DAS GROSSE ZERO (Économie libidinale, Paris 1974) Jean-Francois Lyotard: Libidinöse Ökonomie

Walter Reese-Schäfer vermag in „Lyotard zur Einführung“ (bei JUNIUS) mit der LÖ offensichtlich nicht viel anzufangen. Dennoch wird deutlich, dass „die Krise der Auflösung“ einer sozialistischen Gruppe (19) sicherlich ein Anlass zur Niederschrift der LÖ war, es aber im Kern um etwas fundamental Existenzielles geht: um Verzweiflung (18 und 155) – und zwar nicht über sein eigenes Leben, sondern um Verzweiflung angesichts der condition humaine. Konkret: „Es war eine Krise, die mit dem Ende aller Versuche, die Politik moralischen Kriterien zu unterwerfen, verknüpft war.“ (Lyotard – im Interview mit Reijen und Veerman, ebd. 155)

Auf diesem Hintergrund hatte sich Lyotard “zum Ziel gesetzt, die Orientierung an der Dichotomie (gut/böse) zugunsten des Konzepts der Intensitäten aufzugeben” (154; kursiv & Klammer von uns).

Die LÖ kann man als eine Gegenpendelbewegung zum Logozentrismus, zur vernunftfixierten Philosophie, hier insbes. marxistischen Gesellschaftstheorie verstehen. Bei letzterer gehen wir zwar von Phänomenen wie einem allgemeinen Fetischismus etc. aus, betrachten die Subjekte jedoch letztlich als vernunftgeleitete Wesen. Lyotard bezieht nun den Gegenpol, wenn er versucht, jegliche Bedeutung zu destruieren. Diese Haltung könnte man im Gegensatz zum Logozentrismus als einen Affektivismus oder Affektzentrismus bezeichnen. Letzterer erscheint dabei so unangemessen wie ersterer. Allerdings wird mit der ‚Übertreibung‘ ein blinder Fleck fokussiert und mit der Lektüre ein vertiefteres Verständnis für das Scheitern des traditionellen Marxismus angebahnt. Es geht darum, der Analyse der libidinösen Besetzungen einen höheren Stellenwert beizumessen und dabei die primärprozesshaften, nicht-vernünftigen Bewegungen mit zu erfassen. Daher eine klare Absage an Dialektik und Entfremdungsbegriff. Vielmehr: „Mit der Revolution von vorn anfangen bedeutet …, den Unsinn, die Verrücktheit anders, nicht mehr als Übel zu verstehen. … Man kann die Quantität als solche besetzen und das ist keine Entfremdung … .“ LÖ 146

Lyotard’s main criticism of representation in the libidinal philosophy is that it is nihilistic. He draws an analogy between representational structures and Friedrich Nietzsche’s characterisation of religion and transcendental philosophy as forms of nihilism. For Nietzsche religion is nihilistic because it places the highest values (as the ground for all values) in a transcendent realm which cannot be accessed, thereby cutting us off from the highest values and devaluing the realm of our actual experience. According to Lyotard, representational theory follows this model by placing the reality that representation refers to in a transcendent realm. Lyotard expresses this nihilism in terms of what he calls “the Great zero.” This zero is the divide between representation and what it represents. Representation is nihilistic because it can never close the divide between representation and reality, effectively cutting off representational thought from access to reality. What is represented is constantly deferred. For Lyotard semiotics is a prime example of representational nihilism, because the definition of the sign is that it replaces something (negating that which it replaces).

Ashley Woodward, http://www.iep.utm.edu/lyotard/#H3 (Internet Encyclopedia of Philosophy IEP)

Libidinal Economy opens with the strange “Joyceian” sentence (vgl. die ersten Sätze, LÖ 7)

Thus transformed body is turned into a strip which, if one would connect and twist its two ends, would resemble the Moebius band 14. This is the place where desire (désir, Wunsch), i.e. pure energy incessantly circulates. Lyotard calls it the “Zero point” – one cannot go any further.

Piotr Schollenberger, LYOTARD’S LIBIDINAL MODERNISM (2016)

Lyotard hat recht, wenn er sagt: “Es ist also ganz bestimmt kein Lidibotheater, kein geschlossener Raum, weil Intensitäten mal hier, mal dort verlaufen, sich aufbauen und verschwinden, ohne daß man sie jemals in den Bühnenraum eines Theatersaales, in eine Szene einsperren könnte.” (LÖ 9) Und recht hat er auch beim Thema OHNE Mangel: “Wenn man diese Einpflanzung, dieses Festsetzen von Strömungen beschreiben will, muß man vom Trieb zur Repräsentation übergehen, aber ohne dabei die suspekte Hilfe eines Begriffs des Mangels in Anspruch zu nehmen, die Hilfe des Tricks mit der leeren Andersheit, einer Leerstelle, eines Zero…” (LÖ 9) Mehr, immer mehr – das geht auch ohne Mangel, ganz einfach deswegen, weil mehr eben mehr ist: mehr ist mehr ist mehr… Nein, “der Libido mangelt es an nichts und auch nicht an Besetzungsgebieten…” (LÖ 10) “Sie besetzt bedingungslos.” (LÖ 11) Und Ja zur Duplizität des Triebes… (s.u.)

Was hat es mit diesem ZERO auf sich?

– Das Zero ist eine Figur, Teil eines mächtigen Dispositivs… ein Dispositiv des Einkreisens und Umgarnens, in dem natürlich mehrere Libidopositionen gemeinsam bestätigt werden… (LÖ 11)

– … wir werden nicht nur beweisen, daß es nicht notwendig ist, durch dieses Dispositiv hindurchzugehen, um den Gang der Intensitäten durch das Labyrinth zu verfolgen, sondern auch, daß der Durchgang durch das Zero sogar ein besonderer Weg der Libido ist, daß die Setzung des Signifikanten oder des großen Anderen … eine lustvolle Setzung ist, daß die “Strenge des Gesetzes” nicht wenige Leute geil macht, und daß man es bei diesem Zero keineswegs mit einer ontologischen Notwendigkeit zu tun hat, sondern mit einer religiösen, also libidinösen Phantasie, die man durchaus akzeptieren könnte, wenn sie nicht terroristisch und zwanghaft wäre. Wir müssen also eine affirmative, eine bejahende Vorstellung des Zero entwickeln. (Anm.2 “affirmativ” als Gegensatz zu nihilistisch) (LÖ 12) – Ist mit Zero die Sprache gemeint, das System der Signifikanten? Sprache in ihrer binären Struktur? Angestrebt wird dagegen ein Geschehen wie bei den beschriebenen römischen Gottheiten, d.h. Singularitäten (s.u. Klossowski).

– wir (haben) begriffen, daß die Wiedereinführung des Zero, also des Negativen, in die Ökonomie des Begehrens nur die Berechenbarkeit des Libidomaterials bedeutet, nur politische Ökonomie, Kapital bedeutet, das in die Sphäre der Leidenschaften übertragen wird, und wir haben verstanden, daß mit dieser Ökonomie des Kapitals, wiederum notwendigerweise, die Frömmigkeit sich selber verfolgt, das triebhafte und leidenschaftliche Dispositiv der Religiosität, soweit sie als Kraft des Mangels, als kapitalistische Religiosität verstanden wird, die eine Religiosität des Geldes ist, das sich – causa sui – selbst erzeugt. (LÖ 12)

– Augustinus sei ins Lager des großen Zero übergewechselt und habe zur Resignation aufgerufen: gebt das Libidoband auf, sagt er, das einzige, was Affekte wert ist, ist mein Zero, mein Anderer, durch ihn bekommt ihr alle Emotionen, ihr verdankt sie ihm, also bewahrt sie für ihn auf, gebt sie ihm zurück, er wird sie euch vergelten, der Erlöser. (LÖ 16)

– Was uns interessiert, ist das Zeichen im römisch-klossowskischen Sinn von Sugibus und Pertunda, der einzigartige Tensor mit seiner verrückten Mannigfaltigkeit von Richtungen: wir sind nicht darauf aus, es vom “schlechten”, nihilistischen Zeichen (Platon, Saussure, Peirce) abzusondern…, um es vor dem großen, semiotisch-semiotisierenden Zero in Sicherheit zu bringen… Vielmehr in der Grobheit der austauschbaren Zeichen die unwiederholbaren Singularitäten des Durchgangs von Affekten aufspüren… auf dem Zero des Kapitals, des Signifikanten, das Diesseits oder das Jenseits dieser Bewegung erfassen… wegen dessen, was sie zwingt, sich zu produzieren; nicht weil sie kanalisiert, sondern weil sie abdriftet. (LÖ 28)

– Es gibt noch nicht einmal Leiden auf der einen, Genießen auf der anderen Seite: Diese Dichotomie gehört zur Ordnung des organischen Körpers, der als Einheit vorgestellten Instanz, sie erfordert die Arbeit der Trennung, der Verneinung, die das Lustprinzip vollbringt, indem es dafür sorgt, daß das ausgespuckt wird, was unangenehm ist, und nur das hereingelassen wird, was angenehm ist, das Lustprinzip, das auch das Realitätsprinzip ist… Freuds kleine Märchen setzen das, was sie angeblich verständlich machen, bereits voraus: die Bildung der Dualität, des Ersatzzeichens, des inneren Theaters, das eine äußere Realität verdoppelt (und umgekehrt), und damit auch die Entstehung der Zäsur, der Verletzung, des Risses, die einen Zugang zum Innen schaffen… all diese Märchen stehen schon in der Dualität des Zero (des Einen, der eigenen Person, Objekt oder Subjekt, des Ich…) und der Intensität (der Lust, des Schmerzes, beider zusammen). (LÖ 33)

Zur Duplizität der beiden Triebprinzipien (LÖ 35 ff.): Zwei Prinzipien, aber eine Instanz

Es gibt keinen bemerkenswerten Unterschied zwischen einer libidinösen und einer diskursiven Formation… Beide Formationen sind Gestaltungen. Ein libidinöses Dispositiv .. ist formal gesehen eine Struktur. (LÖ 35) Wenn Freud den Todestrieb einführt, dann will er … die gesamte Libidoökonomie gegen den Begriff und die binaristische Unterscheidung absichern. Es geht durchaus nicht darum, die Instanzen zu entzweien, darin besteht die sog. “Arbeit” des Begriffs, es geht im Gegenteil darum, ihre drohende Vermischung jederzeit möglich zu machen, die Frage unbeantwortbar zu machen, ob eine bestimmt Gestaltung eher eine Auswirkung des Todes als des Lebens ist, ob eine bestimmte Triebüberflutung oder -entbindung aus der Sicht des psychischen Apparats, der sie erfährt, eher selbstmörderisch als therapeutisch ist, ob im Gegenteil eine bestimmte Stauung, Blockierung, Kristallisation eines stabilen Dispositivs eher auf eine rettende Orthopädie als auf eine tödliche Entropie verweist. (LÖ 37/38)

Aber warum und wie kann man von den beiden Prinzipien des Lebens und des Todes ausgehen, wenn man sie durch ihre jeweiligen Funktionen nicht unterscheiden kann, wenn die zusammen-gesetzten Einheiten ebensosehr auf das Leben hinauslaufen können wie auf den Tod? Was nützen zwei Prinzipien, wenn jede Wirkung auf alle beide zurückgeführt werden kann? (LÖ 40)

Also nicht Dualität, sondern Duplizität. Auch das Denken ist Libibo, Kraft (Intensität), unaufhörliche Unruhe, glühende Duplizität. Man muß das Schicksal abwenden, das das Denken dem Begriff zuschreibt, sonst entwickelt man eine libidinöse Ökonomie, die einer trivialen politischen Ökonomie ähnelt, also einer Ideologie mit dem Anspruch auf Ordnung, die unfähig ist, die Duplizität der sog. ökonomischen Prozesse zu erfassen. (LÖ 41)

Ihr müßt vor allem begreifen, daß die beiden Prinzipien Eros und Tod … nicht zwei Instanzen sind, die beide mit einem eigenen Funktionsprinzip ausgestattet sind, das es erlaubte, sie aufgrund ihrer jeweiligen Wirkungen oder Symptome in der “Psyche” oder am Körper zu identifizieren. … es gibt eine Triebmaschine, die auf eigene Rechnung funktioniert, und diese Maschine wird nicht vom Tod oder vom Eros in Gang gesetzt, sondern von beiden. (LÖ 66/67 – Unterstreichungen von uns)

Weiter mit ZERO (nichts, Nichts, Null, Nullpunkt)

– …von einem Term zum anderen Term. Und wenn man wie Freud oder Lacan eine religiöse Seele hat, kann man darüber noch das Bild eines großen Signifikanten fabrizieren, der immer und ewig abwesend ist (Absenz-Metaphysik, deus absconditus) und dessen einzige Präsenz in der Verflüchtigung, im Zurückhalten und im Auflösen von Termen besteht, die dann daraus Zeichen bilden – welche sich gegenseitig substituieren. Also das Bild eines großen Zero, das diese Terme ständig voneinander getrennt hält und dessen – natürlich unaussprechlichen – Namen man in der libidinösen Ökonomie mit Kastrator übersetzen wird (LÖ 56; vgl. dazu Intensitäten S. 130 bis 134 und das Thema “kein Prinzip” 143/44).

– Lyotard geht davon aus, “daß das Begehren auch den Kapitalismus umfaßt, daß es ihm also auf irgendeine Weise entspricht, daß es also kein libidinöses Nichts ist…” (130) Baudrillard lehnt die These, daß die politische Ökonomie auf der Verkennung des Begehrens beruht, ab – und Lyotard lehnt Baudrillards These ab, daß sie auf der Verwerfung der Kastration beruht… ,und daß das Begehren von der Kastration bestimmt wird: “Weit davon entfernt, in dieser Kastration, diesem Negativen, in dem, was wir hier das große Zero nennen, die Ordnung des Begehrens zu sehen, die Bewegung von Energie ist, sehen wir in ihr vielmehr die Ordnung des Kapitals im weitesten Sinne, in dem der Theologie, die die Affekte in der Instanz des Anderen, einer Figur des Begehrens, kapitalisiert. Und Baudrillard könnte von unserer libidinösen Ökonomie zu recht sagen, daß sie die Kastration und damit das Begehren ausschließt.” In der Tat positioniert Lyotard die libidinöse Ökonomie in erster Linie jenseits der Repräsentation; somit könnte man sagen, die These von Baudrillard beinhaltet lediglich eine von unzähligen Möglichkeiten der Libidoverteilung;, aber sicher nicht die einzige.

Im Gegensatz dazu wird bei Lacan mit der sog. symbolischen Kastration eine Ordnung (S1) installiert und aufrecht erhalten (die dann allerdings mit dem Kapitalistischen Diskurs durch die kleine Drehung doch irgendwie ein Eigenleben beginnt…). Bei Lyotard begehrt sozusagen jede Ordnung tendenziell ihre Unordnung. Was daran liegt, “daß die Ökonomie des Begehrens nicht festzuschreiben ist, nicht einmal als Ambivalenz, nicht nur, weil sie Eros und Todestrieb ist, sondern weil die Wirkungen beider Instanzen nicht festzulegen sind…” (133) “Im kapitalistischen Tausch gibt es ebensoviel libidinöse Intensität wie im sogenannten ´symbolischen´ Tausch. Das muß, provokativ oder affirmativ, als Kommentar zu unserem Satz ´Es gibt keine primitive Gesellschaft´ gesagt werden.” (133)

– Auch wenn man davon ausgeht, daß “die Wilden” ihre Güter nicht in Kapital umsetzen – es sei “die am wenigsten merkantile Instanz des Zero.., die die Herstellung eines genauen Gleichgewichts der Einkünfte und Ausgaben an Effekten (…) gestattet und sogar erfordert und die über diesen Gesellschaften schwebt und sie aufrecht erhält” (133/34). Extreme Intensitäten und Ambivalenz… “das Wichtigste ist, daß diese unbestreitbaren Intensitäten auch als Begriffe der Ordnung und sogar der Rückkehr zur Ordnung gelesen werden können, daß die Spannungen, die sich plötzlich am Rande oder im Zentrum der gesellschaftlichen Oberfläche einschreiben, voll und ganz zu ihr gehören, und zwar durchaus nicht im subversiven Sinn, im Gegenteil: sie halten sie buchstäblich zusammen und zirkulieren auf ihr wie austauschbare, intelligible semiotische Zeichen.” (134) “Diese Dissimulation von Intensitäten in Werten und von Werten in Intensitäten ist in der kapitalistischen Gesellschaft nicht weniger wirksam. Es gibt eine kapitalisierende Ordnung der Wilden (…), ebenso wie es Mächte gibt, die in den Zeichen des Kapitals umherirren. Nicht in seinen Margen…, sondern in seinem ´Kern´, in den wichtigsten … Tauschprozessen.” (134/35) Es sei “sehr schwer zu erkennen, das Begehren des Kapitals, das hier und dort in Instanzen eingehen kann…” Und “darin gibt es auch noch die Besetzung der Zeit des Kapitals, dieses merkwürdige Aufsparen und das gleichzeitig antizipierte Ausgeben von libidinösen Intensitäten, die dem Bank- und Geldsystem zugrunde liegt…” Oder “ganz einfach die Besetzung des Systems als solches, im allgemeinen…”, die Besetzung des Wertes und der Terme, “die nur durch ´Differenz´ oder Aufschieben einen Wert haben, und die Besetzung der Gesetze dieser Verschiebungen – (…) – können all diese Besetzungen nicht schwindelerregende Intensitäten erzeugen?” (135/36)

– Da kann es sicher zu einem “durch das große Zero als Wunsch nach einem Zurück hervorgerufenen Gefühl kommen” – schließlich ist ja “der Genuß unerträglich” (138). “Es gibt libidinöse Positionen, die man halten kann oder nicht, es gibt besetzte Positionen, von denen die Energien plötzlich abgezogen werden und auf andere Stücke des großen Puzzles übergehen, wo sie neue Fragmente und neue Formen und Möglichkeiten der Lust, das heißt der Intensivierung erfinden.” (138)

– Lyotard sagt, daß “das zentrale Zero… nicht notwendigerweise das Geld sein muß (…), aber immer das Zentrum der Sprache und des Schwertes ist”; der Rückbezug auf das bzw. die Unterwerfung unter ein zentrales Zero (149) führt zu einer Hierarchisierung der Triebe und gesellschaftlichen Gruppierungen, die eine privilegierte Stellung einnehmen (148).

– Auf Seite 189 ist vom “Zero des Geld-Richters” die Rede und “seiner von Aristoteles angenommenen Annullierungsfunktion”, in der “alle Gegensätze des Tausches neutralisiert werden – also alles zusammengenommen, dieses Zero ist genau das gleiche, das Aristoteles als Geld zum Richter des ökonomischen Tausches macht. Seine distributive Gerechtigkeit besteht vor allem darin, die entgegengesetzten Pole des Tausches und auch die Tauschpartner selber zu annullieren, indem der eine will (…), was der andere hat.” Man braucht ein tertium, “einen objektiven Wert, ein für beide Tauschgegenstände gemeinsames Maß”. Das Motto hierbei lautet, “daß es nichts zu gewinnen gibt, daß alles ausgetauscht wird und daß der Saldo gleich Null ist. Das Gold meiner Weisheit, sagt Sokrates, ist Null. So sieht die Tugend aus, die die politeia verlangt: sich streng auf das Zero des Austausches von Trieben beziehen, ohne Verlust oder Gewinn leben, die Zirkulation libidinöser Energien nach dem Minimax-Prinzip regeln, nach dem Minimum an Verlusten und dem Maximum an Gewinnen, so daß beide Partner ein Nullsummenspiel spielen können (die austauschbaren Quantitäten sind konstant) und eine vollständige Information bekommen (jeder weiß, was der andere im Zentrum verlangen wird: so wie bei einer Nullpartie im Schach.” (193) So wird klar, was mit “überall Rückkehr zum Zero, Neutralisierung durch das Zero” (192) gemeint ist: “Die Lust in ihrer polit-ökonomischen Perversität rechnet auf einen Gewinn und sie diskontiert, was sie anbietet: Verschaffen wir uns eine Triebabfuhr so rentabel wie möglich und mit dem geringsten Verlust.” – So weit und so viel zur “allgemeinen Theorie des Marktes.. in Gestalt des einfachen Merkantilismus, der politisch ist” (193).

– Zur Rolle des Geldes dabei: Das Geld ist “die Einheit als Berechnungsgeld und das neutrale Element als Zahlungsgeld: eine Abmachung darüber, was man durch eine Konvention zum Bedürfnis gemacht hat. Denn das Bedürfnis kann im Geld verschwinden. Das Geld ist das Zero des Bedürfnisses.” … “Das Bedürfnis entsteht durch das im Kanon der Identität bewahrte Begehren; es ist austauschbar, weil es nicht different oder indifferent ist.” (196) Dieses Zero-Geld ist auch “noch etwas anderes: es ist eine zeitliche Instanz, nämlich ewige Präsenz des möglichen Tausches, also des eventuell auftretenden Bedürfnisses und eventuell vorhandener Güter. Darin besteht die ´Allgegenwärtigkeit´ des Marktes und der Gemeinschaft.” Es “bleibt nur das Zero des gezahlten Geldes übrig (gestilltes Bedürfnis, konsumiertes Gut), das in die Hand des Verkäufers übergegangen ist. Dieser Verkäufer seinerseits empfindet kein Bedürfnis; das Zero in seiner Hand garantiert mir und uns allen (die wir zum Kreislauf gehören), daß er es für bestimmte Güter von uns wieder in die Zirkulation einbringen wird.” … “Das Bedürfnis ist die polit-ökonomische Form des Begehrens…” Da es “bezahlbar ist, ist es auch vorhersehbar.” (197)

– Lyotard sah deutlich, “daß Nützlichkeit im gängigen Verständnis von Gebrauchswert überhaupt keinen Sinn hat, daß sie nur im Verhältnis zum Tauschgesetz bestimmt werden kann” (214) Dieser kleine Hieb (gegen den Nutzen beim Grenznutzen?) bedeutet aber nicht, daß er den Gebrauchswert abgelehnt hat: “Wenn man in Waren (einschließlich Produktionsmittel) investiert, unterwirft man sich der Regulierung der Metamorphosen: denn Produktion ist Verbrauch, und die Produkte müssen ihrerseits verbraucht werden. In diesem Sinne ist der sog. Gebrauchswert … ein unverzichtbarer Bestandteil des Reproduktionssystems.” (285 – s.u.)

– Hat “die Kraft des ruchlosen Philosophen” de Sade nicht darin bestanden, daß er das Zero, “den Mechanismus von Kreis und Rotation begriffen hat” (218)? “Wie wird das Lusterlebnis im Kreis angesiedelt?” (218) “Es kann immer noch die Möglichkeit geben, die Intensitäten, die den individuellen Subjekten verweigert werden, auf ein riesiges Hyper-Subjekt zu beziehen, das alles in allem nur wieder aus demselben Zero besteht, das die peripheren Genüsse der Bürger zusammenfaßt.” (219) Hier müsse man dann allerdings “ein weiteres Zero, einen zweiten Tod einführen…” (dieses “weitere Zero” sollte u.E. allerdings nicht mit den “zwei Arten von Zero” s.u. 252 verwechselt werden) “…dieses Zero steht nicht mehr im Zentrum, sondern an der Peripherie des Kreises, es zirkuliert an der Peripherie und es verdreht, zerknüllt und dehnt sie, um sie so dicht wie möglich an das labyrinthische Körperband heranzubringen.” (219) Z.B. bei der Prostitution (wie auch in der analytischen Situation): die Prostituierte (wie der Analytiker) darf keine Lust empfinden – das ist die Voraussetzung (zur Kontrolle der Gegenübertragung in der Analyse) – beide neutralisieren das Lusterleben des Anderen und vermitteln es “auf das Zero der Austauschbarkeit – und zwar mit Hilfe der Bezahlung” (222). Immer geht es um die “Bildung einer Instanz, auf die die Triebbewegungen bezogen werden können und die ihrerseits die Triebbewegungen… transportieren kann. Ob man dieser Instanz als Individuum, als Ich (moi), als gesellschaftliche Person bezeichnet oder ob man im Gegenteil auf ihrer Nichtigkeit, ihrer Abwesenheit oder auf ihrer Zero-Qualität besteht – es handelt sich immer um ein und dieselbe Instanz.” (223) Das Geld arbeitet hier aber noch “nicht in seiner Eigenschaft als Kredit, also als Angebot an den Partner, seinen Ankauf von Gütern oder Dienstleistungen vor der endgültigen Bezahlung zu tätigen” – es geht hier (nur) um die “Intensität des Konsums” (235). Der Kapitalist dagegen “sieht Europa als einen Körper zur Investition und Besetzung, der etwas abwirft” (im Merkantilismus Colberts Luxus und Pracht, im Kapitalismus Gewinn und Profit). “Das echte Kapitalgeld ist kein Schatz und auch nicht Erde, sondern ein Verhältnis – und zwar ein Machtverhältnis, denn man muß die Macht haben, etwas im voraus zu geben, indem man einen Kredit gewährt, und die Macht, davon zu profitieren, indem man sich als solvent erweist; aber es ist ein Verhältnis der Trennung des Begehrens von sich selber, der Hemmung und Zurückweisung der libidinösen Energien… Das kapitalistische Geld ist in gewissem Sinne nur gegebene und zurückgenommene, antizipierte und retardierte Zeit. Das merkantilistische Geld ist eine erotische und tödliche Angelegenheit.” (236)

– “Das Geld wird zum allgemeinen Äquivalent, um die ausländischen Völker, ihre Reichtümer (´Produkte´) und ihre Armut (´Bedürfnisse´) den Waren, die sie kaufen, kommensurabel zu machen. Und als solches ist es ganz klar nichts anderes als das zentrale Zero der Einkreisung und das letztendliche Zero jedes merkantilen Kreislaufes. Es bestimmt deswegen den Preis, weil es die bewertbaren Verhältnisse zwischen der Menge, dem Angebot und der Nachfrage von Gütern definiert. Das Geld erweist sich somit als Ratio, als Berechnung.” (240) Aber “das Gleichgewicht der nationalen Bilanzen, das heißt die Regel des Zero” (235) ist nicht sicher: “Im Äquivalent verbirgt sich ein Vampir” und “im Vampir verbirgt sich etwas größeres als das Äquivalent, nämlich bereits das Kapital… Wir sagen: Im austauschbaren Zeichen verbirgt sich der Tensor und umgekehrt. In der Macht verbirgt sich die Kraft und umgekehrt. Was aber bleibt nun von dieser (…) Dissimulation des merkantilen Geldes im Kapitalismus übrig?” (240)

– Im Kapitalismus geht es darum, “daß der Jadestab aufgerichtet bleibt und daß eine Ejakulation nicht stattfindet” (244) – also um “coitus reservatus” (245). Das sollten vor allem diejenigen, die ihr Augenmerk aufs Genießen, auf den plus-de-jouir Lacans legen, beachten – bevor sie hier falsche Schlüsse ziehen (und den Mehrwert und das Mehr-Genießen einfach analog, homolog oder identisch setzen). Im Kapitalismus geht es um eine Verschiebung – und diese Verschiebung setzt “die Produktion von Subjekten voraus, das heißt von einheitlichen und leeren Instanzen, die qua Definition niemals ausreichend ´besessen´ werden können, da sie nur ein Zero zur Bindung der Triebe an eine Instanz sind. Diese Folgerung führt in die Nähe sog. ´moderner´ Problemstellungen, wie z.B. bei Lacan, der Begriffe wie ´das Verfehlen von Lust´ oder ´die Unerreichbarkeit des libidinösen Objekts´ hervorhebt.” (245) Lacan hatte dies im (vom Diskurs des Herrn abgeleiteten) Kapitalistischen Diskurs in Mailand 1972 als “kleine Vertauschung” (une toute petite inversion entre le S1 et le S) registriert: Das klassische Herr-Knecht-Verhältnis wird abgelöst durch ein Verhältnis, wo die Individuen sich als Herren vermeinen, obwohl sie dem Kapital unterworfen bzw. Unterworfene des Kapitals sind. Natürlich geht es jetzt um Kapitalbildung und Vermehrung (250), nicht mehr um die sog. einfache, sondern um die erweiterte Reproduktion – um “ganz neue Intensitäten” (251): “Wie sieht die Lust im Inneren des Kreises aus, … wie steht es mit der Lust im Kapitalismus selber?”

– Es gibt “zwei Arten von Zero; und diese beiden Arten von Zero sind im Funktionsmechanismus des Kapitals selbst verborgen… es handelt sich um einen Funktionsmechanismus, der prinzipiell auf ein zentrales Zero bezogen ist, d.h. auf eine Standardware, auf ein allgemeines strukturales Äquivalenzgesetz; er wird durch einen bestimmten Gebrauch des Geldes (als Verrechnungseinheit, Zahlungsmittel oder Kreditor) gesteuert; und in diesem Gebrauch ist gleichzeitig und untrennbar davon auch ein konvulsives Anti-Funktionieren verborgen, das das Reproduktionssystem gefährdet – zum Beispiel in Gestalt dessen, was man Spekulation nennt, was viel mehr als Spekulation ist und für den produktiven Gebrauch des Geldes die gleiche Bedeutung hat wie die Anti-Materie für die Materie” (252). Diese Charakterisierung der Spekulation im Sinne einer Anti-Funktion erscheint insofern problematisch, als Spekulation auch eine systemstabilisierende Seite hat. Überhaupt enthält die gesamte kapitalistische Produktion ein spekulatives Element, da mehr oder weniger ungewiss ist, ob die produzierte Ware in der Zirkulation auch zum vorher kalkulierten Preis einen Käufer findet.

Es gibt “ein Zero der Annullierung und ein Zero der Eroberung“, “ein Zero des Wertes oder des Preises und ein Zero des Profits oder des Mehrwerts. Dann kann man zwei Arten von Eroberung unterscheiden, die durch Annektion und die durch Raub, die in der Kreditfunktion des kapitalistischen Geldes verborgen sind, d.h. im Zero des Profits. Hier handelt es sich um eben die Dissimulation, von der hier ständig die Rede ist; sie bestimmt alles, was es an Intensität auf der Seite des Kapitals gibt. Der Kapitalist (…) ist ein Eroberer.., ein Monstrum, ein Zentaur: Sein Vorderteil nährt sich, indem es das geregelte System der vom Gesetz der Standardware kontrollierten Metamorphosen reproduziert, und sein Hinterteil, indem es die übermäßig erregten Energien plündert. Mit der einen Hand wird angeeignet, also konserviert, d.h. es wird in Äquivalenzen reproduziert, reinvestiert; mit der anderen wird genommen und zerstört, gestohlen und geflohen, indem neue Räume, eine neue Zeit erschlossen werden. Die Symmetrie dieser Formeln ist allerdings trügerisch. Dieselben monetären und merkantilen Zeichen, die in der Regel als ökonomische Signifikanten gelten, d.h. die auf andere Zeichen zurückverweisen, können auch ganz andere Zeichen und Destruktionslüste sein. In der Reproduktion verbirgt sich Zerstörung, und in der Zerstörung kann sich Reproduktion verbergen, aber vor allem können die labyrinthischen Zeiten der Zerstörung nicht aus der einheitlichen Zeit der Reproduktion abgeleitet werden.” Die “durch die Einführung eines neuen Elementes in das System erzeugte Abweichung” wird wieder annulliert, “wenn es sich um ein homöostatisch geregeltes Ganzes handelt”. Das System wird wieder auf die Energiemenge zurückgebracht, die es vorher hatte – und auch, wenn es “auf Wachstum angelegt ist, ändert sich an dem Feedback-Modell nichts: nur die Größe des Bezugspunktes lautet dann nicht mehr n, sondern delta-n. Es handelt sich hier (bei Sraffa) um das gleiche Modell wie” bei Freud: “Die erotische Funktionsweise sorgt für den Zusammenhalt des Ganzen. Dieser Eros ist auf ein Zero zentriert: nämlich auf das Zero der homöostatischen Regulierung und, noch allgemeiner, der Annullierung von jeder nicht zum System passenden Abweichung und jedem bedrohlichen Ereignis durch ein Feedback (d.h. durch die Wiederholung zum Zwecke der Einbindung).” (252/53) So weit die eine Seite!

– Die andere Seite wird als Die nihilistische Theorie des Kredit-Zeros erörtert (257 ff.). Das ist das “andere Zero, das nicht von einem Zentrum aus operiert, wie das Geld in der Nikomachischen Ethik, das mit der ausgleichenden Annullierung der Verhältnisse zwischen den Gütern und Bedürfnissen beschäftigt ist.” (257) Es ist also ein anderes “Zero, das sozusagen in den Tauschkreislauf selber hineingeworfen, offensichtlich eine Erweiterung des Wirkungsbereiches des Tausches und eine Vergrößerung seines Volumens, sprich, eine Bereicherung ermöglicht, Geld nicht mehr als Zahlungsmittel betrachtet… sondern als Kredit.” (257) Was ist das Andere? Warum ist dieses Zero kein “homöostatisch geregeltes Ganzes” (s.o. 253)? Wie kann es anders sein?

– Dieser Frage geht Lyotard anhand der “drei Formen von Geldwirtschaft (Chrematistik), d.h. drei Vorgehensweisen zur Befriedigung von Bedürfnissen” laut Aristoteles nach – wobei er m.E. den Punkt der “Umkehrung der Verhältnisse von Ware und Geld” (259) noch klarer hätte herausarbeiten können:

1. Wirtschaften ohne Geld und ohne Tausch (Subsistenz) – “vollkommen organisch” (257)

2. Falls “hier ein Übermaß von Gütern und dort von Bedürfnissen auftritt, wird unter den natürlichen Gemeinschaften ein neues Tauschbedürfnis sichtbar” – womit die Güter von Konsum- zu Tauschmitteln mutieren (dissimulieren); und “natürlich” stellt sich hier jetzt die Frage: wieviel von Gut A gegen wieviel von Gut B? Was ist similis, äquivalent, gleichwertig, kommensurabel etc.

3. In dem Moment, wo das Geld dazwischentritt und den Akt in zwei völlig separate Teile zerlegt, ist das Fass geöffnet: Auch wenn das tertium (Tauschmittel) anfangs noch ein Gut (Metall) ist – der Tauschwert desselben ist (außer bei festen Preisen) abstrakter und unklarer als bei Konsumgütern. M.a.W.: Von jetzt an wird es beim Haben- und Geben-Wollen immer um mehr oder weniger gehen – was die Geburtsstunde des dealers ist, dem es nur noch ums Geld geht.

4. Aber der Handel, um mehr Geld zu machen, sagt Aristoteles, ist “gegen die Natur” bzw. “ein Vorgang, der eine gefährliche Unendlichkeit in sich birgt”, weil er “nicht mehr durch das Bedürfnis begrenzt oder gestoppt werden” kann, sondern nur noch durch die Geldmenge, die allerdings “durch eben diesen Vorgang vergrößert” wird (258).

5. Wir sind hier an dem Punkt, wo das Bedürfnis in Begehren umschlägt. Ein Bedürfnis, sagt Lacan, kann befriedigt werden, das Begehren dagegen nicht. Der Kredit kann jetzt dissimulieren und Wunder wirken: War er ursprünglich ein Vorschuß an Naturalien oder Realien (z.B. Getreide), dann einer an (begrenzt vorhandenem) Metallgeld, so hat das Buchgeld die Reise ins Unendliche eröffnet, weil dieses Nichts (das Kredit-Zero) unendlich vermehrt werden kann, da das Zeichen der Austauschbarkeit bzw. Kaufkraft an sich selbst keinen Wert hat und (außer an Datenträger) nahezu an nichts Irdisches mehr gebunden ist (im “Idealfall” nur noch eine digitale Information, ein binärer und irgendwo “gespeicherter” Code, der eine Zahl / einen Geldbetrag bedeutet). Reichtum ist völlig abstrakt geworden.

– Bleibt die Frage, was hier libidoökonomisch vor sich geht – zumal, wenn das psychische System doch, wie Freud sagte, auf Homöostase aus ist bzw. der Eros auf das Zero der Annullierung zentriert ist (253). Wenn das so sein sollte – warum dann diese “Umkehrung der Verhältnisse” (259), warum dann Perversion? “Aktiviert und erweitert der Kaufmann nicht den Handelskreislauf, indem er neue Tauschformen auf den Plan ruft, die zuvor in starkem Maße unnütz und sogar widernatürlich zu sein schienen?” Warum läßt er die Güter “zugunsten der monetären Energie, der Energie als Geld” zirkulieren? Warum (aus aristotelischer Sicht) der Mißbrauch des Geldes? Weil Geld einfach nicht auf seinen Gebrauch begrenzt werden kann? Weil jede Grenze auch zur Überschreitung auffordert?

Zum Versuch Hegels, die “Verselbständigung des Mittels (..des Geldes) … ausgehend von einer Hemmung* der Begierde” zu rechtfertigen – die unvermittelte Begierde ist zerstörerisch (259), Hemmung verhindert die ´destruktive´ Erfüllung der Begierde (261) und hält von der unmittelbaren Besetzung ab (262) – , zu diesem Versuch sagt Lyotard: “Die Schwäche einer solchen Analyse ist auffallend” (263). In einem “geschlossenen Energiesystem” (263/64), wo nur umverteilt werden kann, wächst “der Gesamtumfang des Systems nicht” an (264). “Wenn der in die Zirkulation einzubringende Zuwachs auf seine Weise bereits vorhanden ist, wenn es genügt, die Erfüllung der Begierde zu versagen, um neue Energieressourcen freizusetzen, dann entstehen sie nicht durch eine Ersparnis – sei sie erzwungen oder freiwillig.” (264) “Entweder ist die Ersparnis wirklich eine Ersparnis, was die Annahme der Hemmung unter der Voraussetzung impliziert, daß man sie durch die Annahme einer endlichen Quantität an libidinösem Reichtum ergänzt; oder es handelt sich unter der Bezeichnung Ersparnis um die Einführung von Energiemengen in das System, mit dem man zu tun hat, wobei aber wichtig ist, daß das System nicht isoliert ist und seinen Energiezuwachs nicht durch eine interne Hemmung, sondern durch äußere Expansion bekommt, also durch die Erschließung ´äußerer´ Energiequellen.” Entweder ist die Ersparnis ein Geld, das man hat (aber zurückhält, spart), oder sie ist ein Geld, das man noch nicht (verdient) hat und leiht (Kredit) – also Eigenkapital vs. Fremdkapital. “Ersparnis” ist Kredit aber nur dann, wenn irgendwer dieses Geld schon hat; Kreditgeld ex nihilo ist natürlich keine Ersparnis (sondern Geldmengenerweiterung). “Bei der zweiten Hypothese wäre der Genuß, oder besser gesagt, die Intensität nicht” im Zurückhalten angesiedelt (264), sondern in der “Erregung.., die die ´widernatürliche´ Erotik oder Geldwirtschaft in den Energiedepots hervorruft, die ursprünglich im Schutz des Systems standen”, z.B. “natürliche (Kohle, Wasser, Öl, Atom) oder menschliche (Handwerker oder arbeitslose Bauern) Energiemassen, die im Umfeld des Kapitals bereitliegen und die von diesem ergriffen und ausgebeutet werden. Somit sind die Intensitäten, zu denen der Kapitalismus fähig ist, zwar nicht ausschließlich mit der Hemmung oder Reservebildung, aber sie sind notwendigerweise mit Eroberung und Erregung verbunden.” (265; s.o. Zero der Eroberung, 252)

Das Kapitel hatte als Überschrift: “Die nihilistische Theorie des Kredit-Zero”; was ist “nihilistisch” am Kredit-Zero? Dass man von etwas ausgeht, was man (noch) nicht hat – ein in der Zirkulation erfolgreich veräußertes Produkt? Unter der Voraussetzung (s.o. 263/64) eines geschlossenen Energiesystems ist der Kredit vermutlich insofern nihilistisch, weil es wie beim Monopoly-Spiel endet… (Aber wer weiß, ob Lyotard das meint; denn er sagt, daß “das System sich zweifellos im Gleichgewicht befindet, allerdings nicht in Expansion” (264); “in Expansion” gewiß nicht – aber “im Gleichgewicht”? (Vgl. sein Kaufmanns-Beispiel S. 264)

“Nein”, sagt er 265 unten, “der Nihilismus entspringt voll und ganz der Idee, daß das Gute, das Ernste und das Wahre in der Rückkehr* und der Institution der Potenz* enthalten ist; sowie der Idee, daß die Hemmung den Charakter und die Reichweite der Kräfte, die ihr unterworfen werden, zum Besseren verändert.” (265) “Jede politische Ökonomie, die davon ausgeht, wird mit Bewußtseinsphilosophien identisch, die sich auf die finstere ´Kraft des Negativen´ stützen. Die Aufgabe des Kapitals besteht darin, herauszubekommen, wie das Begehren als affirmative Kraft zur Reserve und zur Institution werden kann.” (265/66)

“Wenn die Begierde rein destruktiv ist, wie Hegel glaubt, warum sollte dann eine Verdoppelung ihrer negativen Kraft die Natur ihrer Wirkungen umkehren?” Was wird überhaupt gehemmt an der Triebbewegung? “Ist die destruktive Potenz nicht gerade ihre Macht, ihre Kraft? Was wird der Libido genommen…?” Also warum “soll dieselbe Kraft, wenn sie auf ihr ´Ziel´, auf ihre Expansion aus ist, zerstörerisch, destruktiv oder böse sein, und warum soll sie”, wovon Hegel ausging, “gut werden, wenn sie kehrt macht, sich zu sich selbst zurückwendet und sich selber bekämpft” (265)? Vgl. Askese und Verzicht, Klöster und Knast…

In den Intensitäten sah es danach aus (127), daß die ökonomischen Zeichen sich aus ihrer Verankerung lösen können und “ein Außen, eine Referenz, eine Natürlichkeit” nicht (mehr) aufrecht erhalten müssen… Zumal sie ja keine Dinge oder Sachen bezeichnen, sondern “bloß” ein gesellschaftliches Verhältnis. Und längst schon geht es nicht mehr um Hemmung, sondern – im Gegenteil – um (maßlose) Enthemmung…

Nach diesem etwas komplizierten Umweg über Hegel ist klar, daß “der Vorschuß von Geld-Kapital.. nicht in der simplen, antizipierten Einbeziehung von Energiereserven in die Zirkulation” bestehen kann: “er enthält zwei libidinöse Funktionen, die nahezu inkompatibel sind: einmal eine erweiterte Akkumulation und zum anderen den Raub; aber beide befassen sich mit der Eroberung, dem Einfangen und der Enteignung neuer Patchwork-Stücke. Weil diese beiden Funktionen im Kreditgeld gemeinsam verborgen sind, ist es unmöglich, die Bedeutung der beiden Zeros und der beiden Geldformen so zur Deckung zu bringen, daß man z.B. sagen könnte, daß dem Zero der zentralen Annullierung… das Zahlungsgeld (…) korrespondiert und daß das Kreditgeld seinerseits das andere Zero impliziert” (266) – das “andere” Zero ist natürlich das o.a. Zero der Eroberung (252), der Erweiterung, Vergrößerung und Bereicherung (257). Warum ist das nicht möglich? Weil man, sagt Lyotard, “es nicht mit zwei Geldern und zwei Funktionen zu tun hat, sondern mit zwei Geldern und drei Funktionen: Das regulative Zero wirkt nicht nur auf die Tauschhandlungen in einem homöostatischen System ein, es ist auch noch in dem Kapitalvorschuß enthalten, der eine erweiterte Reproduktion möglich macht; anders gesagt, das Kreditgeld muß auch als Zahlungsgeld gedacht werden, das ein Wachstumssystem reguliert, und schließlich kann sich dasselbe Kreditgeld im Gegenteil dazu auch als bedeutendste entregelnde Kraft aller kapitalistischen Kreisläufe zeigen. Also zwei Gelder: Zahlungsmittel und Kredit; drei Funktionen: Homöostasis, dynamisches Gleichgewicht und Ungleichgewicht.” (266) “Disparität zweier Aspekte des Geldes”, hieß es im AÖ 305 von Deleuze-Guattari: Kaufkraftstrom vs. Geldkapitalstrom, letzterer als der “ungeheure deterritorialisierte Strom, der den vollen Körper des Kapitals konstituiert”. Alle Funktionen werden nur “in ´Krisen´, die hysterischen Anfällen vergleichbar sind”, unterscheidbar – besonders die dritte: das Ungleichgewicht. (LÖ 266)

Bei erweiterter Reproduktion kann der Kredit natürlich nicht aus Ersparnis resultieren, sondern nur “ein Vorschuß von Nichts, aber nicht für Nichts” sein (268). Lyotard handelt das Thema / Problem der Frage von Marx (MEW 24:331): Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert (das Mehrprodukt) zu versilbern? (für seine Zeit 1974 erstaunlich) korrekt ab: “Die neuen Waren, die während des Zyklus n +1 eingeführt werden, haben für das vorgestreckte Geld dieselbe Bedeutung wie die neuen Waren des Zyklus n für das bereits zirkulierende Geld. Der (re-)produktive Gebrauch des Kredits basiert auf folgender Analogie: Die Zukunft, die er eröffnet, unterscheidet sich nicht von der Vergangenheit. Da beide prinzipiell identisch sind, sind sie reversibel – und daher kann der Kreditgeber Zukunft kaufen.” (269/70)

Was geht libidoökonomisch gesehen beim spekulativen Gebrauch des Kreditgeldes (270-286) ab? “Es gibt keine ´Spekulanten´, keine schlechten Menschen, die ihre Verbrechen hinter dem Rücken der ehrenhaften Kapitalverwalter begehen. Das Geldkapital kann jederzeit einem Gebrauch unterworfen werden, der nur dann befremdlich oder unerwartet ist, wenn man sich wie die Ökonomen darauf versteift, im Kapital nur seine reproduktive Funktion zu sehen.” (270) Lyotard erinnert an den Merkantilismus, der “den Erschöpfungstod des Körpers, den er ausbeutet, zur Folge” hat – “eine Virtualität der Eroberung durch Raub und Verschwendung, die in den ökonomischen Organisationen wahrscheinlich immer vorhanden ist. Die verheerenden Wirkungen dieser Eroberungskraft ergeben sich aus dem Neid oder der Eifersucht, die auf das Geld gerichtet ist. Dieser Neid ist ein unerläßlicher Bestandteil der Metamorphosen des Kapitals und kann daher die Kapitalzirkulation ernsthaft beeinträchtigen. Denn Spekulation ist Merkantilismus innerhalb des Kapitalismus; sie will aus dem Geldkapital die gleiche Intensität ziehen, wie sie Colbert und Ludwig XIV. aus dem Metallgeld gezogen haben. Es ist sinnlos, die ´Anfälle von Spekulationsfieber´ (wie sich Historiker und Ökonomen ausdrücken) aus der allgemeinen Verfassung der Ökonomie ableiten zu wollen. Man hat sich gedacht, daß das Kapital sich dann in einer Richtung engagiert, wo die zu erwartenden Profitraten höher als in der Produktion sind, wenn der Investitionsanreiz ungenügend ist. Aber diese vernünftige Erklärung verkennt voll und ganz die libidinöse Differenz, die diese Verschiebung von Kapitalien mit sich bringt. Die Börse bietet keine besseren Investitionsmöglichkeiten; sie hat überhaupt nichts mit Investition zu tun, sie ist ein Terrain des Krieges und der Eroberung durch Ankauf und Verkauf. Das hochentwickelte Geld, mit dem man hier Handel treibt, ist nicht damit beschäftigt, zu produzieren, sondern zu rauben.” (270/71). Die “Destruktionskräfte” zeigen sich nicht erst in Kriegen – “Destruktion verbirgt sich in der friedlichsten Produktion, der Tod in der Akkumulation von Reichtum. Man kann nicht einmal sagen, daß es die Bestimmung des Kapitals ist, durch seinen Akkumulationsprozeß zum Zusammenbruch der Gesellschaften zu führen. Das ist nämlich keineswegs sicher; diese Dialektik mit der Hoffnung oder Furcht vor der Katastrophe, die sie vorhersagt, ist sehr religiös. So wie die Todestriebe in den Lebenstrieben verborgen sind, so sind die Destruktivkräfte nicht von den Produktivkräften zu trennen. Und so wie die lytischen (zum (Auf)lösen geneigt) oder letalen (zum Tode führend) Funktionen keiner Triebinstanz angehören, so kann man auch nicht behaupten, daß die Spekulation tödlich und die Produktion erotisch ist; und auch das Gegenteil ist nicht weniger verifizierbar. Und es ist noch nicht einmal wichtig, sich über diese Ambivalenz zu wundern; wichtiger ist es, zu begreifen, wie der Genuß oder die Intensität von der Reproduktion zum Raub übergeht.” (271) “Die Unendlichkeit einer Geldwirtschaft, die Aristoteles so sehr fürchtete, ist und kann keine Eigenart des reproduktiven Kapitalverbrauchs sein, da dieser durch das Zero der Annullierung begrenzt wird. Die Unendlichkeit des kapitalistischen Wachstums”, scheint Lyotard zu glauben, würde “prinzipiell durch eine Standardware reguliert” (das kommt von Sraffa´s Warenproduktion mittels Waren). Und wenn nicht, dann sei das “dem Einfluß des Merkantilismus zu verdanken, also einem Kapitalgebrauch, der als nicht ´richtig kapitalistisch´ bezeichnet wird, da er eine im Wesentlichen (re-)produktive Kapitalvorstellung hat” (271/72).

“Die grenzenlose Maßlosigkeit des Merkantilismus besteht eben darin, daß man kein Kapital akkumuliert, d.h. etwas, das nach den Regeln von Zyklen und Annullierungen wieder in die Zirkulation eingebracht wird”, sondern bloß “Metallmengen, die einen Schatz für Kriege und für Prachtentfaltung bilden”, akkumuliert (sagen wir lieber: kumuliert) hat (es gab zwar in Frankreich mehr, aber dafür woanders entsprechend weniger – also insgesamt gesehen nicht mehr). Bei Colbert sei es um “die räuberische Aneignung von Reichtum” gegangen, also darum, “das Überleben des Gesellschafts-´Körpers´ (das zur Reproduktion unbedingt notwendig ist) zu gefährden” – was “von den Trieben geleitet wird, die im System vielleicht unverzichtbar wirksam sind” (272). Man fühlt sich an Deutschland im Verhältnis zu Griechenland erinnert, nur daß man heute auf die Schuldentragfähigkeit des Handels-“Partners” achtet – also darauf, daß er nicht stirbt. “Die ´schlechte Unendlichkeit´ besteht gerade in dieser Ausplünderung, die von dem, was sie nimmt, nichts zurückgibt und die nur zur Erschöpfung des reproduktiven Körpers führen kann. Die konsumptive Thesaurierung erzeugt zwischen den beiden Teilen dieses ´Körpers´ eine immer stärker anwachsende Ungleichheit an Reichtum: sie erzeugt unter den Stücken des libidinösen Patchworks in bezug auf die Intensitäten immer gehässigeren Neid und Eifersucht. Die Unendlichkeit des Aristoteles ist für ihn deswegen tödlich, weil jener Körper, den der Merkantilismus ausbeutet, endlich ist und weil der Prozeß ständig anwachsender Disparität zwischen den Teilen des Körpers ihn zum Bersten bringen muß” (272) – “muß”? Das ist die Frage.

Lyotard betrachtet dann die Krisen von 1921und 1929 – was hier im Detail nicht nachvollzogen werden kann und soll – nur das Wichtigste dazu aus libidoökonomischer Sicht. Man könne hier “den merkantilistischen Mechanismus wie in einem Vergrößerungsglas betrachten. Man sieht, wie mächtige Triebe der Ausplünderung in der ganzen Gesellschaft am Werke sind und wie innerhalb des Kapitals die Möglichkeit dessen zum Vorschein kommt, was kein Gegengewicht hat – darin bestand das Ereignis und darin lag seine Affirmativität. Dasselbe gilt für das ganz ähnliche Ereignis der Spekulation mit den Wechselkursen, die heutzutage das Funktionieren des Weltkapitalismus stört. Für diesen Vorgang sind die Fakten noch nicht eindeutig geklärt.” (272) Wie auch immer: In der Krise von 1929 erkenne man “mühelos die triebhafte Duplizität des Gebrauchs von Geld: Investition (Besetzung) und Spekulation, die Duplizität der Zeit: einmalig wiederholt und vielfältig punktuell, die Duplizität des Geldes selbst: Zahlungsmittel und Schatz, und schließlich eine Duplizität der Intensität: Akkumulation durch Verschiebung und Verschwendung. Die beiden Erregungszustände sind gleichzeitig gegenwärtig und allenfalls in ihren Wirkungen getrennt zu erkennen, beide wirken in unterschiedlichen Regionen, dasselbe Geld-Kapital operiert in zwei heterogenen und ununterscheidbaren Zeit-Räumen, die am selben Ort nebeneinander stehen. Das reproduktive Kapital hat seine spekulative Funktion nicht aktiviert, weil seine bisherige Funktionsweise unmöglich oder schwierig geworden ist: Was ist eine solche Unmöglichkeit? Wann ist die Reproduktion eines Systems nicht mehr möglich? Wenn man so etwas sagt, dann versucht man, eine einzigartige Episode, ein Ereignis, auf billige Weise zu einer Tragödie zu machen und in ein dialektisches Schicksal einzuschreiben. Wenn dieses Ereignis aber irgend etwas beweist, dann die Duplizität der ökonomischen Zeichen, auch der abstraktesten und, nach Ansicht der Ökonomen, offenbar unschuldigsten. Die Krise von 1929 belegt, daß der angebliche Gesellschafts-´Körper´ – in Wirklichkeit aber Milliarden von Fetzen des Patchworks, die unter dem paranoischen Kapitalgesetz der Reproduktion im Prinzip vereinigt sind – sich auflösen, zergliedern und für lange Zeit in Brei verwandeln kann (bis 1950/55…)…” – “…ohne andere ´Ursache´ als wilde, eifersüchtige Triebe, die seit dem Ersten Weltkrieg unaufhörlich an einem Kapitalgebrauch im Sinne der von Aristoteles gefürchteten Chrematistik gearbeitet haben.” (273) Lyotard, nachdem er auf einige Details zur Krise von 1921 eingegangen ist (er bezieht sich insbesondere auf Jacques Néré), fragt dann: “Gibt es dafür irgendeine Erklärung?” Und antwortet: “Das ist keine Angelegenheit für Libidoökonomen.” (274) “Keynes beschreibt in libidinöser Form, was die Wirtschaftswissenschaftler heuchlerisch ´Zirkulation´ nannten”, und “Schacht bemerkte bei dieser Gelegenheit, daß das deutsche Wort für den Geldwert … Währung* ist” (275) und währen dauern bedeutet – wovon aber in einer “Zeit der Flucht”, in der man nur noch davon träumen konnte, “eine vom Geld unabhängige Referenzeinheit wiederzugewinnen, die als gutes Geld gelten konnte” (275), keine Rede mehr sein konnte: “Jeder ´Austausch´ wird zu einem Erlebnis und öffnet den Raum für ein Abenteuer, in dem der Tod mitspielt.” (276) “Eine tödliche Erstarrung in einem Partialorgan des Handelskörpers.” (276) Den Reproduktionskörper hat eine “triebhafte ´Unordnung´” erfaßt: “der rennende Moskowiter Käsehändler ist ein Effekt einer Partialtrieberregung” (277). Sein Rennen ist hier “Effekt”; aber er selber, wovon ist er als Händler ein Effekt? Effekt der Signifikanten des Geldes und seiner Chrematistik? Haben die seine Partialtriebe erfaßt?

Baudrillard schrieb sehr viel später (1999) in seinem Buch Der unmögliche Tausch: “In der Marxschen Analyse begründet die formale Abstraktion der Ware einen Fetischismus erster Stufe, der mit dem Tauschwert verbunden ist. Wenn die Leidenschaft aber jenseits des Werts in der doppelt abstrakten Leidenschaft für das Geld Gestalt annimmt, wird dieses zum Objekt eines höheren Fetischismus, der nicht mehr mit dem Tauschwert, sondern mit dem Nichtaustauschbaren verbunden ist. Auf diese Weise wird das reale Objekt – in einer ersten Phase – zu einem Zeichen… In einem späteren Stadium aber wird das Zeichen wieder zum Objekt, allerdings zu keinem realen Objekt mehr, sondern zu einem Objekt, das viel weiter vom Realen entfernt ist als das Zeichen selbst, es wird zu einem Objekt außerhalb des Gesichtsfeldes, außerhalb der Repräsentation: zu einem Fetisch. Kein Objekt mit der Potenz eines Zeichens mehr, sondern ein Objekt mit der Potenz eines Objekts – ein reines, nicht repräsentierbares, nicht austauschbares Objekt…” (175/76). Diejenigen, die in Titel an der Börse “investieren”, nehmen diese Titel “nicht als Zeichen (von Produktionsmitteln)…, sondern als Dinge, die ausschließlich durch die mit ihnen vorgenommenen Tauschbewegungen einen höheren oder niedrigeren Wert bekommen. … eine Kaufbewegung genügt, um einen Titel aufzuwerten, wobei die Käufer als eine gewinnbegünstigte Minderheit angesehen werden, die nur beneidet und eifersüchtig betrachtet werden kann; wenn die Tendenz sich umkehrt, schwindet der Neid, schlägt zunächst in Zurückhaltung um und führt später zu einem massiven Verkauf. Die sog. ´psychologischen Faktoren´ des Börsenspiels bestehen in dieser eigenartigen ´Perversion´ (…) des Verhältnisses zum Kapital: Die Titel werden zu Gold…” (LÖ 278/79) “Und wenn wir Neid oder Eifersucht sagen, meinen wir nicht nur: Eifersucht unter Subjekten, also Besitzneid, sondern auch jenen Neid der ganzen Libido …, eine direkte Triebeifersucht, ohne die Vermittlung einer Eigentumsgrenze, die bewirkt, daß die auf dem Körper der Börsenwerte flottierenden Kapitalmassen sich auf ihm nicht gleichmäßig verteilen können, sondern auf ihm unaufhörlich verschoben werden und dabei die größten Potenzspielräume erzeugen.” (279)

Der “Spekulant” ist aber nicht nur “nicht an dem (re-)produktiven Wert dieser Aktien und Obligationen interessiert” (278), sondern die Ankäufe von Anlagepapieren wurden auch schon “von 1925 bis 1929 zum größten Teil ´à la marge´ abgewickelt, d.h. mit Geld, das auf Sicht ausgeliehen wurde…” (279) “Das Kreditgeld zirkuliert hier in einer ganz anderen Zeit als beim Produktionskapital: Es gibt keinen natürlichen oder der Natur vergleichbaren Zyklus mehr. Es gibt überhaupt keinen Zyklus, sondern nur noch die Auf- oder Abwärtsbewegung oder das Umschlagen der Börsenkurse, die in Turbulenzphasen völlig unvorhersehbar sind.” (279) Kurzfristige Ankäufe, “maximale Verschiebbarkeit”… es handelt sich um eine Ausplünderung… bzw. “um eine Zeit der Leidenschaft und der Verschwendung” … “intensiver, eifersüchtiger Gebrauch des Geldkapitals.” (280) “Es reicht also nicht, festzustellen, daß böse Spekulanten am Werk waren, es gab einen Spekulationsdrang, der selbst das zur Reproduktion vorgesehene Kapital ergriff. Es sind dieselben Leute, Unternehmensleiter, Präsentanten von Handels- und Industriegesellschaften, die eigentlich lange Zahlungsziele und den Aufschub lieben, dieser Gewohnheit aber dennoch die Wollüste vorziehen, die mit diesem Merkantilismus zweiten oder dritten Grades zu erlangen sind.” (281) Aber das ist nichts Neues – die Tulpenmanie mit ihren Termingeschäften erreichte 1636/37 ihren Höhepunkt. Es geht also nicht darum, “herauszubekommen, warum es Börsenspekulation gab; denn … es hat sie immer gegeben; und wir ergänzen: Es handelt sich dabei um eine libidinöse Ausdrucksform, die ebensowenig wie der industrielle Kapitalismus (der doch nicht weniger mysteriös ist, oder?) irgendeine kausale Begründung zuläßt.” (281) Jedenfalls nicht innerhalb einer Geldwirtschaft… “Auf die Frage nach der Verschiebung der triebhaften Einschreibung gibt es in der Tat keine Antwort. Daß die Intensität, die Kraft, sich eher im Handel mit Aktien, die als austauschbare Dinge gehandelt werden, ansiedelt als in der Produktion von konsumierbaren Waren, kann genausowenig erklärt werden wie die Tatsache, daß die im Genitalbereich logierende Libido sich in Richtung Anus oder Richtung Ohr bewegt.” (281) Nun, das überzeugt nicht; es stellt sich schon die Frage, warum eine Besetzung von x nach y abgezogen wird, und statt “Ohr” wäre Börse z.B. passender gewesen (obwohl “natürlich”: warum nicht zum Ohr? Aber es würde schon interessieren, warum das geiler als x oder y ist). Weswegen Lyotards Behauptung: “Die (in diesem Sinne banale) Erotisierung der Börse kann nicht erklärt, sondern nur festgestellt werden.” nicht überzeugt – und wieso überhaupt “banal”?!?

Es ist Lyotard wichtig, nochmal zu betonen, daß es hier (bei der “Tatsache, daß dieselbe Anlage reproduktiv oder spekulativ sein kann sich”) nicht um Ambivalenz geht; “wichtig ist, daß sich den Intensitäten zwei unterschiedliche Besetzungsorte anbieten und daß die Wollust sich unvorhersehbar zwischen beiden hin- und herbewegen kann.” (282) Nicht Ambivalenz, sondern Duplizität: “Die Duplizität des kapitalistischen Kredits ist eine Kopräsenz (…) von Tensoren in den Zeichen und von den Zeichen in den Tensoren. Und Zeichen und Tensoren gehören nicht demselben Zeit-Raum an: Die Zeichen entstehen durch die Definition des Systems, innerhalb dessen sie transformierbar (kommutierbar, übersetzbar, austauschbar) sind; die Tensoren öffnen je einzeln ihre vergängliche Zeit und ihren flüchtigen labyrinthischen Raum.” (282) Fürs Verständnis von Nutzen ist sicher seine Erläuterung zu den Zeichen: die Zeichen sind “verschiebbare Energiepakete. Das Pferd des Nomaden ist nur der beweglich gemachte Boden… ein Vehikel – wenn man vom Pferd zum Wechsel und von diesem zum Sichtkredit übergeht, dann bewegt man sich jedesmal in Richtung auf das am meisten Verschiebbare. In Richtung auf eine Zeit und einen Raum, der immer weniger ´weltlich´ oder kosmisch ist, sondern immer mehr libidinös, labyrinthisch und flüchtig.” (283) Bei der Spekulation, “bei dieser Ankurbelung der Zirkulation gibt es immer etwas Wildes, das den Zeit-Raum der Reproduktion, der ein reproduzierbarer Zeit-Raum ist, in Gefahr bringt.” (283) Die tensorische Kraft der Zeichen kommt von der Dissimilation oder (mit Deleuze/Guattari) von der Bewegung der Deterritorialisierung, die das System umdefiniert (oder pervertiert): vom sog. Normalen zum Perversen, von der Regulierung zur Deregulierung. “Noch mehr Perversion, noch mehr Artefakt, bis die Welt so künstlich werde, daß die Bewegung der Deterritorialisierung eine neue Erde schafft.” (AÖ 415).

“Ist es notwendig, zu sagen, daß dieses ganze Durcheinander unmöglich in den Begriffen Ausbeutung und Arbeitskraft beschrieben werden kann? Und die simplen strukturalen Gedankengänge eines Sraffa sind offensichtlich auch belanglos.” (283) Sein Traum von einer Standardware ist ausgeträumt – “die Episode von 73-74 beweist gerade, daß es diese Standardware nicht gibt und daß es sie in gewissen Sinne auch nicht geben soll. Wenn es sie gäbe, woher käme dann das Durcheinander? Und wie kann es ein solches Durcheinander in einer Reproduktion geben, die nur sich selber zum Zweck hat? Wenn die Investition im Hinblick auf die Reproduktion des Systems geregelt würde, wären solche Einbrüche ausgeschlossen.” (284) Das ganze Durcheinander ist also alles andere als paradox – paradox wird es nur dem erscheinen, der “an das Wertgesetz glaubt, z.B. wie bei Sraffa, wo die komplexe Standardware, die von der Hypothese eines Ursprungs des Wertes befreit werden soll, dennoch immer noch vom Glauben an das Gleichgewicht und an die Rückkehr genährt wird. Dieses Gleichgewicht ist keineswegs essentiell. Im ´modernsten´ Kapitalismus gibt es unter der Bezeichnung des Merkantilismus Spekulation, Imperialismus und ungleichen Tausch, also eine Macht, die nicht durch Ordnung entsteht, sondern durch Eifer: ´Eifersucht´ kommt von ´Eifer´.” (284) Man sagt: soziale Marktwirtschaft – macht aber un- oder asoziale, weil´s attraktiver ist. Darum “das Freigeben der Wechselkurse und die allgemeine Durchsetzung des floatings – all das geht in Richtung auf eine größere Verschiebbarkeit” (284). “Im Hinblick auf diese Verschiebbarkeit erscheint die manchmal langfristige Investition (d.h. die Besetzung oder Ansiedelung) von Energien in (Re-)Produktionsmitteln noch als etwas Natürliches, Zyklisches oder Regelmäßiges, sie macht aus dem produktiven Körper eine Art von Boden; den Boden der neolithischen Revolution.” (285) Das ist lange her: “Es gab einmal eine langsame, kosmische Zeit, die von Samen und Frucht, von Huhn und Ei, von Schwangerschaft und Zuckerschmelze. Mit den monetären ´Zeichen´ verläßt man diese Zeit und ihren Raum. Man wird geradezu verrückt vor lauter Zeichen: Sie lassen mehrere Zeiten zu, viel Zeit, sie sind Beschleuniger und Verlangsamer, gerade weil sie nicht zur (Re-)Produktion, das heißt zum Konsum und zum Nihilismus gezwungen sind.” (Zur Annullierung, vgl. oben) “Ihre Vervielfältigung beruht nicht auf ihrer Fruchtbarkeit…; es handelt sich um eine Konzentration von Reichtum an einem Pol, der am andern Pol geraubt wird…” (285) “Ist diese unsterbliche Duplizität und Dissimilation die einer jeden Kapitalisierung?” (286)

Wen die Libido der Ökonomie nicht weniger interessiert als die Ökonomie der Libido, wird sich m.E. fragen (müssen?), ob die Ökodynamik wie die Psychodynamik gedacht werden kann, d.h. in Analogie oder Homologie zur Psychodynamik – oder gar identisch? Oder gibt es hier erhebliche Unterschiede, knirschende Differenzen, die jeden Vergleich hinken lassen oder obsolet machen?

Lyotard sprach in Bezug auf die jederzeit mögliche Pervertierung des Geldes vom Zahlungsmittel zum Geldkapital von einer “triebhaften ´Unordnung´”, die den Reproduktionskörper erfaßt (277) und ihn “zum Bersten bringen” kann oder sogar muß (272), von einer “tödlichen Erstarrung in einem Partialorgan…” (276). Was ist ein Partialorgan? Meint er hier das Geld, das der Moskauer Händler aufgrund der hohen Inflation nicht mehr annehmen will? Im Gesamtregister der GW von Freud findet sich kein “Partialorgan”. Kennt die Psa. nicht bloß den Partialtrieb (Freud) und das Partialobjekt (M. Klein)? Also eine Art Triebenergie (mit einer Quelle, einem woher?) einerseits und ein Etwas, auf das sie sich richtet (ein Ziel, ein wohin?) andererseits. Hier geht es eher weniger um ein prosaisches Liebesobjekt im Sinne einer bestimmten Person, sondern “hauptsächlich um reale oder phantasierte Körperteile (Brust, Fäces, Penis) und ihre symbolischen Äquivalente” (Laplanche/Pontalis 373). Freud, sagen sie, habe “die Äquivalenzen und die Beziehungen, die sich zwischen verschiedenen Partialobjekten herstellen (Kind-Penis-Fäces-Geld-Geschenk), herausgearbeitet” (371). “Schließlich ist der Fetischismus auf der Ebene der Symptomatologie der Beweis für eine mögliche Fixierung des Sexualtriebes an ein Partialobjekt: wir wissen, daß Freud den Fetisch als Ersatz des Penis der Mutter definiert” (372) – ein vom Kind phantasiertes Körperteil. Interessant ist jetzt natürlich der Term “Partial”, weil er die Frage nach dem Ganzen stellt, wovon “Partial” ein Teil wäre. “Die Partialtriebe funktionieren zunächst unabhängig voneinander und streben danach, sich in den verschiedenen libidinösen Organisationen zu vereinigen.” (373) Der Begriff “Partialtrieb” korreliert also “mit dem der Gesamtheit, der Organisation”, wo die verschiedenen Partialtriebe “integriert” seien. Sie würden nach Freud “zuerst in einem anarchischen Zustand funktionieren, um sich sekundär zu organisieren” (374). Sie werden also als zunächst “unorganisiert” gedacht – und erst später (Pubertät) als sich organisierend oder organisiert (prägenitale vs. genitale Organisation). So weit die Theorie. Das Primat der Genitalität ist bekanntlich (immer) von Regression bedroht. Wichtig für uns ist vor allem die Tatsache, daß die Triebenergie, um die es geht und die Lyotard Libido nennt, sich tatsächlich auf alles und jedes richten kann, alles mögliche “besetzen”, aber diese ihre Besetzung auch wieder abziehen kann. D.h. Partialtriebe können nicht zu einer Art von Gesamt(-Körper) organisiert werden…

Ashley Woodward zieht zum Thema Politics ein für Linke enttäuschendes Resümee bei Lyotard: Lyotard’s interpretation of capitalism in the libidinal economy sees two possibilities inherent in capitalism, each entwined (verflochten) and inextricable (unlösbar). On the one hand, capitalism is a good system for the circulation of libidinal energies; it encourages enterprising explorations of and investments in new areas. On the other hand, capitalism tends to hoard up (horten, Schatzbildung, Vorräte) libidinal energy into structured and regulated systems, restricting its flow. This latter tendency is at work in the capitalist exploitation that Marx rallied against. Lyotard interprets these two tendencies of capitalism in terms of the theory of dissimulation. For Lyotard, there is no possible society that is not open to the desire to exploit and hoard libidinal energy in the way the capitalist does. This means that there is no utopian society free from exploitation, either pre-capitalist or post-revolutionary. Lyotard’s libidinal politics is not aimed at overthrowing capitalism, then, but of working within it to release the libidinal energies dissimulated within its structures. Practically, this also means working within existing political institutions, but “passively,” so as to release as much desire dissimulated within those institutions as possible, without constraining desires through planned outcomes.

Nun könnte “enttäuschend” allerdings auch das notwendige Ende einer Täuschung bedeuten. War man auf dem linken Auge libidoökonomisch blind? Hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht? Ist die Vorstellung umfassender polit-ökonomischer Planbarkeit das Ergebnis einer gefährlichen Verkennung des Begehrens – und Hybris eines angeblich revolutionären Subjekts?

Piotr Schollenberger zitiert Lyotard aus Dérive à partir de Marx et Freud (1973): The desire which forms and sustains institutions is maintained by investments of energy in the body, language, the earth, cities, sexual and generational differences etc. Capitalism is one of these investments.” Hier kann man sich eigentlich nur noch fragen: “one”/ EINE Form? Oder (44 Jahre später!) DIE Form? Natürlich nicht die einzige – keine Frage, daß es auch andere Formen libidinösen Investments gibt.

Was bleibt als vorläufiges Resümee? Lyotard zeigt schonungslos das Scheitern jedweder (Gesellschafts)Kritik auf: entweder bleibt diese ihrem Objekt per Negation verhaftet und reproduziert ein entsprechend spiegelverkehrtes „terroristisches“ Zero, oder sie tritt mit einem unzureichend begründeten Begriff von außen an die gesellschaftlichen Verhältnisse heran und begreift letztere als entfremdet (und spielt damit quasi Gott). Lyotard propagiert eine ausgeprägte Relativierung aller theoretischen Systeme, indem er diese als lediglich eine von zahlreichen Möglichkeiten einer Libidobesetzung begreift und dabei die Verschiebbarkeit libidinöser Besetzungen in den Vordergrund rückt. Er betrachtet die Unterbringung der Libido als den letztendlich entscheidenden Wirkfaktor. Damit macht er die zentrale Macht des Primärprozesses, vielleicht könnte man auch sagen: die „Determination in der letzten Instanz“ (Szepanski) durch die Primärprozesshaftigkeit stark: in erster Linie gibt es ein Luststreben, das stets auf Intensivierung der Lust hinzielt. Damit einher geht in der Regel auch eine Entbindung der Libido, ihre Verflüssigung, nach Freud: ihr freies Flottieren. Lyotard sieht nun gerade diese Tendenz, die auch als Tendenz des Todestriebs beschreibbar ist, als den zentralen Aspekt der Entwicklung des Kapitalismus. Symbolisierungen und entsprechend die Symbolisierungsfähigkeit werden zunehmend abgebaut zugunsten der Axiomatik des Wertgesetzes: letztlich zählt nur noch das Quantitative (alles wird austauschbar und es entwickeln sich Beliebigkeit und Gedächtnislosigkeit). Hier erscheint nun der kritische Punkt des gesamten Ansatzes: gerade in dieser Auflösung der Sinnhaftigkeit sieht er eine Chance für die Entwicklung von Intensitäten, die keinem terroristischen Zero unterworfen sind. Diese „affirmative … bejahende Vorstellung des Zero“ (12) geht für ihn damit einher, „den Wahnsinn zu suchen“; das „würde bedeuten, daß man aus sich, aus seinem Körper, in diesem Fall aus der Sprache einen durchlässigen Leiter für das Unerträgliche macht. Das wäre ein Diskurs, der zur Erregung hin verschoben und ihretwegen verfeinert wird.“ 309 (Erleben wir das nicht gerade aktuell in Form einer fast unerträglichen Inflation von ‚Sprachspielen‘, Wortneuschöpfungen, Bedeutungsverschiebungen und insbes. von Verkehrungen vermeintlich etablierter Bedeutungen in ihr Gegenteil, ja von bewussten Lügen (Fake-News)?) In dieser schwer aushaltbaren Sinnzerstörung einen ‚Fluchtweg‘ jenseits jeglicher abzulehnender Programme zu sehen erscheint in der Tat unaushaltbar. Entsprechend begrenzt Lyotard sich auch in seinem Schlussappell darauf, „zu bleiben, wo wir sind, aber ohne großes Aufsehen jede Gelegenheit zu ergreifen, als intensitätsleitende Körper zu funktionieren. … Die Dissimilation zugunsten der Intensitäten wirken lassen.“ 311

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