Der esoterische Marx: Relativer Mehrwert, Kapital, Finance

Marx hat die finanziellen Instrumente ausschließlich der Zirkulationssphäre zugeordnet und ihre Funktion abgetrennt von der Funktionsweise der Technologien bzw. physikalischen Produktionsmittel analysiert, die den vergangenen Reichtum aufbewahren und zugleich eine zukünftige Nachfrage nach produzierten Gütern ermöglichen. Bei Marx scheint es, wenn es um den Wert geht (analog zur Energie und Materie), meistens eine Art Erhaltungsprinzip zu geben, wobei das Wachstum des real akkumulierten Reichtums nie größer sein kann als die Profite, die in der Industrieproduktion in einer gegebenen Periode produziert und realisiert werden (multipliziert mit der Mehrwertrate, die durch die Investmentrate diskontiert wird), sodass jede Vergrößerung des Werts des physischen Kapitals bzw. des konstanten Kapitals in Form der finanziellen Instrumente ihm gar nicht erst in den Blick gerät oder als rein fiktiver Reichtum gilt. (Vgl. dazu Meister 2016: Kindle-Edition: 2702ff.) Für Marx kann das reale Wachstum einer Ökonomie demnach niemals größer als der industriell produzierte Profit sein. Dies kann aber nicht mehr für das zeitgemäße Kapital und das Finanzsystem und seine Finanzinstrumente gelten, weil die Assets selbst Finanzierungsmittel sind, um die Investitionen in der sog. Realindustrie in Gang zu setzen und zu erweitern.

Marx` esoterisches Argument hinsichtlich des Reproduktionszyklus des Kapitals, dass die Produktion von Waren und Dienstleistungen immer auch eine Nachfrage der Investoren kreiert, und zwar nach finanziellen Mitteln, die der Erhaltung, der Akkumulation und der Vergrößerung des Mehrwerts dienen, wobei finanziellen Mittel im selben Prozess wie die Herstellung von Waren und Dienstleistungen produziert werden. Die Produktion der Waren muss heute also mit der physischen Produktion und der Akkumulation der Werte der Assets zwangsläufig verbunden sein.

Wir stellen nun hinsichtlich der Funktionsweisen des Finanzsystems folgende Frage: Welche neuen Typen von finanziellen Assets müssen heute entstehen, um die kapitalistische Reproduktion insgesamt abzusichern und gleichzeitig zu erweitern, und wie kann das variable Verhältnis zwischen den Asset-Märkten und den Konsumgütermärkten Bedingungen hervorbringen, auf die neue Bewegungen für soziale Konflikte antworten? Marx sieht im Kapital, dass die neuen Typen von finanziellen Assets, die zum Zweck der Beschleunigung der Kapitalakkumulation benutzt werden, vom Geld zu unterscheiden sind. ,Die allgemeine Formel des Kapitals kann für Marx nicht einfach nur G-G` sein – Geld, das zu MehrGeld führt, sondern es muss zunächst, um den realen Reichtum erzeugen zu können, ein monetäres Investment geben, das anders als das Geld im Warentausch funktioniert. Marx sieht natürlich, dass der Mehrwert qua Lohnarbeit produziert wird, der wiederum die Funktion besitzt, die effektive Nachfrage für die von den Arbeitern produzierten Güter zu steigern. Marx sieht allerdings selten, dass der Mehrwert erhalten und akkumuliert wird, indem Produktionsmittel gekauft werden, die nicht nur als Mittel (konstantes Kapital) dienen, sondern die auch als Assets fungieren, welche wiederum als ein Hedge gegen die Gefahr dienen, dass Teile der produzierten Waren nicht realisiert werden und es deswegen zu Insolvenzen kommt oder dass das Geld, das in der Produktion kreiert, nur gespart oder gehortet wird. Der Kauf der Produktionsgüter (konstantes Kapital) stellt eine partielle Lösung für das Problem dar, wie der Reichtum erhalten und akkumuliert werden kann, ohne das Geld zu horten. Das Konzept des konstanten Kapitals wird jetzt auch als ein relativ liquides Asset begriffen, insofern die kapitalistische Produktion finanziert und der aus ihr resultierende Surplus in neue Produktionsmittel reinvestiert werden muss.

Die Produktion von finanziellen Instrumenten ist definitiv als eine Alternative zum Halten oder Sparen des Geldes zu begreifen, indem sie den realen Reichtum erhält und akkumuliert. Für einen finanziellen Investor bedeutet dies, dass der Kauf von finanziellen Assets als eine Version der Formel G-W-G` mit der Formel G-G` verglichen werden muss – erstere nun als eine Strategie des Hedgens des Werts begriffen. In der Formel G-W-G` gibt es nämlich zwei Substitute für W (Ware), nämlich das Geldkapital, das in die Arbeitskräfte (W) investiert wird, und das Geldkapital, das in die Produktionsgüter investiert wird, die, und das ist nun der springende Punkt, zum einen als Produktionsmittel, zum anderen als mehr oder weniger liquide Sicherheiten fungieren, die benutzt werden, um neuen Cash zu generieren.

Für Robert Meister (ebd.) führt der Modus der relativen Mehrwertproduktion1 sofort die Logik des Finanzsystems in den Modus der Produktion ein, wobei es ihm in seiner Analyse unter anderem auch darum geht, zu untersuchen, welche Effekte die Operationen und Methoden des Finanzsystems auf die ordnungsgemäße Reproduktion der sozialen Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital haben. (Lee, Martin 2016: Kindle-Edition: 6801f.) Versuchen wir einen ersten Erklärungsversuch: Der Mehrwert, der in einer gegebenen Produktionsphase produziert wird, kann (wenn er nicht einfach als Geld gehortet wird) in der nächsten Phase nur durch ein erweitertes Reinvestment in Produktionsmittel und Rohmaterialien einerseits erhalten und andererseits vergrößert werden. Ohne die Vermehrung gibt es keine Erhaltung von Kapital. Das Kapital investiert bei der Erweiterung der Produktionskapazitäten auch in Arbeitskräfte, weil es auf einen Spread zwischen der Arbeitskraft des Geldes (der Beitrag der Arbeiter zum BIP) und dem Geldwert der Arbeitskraft (Lohn) hofft. Es gibt jedoch verschiedene Arbitrage-Möglichkeiten zur Erhöhung der Profite für Unternehmen, insbesondere wenn sie mit verschiedenen Technologien und unterschiedlichen Produktivitäten operieren, aber diese Arbitrage-Möglichkeiten werden im Zuge der Ausgleichsbewegungen zu Durchschnittsprofitraten auch wieder eliminiert, ansonsten wäre für ein dominantes Unternehmen die Erhaltung und Erweiterung des Extraprofits endlos möglich, was letztendlich in seiner Monopolstellung enden würde. Es gibt bei Marx zwei verschiedene Argumente, die in seiner Analyse und Kritik der allgemeinen Formel G-W-G` eine Rolle spielen. Bezüglich des absoluten Mehrwerts besteht das Argument zunächst darin, dass die Anwendung der Arbeitskraft die Produktion eines Mehrwerts ermöglicht, der von den Arbeitern geschaffen wird, denen ein gegenüber dem insgesamt von ihnen produzierten Wert ein geringerer Anteil als Lohn bezahlt wird, mit dem sie diejenigen Konsumwaren kaufen können, die sie selbst produzieren.

Im Fall des relativen Mehrwerts verläuft die Argumentation anders: Am nächsten kommt Marx dem Problem der Darstellung der Relation zwischen der Warenproduktion und der Produktion von Assets in seiner Analyse der relativen Mehrwertproduktion im Kapital Bd.1. Die relative Mehrwertproduktion basiert, wenn es um das Finanzsystem geht, auf dessen erster Maxime, dem Gesetz des einheitlichen Preises. Dieses besagt, dass zwei identische Wareneinheiten unabhängig von den jeweiligen Kosten der Unternehmen zum selben Preis verkauft werden sollten, was immer die Formen der Produktion sind, bei denen Rohmaterialien mit Hilfe von Maschinen und Arbeitskräften in fertige Produkte verwandelt werden. Dem Unternehmen ist jedoch eine positive Arbitrage-Möglichkeit hinsichtlich seines Investments in Produktionsmittel gegeben, wenn es in der Lage ist, mehr Wareneinheiten in einer gegebenen Arbeitszeit produzieren zu lassen als die Konkurrenten. Die Kreation der Arbitrage via der effektiveren Transformation des Rohmaterials (ein Teil des konstanten Kapitals) ist Teil der Erhöhung der Produktivität durch das Investment in neue Maschinen (ein anderer Teil des konstanten Kapitals). Der Extramehrwert wird hier nicht durch die Anstellung neuer Arbeiter oder etwa durch die Arbeitsintensivierung generiert, sondern dadurch, dass das fertige Produkt zu einem niedrigeren Preis (per Einheit) als dasselbe Produkt der Konkurrenz verkauft werden kann. Diese Akkumulation des Reichtums durch die relative Mehrwertproduktion ist ganz real und materiell, insofern sie von der Arbitrage bezüglich des konstanten Kapitals herrührt, (und nicht vom absoluten Mehrwert, der einer Erhöhung der Arbeitszeit oder einer wachsenden Zahl von Jobs entspricht). Das esoterische Marx`sche Argument bleibt zudem auf die Notwendigkeit bezogen, dass das Endprodukt am Markt realisiert werden muss, was wiederum vom Konsumgütersektor und vom finanziellen Sektor (Konsumentenkredite) abhängig bleibt, wobei letzterer den erstere beeinflusst. Das Marx`sche Konzept der relativen Mehrwertproduktion führt zu Fragen der realen Akkumulation, wobei es in der letzten Instanz die Logik der Finanzialisierung ist, die sich in der relativen Mehrwertproduktion ausdrückt und schließlich auch zum allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation führt. Dieses Gesetz beschreibt die Kreation einer erhöhten Produktionskapazität (des konstanten Kapitals) bei gleichzeitigem Wachstum der Surplusbevölkerung, die aufgrund des Einsatzes der arbeitssparenden Techniken überhaupt nicht mehr an die Lohnarbeit herangeführt werden kann.,

Zwei Argumente spielen also eine wichtige Rolle in der Darstellung und Kritik der allgemeinen Formel des Kapitals G-W-G`. Neben der absoluten Mehrwertproduktion gibt es eben die relative Mehrwertproduktion, wobei es zuallererst die Finanzialisierung der Produktionsgüter und der Arbeiter den Kapitalisten erlaubt, in der Produktion den materiellen Output zu erhöhen, und zwar durch das Investment in Maschinen, Rohstoffe, Energie, Software etc., während sie simultan immer versuchen die Lohnkosten und die Anzahl der Arbeitskräfte zu senken. Das daraus zwangsläufig folgende Realisierungsproblem beinhaltet die Frage, wie es überhaupt möglich ist, die produzierten Waren als Preise zu aktualisieren und zu monetarisieren und damit weitere monetäre Fonds zu erzeugen; Marx behandelt das Problem im Kapital Bd.2, das oft so verstanden wird, als ginge es hier nur um die Frage des Gleichgewichts der Reproduktionsprozesse in und zwischen den beiden Sektoren der Produktions- und der Konsumgüter. Die potenzielle Möglichkeit, dass Waren nicht realisiert werden, tritt hier zu Tage und dem folgt, dass dann keine weiteren monetäre Fonds erzeugt oder in Geld realisiert werden können (die Nicht-Realisierung ist auch den finanziellen Assets immanent, anders als beim Geld, dessen Geheimnis darin liegt, dass es nicht ausgegeben werden muss). Was Marx aber hier wirklich nicht diskutiert, das ist das Verhältnis von Markt und Liquidität, denn das Problem der Liquidität wird von Marx der Wertaufbewahrung des Geldes zugerechnet.

Der Mittelterm der Formel G-W-G` kann nicht einfach nur als eine Ware, die im Produktionsprozess produktiv angewandt wird, verstanden werden, sondern muss auch als ein gehedgtes Portfolio begriffen werden, das als Kapital ausgepreist wird. Der Hedge selbst, der ein vermarktbarer Vertrag ist, hat keinen Gebrauchswert außer seinem Tauschwert. Es ist ganz einsichtig, dass bei großen Konzernen wie etwa General Motors die Produktionsgüter Teil des eigenen Portfolios sind, das natürlich auch Anleihen oder Optionen auf die Produktionsgüter enthält. Randy Martin registriert an dieser Stelle einen Shift von G-W-G` zu G-D-G`, wobei D für das Derivat steht, das nun den produktiv konsumierten Waren wesensgleich ist und die Selbstbewegung des Kapitals zudem auch antreibt. (Ebd.: 347) So kann beispielsweise ein Unternehmen durch den Kauf von Optionen auf einen Rohstoff, den es für seine Produktionsprozesse benötigt, seine eigene Kreditwürdigkeit, die durch das Risiko steigender Rohstoffpreise beeinträchtigt wird, steigern. Gleichzeitig werden die Operationen einer ganzen Reihe weiterer Akteure vom Kursindex dieses Rohstoffes beeinflusst. Dabei werden Risiken transferiert, dupliziert und multipliziert und in andere Räume verschoben.

Marx zeigt im Kapital Bd. 3, dass es für die Unternehmen je schon ein Realisierungsproblem gibt, unter anderem eben auch dann, wenn sie qua Kredit in Produktionsmittel investieren, die während der Produktionszeit an Wert verlieren, sodass die hergestellten Produkte zu dem historischen Durchschnittspreis am Markt nicht mehr verkauft werden können und der Kredit dann eventuell auch nicht mehr bedient kann. (Ebd.; 6801f.) Dies ist ein Problem, das anzeigt, dass das Investment unbedingt gehedgt werden muss. Das Realisierungsproblem differiert von anderen finanziellen Instrumenten insofern, als die Assets hier auf produzierte Produktionsmittel bezogen sind und nicht allein als finanzielle Vehikel bzw. Assets der Akkumulation dienen. Insofern jene Assets einen Gebrauchswert besitzen, der über ihre reine Liquidität hinausgeht, sind sie keine rein finanziellen Produkte, deren Gebrauchswert allein darin besteht, in einer differenziell-immanenten Bewegung einen Preis zu realisieren, der Renditen an den Finanzmärkten generiert. Die Nicht-Realisierung des Marktpreises für ein Endprodukt oder dessen Verkauf unter dem Durchschnittspreis resultiert für das Unternehmen in einem Rückgang der monetären Fonds und einer reduzierten Möglichkeit, alle Rohmaterialien zu benutzen und die Kapazitäten/Maschinerie auszulasten, um damit neue, höhere monetäre Fonds zu erzeugen.

Was nun Marx nicht wissen konnte, das besteht einfach darin, dass die Realisierung der produzierten Waren durch die Fabrikation von Puts und Calls auf Optionen, die auf die Produktionsmittel und Rohstoffe bezogen sind, gehedged werden kann; sie bewahren damit in der Tendenz zumindest den Wert des Investments in Maschinen und in Rohmaterial während der Zeitperiode, in der sie in Endprodukte transformiert werden. Noch konnte Marx wissen, dass mit der Fabrikation von Optionen in den am Markt fluktuierenden Preis eines fertigen Produkts interveniert werden kann. Die Existenz eines Marktes für Puts und Calls – die kontinuierliche Möglichkeit die Option permanent auszupreisen und zu monetarisieren – erzeugt heute genügend Liquidität für den unterliegenden Markt der Produktions- und Konsumgüter, um die Risiken für deren Realisierung tendenziell zu beseitigen. Der Wert der Produkte wird nun immer stärker in Form von finanziellen Assets bewahrt und zugleich akkumuliert, indem mit dem Spread zwischen dem Marktwert des Assets, wenn es denn liquide bleibt, und dem Liquidationswert des Assets gehandelt wird. Ein voll liquides Asset ist zudem so gut wie Cash und ist dann auch eine Alternative zur Wertaufbewahrung von Geld, wobei es hier kaum Risiken gibt, dass das Asset nicht sofort zu seinem Marktpreis realisiert werden kann. Um ein Asset zu finanzieren, das nicht voll liquide ist, muss dann eine Liquiditätsprämie gezahlt werden, indem man entweder einen Hedge ausführt oder indem man eine Sicherheit kauft, die liquider als das Asset selbst ist. Der Liquidationswert des Assets wird wiederum das Geld sein, das man bekommt, wenn man die verpfändete Sicherheit verkauft, und die Liquiditätsprämie wird das Ausmaß reflektieren, mit dem der ursprüngliche Wert der Sicherheit den Wert des finanziellen Assets, das benutzt wurde, um es abzusichern, übersteigt.

Das kapitalistische Portfolio eines Unternehmens besteht also nicht nur aus Anleihen und Schulden, sondern auch aus den Puts und Calls der Optionen, mit denen man Hedgings vornimmt. Ohne die korrekte Ausgestaltung der Preisbewegung der Puts und Calls kann es kein robustes Recycling der Anleihen und Schulden geben. Ein Call wird hier als das Recht gefasst, sich einen potenziell unendlichen Surplus anzueignen, und ein Put ist ein Instrument, um den Verlust zu begrenzen. Es sind beides derivative Mittel, die anzeigen, ob sich für ein Unternehmen das Investment in einen neuen Kapitalstock lohnt, um seinen Kapitalspeicher und seinen Profit zu vermehren, wobei der Kapitalstock eben nur eines der Mittel zur Vermehrung des Profits ist, dessen komplementäre Form heute das finanzielle Asset ist, womit man auch sieht, dass die relative Mehrwertproduktion nur eine Möglichkeit darstellt, die Spreads in einem partikularen Markt auszunutzen. Ohne die Calls und Puts auszupreisen und sie an den Derivatmärkten zu handeln, lässt sich heute also kein gut gehedgtes Portfolio, das aus Schulden und Anleihen besteht, führen, wobei das Portfolio zu jeder Zeit Liquidität besitzen soll. Die G-W-G` Formel beschreibt W deshalb immer auch als ein Portfolio, das aus Schulden und Kapitalstock sowie aus Puts und Calls besteht. Diese sind anders als das Geld reine finanzielle Produkte und deren Relation kann in einem finanziellen Formular fixiert werden, das die Parität von Schulden und Kapitalstock in Termen beschreibt, die wiederum auf die Parität von Puts und Calls bezogen sind. Das Investment in W muss deswegen laut Meister folgende Gleichung erfüllen:

Stock + Put=Schulden + Call. (Meister 2016: Kindle-Edition: 3044)

Diese Formel beinhaltet eine einfache Identität: Wenn man einen Kapitalstock und einen Put besitzt, der eine Absicherung nach unten enthält, dann lässt sich ein Return auf ein Investment replizieren, der gleich dem Besitz eines Calls ist, der die Möglichkeit der Partizipation an einem Mehr erfüllt, und zwar bezogen auf den Kapitalstock plus auf den gegenwärtigen Wert eines Kredits. Man kann nun Puts oder Calls benutzen, um ein komplett gehedgtes Portfolio zu erhalten, das wiederum einen Return ermöglicht, der zumindest gleich der risikofreien Zinsrate ist. Die Spirale G-W-G` beinhaltet also eine doppelte Arbitrage-Möglichkeit, nämlich zum einen das Spiel mit den Spreads in der Bewertung der Maschinen und der Arbeitskraft, unter der Voraussetzung, dass der Lohn weder investiert noch versichert werden kann, und zum anderen ein voll gehedgtes Portfolio auf der Grundlage der Call-Put-Parität. Die Grundlage für das Hedging ist der Kredit sowie der Return auf das Investment. Wenn dieser Rückfluss an Geld, der stets auf den Kredit, den das Unternehmen aufnimmt, bezogen bleibt, das Paradigma der Portfolioseite von G-W-G´ darstellt und diese auch in Bezug zu den Investments in die Löhne steht, dann sind die Effekte der Finanzsystems auf die Produktionsprozesse der Unternehmen komplizierter als Marx das sich je vorgestellt hat.

Der Preis eines gehedgten Portfolios wäre dann von der finanziellen Seite der Produktion aus gesehen das Gegenstück zum Auspreisen der Waren, das von der reinen Produktionsseite aus betrachtet wird. Die Möglichkeit des Hedgens ist genau das, was den akkumulierten Reichtum bewahrt, indem verhindert wird, dass er außerhalb eines bestimmten Rahmens in einer gegebenen Periode krisenhaft fluktuiert. Es muss weiter zwischen der Preisstabilität der Waren und der finanziellen Produkte (als Vehikel der realen Kapitalakkumulation) unterschieden werden. Selbst wenn die Profite, die durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte entstehen, fallen, so können die Rückflüsse auf das investierte Kapital durch einen wachsenden Markt für Finanzprodukte steigen.

Warengüter besitzen keine Liquidität, insofern in ihnen keine ökonomisch verwertbaren Optionen verkörpert sind. Deshalb kann der Lohnarbeiter auch nicht investieren, er muss sein Geld ganz für den Konsum ausgeben und deshalb muss er kontinuierlich zum Arbeitsmarkt gehen, um das Geld für seine Konsumtion zu verdienen. Jede andere Ware außer den Konsumgütern besitzt jedoch Liquidität und kann als ein Vehikel zur Bewahrung und zur Akkumulation des Kapitals dienen. Finanzielle Produkte wie die Krankenversicherung, Pensionsfonds und Studentendarlehen sind heute Teil der Lebenskosten eines Haushalts, aber anstatt sie als ein Investment in das Humankapital zu begreifen, sollte man sie eher als ein Art Steuer verstehen, die man dem finanziellen Kapital zahlt.

1 Die relative Mehrwertproduktion erklärt die Effekte des Kapitals, die aus der technologischen Innovation resultieren, mit der die Produktivität in einem Unternehmen gesteigert wird. Das relativ produktivere Einzelkapital kann die einzelne Ware aufgrund der Wertminderung billiger als die Konkurrenz verkaufen und damit einen größeren Teil der gesellschaftlichen Wertmasse für sich realisieren. Mit der Verbilligung der Lebensmittel sinkt der Wert der Ware Arbeitskraft, sodass auch der Anteil des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten Teil sinkt (Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals), aber diese Verbilligung führt eben auch dazu, dass die Arbeitskraft weniger Wert für ihren Erhalt produzieren muss, womit der Anteil des Mehrwerts am Gesamtprodukt wieder steigt. Dies gilt aber nur für das Einzelkapital, für das Gesamtkapital gilt der kompensatorische Effekt nur, wenn die Anzahl der produktiv angewendeten Arbeitskräfte absolut steigt. Die ist der Aspekt der Arbeitskraft, aber es gibt eben auch den technologischen Effekt.

Es war Hans-Dieter Bahr, der in diesem Kontext angemerkt hat, dass Marx im 12. und 13. Kapitel des zweiten Bandes des Kapitals eine analytische Aufspaltung der Produktionszeit (des Kapitals) in Arbeitszeit und Funktionszeit der Maschinerie vornimmt. (Vgl. Bahr 1983: 434) Von der Funktionszeit der Maschinen lässt sich Bahr zufolge dasselbe aussagen wie von der Arbeitszeit, die mit den Methoden der relativen Mehrwertproduktion pro Stück gesenkt werden soll. Nun besitzt das fixe Kapital bzw. die Maschinerie eigene Funktionszeiten, die, insofern sie für das Unternehmen gekaufte Größen sind, wie die in das einzelne Produkt eingehende Arbeitszeit verringert werden müssen. Und insofern die Funktionszeit pro Produkteinheit sinkt – das kann durch erhöhte Skalenerträge, Innovation, Rationalisierung und Automatisierung etc. geschehen – gibt es keinen Grund, warum man die Maschinerie oder heute die digitale Technologie nicht minder als Quelle von Mehrwert wie die lebendige Arbeit begreifen sollte, falls die neuen Produkte bei gegebenem Arbeitseinsatz für das Unternehmen einen Verkaufspreis realisieren, der höher als der Einkaufspreis für Rohstoffe, Produktionsmittel, Löhne, Zinsen etc. ist, insofern dieser Verkaufspreis auf technologisch bedingte Rationalisierung zurückzuführen ist. Demzufolge vermag das einzelne Kapital seinen Anteil an der gesellschaftlichen Gesamtproduktion auch dann zu erhöhen, wenn es ihm gelingt, seine Produktionszeiten pro Stück durch die Effektivierung der maschinellen Funktionszeit – und eben nicht nur durch die Verdichtung der Arbeitszeit – zu verringern und damit die innerbetrieblichen Kosten zu senken. Ein Unternehmen erzielt genau dann einen Extraprofit gegenüber Konkurrenzunternehmen, wenn es ihm gelingt, seine Produkte, die aufgrund der Anwendung neuer Technologien im Preis pro Stück gesunken sind, billiger als die anderer Unternehmen zu verkaufen. Die Produktionskosten pro Stück fallen in den besonders produktiven Industrien infolge des Einsatzes spezifischer technologischer Innovation schneller als in anderen Industrien. Mit einer Durchsetzung von neuen Technologien in einer Branche, mit der die Extraprofite wieder verschwinden, verdichten sich die gesellschaftlich notwendigen und gültigen Arbeits- und Funktionszeiten auf allgemeinerer Ebene; es pendeln sich Marx zufolge Durchschnittsprofitraten auf einem neuen Niveau ein, wobei diese durch neue Wellenbewegungen, die von weiteren technologischen Innovationen oder Störungen herrühren, immer wieder gekappt werden.

Allerdings handelt es sich hier um die Darstellung eines ideellen Prozesses, der impliziert, dass Effizienz (minimaler stofflicher Input pro Einheit des Outputs) per se ökonomische Effizienz (minimale Kosten pro Einheit des Outputs) und ökonomische Effizienz mithin maximaler Profit bedeutet. Dies muss aber unter mehreren Gesichtspunkten nicht immer stimmen, denn a) kann es für das einzelne Kapital sogar effizient sein, ineffiziente Techniken anzuwenden oder gar ineffiziente Produkte zu verkaufen, b) nehmen die Unternehmen oft Kalkulationen derart vor, dass sie durchschnittliche Stückkosten (Kosten bei einem gegebenen durchschnittlichen Level des Outputs) festlegen, denen sie einen branchenüblichen Aufschlag hinzufügen, um diesen Preis dann über längere Perioden stabil zu halten bzw. ihn an die zyklischen Nachfrageveränderungen anzupassen, mit dem Ziel langfristige Profitraten auf einem konstanten Niveau zu erzielen, und c) kommt es natürlich auch vor, dass in manchen Unternehmen so gut wie überhaupt keine »reale Wertschöpfung« qua Arbeitskraft stattfindet, sie aber dennoch einen Teil des Gesamteinsatzes sog. abstrakter Arbeit auf der Ebene des Gesamtkapitals absorbieren/realisieren, womit der interne Produktivitätsstandard so gut wie keine Rolle mehr spielt.

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