Gebrauchswertstimulation: Die ShoppingMall von der Müllhalde unterscheidbar machen.

Neben der Unterscheidung zwischen der überhistorischen Dimension des Gebrauchswerts, die darin ihren Ausdruck findet, dass es überhaupt Objekte gibt, die Bedürfnisse befriedigen (eine schlechte Abstraktion), und der Dimension des durch und durch kapitalistisch strukturierten Gebrauchswerts qua Wertabstraktion (der von Adorno in seinen kulturkritischen Schriften ständig als Schein denunziert wird: Gebrauchswertsorientierung als Ideologie im “totalen Verblendungszusammenhang”), sollte man eine weitere Dimension vor allem darin sehen, dass jenseits der Wertbestimmung der Ware, die ja einer ganz speziellen Formatierung von Objekten gleichkommt, der Ware noch etwas weiteres aufgepropft wird, ein Par-Ergon im Derridaschen Sinne1, das „durch eine formale, allgemeine und prädikative Struktur“ charakterisiert ist; es handelt sich hier um ein Supplement, mit dem der Ware als sinnlich-übersinnlichem Ding zusätzlich noch weitere Eigenschaften zugeschrieben werden, unter anderem ästhetische, kulturelle, phantasmatische und soziale „Qualitäten“, mit denen die Waren designt werden, beispielsweise als Bild, Image, Kunst, Diskurs, Visiotype oder Schmuck. Man darf hier Propfung aber nicht im Sinne eines nachträglichen Zuschreibens verstehen, sondern man sollte sie als eine direkte Affizierung der Ware oder als Einschreibung in die Ware auffassen, als das Un-Unsinnliche der Warenform, das jedoch vom Objekt in keinster Weise abgetrennt werden kann2. Hier spielt die Prädikation eine wichtige Rolle, insofern die Waren schon mit ihrem bloßen Angebot bzw. mit ihrer Ausstellung ein Prädikat oder ein Urteil über sich anbieten, und dies nicht im Sinne einer Aussage S ist P, sondern im Sinne des Designs oder Arrangements von P selbst. 3 Benjamin war es, der eines der Geheimnisse des Geldfetischs nicht im Gold, sondern in der „Ornamentik der Banknoten“ entdeckt haben wollte, deren drucktechnische »Echtheit« wiederum nur insofern funktioniert, als Banknoten auf dem Markt akzeptiert werden, womit sie weitergegeben werden können und zwar unter endlosem Aufschub ihrer Einlösung, die ja stets durch die Hyperinflation gefährdet bleibt. Benjamin schafft es den sich zu den Banknoten ähnlich verhaltenden Grünton des Schaufensters als stets prekäre Parallelität der beiden Inflationsspiralen des Begehrens und des Geldes quasi von außen, quasi mit fremden Augen zu beobachten.4

Formulieren wir es noch einmal anders. Die sekundäre Zurichtung des Gebrauchswerts, für die eine gesamte Industrie von Kreativen heute bereitsteht, besteht nicht einfach nur in der Addition eines kulturellen Inhalts zur Ware, eventuell als Zugabe zur objektiven Sphäre des Gebrauchswerts, vielmehr interveniert die Kreativ- und Kulturindustrie massiv in die Gebrauchswertproduktion. Zwar ist der Gebrauchswert notwendig, damit ein Produkt im Tausch als Ware gemäß der Befriedigung eines Wunsches realisiert wird, aber um letzteren zu kreieren bedarf es mehr als nur die Herstellung eines nützlichen Produkts. Nützlichkeit mag zwar die Basis des Wunsches sein, aber das ist nicht genug, um die Bedingungen herzustellen, die notwendig sind, um ein Produkt zu verkaufen, womit es erst den vollen Status einer Ware erlangen kann. Die Produktion der Waren benötigt nicht nur den Tausch, sondern, um es etwas altmodisch auszudrücken, die Manipulation des Nutzens, man denke an Graphik & Design, Werbung und Branding. Diese Bereiche haben eine ähnliche Funktion wie sie Marx dem Transport zugestand, insoweit nicht nur die Produkte zu den Konsumenten, sondern auch die Konsumenten zu den Produkten kommen müssen. Dazu bedarf es des möglichst reibungslosen Autauschs von Waren durch das Medium Geld. Der Gebrauchswert ist zwar Teil dieses Prozesses, aber Dinge werden nicht gebraucht oder konsumiert, bevor sie verkauft werden. Produkte verkaufen sich nicht, ohne dass sie in irgendeiner Form wünschenswert sind. Schon Marx schrieb, dass die Produktion einer Ware dann erfolgreich ist, wenn beim Konsumenten ein Bedürfnis nach den Produkten als Objekte der Konsumtion geschaffen wird. So steht denn der Wunsch keinesfalls extern zur Produktion und Konsumtion von Gebrauchswerten, sondern er gehört den beiden Prozessen immanent an. Man kann Dinge im räumlichen Sinn bewegen, und mann kann Leute im emotionalen Sinn bewegen, indem man ihre Emotionen, Identifikationen und ihre Loyalität stimuliert, ihre Wünsche in Richtungen von bestimmten Brands und Produkten treibt. Um Warenstatus zu erlangen, reicht es nicht aus, dass ein Produkt hergestellt wird und einen Gebrauchswert besitzt, sondern es muss sich verkaufen, und der Verkauf muss einen Wunsch befriedigen. Die beiden letzteren Komponenten konstituieren den Wert. Es gibt keinen intrinsischen Wert, der dem Objekt quasi osmotisch zugesetzt wird, sondern es bedarf der Bedeutung, der Signifikation und des Wunsches, um die Ware zu kreieren. Das Produkt muss sich verkaufen, ansonsten bleibt es eine potenzielle Ware. Günther Anders sprach sogar schon davon, dass der Konsument im Kapitalismus in sein Bedürfnis hinein terrorisiert wird. Und dies funktioniert auch deswegen einandfrei, weil  die Freiheit sich laut Anders  als Freiheit des Eigenlobs bzw. der Reklame realsiert. Die Werbung gibt vor, ja sie beweist, dass die Einzelnen sich richtig verhalten, wenn sich sich marktkonfrom selbst loben und damit gut verkaufen. 

Baudrillard hat in seinem 1970 erschienenen Buch “Die Konsumgesellschaft” letztere Position schon radikalisiert. Für Baudrillard findet die Synthese von Fülle und Kalkulation in der Shoppingmail statt. 5 Man sollte sie weniger als eine wie auch immer optimierte Anordnung von Warensorten verstehen, sondern als eine Verquickung der Zeichen, die stets geteilt sind, Teile einer konsummatorischen Totalität von Zeichen. Das Kulturzentrum wird an dieser Stelle zum integralen Bestandteil des Einkaufszentrums, indem die Ware kulturalisiert und in spielerische Eleganz und distinktive Substanz verwandelt wird. In einer Art Kamerafahrt fließen die Konsumenten –  geschlechtslos im hermaphroditischen Milieu der Mode –  durch die klimatisierten Shopping Malls, die sie am Ende noch verdaut und einer homogenen Fäkalmaterie anheimgibt. 6 Die Waren bieten sich als gekaperte Macht dar, nicht als Resultate der Produktion. Sie werden als Manna empfunden, und ihr Konsum ist nicht die Kenntnis der Welt, nicht ihre Ignoranz, sondern ihre Verkennung, die durch eine permanent gereizte Neugier vorangetrieben wird. Man braucht zur Steigerung ununterbrochen so etwas wie eine konsumierte Gewalt, die in Raumtemperatur angeboten wird.

Baudrillard zufolge gibt es nur scheinbar die Freiheit des Verbrauchers. Der Massenkonsum ist ein gesellschaftliches System zur Stabilisierung der kulturellen und gesellschaftlichen Ordnung. Der Überfluss an Objekten und Konsummöglichkeiten sei einem magischen Denken verhaftet, meint Baudrillard. Die Monströsität voller bunter Regale lebt nicht vom Versprechen auf Bedürfnisbefriedigung, sondern vom “Überfluss” der Zeichen und der “Akkumulation der Zeichen des Glücks”. 7 “Es geht um das konsumierte Bild des Konsums. Das ist die neue Stammesmythologie, die Moral der Moderne.”8 Und weiter: “Es ist also nicht richtig, dass die Bedürfnisse Ergebnis der Produktion sind, vielmehr ist das System der Bedürfnisse das Produkt des Produktionssystems.” 9 Nicht die Produkte sind primäres Ziel der Bedürfnisbefriedigung, sondern das mit ihrem Kauf erworbene Prestige. Das Produkt mutiert zu einem austauschbaren Zeichen des Begehrens, mehr noch, die Produkte und Wünsche tendieren zu einer „generalisierten Hysterie”. Der Konsum fördert eine Art objektloses Verlangen, ein Verlangen, das auch ohne die Objektwahl insistiert. Somit orientiert sich der Konsum nicht am Gebrauchswert, sondern an der Produktion und Manipulation sozialer Signifikanten, oder, um es anders zu sagen, der Konsum ist ein Prozess der Signifikation und der Kommunikation, basierend auf einem Code, der sich beständig und zugleich unsichtbar in die Konsumpraktiken einschreibt.

Der Konsum ist ein System des Tauschs und ein Äquivalent der Sprache. Er ist zudem ein Prozess der sozialen Differenzierung und Klasssifizierung. Die Zeichen und Produkte sind nicht nur sigifikante Differenzen im Code, sondern auch Statuswerte einer sozialen Hierarchie. Dabei wird das entsprechende Distinktionsverhalten der Konsumenten als Freiheit erlebt, und eben nicht als Zwang sich differenzieren zu müssen und einem Code zu gehorchen. Sein Vergnügen erlebt der Konsument als absolut, ohne den strukturalen Zwang überhaupt zu registrieren, der zudem für permanenten Wechsel sorgt, wobei die Ordnung der Differenzen aber erhalten bleibt. 10 Baudrillard konstatiert sogar einen Zwang zur Relativität, der den Rahmen für eine nie endende Differenzierung liefert. Und dies erweist sich als die Grenzenlosigkeit des Konsums. Während das Prestige an der positiven Differenz klebt, kennen die distinktiven Zeichen die negative Differenz: Man konsumiert nicht das Objekt, man folgt vielmehr  der Manipulation der Objekte als Zeichen. Baudrillard fügt hinzu, dass Produkte und Wünsche keineswegs nach derselben Logik und Rhythmik produziert werden. Während die Warenproduktion von der Produktivität des Kapitals abhängig bleibt, basiert die Wunschproduktion auf gesellschaftlicher Differenzierung. Dabei wachsen die Wünsche schneller als die verfügbaren Güter. Die Differenzierung der Produkte ist also in Relation zur Differenzierung der gesellschaftlichen Nachfrage nach Prestige zu setzen.

Die von Baudrillard als “Standardpaket” titulierte Konsumnorm bezeichnet weniger die Materialität der Produkte als ein bestimmtes Konformitätsideal. Die Funktion des Marktes und der Motivationsforschung besteht darin, eine konstante Nachfrage für die Märkte zu erzeugen. Das System der Wünsche regrediert zu einer reinen Manövriermasse innerhalb des Produktionsystems, die Baudrillard als Konsumtivkraft bzw. als die Form der rationalen Systematisierung der Produktivkräfte auf individueller Ebene bezeichnet. Im System der Zeichen sind die Produkte nicht mehr an ein Bedürfnis oder eine Funktion gebunden, sondern an ein bewegliches und unbewusstes Signifikationsfeld. Es gibt im System allgemeiner Austauschbarkeit andauernd Verschiebungen zu vermelden, womit dann eben auch der Wunsch nach Unterscheidung beim Konsumenten nie zu einem Ende kommt. An dieser Stelle kann man Baudrillard zusammenfassen: 1) Der Konsum ist keine Funktion des Genusses, sondern eine Funktion der Kapital-Produktion, und besitzt damit eine kollektive Funktion. Bei Produktion und Konsumtion handelt es sich um ein und denselben logischen Prozess der Reproduktion des Kapitals und seiner Kontrolle. Konsumenten werden einem kollektiven Code zugeordnet, ohne dass Solidarität entsteht, ganz im Gegenteil. 2) Der Konsum stellt die Anordnung der Zeichen und die Integration der Klassen sicher. 3) Konsum beruht auf einem Code der Zeichen und ihren Differenzen. Dabei definiert die industrielle Produktion von Differenzen das Konsumsystem. Es ist eine monoplistische Konzentration der Differenzen, insofern sie aus der Produktion künstlich multiplizierter Modelle entstammt. Die Differenzen dienen der Gefügigkeit gegenüber dem Code, der Integration in eine mobile Werteskala. 4) Der Konsum impliziert weniger den funktionalen Umgang mit Produkten, sondern basiert auf einem ausgeklügelten Kommunikations- und Tauschsystem.

Schließlich erzwingt der Konsum laut Baudrillard die emotionale Pflicht zum Genuss, er fördert das aktive Moment (alles muss ausprobiert werden) und eine generalisierte, in diffuse Umtriebigkeit verwandelte Neugier. 11 Es handelt sich um einen systematisch organisierten Konsum. Die Freiheit des Konsums ist für Baudrillard eine reine Mystifizierung, vielmehr wird die Wahlfreiheit im Konsum aufgenötigt; das System des Konsums vervollständigt das ebenfalls aufgezwungene Wahlsystem – ShoppingMall und Wahlkabine sind systemisch produzierte Orte der individuellen Freiheit.

Aufgenötigt wird auch der Konsum zweiter oder dritter Ordnung, der die ständige Selbstverwandlung der Konsumenten integrieren soll. Dabei wird ihm sogar suggeriert, dass er im und mit dem Konsum Projekte organisiert, mit denen er jeden Versuch des Marketings, ihm eine von außen aufgezwungene Identität aufzustülpen, unterläuft. Man impft dem Konsumenten ein, dass er mit all ihrer Kenntnis von Marken und Werbung diese durchschaut, während er sich genau in diese Konsumkultur einfügt. Gelebte Erfahrung wird durch ein Konglomerat von Lifestylen ersetzt, wobei es den Widerspruch zwischen Zugehörigkeitsgefühl zu einem Trend und der eigenen Individualität auszugrenzen gilt.  Personalisierung/Differenzierung erfolgen im Zeichen des Codes, wobei die Differenzen von der Industrie als distinktive Zeichen eingesetzt eingesetzt werden; die Differenzen schließen sich nicht aus, sondern besiegeln mit ihrem Tausch die Integration der Gruppe. Beim Verhältnis von Konsum und Zeit geht man laut Baudrillard von drei Voraussetzungen aus: Die Freizeit ist das Reich der Freiheit. Jeder Mensch ist von Natur aus frei und gleich. Die Zeit ist die Dimension apriori. Sie ist da und wartet auf uns. Der Anspruch der Freizeit besteht darin, der Zeit wieder ihren Gebrauchswert zurückzugeben, jedoch kann sie nur als chronometrisches Kapital von Jahren, Stunden und Minuten befreit werden, in die man investiert. Zeit bleibt deshalb knapp und den Gesetzen des Tauschwerts unterworfen. Nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch die Konsumzeit – die gewonnene freie Zeit durch ein Produkt beispielsweise, das flüssig und nicht tiefgefroren konsumiert wird – mutiert zum verzinsbaren Kapital, zur virtuellen Produktivkraft, die man kaufen muss.

Im Kontext der therapeutischen Fürsorge, einen weitere Nebenwirkung des Konsums, regridieren die Konsumenten schließlich zu Pflegefällen: “In diesem Sinne noch einmal die TWA, die »Fluggesellschaft, die Sie versteht«. Und sehen Sie, wie gut sie Sie versteht: »Für uns ist der Gedanke kaum erträglich, Sie ganz allein in ihrem Hotelzimmer zu wissen, wie Sie wild durch die Fernsehprogramme zappen. Wir wollen alles tun, damit Sie auf Ihrer nächsten Geschäftsreise Ihre bessere Hälfte mitnehmen können … mit dem speziellen Familientarif usw. Mit ihrer besseren Hälfte an Ihrer Seite haben Sie zumindet jemanden, mit dem Sie den Fernseher umschalten können … das ist es, was wir Liebe nennen …« Die Frage ist nicht, ob Sie allein sind – Sie haben nicht das recht dazu, denn »für uns ist das unerträglich«. Wenn Sie nicht wissen, was Glücklichsein bedeutet, werden wir es Sie lehren, wir wissen das nämlich besser als sie und wissen auch, wie Sie mit ihrer »Hälfte« vögeln sollten,wo sie doch Ihr »Zweites Programm, Ihr erotischer Sender ist. Das wussten Sie nicht? Dann werden Sie auch das bei uns lernen. Denn dazu sind wir da. Sie zu verstehen – diese Aufgabe ist die unsrige …”12

Um nun von hier aus einen Bogen zu Klossowski zu schlagen: Während man in der Epoche der handwerklichen Produktion die Instrumente und Werkzeuge der sog. Suggestion, seien es nun Buch, Bild oder Theater, noch wesentlich höher veranschlagte als die Suggestion selbst, egal, ob sie nun das Schöne, das Hässliche oder gar das Groteske entbirgt, wobei das letztere schließlich jeder manichäischen Beurteilung enträt, so kehrt sich Klossowski zufolge im Zeitalter des industriellen Kapitalismus aufgrund der massenhaften, standardisierten und seriellen Produktion von Waren das Verhältnis von Werkzeug und Suggestion komplett um: Von nun an gilt die erfahrbare Sensation, die womöglich den „Wettbewerben des Vergnügens“ (Fourier) inhärent ist, wesentlich mehr als das sie suggerierende Bild, Design oder Instrument. Und damit könne sich, so Klossowski, der „erotische Genuss“ als sekundärer Gebrauchswert vom sexuellen Bedürfnis trennen und dürfe schließlich selbst als primordiales Bedürfnis betrachtet werden, was sich z.B. in der Utopie eines Fourier zeige, in der die (erotische) Arbeit „in der Euphorie der Einbildungskraft ein spontanes und schöpferisches Agieren der Menschen sein solle“.13 Andererseits führe jedoch gerade die serielle Produktion von Waren bzw. die perfektionierte Herstellung der Produktionsinstrumente und Konsumgüter im Kapitalismus zur Reduktion der Arbeiten auf einfachste Tätigkeit und u.U. aber auch zu ausgedehnter Freizeit, wobei der Genuss der Sensation nicht mehr gratis bleiben könne. Und schließlich soll jede freigesetzte Zeit im Kapitalismus sofort wieder in den Konsum investiert werden, und dies unter dem Postulat des Fortschritts.

Koppelt man nun den funktional orientierten Gebrauchswertbegriff, der rein den Nutzen des Objektes für ein Bedürfnis ausdrückt, an den Begriff des sekundären, differentiellen Gebrauchswerts, der die Parameter Semiotik plus Semantik, Ästhetik und Design umfasst, so haben wir es hier mit einer prädikativen Struktur zu tun, die heute jeder Ware direkt aufgepropft ist und die ihre wichtigste Ausdrucksform in der Marke findet, mit der einerseits eine Komplexitätsreduzierung der Ware verbunden ist, andererseits meistens auch eine Art von Erzählung. Es handelt sich hier um sog. Markennarrative, welche das Produkt umgarnen, kommentieren, konzentrieren oder gar absorbieren, um es letztendlich vollständig an Visiotypen oder Viskurse zu binden, dem Design stereotyper und formelhafter Sichtbarkeiten jedweder Art. Und so stehen wir heute einem ganzen Arsenal der Vervielfältigung von warenförmigen Narrativen, Sichtbarkeiten und Symboliken gegenüber, die zumindest teilweise dafür sorgen, dass die Preise der Waren nicht länger im Kontext abstrakten Arbeit bestimmt werden, sondern das Fakt der Bewertung oder Wertschätzung der Waren durch den Konsumenten ausdrücken, was wiederum dem äußerst begrenzt kreativen, wenn nicht obskurant sturen Zusammenspiel von Marketing und Konsument korreliert.

In diesem Kontext sieht der französische Soziologe Vincent Lepinay eine funktionale Beziehung zwischen ökonomischen Derivaten und der ubiquitären Ware Star/Promi; so wird z.B. der Preis des Profifußballspielers Ronaldo kontinuierlich durch den Preis einer Vielzahl derivativer, das heißt von ihm abgeleiteter Produkte mitbestimmt, womit wiederum selbst Ronaldos Haar- und/oder Körperdesign symbolisch aufgeladen erscheint. Der Markterfolg der von Ronaldo beworbenen Waren wird seinen eigenen Preis (als Ware) steigern, während Waren, weil sie nun seinen Namen und damit ein Image tragen, selbst wiederum zu Derivaten mutieren, wobei beide Sorten von Waren-Derivaten füreinander da sind, unter anderem auch deswegen, weil es Ronaldo tatsächlich geschafft hat, anstatt nur von Waren zu leben sich selbst zur Ware aufzuschwingen. Offensichtlich stützt die Ware Ronaldo die von ihm beworbenen Waren, und umgekehrt -: beide Warenarten steigern ihren Preis in reiner Reziprozität, indem sie sich beiderseits als Derivate in den medialen Gossen der Picture-Industry beglaubigen. Günther Anders schrieb in diesem Zusammenhang: „In der Tat besteht zwischen der, in tausende von Kopien zerstreuten Star-Schauspielerin und dem, in zahllosen Exemplaren verbreiteten Nagellack kein grundsätzlicher ontologischer Unterschied mehr. Daß in der Reklame Star und Massenware einander stützen (der Star die Ware durch Empfehlungen, die Ware den Star durch, der Verpackung beigelegte Bilder), daß sie eine Allianz bilden, ist ganz folgerichtig: sie sind „gleich und gleich, die sich gern gesellen”. Und nicht nur gleich verbreitet sind sie, sie haben auch auf gleiche Weise ihre Sterblichkeit überwunden: Beide können sich ja nach ihrem Tode in ihren Reproduktionen weiter bewähren.“14 Es zeigt sich an dieser Stelle sofort, dass der Star/Promi namens Ronaldo von vorneherein einen, wenn auch derivativen, möglicherweise sogar parasitären Preis hat – Parasit verstanden als das sog. gesellschaftlich notwendige Dritte, das immer auch Gefahr läuft, seinen Wirt (und sich selbst) zu eliminieren.

Um nun wieder auf Klossowski zurückzukommen: Der Preis des Stars leitet sich Klossowski zufolge davon ab, dass allein der Markt ihn (als Zeichen des Reichtums) bestimmt, wobei zusätzlich gilt, dass der Star so etwas wie eine Garantie für den Reichtum selbst darstellt, weil er  je schon eine Nachfrage befriedigt. Ist die Nachfrage nun hoch, weil  der Star/Promi sich dem Publikum als einzigartig darstellt, so scheint seinem Preis nach oben prinzipiell keine Grenze gesetzt. Es wäre an dieser Stelle anzumerken, dass der ehemalige Chef der Deutschen Bank Jürgen Ackermann überraschenderweise zu einer ganz ähnlichen Sichtweise der Dinge kommt, wenn er etwa in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 20.11.2009 sagt: „Gehälter und Boni sind Preise. Sie werden in einer Marktwirtschaft zunächst einmal von Angebot und Nachfrage bestimmt.“ Darüber hinaus deutet Ackermann diese Preise als das Ergebnis von Knappheit, wobei er süffisant resümiert, dass je knapper das Angebot (an den Märkten) an Personen mit den stark nachgefragten Eigenschaften sei, desto höher infolgedessen auch ihr Preis ausfallen müsse. Und er fügt schnell noch hinzu, dass man jedoch nicht vergessen dürfe, dass es schließlich nicht die Knappheit allein sei, sondern eben auch das Ergreifen besonders „günstiger Gelegenheitsstrukturen“, was es dem Management schließlich erlaube, die Preise für ihre Gehälter (mit Recht) extrem nach oben zu schrauben -, wobei Ackermann hier völlig im Konsens mit den Experten, und dies erscheint auch kaum erstaunlich, auf den Begriff der „Leistung“ als Legitimationsgrundlage für besonders hohe Einkommen vollständig verzichtet. Offensichtlich besitzen die Winner-take-all-Märkte (Frank/Cook) 15, welche heute die Interessen des Managements leiten und an den diejenigen Subjekte, die ekstatisch die Pole Position erlangen, im Wettbewerb erheblich höhere Einkommen erzielen als der Rest -, diese Märkte beziehen ihr Vorbilder eindeutig aus dem Profisport, dem Kunstmarkt und der Kulturindustrie. Man sollte dabei durchaus die in den einschlägigen Statements enthaltene Tautologie berücksichtigen, wenn etwa behauptet wird, dass allein die Eliten für die Kreation unserer Jobs und die Steigerung unseres Wohlstandes verantwortlich zeichnen würden. Da nun in der gegenwärtigen Volkswirtschaftslehre alles und nichts als Kapital und demnach potenziell jedes Individuum als Kapitalist gilt, zudem die Einkommen stets der Entwicklung der Produktivität folgen, so lässt sich daraus natürlich nur der Schluss ziehen, dass diejenigen Kapitalisten, die den höchsten Profit erzielen, zugleich diejenigen sind, die am meisten zum allgemeinen Wohlstand beitragen. Sie sind es, welche die große Anzahl der Jobs generieren, sie produzieren die Innovationen und Inventionen und fügen damit den größten Anteil zum gesellschaftlichen Wohlstand hinzu.)

In einem weiteren Schritt lässt sich Klossowski zufolge die Übersetzung des Promis oder des Stars (den Klossowski Industriesklavin nennt) in lebendes Geld analog der marxschen Transformation des Goldes in Geld verstehen, wobei das Gold als Geld exklusiv allen anderen Waren gegenübersteht, in dem die Waren ihren Reichtum in ihm ausdrücken; gleichzeitig muss der Star zum Zeichen für den allgemeinen Reichtum werden, womit er allerdings immer noch Teil des Lohnsystems bleibt. Der nächste, der entscheidende und zugleich denkbare Schritt wäre nun der, dass der Star die allgemeine, die auf ihn gerichtete Erregung, welche sich in zahlungsfähiger Nachfrage ausdrückt, für sich zu nutzen weiß, um sich selbst an die Stelle des Geldes zu setzen, exakter, um das allgemeine Äquivalent (Geld) selbst zu verkörpern, womit der Star tatsächlich zur lebenden Münze mutieren würde. Das Gold ist aber an sich nutzlos, es ist das Geld, das dem Gold Wert verleiht, es wertvoll macht. So nimmt es auch nicht wunder, dass Klossowski schließlich wieder vom Geld als Zeichen spricht. Er schreibt: „Als »lebendes Geld« gilt die industrielle Sklavin zugleich als ein Reichtum verbürgendes Zeichen und als dieser Reichtum selbst. Als Zeichen steht sie für alle Arten materieller Reichtümer, als Reichtum jedoch schließt sie jede andere Nachfrage aus, wenn es nicht die Nachfrage ist, deren Befriedigung sie darstellt.“16 Im Gegensatz zur industriellen Sklavin wird das lebende Geld also den Status des Zeichens direkt einfordern, ja das Zeichen direkt verkörpern, und indem das lebende Geld dies tut, verkörpert es nicht nur das Zeichen des abstrakten Reichtums, sondern stellt den Reichtum mit seinem Körper auch selbst dar. Solange der Star aber nur dazu dient, den Preis beliebiger Waren (Sonnenbrillen, Schuhe, Fernsehsendungen, Zahnpasta etc.) zu steigern, bleibt er das, was Klossowski eine »Industriesklavin« nennt. Weil der Star jedoch das Ziel des Begehrens der Massen bleibt, stellt er nach wie vor den unerreichten Reichtum dar und kann sich damit zumindest potenziell als lebendes Geld setzen. Geld und Star konvergieren somit in der reinen Semiotik (des Geldes), dem Zeichen eines leeren Phantasmas, das alles und nichts repräsentiert. Zugleich repräsentieren sowohl Geld als auch Star den Wert als Leerstelle, die hier als vollkommen arbiträr/virtuell zu verstehen ist. Und darauf zielt Klossowskis arbiträrer/ virtueller Wert qua Geld im Buch »Die lebende Münze« auch ab, der gleich einem Phantasma ist, das einem anderen Phantasma antwortet. Für Klossowski ist das Wert-Geldphantasma die bessere Konzeption als der Warenfetisch, wobei beide alles andere als subjektive Illusionen beinhaltet, sondern rein objektiv zu verstehen sind, auch im Sinne dessen, wie die Objekte dem Konsumenten tatsächlich erscheinen, nämlich mit einer Macht/Magie, das heißt mit Phantasmen ausgestattet, die nicht nur darauf beruhen anderen Phantasmen, denjenigen des Begehrens zu antworten, sondern über dieses in ihrer ganzen Undurchsichtigkeit für das Subjekt zu verfügen. Und genau diese Macht nutzt nun das lebende Geld aus, um sich an die Stelle des toten Geldes zu setzen. Und wenn nun die Preise sich weitgehend von der Wertsetzung der Waren qua abstrakter Arbeit lösen, was heute u.a. für die Markenware gilt und Preise damit rein zum Resultat der Zahlungswilligkeit von marketing- und werbeverseuchten Kunden mutieren, dann erscheint es nur folgerichtig, sich der Aussage von Pierre Klossowski anzuschließen: »In der Welt der industriellen Fabrikation macht nicht mehr das, was von Natur aus kostenlos scheint, den Reiz aus, sondern der Preis dessen, was natürlicherweise kostenlos ist.«17 Damit spielt Klossowski allerdings nicht in erster Linie auf das Faktum an, dass Konsumenten heute bereit sind, für das Image bzw. den Informationswert eines Produktes extrem hohe Preise zu bezahlen, sondern darauf, dass Körper/Lust/Sex/Emotion im Preis steigen, gerade wenn nicht jedermann die Mittel besitzt, um bspw. einen Körper für den sexuellen Akt zu mieten. 

Wie ist es denn nun gegenwärtig um das Phantasma der Waren bestellt? Es dürfte wohl ziemlich klar sein, dass es einerseits um durch Umfragen und Marktanalysen forcierte Grammatiken, andererseits um die Bild- und Zeichenhaftigkeit der gebrandeten Ware selbst geht, um deren differentielles Design. Darauf hat z.B. die Soziologin Celia Lury im Anschluss an Deleuze/Guattari hingewiesen18, wenn sie die designte Ware als ein Objekt der Produktion von Differenz beschreibt, der man jenseits der Abstraktion von Qualität auf Quantität (Wertabstraktion) doch immer wieder ganz spezifische Qualitäten hinzufügt, wobei der entsprechende Mehrgenuss der Markenware vielfach nur eine magere oder kastrierte Jouissance sichert, deren exzessives Moment man permanent entschärft, insofern der Mehrgenuss/Konsum ein seltsames Paregon enthält, eine adversative Struktur, die bspw. befiehlt, mehr zu essen, um gleichzeitig schneller abzunehmen (fettarmer Käse), Kaffee zu trinken, um kein Koffein zu konsumieren (koffeinfreier Kaffee) oder Sex zu haben, um keinen Körper zu berühren (Cybersex) (vgl. Zizek). Für eine schmale Käuferschicht mag es hierbei tatsächlich um eine Funktionalisierung von sog. Paradessenzen handeln (bspw. Kaffee, der gleichzeitig stimulieren und beruhigen soll). Nur wenn man sich dann doch dem Exzess hingibt und wirklich ausgiebig Zucker, Koffein oder Sex konsumiert, tritt beim aufgeklärten und zahlungskräftigen Konsumenten ein Schuldgefühl noch ein, das aber keineswegs auf einem Spiel des Verlangens basiert, das vom Verbot initiiert wird, um innerhalb eines Gut/Böse Systems in der Schuld bzw. Sünde zu münden (Bataille), sondern stattdessen eine säkularisierte Schuld freisetzt – möglicherweise ein Supplement der im Kreditvertrag exakt fixierten ökonomischen Verschuldung, die hier jedoch nicht mit dem Zins beglichen, sondern mit ausgiebigem Fitnesstraining kompensiert wird. Dies ist weniger das Resultat eines Verbots als das eines Befehls (Enjoy!) und kommt daher eher einer (nihilistischen) Stimmung gleich, mit der man in all den Konsumtions- oder Finanzspielereien seine Selbstbehauptung und -steigerung probiert, im Sinne der unaufhörlich getesteten Leistungsfähigkeit des Selbst, das wiederum eine pure Konstruktion ist, die sich in und mit den Warenangeboten (der Enhancement-Industrien) äußert, welche den Genuss verheißen, und dabei ist es für viele dann schlichtweg egal, um welche Form des Genießens es sich handelt; Genuss, der sein raison dètre einzig allein darin besitzt, denjenigen zu dienen, die einem zu genießen heißen.19 Und die höchste Form des Genießens besteht ganz und gar nicht im Genuss von Waren, sondern im Genuss der Dienstleistung, die ja stets Auftragsarbeit ist und bleibt, aber als solche nicht erkannt, stattdessen aber lustvoll genossen wird, wie man den Apfelkuchen, den eigenen Witz oder das Pornobild genießt, was schließlich weniger zu Adornos Slogan „Fun ist ein Stahlbad“ als zu jenem „vulgären paradis artificiel“ hinführt, in dem Günther Anders die Utopie der kongruistischen Gesellschaft verwirklicht sah, eines medialen „Monstrums“, das mit Präzision einen für das System geleisteten Dienst nicht nur als Genuss verkauft, sondern dieser Genuss ist tatsächlich der Akt des Mit-Tuns bzw. des Dienstes selbst, wodurch Aktivität und Passivität durch und durch permissiv werden, und nichts anderes besagt ja Medialität.

Das IPhone ist eine Ware, die einen Preis hat (der weniger auf der abstrakten Arbeit als auf der Bewertung durch den hypermateriell gereizten und konditionierten Konsumenten (Stiegler) beruht), und als solche transportiert und übersetzt es, während es als Tauschwert stets auf andere Waren bezogen bleibt, ausgezeichnete Materialien wie beispielsweise Narration und Design: Das IPhone tägte ein Logo, das als leeres Superzeichen im kongruenten Zusammenspiel von Marketing und Konsument ständig mit neuen Bedeutungen und Visiotypen aufgefüllt bzw. aufgeladen wird; als Ware stellt das IPhone also immer auch ein phantasmatisches Symbol dar, und nicht zuletzt funktioniert dieses nur im massenmedialen, digitalisierten Amusementkorsett der strahlenden, technischen Objekte -, denn ohne das Internet wäre heute seine Konzeption, Vermarktung und Vertrieb absolut nicht denkbar. Allerdings verlieren das Branding, Logo und leere Identitäten ihre spezifische Signifikationskraft, wenn sie schließlich dahin tendieren, sich zu weit oder zu allgemein auf alle möglichen Gegenstände und Phantasmen zu beziehen, und damit ihre Wertigkeit überdosieren: Wenn alles Apple ist, dann bedeutet Apple rein gar nichts mehr. Dabei können wir heute feststellen, dass nicht nur das Angebot, sondern auch die Nachfrage einem gesellschaftlichen Produktionsprozess unterliegen, der an keiner Stelle ohne die entsprechende Kommunikation und Interpenetration in Gang kommen kann, welche beispielsweise der Konzern Apple als Information, Datenerhebung und Interaktion u.a. aus den freiwilligen Offerten narzisstischer Profilneurosen aus den verschiedenen sozialen Netzwerken ansaugt. Und als ein Element des Transitiven schließt sich die Markenware nie, vielmehr stellt sie das „Komplettangebot aus „Rezeptur“, Marken-Image, Design und der Verknüpfung mit sozialen Events“ dar20, sie ist und bleibt eine ganz besondere Ware, die jederzeit anschlussfähig, energetisch aufladbar und medial äußerst variabel einsetzbar erscheint, obwohl sie selbst doch einem Zyklus der Invention und der Distribution anheimgegeben ist, und das vom Aufstieg über den Peak-Point bis hin zum Zerfall. Man darf allerdings nicht vergessen zu erwähnen, dass das IPhone nicht nur als Waren-Zeichen erscheint, sondern stets auch ein Objekt bleibt, das als sog. nonhumaner Aktant fungiert und als solcher mutiert das IPhone längst zum digitalen Gedächtnis von Aktanten; es trägt nicht nur die multiplen Spuren eines menschlichen Gedächtnisses, sondern es ist dieses Gedächtnis als extern ausgelagertes Objekt selbst; Gedächtnis besteht stärker da draußen in der Welt als in einem plastischen Hirn materialisiert -, Telefonnummern, Emails, SMS, Noten und alle aus dem Internet ansaugbaren Informationen speichert die Festplatte des Iphone ohne weiteres, macht diese Datenmengen jederzeit abrufbar und dadurch steuert das IPhone als Objekt/Aktant geradezu Handlungen, Verhaltensweisen und Mentalitäten von sozialen Gruppen oder bringt sie überhaupt erst hervor.

Vielfach kommt den Waren aber auch keinerlei Interiorisierung oder Propfung von Narrativen, Emotionen, Visiotypen, Viskursen und Sensationen mehr zu, sei es in der Ein-Euro-Trash-Ware, die es nicht einmal mehr fertig bringt, die gnadenlose Standardisierung der Emotion zu betreiben, weil sie schlicht und einfach keinerlei Emotionen mehr auslösen kann, oder sei es, dass der emotionale Sog der Ware dermaßen übersteigert wird, dass die Ware schließlich keinerlei Lebensgefühl oder Emotion mehr ausdrückt, sondern an deren Stelle tritt, oder das Design nicht mehr die Ware repräsentiert, sondern die Ware das Design selbst ist, eine unendliche Geschichte. Offensichtlich darf die Popindustrie im Zuge der Archivierung und Karnevalisierung (Metz/Seeßlen) ihrer letzten subversiven Potenziale als leuchtendes Beispiel für eine retro-magische Warengeschichte gelten, u.a., wenn sie direkt an totalitäre Marketingstrategien der Konzerne angeschlossen wird, woraus dann tatsächlich vulgäre Waren entstehen – Konglomerate aus Trash, Verarmung und Glamour- , mit all den inkorporierten intensitätslosen Konsequenzen einer nihilistischen Erschlaffung der Warenkultur. „Die Verbreitung von popular songs […] geschieht schlagartig. Der amerikanische Ausdruck >fad<für> An dieser Stelle sollte man auch anmerken, dass die Ware, wenn sie heutzutage weder Lebensgefühl noch Sensation transportiert, sondern an deren Stelle tritt (siehe die Marke Redbull als perfekte Lifestyle-Story), der neuen Fetischismus- bzw. Animismusforschung den Schritt wirklich leicht macht, der Ware mittels der Theorie eine Seele einzuhauchen oder wahlweise ein Ghostlife zuzusprechen, ja den Kapitalismus selbst als eine durchdringend schöpferisch und kreative (und keinesfalls destruktive), wenn auch gespenstische Kraft zu begreifen, die in der Lage erscheint, die unbelebten Dinge hingebungsvoll mit Serien von Phantasmen wiederzubeleben, womit der Kapitalismus tatsächlich (in neuem Gewand) als Quelle/Subjekt kreativer und zugleich als Objekt ritueller Praktiken erscheint, wahrhaft eine grandiose Beschönigung dessen, was im Kapitalismus Tag für Tag an Antiproduktion/Destruktion von Potenzialen und Subjektivierungen geleistet wird -, was er leistet und was er sich leistet, als gäbe es so etwas wie die Seele der Ware tatsächlich noch einmal neu zu erfinden -, und wenn die Warenseelen so trostlos neutral sich heute zeigen, so sind die Seelen der Konformierten (Anders) hoffnungslos überfüllt, überfüllt mit den Strömen von Waren, Meinungen und Emotionen, den die seelenlosen Geräte Minute für Minute absondern, um gerade so etwas wie den Seelen- oder den Konformitätskoeffizienten (Anders) der Konsumenten zu steuern, zu justieren und zu steigern. Dabei korrespondiert das sog. innere Leben der Waren merkwürdig mit dem inneren Leben derjenigen Aktanten, die der Prozess der Kommodifizierung und Valorisierung zuallererst adressiert, was zunächst der nachvollziehbaren Verschiebung der (symbolischen) Gewichtung der Waren von der Sphäre der Produktion hin zur Sphäre der Reproduktion, der Zirkulation und der Ware-Geld-Transaktionen entspricht, und dies vor allem hinsichtlich der subjektiven Vorstellungen der Aktanten selbst. Gleichzeitig ist es kein Zufall, dass derzeit Metaphern erneut Hochkonjunktur haben, mit welchen man das fixe oder tote Kapital beispielsweise als einen Vampyr oder Zombie tituliert, der begierig den Mehrwert anziehe und aufsauge. Egal, ob es nun die menschlichen Aktanten sind oder nicht, die ja nicht ganz zu unrecht an die Beseelung der Ware glauben, während umgekehrt die Waren scheinbar selbst diesen Glauben entfachen -, im Zeitalter des Postfordismus führt die Suche nach der Seele tatsächlich zu einem hyperspekulativen Revival der Fetischismustheorie und der Animismusforschung, welche beide die Ware mit ihrer spektralen Oszillation und/oder das gespentische oder tote Kapital als Alien oder Zombie geradezu verehren, und zwar als Dinge, die zwischen Sinnlichkeit und Übersinnlichkeit pendelen oder schweben, inmitten der Immanenz des Werts. Nach Jean Luc Nancy beugt die Ware das in ihm inkorporierte kreative und soziale Leben je schon der Äquivalenz des Tauschs, aber gleichzeitig erscheint die Seele der Ware als der paradoxale Animus eines untoten Körpers, als eine Zombie Seele. In diesem Zusammenhang sieht der Fetischismusforscher Pietz das magische Moment der Fetisch-Formation in einem modalen Shift, der mysteriösen Transsubstantiation der sozialen Praktiken in pure oder rituelle Gewohnheit oder Gesetz, das von einer Gesellschaft als Ganzes sanktioniert wird, schließlich der Transition einer generellen in eine universelle Form. Und diese universelle Form existiere, so Pietz, zugleich als ein materielles Objekt, oder anders gesagt, die kapitalistische Produktion sei ein Modus, mit und in dem der soziale Wert als Fetisch materialisiert würde, nämlich in einem toten Ding, dem Geld. Es scheint, dass hiermit auf einen Marx angespielt wird, dem zufolge der Tauschwert jeder Angleichung der Variablen des Marktes widersteht, weil er er von vorneherein seinen Bestimmungsgrund nicht in dem Spiel von Angebot und Nachfrage findet, sondern diesen in der „abstrakten“ Arbeit besitzt, bezüglich dererdas entsprechende äußere Maß im Geld erscheint. Dabei bleiben die mit der abstrakten Arbeit involvierten Prozesse im Angesicht der einzelnen Ware unsichtbar Und es ist diese Art der objektiven, immanenten und transzendentalen Illusion, welche bspw. die Ontologie eines Nancy mit ihrer Kritik an den derzeitigen hegemonialen Trugschlüssen der traditionellen Ökonomiewissenschaften zu überwinden versucht, indem sie paradoxerweise den Warenfetischismus als eine eigene Species des Trugschlusses behandelt.

Marx bemerkt im Kapital Bd.1, dass der Warenfetischismus u.a. darin besteht, dass die Beziehung zwischen Menschen als eine Beziehung zwischen Dingen erscheint, oder um es anders zu sagen, die Herstellung kapitalistischer Vergesellschaftung qua Wert eine spezifisch soziale Gegenständlichkeit vergegenwärtigt, womit der Wert als soziales Medium und Verhältnis in Geld und Ware in dinghafter Gestalt erscheint. Es sind die Eigenschaften des Geldes, die sich als verkehrende Potenzen spezifischer sozialer Verhältnisse darstellen, wobei gerade dieses dem Geld immanente Machtpotenzial einerseits überaus real ist, andererseits aber seitens der Aktanten auch ständig verkannt wird; zum ersten besitzt der Geldfetisch im Geld eine objektive Daseinsform, womit man ihn nicht auf eine subjektiv-psychologische Glaubensfrage reduzieren kann, zum zweiten ist der ökonomische Fetischismus keine Projektion, die man vielleicht den Dingen andichtet, sondern eine „objektiv gültige Gedankenform“ (Marx), welche mit ihrer primitiven Matrix in verschiedener Hinsicht zugleich wahr und falsch ist. Um es mit einem einfachen Beispiel anzudeuten: Beim Einkauf scheint der Kunde einzig und allein mit Dingen oder Objekten und deren Verkäufer/Eigentümer konfrontiert zu sein, während doch die Dinge als Arbeitsprodukte ganz real in eine ganze Kette von Handlungen, Transporten und Übersetzungen, die der abstrakten Arbeit immanent sind, verwebt waren und sind, die jetzt in dieser Verkettung unsichtbar bleiben, sodass beim Kauf die sozialen Relationen rein auf die Beziehung zwischen Personen und dem Verkäufer/Eigentümer der Ware und der Kenntnisnahme des Preises reduziert sind, ohne dass einer der Beteiligten des Tausches, der immer auch Handlungen inauguriert, im Traum daran denken würde, dass die Ware etwa eine Erscheinungsform des Wertes sein könnte, der notwendig abstrakten Arbeit, die in ihr geronnen ist, wie dies Marx manchmal selbst höchst problematisch ausdrückt -, handelt es sich bei dieser Art der Inkorporation doch um Prozesse, in die unzählige Aktanten plus weitere Prozesse integriert sind, von der unmittelbaren Produktion über den Transport bis hin zu denjenigen Aktanten, welche die Automobile und das Benzin für den Transport produziert haben, and so on. All dies sieht man der Ware selbstverständlich nicht an, sodass der Käufer der Ware neben der Kenntnisnahme des Preises nur eine rein sinnliche Relation zur Ware unterhält, er kann sie nämlich anprobieren oder beschnuppern und unter Umständen lächelt er die Person, die die Ware anbietet, auch mal freundlich an.

Wenn auf der Ebene der Warenzirkulation die soziale Relation der Personen zueinander als eine Eigenschaft von Dingen, oder anderes gesagt, die Ware als Inkorporation der sozialen Relation erscheint, sozusagen als eine Erstarrung des Sozialen, und, wie wir schon gesehen haben, die Ware dann zusätzlich noch mit einer Macht/Magie ausgestattet scheint, mit der sie für den Konsumenten in ihrer Undurchsichtigkeit wirklich erscheint, dann komplexifiziert sich natürlich für den Kritiker des Warenfetischismus die Fragestellung insofern, als seiner Auffassung nach ja schon das soziale Verhältnis der Personen zueinander für diese selbst als Wertgegenständlichkeit und damit als Verkehrung zugleich erscheinen muss, womit der Theoretiker sich sofort folgendem Paradox zu stellen hat: Eine theoretische Praxis, die ihr Erkenntnisobjekt durch die Darstellung der verkehrten Erscheinungsformen – Ware-, Geld- und Kapitalform – und der darauf basierenden, quasi verkehrten Begriffe gewinnt (wobei es gleichgültig ist, ob die Realität die Begriffe bestimmt oder die Begriffe die Realität), und durch diese Darstellung hindurch zugleich immanente Kritik sein will -, diese theoretische Praxis muss die verkehrte Wirklichkeit als verkehrte offenbaren können, und dieser Schritt bedarf offensichtlich eines außergewöhnlichen oder enormen Bewusstseins, dem es gelingt, die Verkehrung und die sie explizierenden Wertformen in der Theorie zu dechiffrieren, um die reale Verkehrung als solche zu beschreiben/deduzieren, womit im Grunde genommen die theoretische Operation der Dechiffrierung nur die richtige Wiedergabe der Verkehrung im Realen sein kann. Wenn Wert aus sachlichen Verhältnissen entspringt, die sich als dingliche Verhältnisse darstellen, aber immer ein enormes individuelles Bewusstsein notwendig ist, um den Wert als Gedankending erfassen zu können, dann wäre dies im Prozess der Darstellung selbst zu zeigen. Bei Althusser ist dies die theoretische Praxis (Stufe2), welche ihr Ausgangsmaterial, die diversen „ideologisierten“ soziologischen und ökonomischen Theorien in marxistische Wissenschaft transformiert. Der vereinzelte Subjekt mit enormem Bewusstsein hat sich im Prozess der theoretischen Praxis jedoch immer die Frage zu stellen, wie es als Effekt der Sprache sowie der ökonomischen Verhältnisse hervortritt, deren Verbindungsglied das Symbolische ist. Das Subjekt erfindet aber weder die Sprache noch die ökonomische Struktur, noch hilft die Unterscheidung Bewusst/Unbewusst sich den symbolischen Verkettungen und Verweisungen exterritorial zu entziehen. Man kann schließlich mit deren Regelmäßigkeiten umgehen, ohne zu sie zu begreifen.

Bei Marx lassen sich gleich zwei äußerst problematische Interpretationen hinsichtlich der Fetischismusanalyse auffinden: a) Die Einführung des Terms der Verdinglichung als phantasmatische Inversion (Waren als verdinglichter Ausdruck sozialer Verhältnisse/Wertgegenständlichkeit) und b) der Fetischismus als symptomatische Metaphorisierung (Personifizierung der Sache und/oder Personifizierung der Verhältnisse). Wenn Marx im Zuge dieser beiden Konzeptionen die ökonomische Struktur/Prozess des Kapitalismus als Totalität der sozialen Verhältnisse selbst begriffen hätte, um Gesellschaft schließlich auf die Dyade „Person-Sache/Ding“ zurückzuführen, so hätte er gleichzeitig die Triade „Person-Verhältnis-Sache“ auf jene Dyade reduzieren müssen, womit die imaginäre Dyade der Transsubstantiation von Praktiken in Sache/Gesetz (und umgekehrt) letztendlich die Grundlage für jede Art von symbolisch vermittelter Triade geblieben wäre, und womit das symbolische Universum der Simulationen, in dem man keinerlei Referenz auf ein den Prozessen der symbolischen Verweisungen oder den permutierenden Differenzen der zeichenhaften Waren- und Geldverkettungen jenseitiges oder absolutes Element findet, verschlossen geblieben wäre (wie übrigens auch der Zugang zu den asignifikanten materiellen Prozessen).

Eine Konzeption der Non-Philosophie oder Non-Ökonomie dient der Herleitung, wie und warum die Prozesse der symbolischen Verweisungen und Verkettungen des Kapitals (Virtualität) eine zutiefst materielle, maschinell-objektive Dimension innerhalb der kapitalistischen Gefüge besitzen, die sich historisch-real aktualisiert. Dies ist nur in der Vernknüpfung der logischen Struktur des Kapitals mit der Analyse ihres historisch-realen Gehalts zu leisten, und dies in letzter Instanz gemäß dem Realen, das per se abgeschlossen bleibt. Gerade die marxsche Terme „objektive Daseinsform oder Erscheinung“ und „objektiv gültige Gedankenformen“ (jenseits einer rein subjektiven Illusion) halten schließlich offen, ob sich Marx als Theoretiker der Verdinglichung tatsächlich auf das Projekt der Reduktion des Symbolischen auf eine imaginäre Dyade Ding/Person zurückgezogen hat, oder ob in dem Term „objektive Daseinsform/Erscheinungsform“ noch etwas anderes anklingt, nämlich Verhältnisse, in denen sich die Waren nur als Tauschwerte begegnen und gerade dadurch jenseits des Gebrauchswerts eine Leere aufgespannt ist, die nur das Symbolische „füllen“ kann ohne das Materielle zu ignorieren (das hier als eine Tätigkeit verstanden wird, als stabilisierender und destabilisierender Prozess phasenweiser Intraaktivität.) Der marxsche Diskurs ist immer auch kontaminiert von den materiellen/sozialen Dingen, die ihn ermöglichen und mitbestimmen, wie auch die Dinge kontaminiert sind vom Diskurs. Und so lässt sich auch hier Begriff Diskurs nicht als das aufzufassen, was rein einem Sprechakt entspricht, sondern als materielle Konfiguration von Diskurspraktiken, als das, was ermöglicht oder „kritisiert“, das faire-faire, bzw. machen-lassen, das sich z.B. bei Latour findet.

1) Vgl. Jacques Derrida: Die Wahrheit in der Malerei, Wien 1992, 75.
2) Vgl. Jacques Derrida: Marx`Gespenster. Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale, Frankfurt/M.2004, 252.
3) Vgl. Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen Bd.1. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, München 1980, 162.
4) Walter Benjamin: Gesammelte Schriften, Bd. VI, Frankfurt/M. 1976, 102.5)

5) Jean Baudrillard:  Die Konsumgesellschaft – Ihre Mythen, ihre Strukturen, Berin 2014,42.

6) Ebd.47

7) Ebd.

8) Ebd.,284.

9) Ebd.,109.

10) Ebd, 90.

11) Ebd.,111.

12) Ebd.249.
13) Pierre Klossowski: Die lebende Münze, Berlin 1998, 27.
14) Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen Bd1. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, München 1980, S.58.
15) Vgl. Robert H. Frank/Philip J. Cook: The Winner-Take-All Society: Why the Few at the Top Get So Much More Than the Rest of Us, London 1996.
16) Pierre Klossowski: Die lebende Münze, Berlin 1998, S.89.
17) Ebd., S.89.
18) Vgl. Celia Lury: Consumer Culture, New York, 2011.
19) Vgl. Günther Anders: Antiquiertheit des Menschen Bd.2. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, München 1980,173.
20) Markus Metz/ Georg Seeßlen, Kapitalismus als Spektakel, Frankfurt/M. 2012,
21) Max Horkheimer/ Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/M. 1983,189.

 

Foto: Bernhard Weber

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