Das Kapital – vom nihilistischen Operator zum suizidalen Faschist

Lyotard schreibt, dass es sich beim Kapital um einen Pseudo-Organismus handele, der nicht einmal in der Lage sei, eine Diskurs zu formulieren, der seine eigene Wahrheit begründe, da es über keine Metaphysik verfüge, die seine Existenz erklären und rechtfertigen könnte. Die vom Unsichtbaren Komitee vorgetragene Feststellung, dass wir in einer Welt ohne Rechtfertigung leben, trifft zu, seit das Kapital als dominante Produktionsweise fungiert. Nirgendwo gibt es seitdem ein „Deshalb bin ich hier“. Einen tricky Ausweg finde das Kapital, so Lyotard, es sage, ich schlage euch Axiomatiken vor, was nichts anderes heißt als einen Sinn zu wählen. Unter anderem deshalb lässt man deshalb auf der politischen Ebene wählen. Letztendlich funktioniert diese Art der Semiotik nur, wenn alle einverstanden sind. Dafür sorgen Kapital und Staat dann ab und zu auch mit Gewalt, meistens reicht der Glaube seiner Insassen, dass es so sei.

Das Axiom ist eine operative Aussage, die keines Beweises bzw. keiner Ableitung durch andere Aussagen bedarf. Die Axiomatik ist ein System von axiomatischen Sätzen. Das Kapital operiert mit der permanenten Addition oder Subtraktion von operativen Aussagen, die rein funktionale Elemente und Beziehung betreffen und wesentlich unspezifiziert bleiben, sodass die Wahl eines Axioms hinsichtlich der Ökonomie bedeutet, dass wichtige technische Terme undefiniert bleiben, da der Versuch, alle Terme zu definieren, in eine endlose Regression führt. Axiomatik versucht als operative Methode, die keiner Begründung oder keines Beweises bedarf, mit der Addition oder Subtraktion von Hypothesen, Normen, Kommandos oder eben weiteren Axiomen stabile Systeme herzustellen, die sich mit unspezifizierten Elementen und Relationen im Rahmen einer Funktionalisierung verwalten lassen. Axiome bieten keinerlei Flachen oder Anhaltspunkte für Exegesen, Interpretationen oder Kommentare an, sie umspülen den Nihilismus des Kapitals.

Das kann alles nur gut gehen, solange die Produktivkräfte wachsen. Schlagen die Produktivkräfte aber in Destruktivkräfte um, dann transformiert das Kapital vom nihilistischen Operator zum suizidalen Faschisten. Und diese Phase beginnt jetzt. Es bleibt eine Frage der Wahrscheinlichkeit, ob schwindende natürliche Ressourcen wie Wasser, Nahrungsmittel und Energie, Klimawandel, Verringerung der Biodiversität, stratosphärische Abnahme des Ozons, Ubersäuerung der Meere, extreme Wetterbedingungen, prekäre Trinkwasserversorgung, chemische Verschmutzung und die Veränderung der Bodenbedingungen zur Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschheit führen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, soviel lässt sich den Modellen der Klimaforscher, die auf empirischen Untersuchungen beruhen, entnehmen. Diese Modelle beruhen im Übrigen nicht auf Axiomen.

Dem korrespondiert die Existenz einer riesigen Surplusbevölkerung auf dem Globus, die das Kapital mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in Lohnarbeit und damit als variables Kapital setzen wird können. Dieser Teil des Proletariats muss sich deshalb auch nicht mehr von seinen Ketten befreien, es ist als potenzielle Freiheit gesetzt. Es hat nichts zu verlieren und kann mühelos alle Verhältnisse zerschlagen, in denen der Mensch ein geknechtetes und erniedrigtes Wesen ist. Der Vor-Schein dieses Proletariats sind die Migranten, das Kapital und seine Insassen in den Wohlfühloasen ahnen das und überziehen die Welt mit Zwangsarbeits- und Vernichtungslagern in der Größe von ganzen Ländern. Noch einmal steckt das Kapital zurück, verstärkt sein faschistische Potenz und mildert seine suizidale Tendenz. Wie bei den Faschisten wird aber der Suizid siegen. Niemand weiß, wann. Im übrigen das Kapital tut nichts, es ist kein Subjekt, es ist ein replacing state.

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