-euklidische Geometrie das euklidische Modell generalisiert hat. Indem Laruelle von einer möglichen pluralen Daseinsweise der Philosophie als solcher ausgeht, depotenzialisiert er die Philosophie und behandelt sie wie ein weiteres pures Material. Ganz analog dazu wären die traditionellen Axiome der Wirtschaftswissenschaften und z. T. auch der marxistischen Ökonomiekritik zu hinterfragen, damit man zumindest hinsichtlich des Marxismus nicht nur zur »kritischen« Beschreibung der Realität des Kapitalismus gelangt, sondern endlich auch zu neuen theoretischen Entwürfen der Organisation einer postkapitalistischen Ökonomie. Erfolgt die Veränderung der Axiome von der euklidischen zur nicht-euklidischen Geometrie einerseits immanent, so wird andererseits hier doch etwas entscheidend verschoben, insofern die nicht-euklidische Geometrie das klassische Axiom der Geometrie (Parallelen können sich ad infinitum nicht treffen) ablehnt. Analog sind mit neu zu konstruierenden Problemstellungen, Begriffen und Axiomen im Rahmen einer Nicht-Ökonomie die Axiome des ökonomischen Gleichgewichtsdenkens außer Kraft zu setzen. Und natürlich setzt man neu erfundene Hypothesen als wahr voraus, obwohl sie zunächst den Status des »Als-ob« oder des minimum-transzendentalen Materials besitzen, denn ihre Richtigkeit hängt neben ihrem empirischen Gehalt, den sie auch zu beweisen haben, schließlich von der immanenten Stärke und Durchschlagskraft der neuen Begriffe, Konstellationen und Theoreme selbst ab, die man ausgehend von Problematiken und Hypothesen zu entwickeln und eben nicht zu deduzieren hat. So schreibt Laruelle: »As a result, it is philosophy and its logical organon that lose their prerogatives by being turned into a simply real-transcendental organon. Thus, it is necessary to take the expression ›non-philosophy‹ quite literally, so to speak. It is not just a metaphorical reference to ›non-Euclidean‹.« (Laruelle 2013b) Erst in einem solchen Kontext ließe sich dann auch die Frage nach der Gültigkeit des Gesetzes der tendenziell fallenden Profitrate überhaupt neu und adäquat stellen.

 

  1. Wicksell unterscheidet in seiner Theorie zwischen dem Marktzins und dem natürlichen Zins. Letzterer definiert den Ertragssatz auf das Realkapital, während Wicksell unter dem Marktzins den aktuellen Zins auf dem Kapitalmarkt versteht. Nun beschreibt der Wicksell-Effekt Folgendes: Wird durch eine entsprechende Geldpolitik der Zentralbank (z. B. die Erhöhung der Geldmenge M3) das Kreditvolumen gesteigert und in Folge dessen der Marktzins gesenkt, so erhöht sich die Nachfrage nach Kredit, womit die Investitionstätigkeit der Unternehmen ansteigt und der natürliche Zins vorerst noch gleich bleibt, aber sich langsam doch nach oben entwickelt, denn die Investoren werden aus den gegebenen Investitionsalternativen stets diejenigen auswählen, die den höchsten Ertrag erbringen. Mit der wachsenden Investitionstätigkeit werden allerdings auch zunehmend Investitionen getätigt, die einen vergleichsweise geringen Ertragssatz aufweisen, womit es in der Tendenz wieder zu einem Absinken des natürlichen Zinses kommt. Die Investoren investieren schließlich nur solange, bis der natürliche Zins wieder das Niveau des Marktzinses erreicht hat (= Wicksell-Effekt). Und sobald der Marktzins den natürlichen Zins übersteigt, verlieren die Investitionen für die Investoren ihren Reiz.

 

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