Fossiles Kapital (3)

Am Ende des Buchs kommt Malm auf die Emissions-Explosion nach dem Jahr 2000 zu sprechen, die von einem einzigen Land ausging, nämlich der VR China. Zwischen den Jahren 2000 und 2006 war China für 55% der globalen Emission von CO2 verantwortlich. Im Jahr 2002 wurde China der größte Förderer von fossilen Brennstoffen. Dies Explosion stand eindeutig im Zusammenhang mit der Globalisierung. Von den Jahren 1980 bis 2008 wuchs der Welthandel um 8% pro Jahr, aber die wirkliche Neuheit lag im Boom der ausländischen Direktinvestitionen. Diese Tendenz konzentrierte sich auf China. Im Jahr 2008 hatte China doppelt so viele Direktinvestitionen als Russland und Indien zusammen zu verzeichnen, zwei Jahre später löste China Deutschland als den größten Exporteur auf der Welt ab.

In diesem Kontext geht es bei den CO2 Emissionen weniger um die individuelle Konsumtion als um den Prozess der Produktion, bei dem CO2 ausgestoßen wird. Ein Deutscher, der ein T-T-Shirt aus Bangladesh trägt, stößt kein CO2 aus, vielmehr war der CO2 Ausstoß während der Produktion in Bangladesh zu verzeichnen, wenn Kraftwerke Elektrizität stellten, eine unsichtbare Kette entsteht hier, die schließlich in der Ware verkörpert ist. Das aktuelle Volumen des CO2 Ausstoßes der Konsumenten von individuellen Waren geht weit über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus. Was ist wenn Bangladesh für den Ausstoß von C02 verantwortlich gemacht wird, wobei der Nutzen von T-Shirt Trägern in den Kernländern des Kapitals bei den Individuen liegt? Viele Forscher, Aktivisten und Politiker nehmen diesbezüglich heute eine Relokalisierung der Verantwortlichkeit für Emissionen vor, ein Shift von Zählungen, die auf der Produktion beruhen, hin zu Zählungen, die auf der Konsumtion beruhen, was realistischer darstellt, wie und warum Menschen für den C02 Ausstoß verantwortlich sind. Auch hier spielt China ein zentrale Rolle; während in den Jahren 1990 bis 2002 ein Drittel des Anstiegs des C02 Ausstoßes auf den Export zurückzuführen war, stieg die Rate von 2002 bis 2008 auf die Hälfte an.

Die Warenberge aus China endeten zumeist in den kapitalistischen Kernländern. Während China der größte Exporteur war, war die USA der größte Importeur von schon verkörperten Emissionen. Die Argumentation könnte nun so lauten: Der Anteil der Emissionen, der vom Warenexport herrührt, ist groß und signifikant, was sich darin zeigt, dass China im internationalen Handel als Weltfabrik gilt. Und diejenigen, welche die Waren aus China konsumieren, sollten auch Verantwortung tragen. Aber, und das gilt es hier einzuwenden, es waren nicht die konsumierenden Arbeiter aus den USA oder die aus anderen westlichen Ländern, welche die Entscheidung fassten, im Ausland zu investieren und die Produktion outzusourcen.

Das globale mobile Kapital wird Fabriken immer an Orte verlegen, wo billige Arbeitskräfte zu finden sind, wo also die Profitrate am höchsten sein wird, und dies geschieht mit dem produktiven Konsum von Produktionsmitteln, die einen massiven Verbrauch von fossilen Brennstoffen benötigen. Solche Mobilität macht einen tiefen Schnitt in den abstrakten Raum: Im Zuge maximaler Profitabilität plündert das Kapital ohne Verbote Ressourcen in der ganzen Welt wie nie zuvor, während die Arbeiter an bestimmte Plätze gebunden sind. Die Mobilität ist für das Kapital kein Luxus, sondern eine schlichte Notwendigkeit, wobei der abstrakte Raum nicht nur ein Produkt des Kapitals, sondern auch eine Folge von Klassenrelationen und-kämpfen ist. Wenn das Kapital an den Weltmärkten zirkuliert, muss es dringend die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Ländern berücksichtigen. Es sucht nach billigen und disziplinierten Arbeitskräften, denn der einfachste Indikator für hohe Profitraten sind niedrige Lohnkosten. Die industrielle Revolution tendiert deshalb von Ländern mit hohem durchschnittlichen Einkommen in Länder mit niedrigen Einkommen zu wandern und damit einen Prozess der relativen Relokalisierung einzuleiten. Aber ganz so einfach sind die Dinge nicht, denn die ausländischen Direktinvestitionen werden neben den Löhnen auch noch von weiteren Faktoren determiniert, beispielsweise von Konsumenten, die genügend Kaufkraft für den Konsum besitzen.

Im abstrakten Raum der globalen Ökonomie können die Kunden praktisch von überall bedient werden; die Bereiche der Produktion können von den Bereichen der Konsumtion getrennt werden. Es gibt mehrere Faktoren, welche die Mobilität des Kapitals mit den Energiebeständen verbinden. Eine notwendige Bedingung für billige Arbeit ist die Existenz einer industriellen Reservearmee von Arbeitern, und die Expansion des Verbrauchs von fossiler Energie begleitet oft die Relokalisierung durch das Kapital. CO2 wird von Fabriken ausgestoßen, die auf ausländischen Direktinvestitionen basieren, und dafür muss das ausländische Kapital die Entwicklung umfassender Infrastrukturen im Gastgeberland simulieren. Niemals wird das Kapital in einem Land ganz ohne Infrastruktur investieren. Kraftwerke, Minen und Elektrizitätsleitungen müssen vorhanden sein, die brauchbare und billige Energie liefern. Malm nennt diese Prozesse die Expansion der Effekte. Arme Länder haben eine höhere Emissionsintensität als reiche Länder. Mehr CO2 wird bei der Produktion eines T-Shirts in Bangladesh als bei der Produktion in Deutschland ausgestoßen. Wir bekommen es hier nicht mit einer Verknappung, sondern mit einem erhöhten Kohlenstoffanstieg zu tun und damit zu einer erhöhten Konzentration von C02 in der Atmosphäre. Wir haben es hier mit dem Intensitätseffekt zu tun.

Für die notwendige Infrastruktur muss ein Netz von Straßen, Schienen, Häfen und Warenlagern vorhanden sein – Flughäfen, um fertige Waren, Manager und CEOs zu transportieren, und zwar zwischen den Fabriken, Märkten und den Firmensitzen. Da moderne Transportsysteme fast komplett vom Öl abhängig sind, haben wir es auch hier mit einem steigenden Ausstoß von CO2 zu tun. Malm nennt dies den Integrationseffekt.

Wenn man die drei Effekte miteinander kombiniert, bekommt man einen besseren Eindruck für die These, dass das Kapital auf der Suche nach Mehrwert eine höhere Konsumtion von fossiler Energie betreibt.

Die Globalisierung ist heute keineswegs mehr in erster Linie eine Frage des Handels, denn die internationalen Direktinvestitionen haben die doppelte Bedeutung als der Verkauf von Waren und Dienstleistungen über die Grenzen hinweg. Von den Jahren 1990 bis 2008 hat China den industriellen Output um eine Faktor von 26 erhöht, während die Direktinvestitionen ausländischen Unternehmen mit einem Faktor von 332 zunahmen. Das Wachstum des Exports hat also mehr mit ausländischen Firmen zu tun, die ihre Produktionsstätten in China ansiedeln als mit Chinas Unterbietung der Preise von anderen Firmen auf dem Weltmarkt. Nach 2000 reduzierten der Handel, Landwirtschaft und andere Dienstleistungsunternehmen den Part der Kohle in ihrem Energiemix, sodass die Industrie in China für mehr als 90% des Kohleverbrauchs verantwortlich war, wobei 3/4 in die Generierung von Hitze und Kraft gingen. Kohle – Elektrizität – Warenproduktion für den Export, so lautet die Kette. Es gilt keineswegs, dass die industrielle Produktion weniger Bedeutung für das Kapital besitzt, im internationalen Maßstab wiegt sie schwerer als je zuvor.

Aufgrund seines Energiehungers musste China nach 2000 Kohle sogar importieren, und 2002 konsumierten nur die USA mehr Öl; 2007 wurde die Hälfte des Öl importiert. Gleichzeitig wurde massiv die Infrastruktur ausgebaut, Transport, Kommunikation und das Angebot an Wasser, Elektrizität und Erdgas war komplett vorhanden.

Ungefähr 18% der globalen CO2 Konzentration in der Atmosphäre stammte in den Jahren 2002 bis 2006 von der steigenden Kohlenstoffintensität der globalen Ökonomie, im Zentrum stand natürlich China. Kohle ist die dreckigste und produktivste Energie, wenn es um den Ausstoß von CO2 geht. China ist reich an Kohle, arm an Ölvorräten und es fehlt an Erdgas. China hatte niedrige Löhne und eine hohe Kohlenstoffintensität, andere Länder hohe Löhne und eine niedrige Kohlenstoffintensität, sodass das Kapital von den letzteren Länder nach China floss. Und es flossen hohe Summen in den Ausbau einer industriefreundlichen Infrastruktur. Hohe Mengen von CO2 wurden weltweit seit den 1990er Jahren durch den Transport von Rohstoffen und anderen Materialien ausgestoßen, durch den Transport von Endprodukten war es wesentlich weniger. Wenn Manchester der Schornstein der Welt während der ersten industriellen Revolution war, dann ist es China im 21.Jahrhundert, sodass das Kapital China als seine universelle Fabrik benutzte. Nach dem Jahr 2010 kam es allerdings in China zu Lohnanstiegen, worauf China mit steigender Automation in der Produktion reagierte.

Foto: Stefan Paulus

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