Erste Annäherung an die Mikrologien des Grauens

Die Welt ist das System des Grauens. (Theodor W. Adorno)

… ist es nur ein von Trostlosigkeit und Grauen umgebenes Bild […] im stillen Zentrum des Unglücks. (Guy Debord)

Es ist eher Grauen als Traurigkeit. Ja, eher Grauen. Es ist, als passiere gleich was Schreckliches, das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. (David Foster Wallace)

In diesen drei Zitaten ist das Grauen von der Erfahrung des Abgrundes nicht zu trennen, wie sie bei Nietzsche als Alptraum auftaucht: Der Sinnentzug und die Erkenntnis, keine Bedeutung zu erlangen, Nichts zu sein inmitten des Nichts.

Damit ist Schluss.

Das Grauen besteht in den Endzeiten des Kapitalismus in der Auslöschung des Grauens oder vielmehr in seiner Normalisierung als grauer Alltag, dem mit einem Besuch im Wellnesscenter entflohen werden kann. Das Kapital hat in Zeiten von Junk Food und Junk News, Junk Money und Junk Selfishness und Junk Bonds eine Wellness-Postmoderne erzeugt, ja, es transformiert selbst zum Junk Kapital, billig und süchtigmachend. Niedrige Zinsen haben das Verhältnis von Spar- und Verschuldungsanreizen umgekehrt: Wer Geld spart, erhält niedrige Renditen, wer Kredite aufnimmt, um zu spekulieren, erhält billiges Geld und zumindest die Option auf hohe Renditen.

In der Tendenz wird heute alles kapitalisiert: Schließlich gilt jeder x-beliebige monetäre Strom erwarteter Gewinne als Parameter der Kapitalisierung, die heute potenziell jeden noch so winzigen Aspekt des gesellschaftlichen Feldes durchdringt – die dominanten Unternehmen kapitalisieren beständig das  menschliche Leben, soziale Netzwerke, soziale Habiti, Körper und genetische Codes, Affekte, Kriege, ja sie kapitalisieren das Grauen, in dem sie es in einen Werbespot umwandeln, das heißt, das Grauen mit heilsamen Viren in Form superpositiver Werbung immunisieren.

Das Leben ist das Grauen selbst, konnte Nietzsche noch schreiben, aber längst ist das Grauen das Leben, aber in seiner schwächsten und flüchtigsten Form, ja in seiner einzigartigen Konturlosigkeit. Das Kapital inszeniert andauernd die Konturlosigkeit und schreibt alles weiß, schwarz auf weiß, das ist das Grauen. Der Genuss am Grauen. Du lebst nur einmal, daher gönne dir den Genuss, der die zusteht, besser als das wird es nie. Was ist dieses Das? Es ist die flüchtige Vereinigung des Kapitals mit der Werbung, es ist das Grauen, das weiß geworden ist. Wie eure aseptischen Badezimmer. Das Duschgel in eurer Hand ist nur der Bestätigung dafür, dass ihr auf die weiße Leinwand passt, die ihr ausfüllt. Auch Ihr seid das Grauen.

Foto: Bernhard Weber

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