DER SURREALISMUS UND LE GRAND JEU

In abstracto nehmen die Surrealisten eine historische Position ein, die auch die von “Grand Jeu” ist. Zum Bewußtsein der dialektischen Notwendigkleit der Revolution gelangt, stellen sie fest, daß ihre Tätigkeit den intellektuellen Aspekt der revolutionären Kraft darstellt, deren physischer Aspekt das Proletariat ist. Ihr Ziel ist daher: der proletarischen Revolution zu dienen, indem sie “die wirkliche Arbeitsweise des Verstandes” beschreiben.

Ihre Rolle bestände also in der Errichtung einer Erkenntnis des Verstandes, die von der Dialektik geleitet ist und fähig wäre, die psychologischen Illusionen zu zerstören, die als Nutznießer der Abwesenheit einer revolutionären Lehre in ihrem Bereich immer noch unsere Menschlichkeit mit ihrem Schimmel bedecken.

In der Tat existiert die gesuchte psychologische Lehre noch nicht. Die surrealistischen Techniken können ausgezeichnete Mittel zur Erforschung gewisser Bereiche darstellen, wenn sie als einfache Techniken aufgefaßt werden. Unglücklicherweise werden das automatische Schreiben, die Traumversuche usw. allzu schnell für die Surrealisten Mittel des Denkens, denkende Mechanismen, anders gesagt, Verfahrensweisen zum Schlafen, um nicht denken zu müssen. Die Ursünde der Surrealisten – die allgemeine menschliche Sünde – ist diese Suche nach der Denkmaschine. Es gibt kein Mtttel, um zu denken: ich denke, unmittelbar, oder ich schlafe.

Die Abwesenheit dieses einzigen Maßstabs: des Bewußtseins, wirft in die surralistischen Forschungen eine gewisse Konfusion. Obwohl sie sich manchmal bewußt sind, was der “dialektische Materialismus” in seinem Wesen ist: das Erkennen der Welt als einer Materie, deren Daseinsform die Bewegung ist, fallen sie zu oft in den alten Materialismus zuirück (Primat der Materie über das Denken), der immer nur ein hinkender Dualismus ist (wie der alte Idealismus, der die Materie wegläßt, ein hinkender Dualismus ist).

Wenn ihr Denken schwankt, klammern sie sich immer an diesen Materialismus: noch ein Mittel, ein ihnen fremdes und künstliches System, ein Trick, um das Denken zu verhindern.

Unsere Rolle, die die ihre sein sollte, ist im Wesentlichen:

  • die Materie zu beschreiben, die Bewegung ist;
  • die verschiedenen Arten der Bewegung: die Rhythmen;
  • die verschiedenen Aspekte des Konkreten: physisch, biologisch, psychologisch als Arten der Bewegung, die gewissen gegebenen Rhythmen unterworfen ist;
  • die Dialektik als rhythmische Bewegung in allen Bereichen usw.

Kein Bereich der menschlichen Erkenntnis kann dieser Erforschung entkommen: es erfordert jedoch eine beständige Anstrengung des Denkens, um dialektisch zu denken und nicht gemäß einer dialektischen Logik. Das, was existiert, ist tatsächlich, egal was sie sagen, für allzu viele “Materialisten” nicht die Materie, sondern die Idee der Materie: darin werden sie immer versteckte Idealisten sein, solange sie nicht die Beziehung erfaßt haben, die zwischen der Bewegung “Idee vom Kieselstein” und der Bewegung “Kieselstein” besteht.

Ebenso als sehr unzureichend beurteilen wir die sogenannten “materialistischen” Kritiken der Religionen, die im Grunde fast immer nur sensualistische Kritiken sind. Davon werden wir etwas später noch sprechen.

Schließlich hat es der Mangel an Einheitlichkeit und Sicherheit in der Verfolgung des Wirklichen (immer der Mangel an Bewußtsein in den Forschungen) fast jedem Leser der letzten Nummern von Le Surrealisme au service de la révolution erlaubt, sich allzu leichtfertig über den Gebrauch der Freizeit der Arbeiter in der zukünftigen Gesellschaft usw. lustig zu machen. Keiner der Surrealisten, für sich genommen, ist dafür verantwortlich: der Vergleich einer Studie von T. Tzara und einer “Träumerei” von S. Dalí erweckt jedoch unvermeidlich bedauerliche Vorstellungen, zu deren Herumgetratsche wir hier nicht weiter beitragen wollen.

René Daumal

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