Die Marx`sche Werttheorie (2)

2. Einfache und entfaltete Wertform

Wir nehmen einerseits mit der sog. kapitallogischen Lektüre (die ausgehend von Hans-Georg Backhaus als Wertformanalyse seit der 1968er Studentenbewegung vor allem in Deutschland breit diskutiert wurde, vgl. Backhaus 1997/ Elbe 2008) und andererseits in Anschluss an die semio-ökonomische Lektüre des Problems bei Harald Strauß an, dass die Darstellung der Wertformen von der einfachen über die entfaltete bis hin zur allgemeinen Wertform eine formale Explikation der Begriffsfiguren der »Selbstähnlichkeit und Reflexivform« (Strauß 2013: 159ff) (von Waren) beinhaltet und sich damit gerade nicht auf die Abbildung von bestimmten historischen Entwicklungsphasen vor oder im Kapitalismus bezieht (einfache Warenproduktion). Wir haben es deshalb mit dem Problem der Darstellung der »contemporären Geschichte« des Kapitals zu tun, in und mit der sich das Kapital selbst setzt, eine Geschichte, für die Marx in Hinsicht auf den Aspekt des »Contemporären« selbst eine griffige Definition abgeliefert hat:»Diese Voraussetzungen, die ursprünglich als Bedingungen seines Werdens erschienen – und daher noch nicht von seiner Aktion als Kapital entspringen konnten –, erscheinen jetzt als Resultate seiner eigenen Verwirklichung, Wirklichkeit, als gesetzt von ihm – nicht als Resultat seines Entstehens, sondern als Resultate seines Daseins.« (Marx 1974: 364) Dem Kapital ist die Enteignung der unmittelbaren Produzenten von ihren Arbeitsmitteln vorausgesetzt und damit ist es seinerseits gesetzte Form, aber bleibt auch die sich permanent setzende Form dieser Enteignung. In gewisser Weise dauert nämlich der Prozess der Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln durch die Binnengeschichte des Kapitalismus hindurch weiterhin an. Folgt man nun der Position von Althusser, so geht der Auto-Logik des Kapitals, wie sie Marx im Kapital kategorial zu erfassen versucht, das Notwendig-Werden einer zunächst singulären Begegnung von deterritorialisierten Arbeitsströmen und Kapitalströmen voraus, die von der Seite der Arbeiterströme in und mit den Prozessen der ursprünglichen Akkumulation entstanden ist und von Marx im abschließenden Kapitel des Kapital Bd.1 in erster Linie als Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln beschrieben wurde, einen Prozess, den Marx als die Vorgeschichte des Kapitals bezeichnet. Diese hat man als eine singuläre, nicht-lineare Geschichte zu verstehen, innerhalb derer die Beziehung zwischen Arbeiter und Kapital nur höchstwahrscheinlich notwendig wurde, denn schließlich ergab sich die Eingliederung von Akteuren in das Lohnarbeitsverhältnis nicht zwingend aus der Verwandlung von Leibeigenen in doppelt freie Arbeitskräfte, aber als dies historisch geschah, konnte Marx hinsichtlich der massenhaften Enteignung der Produzenten von den Produktionsmitteln als einer Aufhebung in die Notwendigkeit kapitalistischer Akkumulation sprechen, und zwar als ihrer geheimen Prämisse, insofern die kapitalistische Reproduktion den doppelt freien Arbeiter perpetuiert, indem sie ihn einem Formprozess subsumiert, der auf der Aneignung des Mehrwerts basiert. Somit impliziert die kapitalistische Akkumulation die an-dauernde Reproduktion des grundlegenden Prozesses der Trennung. Es handelt sich hier um die Dynamik einer immanenten Statik (Adorno), um ein Werden gesellschaftlicher Verhältnisse, in und mit denen tendenziell alle Fixierungen aufgelöst werden und das »Gesetz« der kapitalistischen Entwicklung dennoch unverändert bleibt. Nur aus der Perspektive des voll entwickelten, des sich selbst setzenden Kapitals vermag die Bedeutung der ursprünglichen Akkumulation, der selbst ja keine Teleologie innewohnt, erklärt zu werden. Zugleich sind bezüglich der Entwicklung der deterritorialisierten kapitalistischen Geldströme sowohl das Aufkommen des städtischen Handelskapitals in Oberitalien als auch der absolutistische Staat und dessen industriell-militärischer Komplex zu beachten, denn nur über eine tendenziell prosperierende Ökonomie war die Finanzierung der Kriege im 16. Jahrhundert in Europa möglich, was schließlich zum Merkantilismus und zum Aufbau von Manufakturen führte.

Kommen wir nun endlich auf die verschiedenen Wertformen zu sprechen. Die Gleichung x Ware A = y Ware B will Marx als Wertausdruck »x Ware A ist y Ware B wert« lesen, als Ausdruck, der anzeigt, dass Waren a) bestimmte Mengen verschiedener Gebrauchsgegenstände sind (die Parameter x und y bedeuten Mengenangaben, während A und B spezifische Warenarten symbolisieren), b) in ganz spezifischer Form gleichgesetzt sind, insofern die vom Zeichen »=« gesetzte Identität eine Differenz verhüllt. Gleichzeitig könnte man auch sagen, dass im Wertausdruck analog zur Bedeutung des philosophischen Terms »Ausdruck« der Ausdruck das Ausgedrückte umhüllt, solange es nicht außerhalb des Ausdrucks existiert. Dabei gilt es zu hier aber schon zu beachten, dass Marx ökonomische Ausdrücke immer auch auf ihre Möglichkeit hin analysiert, womit er anzeigt, dass sie sich im Zuge der Darstellung der Selbstähnlichkeit der Wertformen verschieben, bis sie schließlich dem Bruch ausgesetzt sind (im »Übergang« von allgemeiner Wertform und Geld), um die Ausdrücke schließlich ganz dem Zerfall anheimzugeben, was als ein Verfahren der Kritik je schon über die Darstellung der verschiedenen Begriffe hinausweist. Im Ausdruck selbst ist somit selbst der Bruch nachgezeichnet, von dem er gekennzeichnet ist.

Zunächst besteht an dieser Stelle das Problem darin, dass der Wertausdruck, wenn er denn als Gleichung angeschrieben wird, eine Art Dimensionsgleichheit benötigt, ohne die wir es sofort mit einer logischen Kontradiktion zu tun bekommen, denn 20 Ellen Leinwand sind so wenig 1 Rock gleich, wie 5 Äpfel 3 Birnen gleich sind. Die die Gleichung explizierende sprachliche Formulierung »20 Ellen Leinwand sind 1 Rock wert« lässt sich auch folgendermaßen formulieren: »Der Wert von 20 Ellen Leinwand = der Wert von 1 Rock«, eine Formel, die jedoch wiederum nichts als eine Tautologie ausdrückt, denn das, was Marx erklären will, nämlich den Wert, das setzt er mit der Fixierung der Gleichung schon voraus. (Vgl. Ruben 1998: 21f.) Um es anders zu sagen, es müsste durch die Analyse der einfachen Wertform gezeigt werden, dass die Waren auf quantitative Weise so etwas wie eine ideelle Identität realisieren. Das Ineins-Setzen von Gleichung und Wertausdruck scheint hier wirklich ein Problem darzustellen, solange man nicht die differenzielle (symbolische) Bestimmung des Wertausdrucks ins Spiel bringt. Und man müste schließlich zeigen, dass diese Gleichung sich nur vor dem Hintergrund eines Dritten lesen lässt, denn rein aus den Faktoren Gegenständlichkeit und Relation lässt sich der »Wert der Ware« begrifflich nicht extrahieren. Hans-Joachim Lenger hat darauf verwiesen, dass schon der Satz der Identität A=A auf ein Drittes hindeutet, auf eine Differenz, die der Gleichung vorausgeht, insofern A sich schon vorher in A=A verdoppelt hat und deshalb als erstes A zugleich ein Drittes ist, sodass die Identität aus der Wiederholung von Differenz hervorgeht. A ist nicht einfach mit sich selbst identisch, sondern wird über einen Umweg mit sich selbst identisch gewesen sein, womit A als Ursprung oder als Erstes je schon gestrichen ist. (Vgl. Lenger 2004: 68f.) Wir haben es hier wieder mit einem »Es gibt« zu tun, das als Differenz zur Positivität zu verstehen ist, die aber in der Positivität selbst statt hat. Und diese Differenz streift je schon das Ungegenständliche und damit den Wert.

Innerhalb der »Gleichung« stehen sich die Waren A und B (in einem Verhältnis rein als solchem, d.h., unabhängig vom Austausch der Waren) in einer polaren Beziehung gegenüber, d. h., sie nehmen verschiedene Positionen ein: Während sich die Ware A in relativer Wertform (aktiv) befindet, besetzt die Ware B die Position der Äquivalentform (passiv), wobei es unmöglich ist, dass eine Ware in einer der beiden Positionen gleichzeitig aktualisiert wird, obgleich doch die Positionen virtuell vertauscht werden können. Mit der Möglichkeit des Platzwechsels besitzt die Ware A eine schwache Passivität, weil man ihr schon zugeteilt haben muss, dass sie aktiv ist, während die Ware B von einer schwachen Aktivität als Form der unmittelbaren Austauschbarkeit nicht zu trennen ist, sodass, wie Lenger gezeigt hat, die différance hier schon ins Spiel integriert ist, indem sie dem Wertausdruck die Momente der Aktivität/Passivität verleiht wie auch entzieht, womit der Gegenstand der Marx’schen Theorie an dieser Stelle sich schlichtweg als ein unmöglicher erweist. (Ebd.) Virtualisierung auf dieser Ebene inhäriert also, dass Positionswechsel stattfinden (Positionswechsel sind virtuell und zugleich sind Positionen gegeben), allerdings kann sich keine Ware gleichzeitig in beiden Formen (Wertform und Äquivalentform) aktualisieren. (Vgl. Strauß 2013: 159f.) Die Aussage »20 Ellen Leinwand sind 1 Rock wert« lässt sich daher durch die Aussage »1 Rock ist 20 Ellen Leinwand wert« ergänzen, womit Rückbezüglichkeit bzw. Äquivalenz gesetzt ist. Mit den Begriffen relative Wertform und Äquivalentform hat Marx von vornherein Verhältnisbegriffe ins Spiel gebracht, die zunächst polar und zugleich wechselseitig bestimmt sind, insofern der eine Begriff nicht ohne den anderen Begriff »funktioniert«. Und es sei darauf hingewiesen, dass die beiden Waren A und B sich mit ihrer Positionierung als »relative Wertform« und »Äquivalentform« in einer asymmetrischen Relation befinden, was auch heißt, dass die Gleichung im Moment der Gleichsetzung von einer Ungleichzeitigkeit der Plätze geprägt ist (aktuell können die Waren nur an einem Platz sein), sodass man schon bei der einfachen Wertform von einer Unterbestimmtheit des Ausdrucks bzw. der Fiktion eines Abschlusses ausgehen muss.

Was heißt an dieser Stelle Wertausdruck? Die Ware A macht aktiv die Ware B zu ihrem Wertausdruck und zugleich drückt sie ihren Wert über die Ware B an sich selbst aus, und so unterscheidet sie sich von sich selbst als Gebrauchsgegenstand. Marx schreibt: »Indem sie die andre Waare sich als Werth gleichsetzt, bezieht sie sich auf sich selbst als Werth. Indem sie sich auf sich selbst als Werth bezieht, unterscheidet sie sich zugleich von sich selbst als Gebrauchswerth.« (MEGA II/5: 30) Diese Gleichsetzung der Ware A mit der Ware B (mittels der Produktion von Selbstähnlichkeit) lässt vermuten, die Ware A würde ihren Wert in der Ware B spiegeln (womit die Naturalform der Ware B in eine Reflexivform versetzt wäre), wobei Marx mit der Formulierung »Ausdruck der Ware A im Körper der Ware B« tatsächlich darauf verweist, dass die Ware A im Wertausdruck etwas expliziert bzw. ihren Wert ausdrückt, sodass die Ware B mit ihrem sekundären Gebrauchswert als etwas gilt, nämlich als »Spiegel« des Werts der Ware A. (MEGA II/6: 89) Doch diese Spiegelung schließt ein Als-ob ein, denn die Ware A tritt mit ihrem Wertsein natürlich nicht vor einen Spiegel, sondern diese Art der Spiegelung ist allein das Resultat einer formalen Bestimmung, die sich aus der Gegenüberstellung der beiden Waren ergibt. (Vgl. Strauß 2013: 160) Indem die Ware A auf die Ware B als Äquivalent bezogen ist, gilt die Ware B als Wertausdruck der Ware A, wobei die Geltung in der semiotischen Dimension als Symbol zu fassen ist. Die Ware B gerät damit zum Interpretant des Werts der Ware A, nicht jedoch des Objekts A. Je nachdem, welche Position Waren innerhalb des Wertausdrucks einnehmen, schreibt Marx ihnen entweder einen aktiven oder einen passiven Modus zu; er will zeigen, dass die Ware A, die sich in der relativen Wertform befindet, an der zweiten Ware B etwas bewirkt, was außerhalb dieser Relation niemals statthaben könnte, wobei Ware B in der Reflexivform das zunächst passive Element ist, hierin jedoch als Gebrauchsgegenstand, der als Ausdruck des Werts der Ware A gilt, die Form unmittelbarer Austauschbarkeit (und damit einen Aktivitätsstatus) erlangt. »Der Ausdruck des Leinwandwerths im Rocke prägt dem Rocke selbst eine neue Form auf. In der Tat, was besagt die Werthform der Leinwand? Daß der Rock mit ihr austauschbar ist. Wie er geht oder liegt, mit Haut und Haaren, in seiner Naturalform Rock besitzt er jetzt die Form unmittelbarer Austauschbarkeit mit andrer Ware, die Form eines austauschbaren Gebrauchswerths oder Aequivalents.« (MEGA II/5: 29) (Durch die potenzielle Umkehrung ihrer Position kann die Ware B über den Umweg Ware A auch den eigenen Wert an sich ausdrücken.)

Hans-Joachim Lenger schreibt zu dieser Marx’schen Begriffsfígur folgendes: »Vielmehr markieren beide Plätze eine Differenz, die sich zunächst als eine von ›Aktivität‹ und ›Passivität‹ zu erkennen gibt.« (Lenger 2007) Dass die Ware A als aktives Moment ihr Anderes (Ware B als passives Moment) durchzieht, um zu sich selbst zurückzukehren, ist im Gleichheitszeichen angezeigt wie eben auch verborgen. An dieser Stelle fügt Lenger in seiner Schrift Marx zufolge dem Marx’schen Wertausdruck Derridas berühmte Figur der différance hinzu. (Lenger 2004: 75) Weil die Ware B in der Gleichung eigentlich gar nicht erst zum Ausdruck komme, sondern der Ware A nur zum Ausdruck des Werts verhelfe, sei an dieser Stelle eine Art »unausdrücklicher Aufschub« im Ausdruck selbst präsent und mit ihm eine Differenz, die ebenso entzogen wie angezeigt bleibe, und somit sei diese Art der Gleichung durch den Aufschub auch immer schon gerissen. Lenger betont hier den Aspekt der (realen) Unmöglichkeit der Formel bzw. des Begriffs der »Wertform«. Er bezieht sich auf Derrida, der hier schreibt: »Jeder Begriff ist seinem Gesetz nach in eine Kette oder in ein System eingeschrieben, worin er durch das systematische Spiel von Differenzen auf den anderen, auf die anderen Begriffe verweist. Ein solches Spiel, die différance, ist nicht einfach ein Begriff, sondern die Möglichkeit der Begrifflichkeit, des Begriffsprozesses und -systems überhaupt.« (Derrida 1976: 16) Bei Derrida erscheint dasjenige, was er als différance bezeichnet, weder als aktiv noch als passiv, vielmehr kündigt die différance eine mediale Form an, das Spiel von Differenz (Medium) und Einheit, und genau in dieser Hinsicht bleibt Lenger zufolge in den Marx’schen Begriffsspielereien um den Wertausdruck der Aufschub tatsächlich präsent wie eben auch entzogen, was gewissermaßen einer in sich differenzierenden Differenz entspricht, die Marx durch das Geldmedium hindurch immer weiter verschiebt, ohne sie je beherrschen zu können. Diese Beherrschung gelingt auch nicht durch die Operation der Umkehrung des Wertausdrucks, durch dessen »rückwärts und vorwärts lesen«, womit Marx Äquivalenz herstellt –, vielmehr kommt nach Lenger erst mit dem Begriff des Kapitals die Struktur mit all ihren Aspekten der Verräumlichung und der Verzeitlichung selbst zum Vorschein, sodass man sich stets in Erinnerung zu rufen hat, dass »kein Term, der sich von anderen unterscheidet, als genealogisches Prinzip einer Struktur fungieren kann, aus der er doch selbst erst hervorgeht.«1

Einen interessanten Versuch der Formalisierung der einfachen Wertform unternimmt Peter Ruben, wenn er die der Wertgleichung zugrundeliegende Tautologie – die sofort entsteht, falls man die einfache Wertform rein als Gleichung liest und eben nicht als differenziellen Ausdruck beschreibt – dahingehend auflöst, dass er die sprachliche Aussage Wertform »a/ = b« verwendet, welche die konkrete Gleichheit – exakt Vergleichbarkeit – von Waren anzeigt. Ruben schreibt bezüglich des Wertausdrucks: »In ihm bezeichnet das Subjekt ›a‹ den Gegenstand der Wertdetermination, das Objekt ›b‹ das Mittel der Wertdetermination und das Prädikat ›= b‹ die Eigenschaft des zu wertenden Gegenstands a.« (Ruben 2008:93) Und Ruben kommt zu der Auffassung, dass diese Aussage mit der Marx’schen Definition des Wertausdrucks bzw. mit den sich polar gegenüberstehenden Kategorien Wertform und Äquivalentform vereinbar sei. Hier ist die grammatikalische Struktur »Ware A ist Ware B gleichwertig« zu beachten, in der A und B als Subjekt und Objekt unterschieden sind, wobei sich Ware A (aktiv) in »relativer Wertform« und Ware B (passiv) in »Äquivalentform« befindet. A wird als Subjekt/Gegenstand und B als Objekt bezeichnet, wobei das Objekt B als Mittel dient, um den Wert des Gegenstandes A auszudrücken, was zusätzlich eines Prädikats (Eigenschaft) bedarf, durch das ein Gleichwertigkeitsverhältnis gegeben bzw. festgezurrt wird. Dabei steht in der Aussage Rubens die Ware B als Reflexivform für die Einheit von Gleichheitseigenschaft (Prädikat/logische Mitte) und Vergleichsmittel, das eben ein Objekt bzw. ein Gebrauchsgegenstand ist. Und somit ließe sich die Einheit von Eigenschaft und Gegenstand (die natürlich eine analytische Trennung voraussetzt), welche Gleichwertigkeit ausdrückt, syntaktisch-logisch einwandfrei aufschreiben. Paradoxerweise gibt nun gerade die Ware B als Reflexivform und somit als das eigentlich passive Element der Waren-Relation zugleich das aktive Moment der Differenzierung im Zuge der Selbstähnlichkeit von Ware A und B ab, indem sie die Ware A erst in die Form versetzt, eine eigene Aktivität quasi wie einen Empfang hinzunehmen. Die Reflexivform, die darin besteht, dass die Ware B als Verkörperung des Werts der Ware A sich zugleich als Körper des eigenen Werts setzt, beinhaltet hier die Figur einer Rückbeugung. Und es gilt schließlich anzumerken, dass das (logische) Problem der Wertformgenese gerade nicht darin besteht, wie denn überhaupt Wertformen zustande kommen, sondern welche Übergänge nötig sind, um von der einfachen zur allgemeinen Wertform zu gelangen. Daran anschließend könnte man sich im Kontext der Darstellungsproblematik nun für eine »Logik« der Darstellung mittels der begrifflichen Entfaltung von der einfachen über die entfaltete bis hin zur allgemeinen Wertform entscheiden, wodurch das Geld in seiner ersten Funktion als allgemeines Maß der Werte quasi »eingeholt« würde. (Vgl. Engster 2010) Oder, wie wir das jedenfalls tun, für die Notwendigkeit der Konstruktion von begrifflichen Problematiken, wobei auf der jeweils hergestellten begrifflichen Strukturebene (vorangegangene) Konstellationen, Systematiken und Argumentationslagen dekonstruiert oder gar destruiert werden. Und es ließe sich zugleich zeigen, dass spezifische Problematiken nicht unbedingt in angemessenen Begriffsrelationen aufgehen müssen, sondern eine weitere Erzeugung, Montage und Systematisierung von Begriffen erfordern, sodass erst neue Erkenntnisobjekte (Althusser) entstehen, ohne dass man jedoch zu einer abschließenden Systematik kommt. Bei der einfachen Wertform ist der begriffliche Aufschub als Bruch und als notwendiger Übergang allein schon durch die Zufälligkeit des Wertausdrucks nahegelegt, weil natürlich jede x-beliebige Ware den Platz der relativen Wert- oder der Äquivalentform einnehmen kann, wobei zudem das Gemeinsame, das den Waren eigen sein soll, nämlich ein Produkt von Arbeit zu sein, nur als Chiffre angezeigt wird. (Vgl. Lenger 2004: 112ff.)

Bei der sog. entfalteten Wertform handelt es sich um eine mehrstellige Relation bzw. um einen erweiterten Elementarsatz, der die Aussage enthält, dass der Wert der Ware A sich in potenziell unendlich vielen anderen Waren ausdrücken kann: x Ware A= y Ware B = v Ware C etc., womit sofort ersichtlich ist, dass a) es im Rahmen dieser Serie gleichgültig ist, in welcher Ware die Ware A ihren Wert ausdrückt, ob vielleicht in Rock, Leinwand, Weizen, Computerchips oder einem sonstigen Objekt, b) jede neu angebotene Warenart die Menge der Waren, die die Stelle der Äquivalentform einnehmen können, erhöht, sodass die Äquivalentform potenziell offen ist. Die Ware A befindet sich in der Position der relativen Wertform, dem gegenüber alle anderen Waren virtuell in der Position besonderer Äquivalente stehen. Marx schreibt diesbezüglich: »Indes geht die einzelne Wertform von selbst in eine vollständigere Form über. Vermittelst derselben wird der Wert einer Ware A zwar nur in einer Ware von andrer Art ausgedrückt. Welche Art aber diese zweite Ware […] ist durchaus gleichgültig […] Die Anzahl ihrer möglichen Wertausdrücke ist nur beschränkt durch die Anzahl der verschiedenen Warenarten.« (MEW 23: 76) Ersichtlich wird sofort, dass man auch mit dieser Konfiguration von Waren längst keine stabilen und festen Relationen innerhalb eines Ware-Geld-Kapital-Systems anzuschreiben vermag.

Ruben verwendet zur Darstellung der entfalteten Wertform die Satzverknüpfung »a /= b ∨ a/ = c ∨ a/ = d ∨ …« Es handelt sich hier um eine offene Kette von (selbstähnlichen) Signifikanten, mathematisch ausgedrückt um eine nicht ausschließende Disjunktion oder um eine potenziell unendliche Adjunktion, innerhalb derer es möglich ist, die Ware B in ihrer Funktion als Prädikat/Vergleichsmittel durch potenziell unendlich viele Waren zu ersetzen. (Ruben 2008: 94) Diese Art der Syntax der Verkettung von Waren, die in sich verschiedene Reflexivformen enthält, führt, wie leicht einzusehen ist, in einen infiniten Progress, oder um es anders auszudrücken, der Ware A stehen nun (virtuell) alle Warentypen gegenüber, wie Marx in der Erstauflage des Kapitals feststellt. Das Infinite des Wertausdrucks einer beliebigen Ware A zeigt sich darin, dass jede andere Ware ihn darstellen kann, aber durch die Darstellung in all den anderen Waren nicht zu einem Ende kommt. Schon an dieser Stelle erscheint es möglich, sich ein Patchwork auseinanderfallender Wertausdrücke vorzustellen, wobei jede Ware, insofern sie sich in der relativen Wertform befindet, ihren Wert potenziell in endlos vielen anderen Waren ausdrückt, während mit der Realisierung eines Wertausdrucks jede individuelle Äquivalentform andere Äquivalentformen ausschließt. Der Ware A stehen also potenziell alle Warentypen gegenüber, womit eine Virtualisierung anwesend ist, die aber nicht zugleich als Realisierung ausdrücklich werden kann. (Strauß 2013: 162) Dabei ist die Anzahl aller möglichen Wertformen letztendlich gleich n (n = 1; 2; : : : ;N).2 Mit der Marx’schen Definition der entfalteten Wertform stünden nun der Ware A, die sich in der relativen Wertform befindet, n-1 andere Waren gegenüber, die alle potenziell die Position der Äquivalentform einzunehmen vermögen, wobei diese Waren allerdings untereinander nicht beliebig kombinierbar sind, sondern sich bei jeder Realisierung als Äquivalente gegenseitig ausschließen. Allein schon auf Grundlage der in der entfalteten Wertform unterstellten frequenziellen Implikation lässt sich solch einem ökonomischen System (und nur der Kapitalismus ist ein ökonomisches System) keinerlei Stabilität und Konsistenz zuschreiben, aber auch, weil hier die Problematik wechselseitiger Ausschlüsse besteht. In der disjunktiven Serie, die x mögliche Substitute der Ware B erlaubt, ist die Differenz entfaltet und aufgeschoben zugleich, insofern sie den Wert ausdrücken soll, ohne die Differenz je eliminieren zu können, als die der Wert sich abwickelt. Um es anders zu sagen, insofern jede Ware das allgemeine Äquivalent für die Relation aller anderen Waren zueinander sein kann, und damit jede Ware alle anderen Waren in ein Verhältnis setzen kann, sind die Waren nur für sich selbst maßgeblich, können jedoch kein ökonomisches System als solches ausbilden, weil Maß und Mathem des ökonomischen Systems immer in irgendeine x-beliebige Ware fallen, und dies führt unweigerlich in einen infiniten Regress.

 

 

  1. (Lenger 2007) In: Texte, http://www.hjlenger.de/. Man sollte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass man die Figur der einfachen Wertform auf keinen Fall als Ur-Abbildung oder gar als erste Spiegelung irgendeines konkreten Austauschverhältnisses eines ganz bestimmten historischen Zeitraumes auffassen darf, wie es Teile der Marx-Orthodoxie mit ihren ontologisierenden und transhistorischen Lesarten des Kapital Bd.1 bis heute praktizieren, indem man realhistorische Phasen wie die einfache Warenproduktion und die einfache Zirkulation erfindet. In der Tat würde eine rein frequenzielle Anhäufung von Tauschakten zu keinerlei Stabilität in der Ökonomie führen; ohne die reale Existenz des Geldes sowie des Geldes in der Bewegungsform des Kapitals (im Kontext von Einzel- und Gesamtkapital), ist kapitalistische Warenproduktion einfach nicht möglich, womit die Bedingungen der ökonomischen Stabilität im Kapitalismus sich je schon als die einer (logisch-medialen) Formation/Struktur erweisen.
  2. An dieser Stelle scheint es angebracht, ganz kurz auf den Unterschied zwischen dem Begriff eines (offenen) Ganzen und dem Begriff der Totalität hinzuweisen, spielt der Letztere doch eine nicht unwesentliche Rolle in der Rezeptionsgeschichte quer durch alle Marxismen hindurch, womit diese sich zweifelsohne in die Linie der traditionellen Philosophie von Platon bis Hegel einreihen, die schließlich davon ausging, dass das Ganze ein Eines formt, das dann auch als Totalität gilt. Es war wohl als erster Philosoph Lukrez, der eine andere Position einnahm, indem er davon ausging, dass all diejenigen, die behaupten würden, das Ganze sei eine Totalität, auch davon ausgehen müssten, dass rein gar nichts diesem Ganzen entgehen kann, womit, wie im Übrigen Hegel auch durchaus zugestand, jedes Phänomen ein aktuelles ist oder dieses werden muss. Für Lukrez existieren stattdessen eine endliche Anzahl von Typen von Atomen, während es eine unendliche Zahl von Atomen mit unendlichen Kombinationsmöglichkeiten gibt, sodass niemals alle möglichen Kombinationen realiter ausgeschöpft werden. Offenbar ist es hier die Differenz, die gegenüber der Identität dominiert, egal, ob man diese nun als Form, Essenz oder Konzept definiert, womit das Ganze niemals so etwas wie eine Totalität formiert, weil es einerseits Virtualität in sich birgt, die nicht in der Zeit ist, andererseits es selbst nur eine lokale Manifestation von Atomen ist, die einige der möglichen Kombinationen aktualisiert, also zeitlich werden lässt, und andere eben nicht, womit natürlich auch angezeigt ist, dass das Ganze als prinzipiell offen verstanden werden sollte. Dem anschließend hat Deleuze in seinem Strukturbegriff den Term Totalität durch Gesamtheit oder das (offene) Ganze ersetzt, wonach Struktur nur eine virtuelle Gesamtheit beinhaltet, die sich niemals als Gesamtheit aktualisiert, denn dies würde voraussetzen, dass eine noch undifferenzierte Virtualität sich vollständig ausdifferenzieren hätte.
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