Foraminifederalogie contra Non-Ökonomie. Teil 2: Bedingungsloser Grundbesitz, spekulativer Kommunismus und politische Negativierung

Anna Newspeak: Wir wollten noch näher über Derivate-Kommunismus und bedingungslosen Grundbesitz sprechen. Was ist für dich der sogenannte Derivate-Kommunismus?

Achim Szepanski: A-Mathematisch wird der Derivate-Kommunismus folgendermaßen angeschrieben: Eine komplexe Zahl besitzt zwei Teile: einen realen Teil und einen imaginären Teil, so zum Beispiel 2 + 3i. Wenn man in der Geometrie eine reale Linie zieht und eine imaginäre Linie im rechten Winkel ansetzt, dann kann man die komplexe Zahl als einen Punkt auf dem Graphen (mit seinen zwei Achsen) darstellen. Eine Zahl mit i zu multplizieren und die Linie im Uhrzeigersinn 90 Grad vom Ursprung zu drehen, das gilt hier als äquivalent. Weiter lässt sich schreiben: 1 * i = 1i, 1i * i = -1 Weil die Quadratwurzel von i -1 ist, so ist n * i * i = n * -1 = -n. Exakt das formuliert die Bedingung des spekulativen Kommunismus. Um ihn kurz und knapp als eine offene und kosmologische Kreisform, die gerade auf die Spekulation und Verschwendung als Negation setzt und deshalb eigentlich keine Kreisform mehr ist, zu erfassen: Das Reale wird das Imaginäre, das Imaginäre wird das negativ Reale, das negativ Reale wird das negativ Imaginäre, und das negativ Imaginäre wird das Reale (des Derivate-Kommunismus).

Anna Newspeak: Dagegen hätte ich einige Einwände: Die Kreisform, zumal typisch im Bereich wirtschaftlicher Fragen und Diskurse, bleibt ausnahmslos immer metaphysisch, auch in ihrer rein negativen Form. Historisch und epistemologisch war das Mehr, das Inkrement, der Überschuss die Formierung des Kapitals, den die Linke seit jeher in den Kreis zurückführen wollte und damit ihren Totalitarismus beschloss. Sie konnte sich nie etwas vorstellen, was ein Minder, ein Exkrement, ein Mangel ist, der kleiner als jeder Kreis und damit kleiner als jeder Punkt (der sich selbst als Kreis enthaltende Kreis) ausfällt. Erst mit Beginn eines Lochs, das locht bzw. Löcher hat, kann der Minderwert niederkommen, der nach seiner Verallgemeinerung als Pesipal aller “Kapital”sorten auch das Kapital ablöst ohne das Negative in einen Kreis zu schließen. Zizek macht derzeit dasselbe mit einer negativen Lesart Hegels und experimentiert mit negativen Synthesen, Desontologie usw., die aber alle abszenzmetaphysisch bleiben (vgl. Zizek 2016).

Achim Szepanski: Das Kapital prozessiert nicht kreisförmig, sondern spiralförmig. Wenn das Kapital die Kapazität besitzt, sich in einer exzessiven, wachstumsorientierten und spiralförmigen Bewegung (der Kreis ist ein Sonderfall der logarithmischen Spirale, nämlich einer Spirale, deren Wachstum gleich null ist) als Selbstzweck zu setzen – der Ausgangspunkt ist hier der Endpunkt und umgekehrt -, dann beherrscht es als ein sui generis monetärer Prozess umfassend die Produktionssphäre, um diese in die primäre »monetäre Zirkulation und Distribution« G-W-G’ zu integrieren.

Anna Newspeak: Egal, ob die “Kapitalprozession” als Kreis oder als Spirale (oder beides) verstanden wird, das Mehr alias G’ alias S’ alias männliches Genießen (letztere beiden Lacan) offeriert sich immer als Abweichung durch Auseinanderziehen des Kreises bzw. der Spirale. … Grundsätzlich lässt sich dem nur entgegentreten, indem das ökonomische Kapital als planetarische Gesamtkomplexion zur Ware für alle anderen Waren in Geldform und sodann in Kapitalform (differänzielle Bewegung) wird um alle Signifikanten/Waren/Elemente/Gramma/Gespenster/Differenzen/Sektionen/Achsen/Variablen/Teilmengen/usw. in einer negativ-gespenstischen Schwebe zu halten, in der niemals eine ökonomische oder anökonomische Form sich vervollkommnet und damit naturalisiert…

Achim Szepanski: Aber das Kapital als Ware ist doch genau das, was Marx als fiktives Kapital beschreibt. In der marxistischen Diskussion gibt es die Debatte, ob man das fiktive Kapital im Anschluss an Hilferding als Geld oder als eine spezifische Ware, Geld als Kapital begreift. Ich melde gegen den Begriff des Geldes als Kapital, das eine spezifische Ware ist, Bedenken an. Marx hat den Tausch von Ware gegen Geld (sieht man einmal vom Tausch der speziellen »Ware« Arbeitskraft ab, der in letzter Konsequenz trotz aller Darlegungen von Marx kein äquivalenter Tausch ist) als einen Äquivalententausch bestimmt. Um einen Äquivalententausch handelt es sich beim Tausch von Derivaten aber gerade nicht, sondern das Ziel der Bewirtschaftung und des Austauschs der Derivate besteht hier eindeutig in der Erzielung von Gewinnen, die in Geld realisiert werden. Wenn Milios schreibt, dass Derivate als Duplikate der Kapitalrelation an der Profitproduktion partizipieren, dann erscheint gerade angezeigt, von den Derivaten nicht als einer Ware (und auch nicht als Geld), sondern als einer spezifischen Kapitalform, nämlich der des spekulativen Kapitals, auszugehen.

Anna Newspeak: Natürlich, aber das marxistische Spektrum beschreibt das ökonomische Kapital als Ware für (!) das ökonomische (!!!) Kapital und all seine “Metamorphosen” bzw. “verrückten Formen”, also immer für sich selbst ( = Moment der Präsenzmetaphysik) – und nicht für andere Kapitalsorten, also andere Signifikanten in Kapitalform (sexuelles Kapital, soziales Kapital, psychisches Kapital, Taschentuchkapital, kulturelles Kapital, etc. – kurz: alle spukenden Gespenster – die sich selbst auch alle in ihre eigenen fiktiven und synthetischen Formen verwandeln können wie das ökonomische Kapital halt auch und die deswegen wiederum auch alle zu Waren für alle anderen Kapitalsorten werden müssen, die sie gerade selbst nicht sind, was dann schließlich nontologisch über den Minderwert weiter zu unaufhörlichen Abschüben, Extravallen, Ableitungen und Deserven von Nifferenzen bzw. Foraminifederationen, also einer nifférance als negativer différance führt; unter anderem deswegen war es nötig, die Foraminiferderalogie zu “begründen”, da Hantologie, Phantomologie des Gespensts, Grammatologie usw. nicht mehr den Horizont erfassen können, in dem wir uns von nun an bewegen, welcher der Horizont der Nekonstruktion sein wird, die nicht mehr mit Umdrehung und Verschiebung, sondern mit Abwertung und Nichtung arbeitet). Das ist der wirklich alles entscheidende Unterschied.

Achim Szepanski: Was du beschreibt ist das, was Laruelle Superkapital nennt.

Anna Newspeak: Nein, eben nicht. Du schreibst zum Superkapital: “Wenn die Produktion/Zirkulation eines physikalischen ökonomischen Objekts (klassische Waren wie Kleidung, Nahrungsmittel, Computer etc.) direkt durch einen Kredit affiziert wird und dieser sich wiederum durch den Preis seines synthetischen “Replikanten” massiv beeinflussen lässt, kann man dann wirklich die bisherige hierarchische Ordnung der Klassen von exakt drei ökonomischen Objekten beibehalten, wobei man von den synthetischen Wertpapieren immer noch als rein abgeleiteten Papieren spricht, von Derivaten? Ein Tisch mag ja ein Ding zur Bereitstellung einer Mahlzeit sein, aber wenn Faktoren wie die Zinsraten auf Kredite des Tische produzierenden Unternehmens, Optionen und Versicherungen auf den Holzpreis und schließlich Währungsschwankungen mit den entsprechenden Faktoren in der Produktion übereinander geblendet werden, und dies im Kontext der Produktion weiterer Güter und Dienstleistungen, so wird doch über den äußerst bescheidenen Tisch (als physikalisches Objekt) ein globales Festgelage des monetären Kapitals platziert.” (Szepanski 2015: Abschnitt 4) Was so mit Superkapital bzw. mit Hyper-Kapitalismus beschrieben ist, bezieht sich eigentlich fast immer auf das ökonomische Kapital.

Achim Szepanski: Das ist die Funktionsweise des ökonomischen Kapitals im 21. Jahrhundert, das alle Kapitalformen, die du aufzählst, in der letzten Instanz determiniert…

Anna Newspeak: Ich teile diese Determination in der letzten Instanz eben gerade nicht und halte sie für einen reduktionistischen Ökonomismus, der nur alte Fehler von Hauptwiderspruch vor Nebenwiderspruch und Basis vor Überbau wiederholt.

Achim Szepanski: Im Zeitalter der Kapitaliserung von Alles und Jedem, der Gene, der Organe, der Kriege und der Liebe, braucht man eigentlich über die Relevanz des Begriffs der Determination in der letzten Instanz gar nicht mehr zu diskutuieren, ohne jetzt in der Empirie das letzte Wahrheitskriterium für die Theorie zu suchen. Diese Figur ergibt sich aber auch ganz zwingend aus einer richtigen Marx-Lektüre, wie ich sie im Anschluss an Althusser vorgeschlagen habe. Mit dem Ökonomismus der 2. und 3. Internationale hat das rein gar nichts zu tun, vielmehr zeigt die Theorie der Non-Ökonomie das Gegenteil an. Wir gehen von der Identität von Kapital und Ökonomie aus, sodass es zwingenderweise keine nicht-kapitalistische Ökonomie oder alternative Ökonomie geben kann, sei sie als kommunales Gemeinwesen, als sozialistische oder als kommunistische Ökonomie verstanden. Nicht-Kapitalismus ist gleich Nicht-Ökonomie, und Kommunismus ist deswegen radikal nicht-ökonomisch. Deshalb reicht es nicht aus, eine ethisch gute Ökonomie zu proklamieren, die man vielleicht als Postkapitalismus, als sozialistische Marktökonomie oder als postkeynesianischen Wohlfahrtsstaat konzipiert, denn sie basiert immer noch auf der Idee einer nicht-kapitalistischen Ökonomie. Das ist der eine Aspekt der Nicht-Ökonomie. Der Nicht-Marxismus hat dies zu berücksichtigen. Der andere Aspekt des Nicht-Marxismus fordert zur Konstruktion einer Ökono-Fiction als Teil einer generischen Wissenschaft auf, was nur heißen kann, die marxistische Ökonomiekritik weiter zu forcieren und zu radikalisieren. Dazu gehört auch die Kritik seiner vielen Philosophismen, die sich in Institutionen, Dispositiven und der Kulturindustrie materialisieren.

Laruelle führt in seinem Buch Introduction to Non-Marxism den Begriff des »Superkapitalismus« ein, unter den er folgende Sachverhalte subsumiert: 1) Das globale Funktionieren von gegenwärtigen “Gesellschaften”. 2) In seiner Generalität nicht nur die Ökonomie, sondern auch die Philosophie-Form oder Form-Welt, die Laruelle als interne Duplikation der Ökonomie kennzeichnet. 3) Seine Form als in einer dominanten Weise durch die Dualität von Kapital und Arbeit spezifiziert, wobei die Ökonomie die Priorität über die Bereiche der Politik, Philosophie etc. besitzt. Der Begriff des »Superkapitalismus« dient Laruelle dazu, das Problem des abstrakten Funktionierens oder der abstrakten Maschine ins Spiel zu bringen, einer Maschine, die sich im immerwährenden Exzess oder auf der Suche nach dem permanenten Surplus befindet, der prinzipiell aus allem Möglichen extrahiert werden kann, und dabei kommen deine Formen des kulturellen und symbolischen Kapitals ins Spiel, die es sowieso noch genauer zu untersuchen gilt. Kapital bleibt in all seinen Methoden, Formen und differenziellen Akkumulationsweisen, die in ihren Aktualisierungs-Virtualisierungs-Verschaltungen auch das Differänzielle prozessieren, Kapital. Und das Kapital gilt es zu zerschlagen.

Anna Newspeak: Ich befürchte, dass dein Stichwort der “Zerschlagung des Kapitals” in der typischen linken Abszenzmetaphysik endet, die unter dem einfältigen Slogan der “Abschaffung des Geldes” firmiert.

Achim Szepanski: Ja, unbedingt gilt es das Geld abzuschaffen, ein ungeheuerlicher Akt für jeden normal denkenden Menschen. Die auf die Zukunft bezogene Kapitalisierung basiert auf der Kreditschöpfung, dem fiktiven Kapital und dem spekulativen Kapital und seinen Risikomodellen, die der Wahrscheinlichkeitsrechnung entnommen sind…value-at-risk. Die Realisierung bzw. Aktualisierung des Kapitals findet in Geld statt, das zugleich Neubeginn des Kapitalzyklus ist. Rein liquide Derivate werden hingegen nicht mehr in Geld realisiert. Derivate-Kommunismus fordert gegen das Wahrscheinliche das Unwahrscheinliche, nämlich indefinite und virtuelle Nerivate im Spiel einer freien Liquidität (ohne die Realisierung des Derivats in Geld). Dass die Produktion immer unter Ungewissheit stattfindet, dem trägt die Nicht-Ökonomie insbesondere Rechung, wobei dies gerade nicht heißt, dass durch Wissen, Information und und Modellierungen Verbesserungen stattfinden, die allerdings nicht kapitalistischen Effizienzgesichtspunkten unterworfen sind.

Es ist im kommunistischen quarter turn immer das Unwahrscheinliche im Sinne von Blanchot zu denken. Unter dem Gesichtspunkt des Prozesses nähert er sich dem laruelleschen quarter-turn, dem Realen, an: -1=-n. Unter dem Gesichtspunkt des Realen im Sinne von Bestand ist er 1=n. Das widerspricht of course vollkommen der Kapitallogik, welche in die Tautologie den Surplus injiziert: G-G`. Das Reale bei Laruelle ist ungleich der Realität bzw. der Logik des Kapitals. Das Reale ist das Resultat einer transzendentalen Setzung, es ist gegeben-ohne-Gegebenheit und zugleich als negative Möglichkeit definiert, die für jede “Greifbarkeit” von Objekten und für die Rigorosität des Denkens selbst steht. Kurz gesagt, es geht um das Eine, das nicht ist (negative Möglichkeit), aber doch real ist (gegeben-ohne-Gegebenheit). Die ins negativ gewendete différance ist hingegen die deterritorialisierte Derivatbewegung unter den Bedingungen des Kapitals. Kein Wunder, dass Malik sie als solche auch beschreibt, ohne allerdings eine Anbindung an den Kapitalbegriff zu finden.

Anna Newspeak: Falsch. Ich gehe da noch weiter als Malik und Derrida, die beide eine Verallgemeinerung des Kapitals als Archederivat bzw. Gespenstigkeit des Spektrums leisten. In dem Moment aber, in dem das ökonomische Kapital/Geld zur Ware für alle anderen “Signifikanten” (die dann nunmehr leerende Leeren “sein werden”) wird, die ihrerseits in alle sozioökonomischen und -anökonomischen Formen rutschen um fortan gemeinsam und allesamt als negative Gespenster zu spuken bzw. sich als Nerivate (negative Derivate) in negativ-destineränzieller Schickungs- und Bestimmungsirre mit negativ-quasi-unendlicher Teilbarkeit zu verbriefen (hier greift eine nontologische “Logik” der Post), ist die Kapitallogik gestürzt, da a.) das ökonomische Kapital nicht mehr der ultimative oder vorwiegende Zweck der Bewegung der Welt ist und auch alle anderen Kapitalsorten keinen ultimativen oder vorwiegenden Zweck mehr für sich konstantieren können, b.) das ökonomische Kapital genau wie alle anderen Kapitalsorten nur noch als negative Relationen/Differenzen von negativen Relationen/Differenzen wabern (nontologische In-Bezug-Setzungen von anderen unter anderen ohne A/anderen, und sei dieser A/andere auch absolut negativ wie z.B. -1, leerer Signifikant/Hegemonie bei Mouffe/Laclau, JHWE, Boden, Grund, Wurzel, Fundament, Nadir, 0, Fuß, Basis, Basiswert, Underlying, Sinthom, Mutter, usw.), c.) vom verallgemeinerten Minderwert bis zum verallgemeinerten Nerivat (die beide keine symmetrischen Spiegelungen von Mehrwert bis Derivat sind und auch keine Verallgemeinerung von Schuld und Verschuldung darstellen oder instandsetzen) nur noch nichtende Ableitungen von nichtenden Ableitungen stattfinden und d.) da das ökonomische Kapital (und weiter jede Kapitalsorte) zur Ware geworden ist, sich damit die Weltvergesellschaftung allen Geldes und aller Geldfunktionen umsetzt, die sich eben in BGB, BGE, Geld-, Kredit- und Derivatschöpfungs- und -vernichtungsmöglichkeiten binnen eines Weltschwarzmarkt(un)gleichgewichts zwischen allen negativen Differenzen de-materialisiert. Schwarzmarkt auch deshalb, weil die neue digitale Weltwährung des FORS sich wie ein verworfener bzw. negativer Markt gegenüber dem Weißmarkt der global über 80 Währungen des ökonomischen Kapitals verhält, deren Zusammenbruch, Widersprüche und Selbstpräsenz bzw. Selbstabszenz sie gleichzeitig abfängt (Backup-Funktion), feindlich übernimmt (sozialer Kampf) und subzendiert (Nontologisierung der Re-Produktivkräfte und der Re-Produktionsverhältnisse, also der Welt).

Achim Szepanski: Kommen wir zunächst zum Kapital: Kapital ist Axiom/Gesetz, das definiert, dass die Bedeutung der Relation G-W-G` ein Mehr enthält, an dem es per se mangelt. Der vorausgesetzte Signifikant (Geld), um es in den Worten der Linguistik auszudrücken, ohne allerdings hier eine linguistische Kapitaltheorie vorzuschlagen, deutet auf ein unsichtbares Signifikat (Mehr) hin, das sich in weiteren surplushaltigen Signifikanten (Geld`) anzeigt. Das Signifikat des Mehr, welches in der Signifikantenkette des (vorgeschossenen und des realisierten) Geldes enthalten ist und doch unsichtbar bleibt, zeigt sich in immer weiteren Signifikanten an, die das Signifikat des Mehr repräsentieren, das heißt, wir haben es mit einer nicht-äquivalenten Gleitfigur zu tun, die man wie folgt anschreiben kann:

G G´

G´ G´´

usw. usw., wobei man sich von G´ links unten einen Pfeil zu G´ rechts oben denken sollte – oben die Kette der Geld-Signifikanten, unten die treibenden Kräfte der Geld-Signifikate… Der Begriff »Geldmehrwert« bedingt hier sui generis den (bürgerlichen) Mehrwertbegriff, insofern jener sich komplett vom Inhalt emanzipiert hat, und dieser Sachverhalt impliziert als ein rein formeller Gleitprozess den systemischen »Mangel«, den »Mangel« an Mehr oder die berühmte Maßlosigkeit des Kapitals, wobei der an der Zukunft ausgerichtete Vorgriff auf das Mehr den Mangel dominiert und nicht umgekehrt, sodass eine an Lacan angelehnte Definition des Mangels oder eine an der Explikation der Knappheit orientierte Darstellung der Ökonomie, sei sie kontingent oder nicht kontingent konzipiert, von vornherein ausgeschlossen ist. Die Maßlosigkeit (als Vorgriff auf das Mehr) des Kapitals oder präziser das Mehr dominiert jetzt den Mangel und nicht der Mangel das Mehr.

Das wäre das Kapital als Methode oder Logik, unter dem Gesichtspunkt von Mangel und Mehr. Aber es ist in der letzten Instanz nicht vom Einzelkapital, sondern vom Gesamtkapital auszugehen, sodass die drei Bände des Kapital eigentlich von hinten zu lesen sind. Das Gesamtkapital wird als quasi-transzendentale Konstitution gefasst, nämlich als apriorische Wirkung des Gesamtkapitals auf Einzelkapitale, wobei das Gesamtkapital eben erst in zweiter Linie als das Resultat von Wirkungen (der Strategien der Einzelkapitale) oder als Determination durch das Determinierte zu verstehen ist (dies unterscheidet die quasi-transzendentale Konstitution des Kapitals von der Determination-in-der-letzten-Instanz durch das Reale). Aufgrund der Berücksichtigung des zweiten Moments (die Strategien der Einzelkapitale) sprechen wir eben nur von der Quasi-Transzendentalität des Kapitals. Dabei wird die Quasi-Transzendentalität natürlich nicht als kantianisch subjektive Transzendentalität gefasst, sondern sie ist als objektive Determination-in-der-letzten-Instanz zu verstehen, und dies impliziert determinierte Verhältnisse (gegeben-ohne-Gegebenheit), die als Gegebene aber je schon bewirkt, d. h. Wirkung von objektivierten (ökonomischen) »Strukturen« sind (das Gesamtkapital fungiert hier als eine negative Möglichkeit oder als Transzendentalität). Das Gesamtkapital ist eben kein »Ding«, das transferiert und bewegt werden könnte, vielmehr ist es als die dominierende Produktionsweise jeder historisch spezifischen kapitalistischen Gesellschaftsformation durch Determination und Virtualität gekennzeichnet, die sich über die Konkurrenz bzw. Strategien der Einzelkapitale aktualisiert. Über die Konkurrenz wird die Bildung einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate im ökonomisch vereinheitlichten Raum eines nationalen Binnenmarkts in turbulenten Patterns und Wiederholungen hergestellt, die jedoch immer um ein Gravitationszentrum kreisen. Die Herstellung von durchschnittlichen Profitraten ist ein emergenter Prozess, das nicht-intendierte Resultat einer konstanten Suche nach höheren Profiten. Die Aktualisierungs-Virtualisierungs-Verschaltungen des Kapitals, die sich über die Konkurrenz der Einzelkapitale vollziehen, bilden den temporalsierenden Aspekt des Kapitals. Die différance hat ihren Platz in den Aktualisierungs-Virtualisierungs-Verschaltungen des Kapitals.

Anna Newspeak: Die Sache mit den Signifikantenverkettung und der Nähe von S’ und G’ ist mir auch schon gekommen… Ich würde das sowohl bei Lacan (der vom männlichen Genießen spricht) als auch bei Derrida (der vom Supplement spricht) kritisieren, da das Mehr grundsätzlich, also auch “ontologisch” falsch ist, obgleich sich natürlich alle Ontologie durch das Mehr (Expansion des Weltalls, Dissemination, Werden etc.) charakterisiert. Der Fehler der poststrukturalistischen Generation lag darin, das S, also den Signifikanten eher als Materialität denn als Immaterialität im Sinne negativer, nichtender Materialität (und nein, es geht nicht um einen Idealismus) zu denken. Wir könnten auch verständlicher sagen: Wir haben es mir negativer, leerer Materie zu tun. Das heißt, nicht das Sein/Werden/positive Materie bewegt sich, sondern das Nichts/Nichten/negative Materie bewegt sich. Weil letzteres der Fall ist, haben wir es nicht mit einer Vergrößerung/Vermehrung der Welt zu tun, sondern mit einer Verkleinerung/Verminderung, die die Vergrößerung/Vermehrung als Teil zwar enthält, aber nicht mehrheitlich. Also nicht S’ oder G’, sondern ‘S bzw. ‘G. Damit zerstören sich aber nicht nur der Mehrwert (Profit, Rendite etc.), sondern sogar das derridistische Erbe, weil auch das Supplement (es ist Er-gänzung) in die Reihe von G’ und S’ gehört. Deswegen kommt dabei eine negative Dekonstruktion, also Nekonstruktion ins Spiel, die bspw. die Bewegung der Welt als “textuelle” Subplementierung (Ent-gänzung) verstehen muss. Des weiteren bedingt die In-Ware-Setzung des ökonomischen Kapitals für alle anderen Elemente/Leeren/Variablen/Signifikanten/Differenzen/Oppositionen/Widersprüche/Sektionen etc. in Kapitalform gerade den Sturz der Maßlosigkeit des ökonomischen Kapitals, wobei die anderen Kapitalsorten wiederum zur Ware für die jeweils anderen herabsinken, sodass sich das gesellschaftliche Weltverhältnis unaufhörlich resignifiziert und neu bewertet. Eine “Abschaffung des Geldes” als Abschaffung jeder Geldform einer jeden Kapitalsorte setzt hingegen das Nichtskapital (den leeren Signifikant, absolute Abszenz, leere Menge, Menge aller Mengen, 0, -1 etc.) als neues Superkapital, das heißt als Supernichtskapital ein und unterwirft alle sozialen Komplexionen der Maßlosigkeit einer neuen n/ontologischen Geldform, die als Letztzweck nur eine weitere Variante einer Metaphysik der Abszenz von Anwesenheit und Abwesenheit bestimmt. Dies kann auch als negative Theologie verstanden werden.

Achim Szepanski:

Theologisch ist, wie nicht scher nachzuweisen, das Konzept der differance. Ich denke, man entkommt, wenn man sich auf die Dekonstruktion einlässt, ihr nie. Man sitzt in der Falle. Die différance wird auf der Meta-Ebene als Differenz eingeklinkt, oder, anders gesagt, die différance etabliert als Metaebene die Identität der Differenz. Wenn es aber qua einer derartigen Identität nur noch die Aufschiebung von Supplements gäbe, dann dürfte es konsequenterweise auch keine Supplements mehr geben, weil jede Supplementierung ihr eigener Ursprung wäre. Und wenn das Ganze des Textes unter der Vorherrschaft der différance verschwindet, dann müsste dies ja auch für die différance selbst gelten. Deshalb muss die différance eben stabilisiert werden, in dem sie sich selbst (allerdings unausgesprochen) als absolut setzt. Dekonstruktion bleibt damit ein absoluter Prozess des Relativen und ist nicht absolut ohne die Reserve zu halten; sie besteht in der Beziehung relativ-absolut. Dies erst erlaubt Derrida zu bestimmen, dass das Kontinuum immer eine Relation des Verbindens und des Schneidens beinhaltet; das Kontinuum ist diese Relation und es bezieht sich sui generis auf weitere Kontinua in derselben Art und Weise. Dabei sind alle negativen Bewegungen, wie die der Verschiebung und des Aufschubs, als Instrumente einer generellen A-Ökonomie zu verstehen, die vielleicht sogar etwas mit der Denkfigur der inklusiven Disjunktion gemeinsam haben, wie sie von Deleuze/Guattari im Anti-Ödipus konzipiert wurde. Dies und/oder das – das ist der Modus der inklusiven Disjunktion. Différance besäße damit dieselbe positive Identität wie die deleuzianische Differenz, sie brächte die Dinge in einem disjunktiven Modus zur selben Zeit zusammen.

Die Freie Liquidität kennt exakt dieses Verhältnis nicht mehr oder meinetwegen diesen Gleitprozess, und es wäre zu untersuchen, ob die différance von Derrida nicht eben genau dieser Gleitprozess ist. Dagegen gilt es die kommunistische A-Logik des Nerivats auszuführen. Der Streit, was denn nun das Derivat sei, entspannt sich ja entlang des Gegensatzes Geld (Hilferding & Co) und Ware (Ware als Kapital), letzteres am besten bei Milios ausgeführt. Ich denke, es handelt sich um eine neue Kapitalform, die des spekulativen Kapitals, dem im spekulativen Kommunismus die Realisierung entzogen wird, womit es als Kapital aus-fällt, dann beginnt in der Tat das Spiel mit den negativen Relationen, das aber kein Wabern ist, sondern auf das Reale bezogen bleibt. Es gibt dann kein Kapital mehr, auch kein Nichtskapital, sondern das wesentlich spannendere  Spiel der Nerivate, das auf freie Optionalität setzt. Die Vorstellung vom Geld als substanziell bzw. werthaltiger Ware ist ein Relikt der marxistischen Arbeitswertlehre, das man auch nicht los wird, wenn man das Geld funktionalisiert, wie dies schon Simmel getan hat und Derrida auf die Spitze treibt. Indem man nun beim Geldkapital anstelle des Plus ein Minus setzt, ändert rein gar nichts an der Kapitallogik.

Anna Newspeak: Die naturalisierte Konstruktion der Differenz von Erwerbs- und Sorgearbeit (Arbeit und Tätigkeit, Produktion und Reproduktion usw.) unter der absoluten Herrschaft der ersteren wäre in Gänze für die nontologische Trauerarbeit zurückzuweisen. Stattdessen gilt es, ausnahmslos alles zu bezahlen, also dem denaturalisierten Weltwertverhältnis zuzuschlagen, und zwar unter der alles umfassenden Voraussetzung der Warewerdung des Geldes (des ökonomischen Kapitals und weiter jeder Kapitalsorte) für alle anderen Signifikanten/Waren, die in Geldform rutschen um sich fortan als (negatives) Kapital zu bewegen. Die Kombination aus Geschichtlichkeit und Bewertung, um die es hierbei entscheidend gehen muss um nicht in bewertungslosen Geschichtslosigkeiten (Gebrauchswert, Bedürfnis, Eigenversorgung, Subsistenz, Urkommunismus, einfacher Warentausch, Abschaffung des Geldes als differänzieller Bewegung und Bewertung, aber auch dem Monetären von Anfang an zugrundeliegende Bewertungslosigkeit durch sich selbst als Maßstab setzende Letztvermittlung ohne Vermittlung als In-Bezug-Setzung zu anderen Waren/Signifikanten in Geldform) zu landen, sorgt für den strukturellen Befreiungsschlag, der einhergeht mit der Entmachtung der hegemonialen Weltäquivalenzkette (sozusagen aller Kapitale, in mouffeisch-laclauischer Diktion allen “Hegemonien”; in derridistischer Diktion allen “Präsenzen”), dem Bedingungslosen Grundbesitz des ökonomischen Kapitals (und aller anderen Kapitalsorten, wobei wir über deren BGB-Form kaum etwas wissen), dem Bedingungslosen Grundeinkommen des ökonomischen Kapitals (und aller anderen Kapitalsorten, wobei wir auch über deren BGE-Form kaum etwas wissen), einem ökonomischen Derivatekommunismus (als komplette Neuaufteilung und Neuvoluminisierung aller bisheriger Derivatvolumina unter allen negativen Differenzen der Welt zwecks Entteleologisierung und Denaturalsierung der verkauften Zukunft bzw. Zeit; wobei natürlich nach und nach auch Derivatekommunismen für alle anderen Kapitalsorten zu verwirklichen sind und das von Suhail Malik proklamierte Archederivat all dem vorausgeht), unter allen negativen Differenzen im Disversum vergesellschafteten negativ-differänziellen Geld-, Kredit- bzw. Dendit- und Derivat- bzw. Nerivatschöpfungs- und -vernichtungs”rechten” bzw. -möglichkeiten, einem negativ-destineränziellen Weltmarktun-/gleichgewicht zwischen Produktionssphäre und Reproduktionssphäre bzw. zwischen reellem “Geldkapital” (de-realisiert-aktualisiertes bzw. arte-fakto-actu-virtualitäres Kapital; alle Vermögen, Einkommen und Preise – und das sogar wieder für alle “Kapital”arten, wobei wir hier noch weniger wissen), fiktivem Kapital (in aktualisierender-virtualisierender bzw. arte-fakto-actu-virtualitärer De-Realisierung befindlichem “Kapital”; alle fiktiven Vermögen, Einkommen und Preise – und das sogar auch wieder für alle “Kapital”sorten, wobei wir hier noch viel weniger wissen) und synthetischem “Kapital” (in virtualisierend-aktualisierender bzw. arte-fakto-actu-virtualitärer De-Realisierung befindlichem “Kapital”; alle synthetischen Vermögen, Einkommen und Preise – und das wiederum für alle “Kapital”sorten, wobei wir hier weniger als nichts wissen). Da wir jedoch mit dem negativen Derivat – dem Nerivat – anfangen müssen, um den “Nerivatekomminusmus” (der Fehler ist Absicht: das Kommen des Minus bzw. der Subtraktion) als Pesipalismus (negativer “Kapitalismus” der Unwertverunwertung des Minders als Minderwert, Contrafit, Nins, Subminus, Dedite, Abitrage, Deseignorage etc.) der Foraminifederalogie in der FORS-Simulation, einer disversalen Parallelwelt, aufzusetzen, fangen wir auch mit der Foraminifederation als Ableitung einer Ableitung (eine in sich negative Differenz) an, in der sich das Archenerivat als ein in conclusio umgerechnet rund 1 Billiarde Euro schwere Neuverkettung und Neuverbriefung von Raum und Zeit formiert. … All das hat mit Hyper-Kapitalismus und Superkapital des ökonomischen Kapitals als expandierende Weltformation kapitaler Totalausschlachtung menschlicher und nicht-menschlicher Lebensformen nichts zu tun.

Achim Szepanski: Nerivate-Kommunismus scheint mir in der Tat der bessere Begriff zu sein… Gut, stellen wir zunächst eine große Forderung, den direkten und bedinglosen Zugang zu allem Geld und allen Kapitalformen, die fortan differänziell-negativ prozessieren, oder sagen wir es mit Stiegler, als Pharmakon negentropisch prozessieren, aber nur um sie im gleichen Moment durch geldlose Nerivate zu ersetzen. Fangen wir aber bei den kleinen Fischen an: Die Akzelerationisten und die Linken aller Couleur sind heute genügsame Sozialdemokraten, die sich damit begnügen, kleinliche Forderungen zu stellen und sich dabei in die Position des vermessenden und vermessenen Gläubigers zu versetzen, und das alles mit Maß und Anstand. Dagegen gilt es aus dem Gläubiger-Schuldner Verhältnis ganz auszubrechen, indem man einerseits den Schuldenstreik propagiert, andererseits die Forderung liquidiert, sei es, dass man sie bis ins Unendliche übertreibt, darin sehe ich eine Zielsetzung deines Projekts, oder schweigt, das heißt keine Forderungen stellt. Exakt in diesem Schweigen besteht dann die Rache der Aufständischen. Ist der Kreditkreislauf erst einmal außer Kraft gesetzt, kommen die Derivate oder Nerivate ins Spiel, deren Optionalitäten auf nichts mehr referenzialisieren als auf Artefakte, die negativ ausgespielt werden, ohne dass es zu einer Synthetisierung kommt, wie sie auch Marx noch in seinen etwas naiven Bemerkungen über den Kommunismus, vorgeschlagen hat.

Es gibt generell zwei sich exklusiv ausschließende Linien: Affirmation-Ignoranz-Wert-finanzielles Superkapital versus Negation-Intoleranz-Minus-Wert-spekulativer Kommunismus. Der spekulative Kommunismus erfordert die Zerstörung dieser Welt, das heißt zum einen die Zerschlagung des Systems der Lohnarbeit bzw. der Beschäftigung sowie des Systems der prekären, digitalisierten Arbeit, der digitalisierten Freizeit und des Wissens, sodass gerade auf der Basis der Automation das individuelle Brain und der kollektive Körper wieder de-automatisiert, das heißt einem negentropischen Wissen und einer Arbeit, welche die Unterbrechung und die freie Zeit zur Grundlage hat, negentropisches Wissen hervorbringt, zugeführt werden können (deswegen halten wir die Frage der Arbeitszeitverkürzung und des bedingungslosen Grundeinkommens unter kapitalistischen Verhältnissen für zweitrangig; freie Zeit dient dann nur dem weiteren Konsum von Wegwerf-Gadgets). Zum anderen erfordert die Politik der Negation die bedingunglose Zerschlagung aller Formen des Kapitals inklusive des fiktiven und synthetischen Kapitals, im konkreten die globale und bedingungslose Enteignung aller millionären und milliardären Unternehmen. Dieses Kapital wird in Derivate oder besser in Nerivate umgewandelt, die allerdings nicht mehr in Geld realisiert werden und damit verliert sowohl das Geld als auch das Kapital sofort seine Relevanz. Es beginnt das indefinitive, negative Spiel (Fourier) mit den Nerivaten, die auf kommende Nerivate bezogen sind, ohne dass eine Synthetisierung qua spekulativem Kapital stattfindet, vielmehr wird mit den Nerivaten eine kommunistische Transindividuation erreicht, die auf freie Optionalität setzt. Freie Optionalität widerspricht der Modellierung der Wahlmöglichkeiten, wie sie die Finanzmathematik oder das Nudging propagiert, sie widerspricht auch einer bloßen Erhöhung der Anzahl der Wahlmöglichkeiten, sie perfektioniert auch nicht einfach nur das deleuzianische Spiel der Differenzen, indem es eine deterritrorialsierende Kriegsmaschine von exotischen Derivaten mit dem Ziel einer nomadischen Distribution einsetzt, wie dies von Benjamin Lozano ausgearbeitet wurde, vielmehr richtet sich sich auf den Luxus-Surplus, der den Markt transzendiert, wobei auf der Grundlage der Automatisierung Prozesse zur De-Automatisierung stattfinden, Zeiten der Unterbrechungen, die zu neuen Akten der Wissensproduktion führen, in denen man sich selbst und die anderen  über die Transindividuation erweitert. Das ist die Befreiung des Realen selbst, insofern über Nerivate, die Zukünfte eröffnen, gerade, weil davon ausgegangen wird, dass die Zukunft schwrz bleibt, psychische und kollketive Zielsetzungen organologisiert werden, man denke an den libidinalen Wunsch, noetische Arbeit, freie Zeit, Ressourcenverbrauch, Technologien etc. Dies geht über Planungen und kybernetische Simulationsmodelle, die die Zeitabhängigkeit und die Relationen zwischen den Variablen des zu simulierenden Systems abbilden hinaus, weil die reale und prognostische Kraft des spekulativen Kommunismus weitaus höher zu veranschlagen ist. Dies muss allerdings noch genau ausgeführt werden.

Gegenwärtig wird das Reale rein als ein Modus des Zugangs zu Möglichkeiten begriffen, die als Geld aktualisiert werden müssen, ein organologischer und technologischer Modus des Zugangs, bei dem das Potenzial für Transformationen eine Frage der endlosen Aktualisierung von Möglichleiten ist, und dies im Rahmen der Wahrscheinlichkeitstheorie und eben nicht der Spekulation.

Die kommunistische Spekulation setzt Liquidität frei, die nun als Optionalität auf den akkumulierten Reichtum im Kommunismus fungiert, wobei die spekulative Gerechtigkeit nicht nur in der Optionalität auf das historisch schon akkumulierte Wissen und den historisch schon akkumulierten Reichtum, sondern auch in der Optionalität auf den kommenden Reichtum und auf das kommende Wissen besteht (futuristische Negentropie). Diese Optionalität wird über Prozesse der psychischen, kollektiven und technischen Individuation hergestellt und ist als eine Transindividuation der Unwahrscheinlichkeiten und der Unterbrechungen negentropisch sui generis.

Anna Newspeak: Ja, um freie Liquidität und Spekulation geht es mir auch… Hätte es je sowas wie einen Linksrandismus gegeben (analog dem Linksschmittianismus bzgl. Carl Schmitt), dann wäre es verständlicher, wenn ich sage, dass freie Liquidität einen wirklich “freien Markt” schafft, der aber alle totalitären und metaphysischen Elemente von Ayn Rand und Co. ausschaltet. “Freier Markt” besitzt dabei auch eine Nähe zu “Freier Assoziation” und “Gleichschwebender Aufmerksamkeit” bei Freud und zur “Freien Assoziation” bei Marx. Allerdings dürfen die ganzen Metaphysika darin nicht weitergeführt bzw. wiederholt werden.

Achim Szepanski: Hingegen könnte man den spekulativen Kommunismus mit Stiegler auch als Prozesse der psychischen und kollektiven De-Automatisierung in Prozessen der Transindividuation bezeichnen. Hier kommt es darauf an, einerseits dem Marktsozialismus und anderseits der Planwirtschaft zu entkommen. Dabei werden die entwickelsten Instrumente des Kapitals, die Derivate, in Prozessen der negentropischen Transindividuation quantisiert und zugleich de-automatisiert. Die Frage ist eben die, wie entkommt man einerseits der Naturalisierung (Messung von Arbeitsquanten, Cockshott) und andererseits der Weiterschreibung von Geld- und Kapitalformen (siehe Jiři Kostas Marktsozialismus und Kryptowährungen wie Bitcoins etc.). Beides sind vergangenheitsbezogene Automatisierungsprozesse, die hinter den gegenwärtigen Stand das Kapitals, das sui generis auf Zukunft bezogen ist, diese aber immer wieder abschließt, das heißt wahrscheinlich macht, zurückfallen, während der spekulative Kommunismus auf der Basis der Automation und der De-Automatisierung des Wissens und der Nerivate das Spiel mit dem Unwahrscheinlichen (Blanchot) beginnt. … Für mich sind dabei die Derivate aber Anti-Kapital, anökonomische, aber keineswegs naturalisierte, sondern höchst artifizielle negentropische Reichtumsformen. Befreite Nerivate werden niemals in Geld realisiert, sind deshalb auch kein spekulatives Kapital mehr, sondern freie Liquidität, oder, was das Gleiche ist, Illiquidität.

Anna Newspeak: Ja… setze “Kapital” in Anführungsstriche… In der Tat ist das dann kein Kapital mehr, weil die Unitarisierung des Geldes als gesamtgesellschaftlicher (Letzt-)Zweck eliminiert ist. Aber: Es ist insofern noch “Kapital” als es sich differänziell, genauer: negativ-differänziell bewegt. Aber es bewegt sich nicht mehr rein oder überwiegend positiv als jedwede Mehr-Form (Mehrwert, Profit, Rendite, Zins, Seignorage etc.), sondern negativ ohne absolute Abszenz. Deswegen versuche ich, das negative Gramma des Pesipals zu prägen…

Achim Szepanski: Differenziäll ja, nicht im Sinne des Mangels von Lacan, den zeichnet nämlich das Kapital auch aus.

Anna Newspeak: … Ja, nicht im Sinne des abszentistischen Mangels, der uns alle verhungern lässt/verhungern lassen will. Andererseits würde ich eher sagen, dass das Kapital den Mangel/das Minder unterdrückt und bekämpft um sich als Mehr-Form realisieren, das heißt erweitern zu können. Kapital ist hier sehr “anti-mangelisch”…

Achim Szepanski: Ja, der Surplus determiniert den Mangel, nicht umgekehrt. Es mangelt immer am Surplus.

Anna Newspeak: Wenn du das Reale mit Laruelle und Deleuze nicht so furchtbar metaphysisch konzipieren und verstehen würdest, würde ich exakt das Gleiche sagen. Aber für mich wäre das ein “doppeltes” oder nifferänzielles Reales: Einmal als eine komplette neue symbolische Ordnung (die symbolische Ordnung fällt ins Reale, was psychoanalytisch der Privation entspricht), die aber zugleich wieder ins immer wieder nächste Reale fällt (Privation der Privation), ohne jemals wieder sich als symbolische Ordnung konstituieren zu können. Du denkst nur die einfache Privation, die auch eine Psychose ist. (Deswegen kannst du auch nichts oder fast nichts weiter zum “nach-kapitalistischen” wirtschaftlichen Geschehen sagen, sondern landest in der Vorstellungslosigkeit, in der alle Diferenzen in Eins im Realen zusammengefallen sind.) Der zu bekämpfenden Psychose der Präsenzmetaphysik bzw. Abszenzmetaphysik (One-in-One) ist nur durch eine voranzutreibende Psychose von dieser Psychose zu entgehen, bei der sich die Differenz wieder herstellt, und zwar nunmehr als negative Differenz, da die Differenzen alle real geworden sind und nicht mehr dem Symbolischen angehören, welches damit auch nicht mehr existiert. Deshalb Privation der Privation… Im Übrigen zielt FORS bzw. der Bedingungslose Grundbesitz ja auch darauf, die derzeitigen derivativen Verkettungen des ökonomischen Kapitals (sowie die derivativen Verkettungen jeder Kapitalsorte) zu zerstören, da in diesen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bereits verkauft sind, und zwar nicht irgendwie, sondern fast vollkommen entlang der hegemonialen Weltäquivalenzkette.

Achim Szepanski: Zum Realen siehe oben, es hat eine physische und eine metaphysische Komponente. Aber es ist doch ganz einfach: Indem die Realisierung des Derivats durch das Nerivat verhindert wird, fällt zugleich das Geld und das Kapital aus – ein ziemlich einfacher Gedanke. Es ist ganz falsch, wie Zizek das tut, das Reale mit dem Kapital zu identifizieren, das er dann als geisterhaft beschreibt, um das Reale als die Poren, die das Kapital nicht besetzen oder schließen kann, zu retten. Laruelle würde es nicht einfallen die Realität des Kapitals auch nur annähernd als das Reale zu denken. Seine Begriffe sind daher auch besser als Hinweise auf den Kommunismus denn als analytische Begriffe zur Darstellung und Kritik des Kapitals zu verstehen. Man könnte das Reale bei Laruelle folgendermaßen zusammenfassen: Erstens, eine Universalisierung des Konzepts der Basis bzw. der Infrastruktur; zweitens, das Postulat einer Basis, die gegenüber jedem Überbau abgeschlossen bleibt; drittens, das Postulat einer Determination in der letzten Instanz, und zwar als eine Art der nicht-ontologischen Kausalität; viertens, die Vereinheitlichung von Wissenschaft und Philosophie als Gegenstände oder bezogen auf die unilaterale Kausalität, die vom Realen herrührt. Das Konzept der Determination in der letzten Instanz muss folglich vom sozialen-historischen Terrain abgezogen werden und eine Art formales Axiom inkludieren, das zur Negentropie des spekulativen Kommunismus öffnet.

Anna Newspeak: … was die Abszenzmetaphysik vervollkommnet. Aber es kommt darauf an, eine Neuverkettung und Neuverbriefung des Derivativen bzw. Nerivativen denken zu können. Sonst gehen die vielzitierten Lichter aus… das allein ist aber nur Dunkelheit/Schwärze. Es muss aber noch dunkler/schwärzer werden. Anders gesagt: Es ist eine Sache, die “Kreditkreisläufe” zu unterbrechen und ausfallen zu lassen, aber eine andere, diesen großen Zusammenbruch abzufangen und negativ zu wenden.

Achim Szepanski: Genau darum geht es. Wenn heute alle Kreisläufe aller Kapitalsorten automatisiert sind, was dann? Die Forderung weniger Arbeit geht dann ins Leere, weil sie sofort vom Freizeitkapital okkupiert wird. Was zählt, ist die De-Automatisierung auf Basis der Automatisierung, die negentropische Unterbrechung, die die Voraussetzung ist, um die Arbeit als noetische Tätigkeit und die sie bedingende Optionalität der spekulativen Nerivate zu erschaffen.

Anna Newspeak: Ich bin nicht generell gegen De-Automatisierung… Kannst du genau diesen Aspekt der De-Automatisierung des Verkettungs-Automatismus näher ausführen? Wie sieht das konkret aus?

Achim Szepanski: Eine a-ökonomsiche Epoche ist etwas, das mit einem schon konstitiuierten Automatismus, der lange duch das Kapital sozialisiert wurde, bricht und die Kapazität besitzt, durch die Aneignung des Wissens die eigene De-Automatisierung herzustellen: Die Suspension der sozialen Automatisierung des Kapitals findet genau dann statt, wenn neue asoziale Formen der Automatisierung auftreten. Dabei werden neue Formen der De-Automatisierung im Sinne der Negentropie freigesetzt, um neue soziale Organisationen der Nicht-Ökonomie zu erfinden. Das Wissen ist immer auf diese Prozesse bezogen, während die Dummheit rein von der Automatisierung profitiert.

Foto: Bernhard Weber

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