Ein strategisches Essay zum Wochenende des 16./17. November in Paris

Für das kommende Wochenende mobilisieren die Gilets Jaunes anlässlich des ersten Jahrestages des Beginns ihrer Bewegung landesweit nach Paris. Angekündigt sind Aktionen auf den Champs Elysees, Besetzungen, spontane Demos,…

Gelang es im Nov/Dez letzten Jahres den Staatsapparat wiederholt zu überraschen, Schneisen der Verwüstung in den nobelsten Vierteln der Innenstadt zu schlagen, Luxusgeschäfte und Juwelierläden zu plündern (allein bei Dior wurde Schmuck im Wert von 2 Mio entwendet), und an vielen Stellen Bulleneinheiten in die Flucht zu schlagen, dürfte der Sicherheitsapparat an diesem Wochenende wesentlich besser vorbereitet und aufgestellt sein. Hier nun die Übersetzung der Überlegungen einiger Gilets Jaunes, die ursprünglich auf Paris Luttes Infos veröffentlicht und von mir übersetzt wurden.

Die Dekrete der Präfektur wurden seit Samstag, dem 9. November, erneut aktualisiert, und die Demonstrationsverbote werden sicherlich im Gebiet des westlichen Paris wieder in Kraft treten. Wir stehen vor zwei Problemen: Der Mobilisierung der repressiven Kräfte und dem, was daraus folgt. “Präventive” Kontrollen, zahlreiche Verhaftungen, Überwachung der Umzüge…. Das andere Problem dürfte die Zusammenführung der diversen umherschweifenden Gruppen zu einer echten Demonstration darstellen.

Am 21. September (1) gelang es mehreren Gruppen von Demonstranten, die Champs mehr oder weniger zahlreich zu erreichen, ohne dass es gelang, sich in eine große Masse zu verwandeln. Die ultra- aggressive Strategie der Präfektur erlaubt es uns nicht mehr, an einem statischen Ort zu bleiben, während wir darauf warten, dass die Ansammlung von Kleingruppen zu einer echten Demonstration wird. Die permanente Mobilität der Demonstranten spiegelt sich zunehmend in der Flucht aus dem Zugriff des Dispositiv des Polizeiapparat wider, ein Phänomen, dass durch die Schwankungen in der Anzahl der Demonstranten auf der Straße verstärkt wird.


Wenn wir am Samstag, den 16. November, in Paris die reichen Bezirke sukzessive von der Polizei beherrschten Bezirken aus infiltrieren wollen, müssen wir die Form der Polizeibesetzung, d.h. die Taktik des polizeilichen Besatzungsprozesses, der Konzentration von großen Einheiten an einem Punkt in Betracht ziehen. Wir können sie nicht zerstreuen, indem wir sie direkt angreifen, sondern nur, indem wir sie entflechten.

Angenommen, die Notwendigkeit, die Champs zu erreichen, ist zu einer defensiven Logik geworden. Seit dem neuen Polizeipräfekten und seiner Taktik, die seit Mitte März praktiziert wird, dürfen wir nicht mehr versuchen, eine festgelegte Position zu sichern oder zu verteidigen, sondern dürfen nicht länger darauf warten, umzingelt zu werden, bevor wir Gegenmaßnahmen ergreifen. Angesichts des taktischen Grundrisses der strategisch wichtigsten Orte muss unsere Technik auf Belästigung, Entmutigung und Ablenkung der Polizei basieren.

Mittlerweile wird jeder angekündigte Treffpunkt vollständig von der Polizei kontrolliert: Deshalb wäre ein Treffpunkt in einem nicht zentralen Bereich zu unserem Vorteil. Wir müssen von Orten aus vorgehen, die nicht polizeilich untersagt sind, um so viel Kraft wie möglich zu konzentrieren. Um diesen Vorteil zu haben, ist es notwendig, dass man von Beginn des Morgens an in der Lage ist, die Macht, die sie mit einer hohen Anzahl von Polizisten ausüben, aufzuweichen, sie aus ihren statischen Kontrollpunkten zu locken und sie so schnell wie möglich in die Verantwortung zu bringen, in den Stadtteilen für aktive Ordnung zu sorgen, für die sei selber alle demonstrativen Aktionen untersagt haben. Wenn dieser Effekt massenhaft greift, ist diese Strategie nur allzu praktisch und wird sich je nach den Umständen weiter entwickeln.

Lasst uns so viele Überlegungen wie möglich über die möglichen Umgehungen der polizeilischen Vorbereitungen anstellen. Denken wir darüber nach, die Beteiligung der voltigeurs (2) zu minimieren und die CRS Einheiten dazu zu zwingen, zwischen den Positionen hin und her zu wechseln, mit dem Ziel der Desorganisation. Lasst uns die Feuerwehr nutzen, um die Wellen der Polizei zu brechen, schaffen wir die Löschfahrzeuge an die vorderste Front um es den mobilen Einheiten zu erschweren in unsere Reihen einzudringen (3). Wir werden Momente der Schwäche, der Panik aufgrund des Einsatzes des Arsenals der Waffen der Polizei und auch der Auflösung von Gruppen erleben.

Wir müssen aber einen Weg finden, uns trotz der andauernden Verfolgungsjagden der Polizei neu zu formieren. Um den Fluss der Demonstranten aufrechtzuerhalten, wäre es je nach Umfang der Demonstrationen notwendig, andere Viertel für Versammlungen am frühen Abend vorzuschlagen. Dies würde es uns ermöglichen, unsere Motivation auf der Straße zu bleiben, zu stärken und am Samstag mehrere Phasen, mehrere Kampfabschnitte zu realisieren. Um nicht aufgerieben zu werden und um eine Fortsetzung unserer Anstrengungen zu ermöglichen. Die Vielzahl der Momente, die dieser Tag hervorbringen wird, wird die Weigerung hervorrufen, einfach zu gehen. All dies auch, um nicht den ganzen Tag über außer Atem und ohne Perspektive zu sein!

– Lasst uns am Samstag in mehreren Etappen kämpfen

– Eine Phase am Morgen, einen am Nachmittag und eine am Abend.

– Gönnt Euch Momente der Ruhe, um bis spät in die Nacht widerstehen zu können.

Eine weitere Woche, um unsere Taktik zu überdenken, oder zumindest um der Vielfalt unserer Handlungsweisen entsprechend den verschiedenen Situationen Rechnung tragen zu können. Eine Woche, um so viele Menschen wie möglich mitzubringen!

Einige Gelbe Westen unter vielen anderen

(1) https://non.copyriot.com/paris-am-21-september-ein-rueckblick-auf-den-acte-45/

(2) Ein historisierender Begriff, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Voltigeure

(3) Ob sich dies auf das Equipment der Feuerwehr bezieht, oder von einer Beteiligung der streikenden Feuerwehrleute ausgegangen wird, erschließt sich dem Übersetzer nicht. Auf jeden Fall haben sich die Pariser Feuerwehrleute jüngstens ordentlich mit den Bullen angelegt.

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