Die herrschenden Klassen und ihre Eliten: Eine Bande von funktionellen Psychopathen

Auszüge aus einem kommenden Buch:

Dabei verliert der zukünftig zu realisierende Wert des Lebens, oder, um es anders zu bezeichnen, der Performancelebenswert des Lebens, keineswegs an Bedeutung, aber das Leben bleibt immer auch an das Gegenwartswert und an das Genießen gebunden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit und es kommt zur Schätzung der auf die Zukunft bezogenen Einkommensströme eines Säuglings, man wird die erwarteten Einkommensströme diskontieren und damit den Ausgangspreis des Säuglings erhalten. Es ist deshalb überhaupt kein Zufall, wenn der französische Unternehmensverband vorschlägt, jedem Franzosen von Geburt an eine Umsatzsteuernummer zuzuteilen. Weiter ist man, was die soziale Kontrolle anbelangt, derzeit schon in China, wo die Bürger einen Ausweis mit Geburtserlaubnis, biometrischen Daten und mit dem berüchtigten Social-Credit-Ranking mit sich herum tragen müssen.

Der letzte Mensch ist als lebende Finanzanlage eine Relation, die einen materiellen Träger besitzt, der in einer spezifischen Beziehung zu sich selbst steht, welche auf Vermehrung drängt, er ist eine Surplus-Falte, der nichts anderes übrig bleibt, als sich hinsichtlich seines Performance- und Monetarisierungspotenzials zu entfalten. In Zukunft wird jedes Bedürfnis, jede Begehren und insbesondere jedes Verhalten Anlass zu punktuellen und punktierten Bewertungen, zu vielfältigen Evaluationen und Rankings geben – der letzte Mensch wird sich zu diesen Bewertungen in Beziehung setzen und sie in seiner Zukunft verbessern müssen, und schließlich wird er dazu aufgeteilt in Komponenten, die der Optimierung bzw. der Effizienz der Vermehrung des kleinen Ich-Kapitals x (Verhältnis des Selbst zu seinem zukünftigen Selbst) unterstellt sind. Das dermaßen monetarisierte Leben, das einen Performancelebenszeitwert zugesprochen bekommt, ist also ein Spread, der ständig vom Selbst und den anderen bewertet werden muss. Der Performancelebenszeitwert umfasst einen Basiswert, nämlich das gegenwärtige ausgepreiste Leben, das als Investition anzusehen ist und auf das ein Anlagevertrag im Hinblick auf die monetäre Effizienz des zukünftigen Leben zu schreiben ist und auf dessen Fluktuationen spekuliert werden kann. Und für jeden gilt es diese Spekulationswellen auszuhalten, mehr noch, man hat der Spekulation und ihren Vorgaben nicht nur zu folgen, man hat sie auch outzuperformen. Am besten wie jener Banker, der nach einem erfolgreichem Leerverkauf vollends zufrieden zur Toilette schlendert und dort in das nierenförmige Waschbecken aus Edelstahl onaniert, das kunst-technologisch der Outperformer der Luxus-Penthouse-Kabine im 33. Stockwerk der Bank ist.

In der Tendenz will jetzt noch jeder zum Egokraten seines Selbst werden. Der funktionelle Psychopath muss im Fluss des affirmativen at-risk-Seins Erfolgsereignisse am laufenden Band akkumulieren, während diejenigen, die beim Spiel um das at-risk-Sein verlieren, lediglich Enttäuschungen akkumulieren und deshalb in der Depression verenden oder im Kurzschluss gar den Amoklauf probieren. Andererseits könnte man auch das Leben des funktionellen Psychopathen als einen auf Dauer gestellten Amoklauf verstehen, der aber keines blutigen Szenarios bedarf, um seine katastrophalen Auswirkungen auf das Leben der Anderen zu beweisen. Würde man Adorno folgen, so wäre der funktionelle Psychopath ein Egokrat, der die Unverschämtheit auf Dauer gestellt performt, mehr noch, er ist die wandelnde Unverschämtheit.

So ist der Beobachtung des Psychologen Götz Eisenberg durchaus zuzustimmen, dass heute die meisten Psychopathen keineswegs in den Gummizellen der Psychatrien einsitzen, sondern frei auf der Straße herumlaufen und zu allem (Un)Glück auch noch die von ihnen selbst gefeierten Erfolge in ihren jeweiligen Berufen nachweisen können. Funktionelle Psychopathen operieren in ihrem Alltag meistens hyper-effizient und besitzen Eigenschaften wie unbedingte Fokussiertheit und übersteigerte Egozentrik, zudem den unaufhörlichen Hang zur Optimierung der eigenen Selfishness, die von einer subtilen Profilierungsartistik bis hin zur mörderischen Skrupellosigkeit reicht, sie mobilisieren die Anteilnahme anderer als ihr ureigenes Privileg, das rein der eigenen Gewinnoptimierung und dem endlosen Streben nach Singularität dient, welche wiederum aus den Angeboten der Marketingindustrie für die Bezieher höherer Einkommen zusammengeschustert ist; sie leben die Unaufrichtigkeit, die Korruption und das herrische Auftreten bis in die Haarspitzen hinein, bleiben dabei aber eine vielseitige und experimentierfreudige Persönlichkeit, und dies alles geschieht angeblich im Rausch völliger Spontaneität, deren Fleisch gewordene Realität heute in ungefähr das Kunstprodukt Trump darstellt.

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