Geronto-Faschismus

Der Beitrag erschien am 27.September 2022 auf Nero Editions und wurde von Sunzi Bingfa übersetzt.https://sunzibingfa.noblogs.org/post/2022/10/17/geronto-faschismus/#more-2583

Das Alzheimer der Geschichte 1922-2022

Wie von Zauberhand bereiten sich die direkten Nachfahren von Benito Mussolini darauf vor, Italien zu regieren, während das 100-jährige Jubiläum des Marsches auf Rom bevorsteht. Regieren ist ein übertriebenes Wort. Niemand kann die Entfesselung der tellurischen, seelischen und geo-psycho- politischen Elemente steuern.

Giorgia Meloni, Generalsekretärin der Fratelli d’Italia, wird die erste weibliche Ministerpräsidentin in der Geschichte Italiens sein.

Der Faschismus ist auf der italienischen und europäischen Bühne allgegenwärtig: in der Wiederkehr der nationalistischen Wut, in der Verherrlichung des Krieges als einzige Hygiene der Welt, in der arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Gewalt, in der Verachtung von Kultur und Wissenschaft, in der demografisch-rassistischen Besessenheit, die Frauen davon überzeugen will, Kinder mit weißer Hautfarbe zu bekommen, um den großen ethnischen Austausch zu vermeiden und weil die Nation altert und zerfällt, wenn die Wiegen leer sind, wie es heißt.

Dieser ganze Unsinn ist wieder da.

Ist es Faschismus? Nicht ganz. Der Faschismus Mussolinis war ein futuristischer Faschismus, der die Jugend, die Eroberung und die Expansion verherrlichte. Doch hundert Jahre später ist die Expansion vorbei, an die Stelle des Eroberungsdrangs ist die Angst vor der Invasion fremder Einwanderer getreten. Und an die Stelle der glorreichen Zukunft tritt der fortschreitende Zerfall der Strukturen, die die Zivilisation ermöglicht haben.

„Die Sonne geht frei und fruchtbar auf, / du wirst keinen größeren Ruhm auf der Welt sehen als Rom“, so die nationalistische Rhetorik des vergangenen Jahrhunderts.

Jetzt ist die Sonne unheimlich, weil die Flüsse austrocknen und die Wälder brennen.

Was auf dem Vormarsch ist, ist der Geronto-Faschismus: der Faschismus des senilen Alters, der Faschismus als wütende Reaktion auf die Alterung der ‘weißen Rasse’.

Ich bin mir bewusst, dass sogar einige junge Leute (nicht viele) für Meloni gestimmt haben, aber die Seele dieses rechten Flügels ist von einer Art Altersdemenz befallen, einem Vergessen vergangener Katastrophen, das von Alzheimer ausgelöst zu werden scheint.

Der Geronto-Faschismus, die Agonie der westlichen Zivilisation, wird nicht lange anhalten.

Aber in der kurzen Zeit, in der er an der Macht ist, könnte er sehr zerstörerische Auswirkungen haben. Mehr als wir uns vorstellen können.

Was war der historische Faschismus?

Eine kurze Lektion in italienischer Geschichte.

Italien ist ein weiblicher Name. Seit der Renaissance haben die hundert Städte der Halbinsel ihre Geschichte gelebt, ohne sich als Nation zu verstehen, sondern als Orte der Durchreise, des Aufenthalts und des Austauschs.

Die Schönheit der Orte, die Sinnlichkeit der Körper: Die Selbstwahrnehmung der Bewohner der Halbinsel der hundert Städte ist weiblich, bis die strenge Fanfare der Nation einsetzt. In den Jahrhunderten nach der Renaissance ist die Halbinsel ein Terrain der Eroberung durch fremde Armeen, aber die Menschen kommen zurecht.

„Frankreich oder Spanien, Hauptsache, du isst.“

Das Land verfällt, aber einige Städte florieren, andere kommen über die Runden.

Dann kommt das 19. Jahrhundert, ein rhetorisches Jahrhundert, das an die Nation glaubt, ein geheimnisvolles Wort, das nichts bedeutet. Der Ort der Geburt oder die Identität, die auf dem gemeinsamen Territorium beruht?

Die nationale Identität ist ein Aberglaube, an den die Stadtbewohner nie geglaubt haben, sondern der von einer Minderheit unter dem Einfluss der reaktionärsten Romantik durchgesetzt wurde. Die Piemonteser, anmaßende Bergsteiger, die sich Frankreich untertan machen, verlangen von den Neapolitanern, Venezianern und Sizilianern, dass sie sich ihrem Kommando unterwerfen. Der Süden wurde dann von der nördlichen Bourgeoisie erobert und kolonisiert: Zwanzig Millionen Süditaliener und Venezianer wanderten zwischen 1870 und 1915 aus. In Sizilien bildete sich die Mafia, die zunächst ein Ausdruck der lokalen Gemeinschaften war, um sich gegen die Eroberer zu verteidigen, und dann zu einer kriminellen Struktur wurde, um das Gebiet zu kontrollieren. Die Frage des Südens als Kolonie hat nie aufgehört: Auch heute noch versinkt der Süden, auch wenn die Städte (Palermo, Neapel) ein eigenes außer-italienisches, kosmopolitisches Leben führen.

Während der Unabhängigkeitskriege schrieb ein junger Mann namens Goffredo Mameli den Text zu Fratelli d’Italia, die zur Nationalhymne wurde.

Es ist keine schöne Hymne: ein Sammelsurium kriegslüsterner, geifernder rhetorischer Phrasen. Mameli ist sehr jung gestorben, und er hat es nicht verdient, noch immer dem Spott derjenigen ausgesetzt zu sein, die diese Musik hören, die versucht, männlich zu sein und stattdessen zum Lachen animiert.

Die kriegerischen Posen haben keinen Erfolg, weil die Bewohner der italienischen Städte schon immer zu intelligent waren, um an die Mythologie der Nation zu glauben. Sie sind Venezianer, Neapolitaner, Sizilianer, Römer, Genueser, Bologneser… wie auch immer man es nennen will. Nur die piemontesische Bourgeoisie, die, wie ich Ihnen sagen möchte, noch nie sehr intelligent war, kann an diese rot-grün-weiße Fiktion glauben.

Dann kommen die großen Prüfungen des neuen Jahrhunderts, des Jahrhunderts der Industrie und des Krieges. Es ist notwendig, wettbewerbsfähig und aggressiv zu werden und nicht länger ein Weichei zu sein.

Im Jahr 1914, als Serbien und Österreich in den Krieg zogen, tobte die Kontroverse zwischen Interventionisten und Nicht-Interventionisten. Die Futuristen, halbherzige Intellektuelle, bewegten sich in der Szene.

Verachtung der Frauen, der Krieg die einzige Hygiene der Welt, schreit der schlechte Dichter Marinetti in seinem Manifest von 1909.

Nieder mit den Italienern! schreien die interventionistischen Studenten, um Sizilianer und Neapolitaner davon zu überzeugen, Italiener zu sein und sich an der Grenze zu Österreich-Ungarn umbringen zu lassen, was den Neapolitanern und Sizilianern nichts bedeutet.

Die Geschichte der italienischen Nation ist eine Geschichte des systematischen Verrats.

Als 1914 in Europa der Krieg ausbricht, ist Italien mit Österreich und Deutschland verbündet, aber die italienische Regierung beschließt, nicht in den Krieg einzutreten, und wir warten ab, wie sich die Situation entwickelt. Im Jahr 1915 setzen sich die Interventionisten durch und Italien tritt an der Seite Frankreichs und Englands gegen seine Verbündeten in den Krieg ein. Der Verlauf des Krieges ist katastrophal. Fünfzehntausend Tote in Caporetto. Die Zwanzigjährigen, die in den Tod geschickt werden, singen: „O Gorizia, du bist verflucht / für jedes Herz, das Gewissen fühlt / schmerzhaft war der Abschied / und die Rückkehr war für viele nicht“.

Nach dem Krieg berufen die Siegermächte Frankreich und Großbritannien sowie die Vereinigten Staaten, die sich zum ersten Mal in europäische Angelegenheiten einmischen, den Kongress von Versailles ein, um Europa und vielleicht auch der Welt eine neue Ordnung zu geben.

Die französischen und britischen Sieger wollen Deutschland bestrafen, aber John Maynard Keynes rät in seinem Buch „The Consequences of Peace“ (Die Folgen des Friedens), nicht zu übertreiben, denn mit den Deutschen, selbst den besiegten, treibt man es nicht zu weit.

Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson, der keine Ahnung von Geschichte und Anthropologie hat, glaubt, die Welt in den Griff zu bekommen, und verkündet das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Aber Wilson vergisst zu erklären, was Volk bedeutet, nicht zuletzt, weil dieses Wort nichts bedeutet. Wie das andere Wort: Nation. Zwei Worte ohne logische Bedeutung, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts in eine Hölle des ununterbrochenen Krieges verwandeln.

Auf dem Versailler Kongress wollten die Italiener als Sieger behandelt werden, sie beanspruchten Dalmatien, Albanien und einige Teile Afrikas. Aber die wahren Sieger, die etablierten imperialistischen Mächte, behandelten die Italiener wie Arschkriecher und Verräter und gingen nicht auf ihre kleinmütigen Forderungen ein. Sidney Sonnino, der unumschränkte Premierminister des Königreichs Italien, geht weg und weint in sein Taschentuch.

Die Demütigung ist bitter für diejenigen, die gekämpft hatten, für die Veteranen, die geglaubt hatten, auf der Seite der Sieger zu stehen, bringe Ruhm, Reichtum und Kolonien.

Ein Romagnolo namens Benito, der 1914 aus der sozialistischen Partei ausgetreten war, um sich auf die Seite der Interventionisten zu stellen, übernimmt die Führung der Veteranen, die erkennen, dass sie umsonst gekämpft haben und nach Rache gegen das plutokratische England schreien. Benito hat eine provinzielle Rhetorik und Mentalität, aber ein gutes Gedächtnis und verkörpert die Tugenden des gutaussehenden südländischen Mannes: Arroganz, Fanfare, Opportunismus. Seine Stimme ist kraftvoll in elektrischer Verstärkung, und seine Posen sind perfekt für das Kino, ein neues Medium, das die Entstehung von Massen-Regimen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begleitet.

Im Jahr 1919 besetzten Arbeiter im industriellen Norden Fabriken, und in der Emilia streikten die Landarbeiter für bessere Arbeitsbedingungen.

Benito Mussolini führte den Stolz der Nation gegen die kleinlichen Interessen der Arbeiter. Das Vaterland gegen die Organisationen der realen Gesellschaft.

So führt Mussolini im Oktober 1922, nachdem er bei den Wahlen eine relative Mehrheit errungen hat, den Marsch auf Rom an und etabliert den Faschismus: Ein Mann an der Spitze, Gewalt gegen die Gewerkschaften, Verfolgung der Intellektuellen, Ermordung der linken Anführer. Im Gefängnis schrieb Antonio Gramsci seine Notizbücher, in denen er erklärte, was der wesentliche Kern des Faschismus war und ist: die Gewalt des Arbeitgebers gegen die Arbeiterklasse.

Italien war männlich geworden, und das männliche Italien wollte ein Imperium, was den Briten und Franzosen, etablierten Nationen, die bereits ein Imperium hatten, nicht gefiel.

Die jungen Nationen Italien, Deutschland und Japan erhoben Anspruch auf einen Platz an der Sonne und schlossen ein Bündnis. Die Achse Rom-Berlin-Tokio wurde geboren.

Mussolini schickte Truppen nach Libyen, Äthiopien und Abessinien: Junge Italiener wurden zum Kampf in diese Länder geschickt, angeführt von Kriegsverbrechern wie General Graziani. Sie massakrieren die Zivilbevölkerung. Sie werfen Senfgasbomben auf Dörfer am Horn von Afrika.

Ein paar tausend Tote am Verhandlungstisch

Von seinem römischen Balkon aus verkündet Mussolini einem Meer aus Menschen, dass das Römische Reich wiedergeboren wurde. Wir schreiben das Jahr 1936, aus Spanien kommt der Lärm eines neuen Krieges, Hitler schickt die Luftwaffe, um Guernica zu bombardieren, Mussolini schickt 5000 Soldaten, um an der Seite des Faschisten Francisco Franco gegen die spanischen Republikaner zu kämpfen.

In der Zwischenzeit ist die deutsche Macht wieder auferstanden, und sie ist verbittert, wie Keynes vorausgesagt hat.

Demütigung bringt Monster hervor, und Monster wollen Rache.

Die Rache der gedemütigten Deutschen wurde 1939 mit dem Einmarsch in das Sudetenland, dann in Polen und schließlich in Frankreich entfesselt. Millionen von Juden, die in Deutschland, Polen und anderen europäischen Ländern leben, werden als zu vernichtende Feinde auserkoren. Selbst in Italien werden Juden, die friedlich in den Städten Rom, Venedig und Livorno gelebt haben, isoliert und verstoßen. Rassengesetze bereiten ihre Deportation vor, die Auslieferung der italienischen Juden an die Nazi-Verbündeten.

1939 flohen hundertzwanzigtausend Juden auf dem Seeweg aus Deutschland und wollten in England landen, aber die Briten wiesen sie zurück, so wie wir heute Afrikaner zurückweisen, die an unseren Küsten landen wollen.

Mussolini ist Hitlers Verbündeter, aber er traut seinem Verbündeten nicht, ja er befürchtet, dass er in das deutschsprachige Gebiet im Nordosten eindringen will. Als Hitler im September 1939 in Polen einmarschierte, um die Ostseemündung zu erobern, und der Krieg schnell eskalierte und eine Weltmacht nach der anderen involvierte, zögerte Mussolini.

Wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs wartet die italienische Regierung eine Weile, bis sie sich zum Kriegseintritt entschließt. “Nichtkriegsführung“ nannte Mussolini, der schwierige Worte mochte, dies.

Doch als sich 1941 abzeichnete, dass Hitler den Krieg für sich entscheiden könnte und Deutschland fast ganz Europa besetzt hatte, beschloss Mussolini, an der Seite der siegreichen Nazis zu intervenieren, nachdem er den Satz gesagt hatte, der die Seele des Faschismus vielleicht am besten beschreibt: „Ich brauche nur ein paar tausend Tote, um mich an den Verhandlungstisch zu setzen“.

Es gab viele weitere Tote, und den Verhandlungstisch fand Mussolini vier Jahre später auf dem Piazzale Loreto in Mailand, wo er kopfüber gehängt wurde.

Als im Juni 1941 italienische Truppen in Frankreich einmarschierten (das allerdings bereits von den Deutschen besetzt war), wiederholte jemand die Worte, die Francesco Ferrucci 1530 in Florenz zu seinem Henker sagte: „Vil Maramaldo, du tötest einen Toten“.

Mussolini glaubte, der Sieg der Nazis sei sicher und das Ende des Krieges stehe unmittelbar bevor. Aber der berüchtigte Mann hatte sich geirrt: Er hatte nicht bedacht, dass das sowjetische Volk Widerstand leisten würde, dass es den Preis von zwanzig Millionen Toten (und nicht nur von ein paar Tausend) zahlen würde, indem es den Verhandlungstisch umstößt, an dem der berüchtigte Mann sitzen wollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Vereinigten Staaten mit dem vollen Gewicht ihrer militärischen Mittel in den Konflikt eintreten würden.

Der italienische Krieg war wieder einmal eine Katastrophe. Während die Deutschen ganz Europa besetzten, schickte Mussolini das erbärmliche, schlecht gekleidete und schlecht ausgerüstete italienische Militär in den Kampf nach Afrika, Russland und Griechenland. Er hatte gedroht, Griechenland das Rückgrat zu brechen, aber die italienischen Offensiven waren Rückschläge.

Es gibt einen Film von Gabriele Salvatores (Mediterraneo) über eine Gruppe italienischer Soldaten, die nach Griechenland geschickt werden, um dort die Knochen zu brechen, und die sich auf einer kleinen Insel in der Ägäis wiederfinden, wo sie jahrelang bleiben, ohne Kontakt zum Rest der Welt zu haben.

Die Italiener, die größtenteils an das Geschwätz des Duce geglaubt hatten, bis es schien, dass keine Gefahr bestand, in etwas so Schreckliches wie diesen Krieg verwickelt zu werden, begannen nun zu begreifen, was der Faschismus war, der Abgrund des Schreckens, der hinter bedeutungslosen Worten wie Nation, Vaterland, Ehre, Fahne, Brüder Italiens und so weiter lauerte. Am 25. Juli 1943 entlässt der Große Rat des Faschismus (das Parlament der Verrufenen, die ihn bis zum scheinbaren Sieg unterstützt hatten) den Duce und stellt ihn unter Arrest. Die Deutschen befreiten ihn kurze Zeit später, um die Sozialrepublik von Salò zu gründen, die Norditalien etwa zwei Jahre lang teilweise kontrollierte: Sie umfasste Restgruppen von Faschisten, die die Nazis bei den Massakern unterstützten, die in den letzten beiden Kriegsjahren verübt wurden, wie das Massaker von Marzabotto und das von Santa Anna di Stazzena.

Am 8. September desselben Jahres wurde die italienische Armee aufgelöst, viele schlossen sich den Partisanen an und kämpften an der Seite der anglo-amerikanischen Truppen, die von Süden nach Norden auf die Halbinsel vorrückten, und befreiten im April 1945 die nördlichen Städte von den Überresten der Nazis und der Faschisten.

Zu diesen Partisanen gehörte auch mein Vater, der mir diese Geschichte seit meiner Kindheit immer wieder erzählt hat. Mein Vater hatte das Glück, zu sterben, bevor er sah, was heute geschieht, aber ich glaube, es würde ihn schmerzen.

Doch was geschieht heute in Italien? Und was geschieht in Europa?

Schauen wir uns das an.

Ein Mann, der allein das Sagen hat, ist eine Frau

Die Draghi-Regierung ist gestürzt. Draghi, der früher Mitarbeiter von Goldman Sachs und dann Direktor der Europäischen Zentralbank war, hat absolutes Vertrauen in den Autopiloten, der alles steuert. Im Namen des Autopiloten trug er 2015 zur Zerstörung der Demokratie in Griechenland und damit in Europa bei: Das europäische Finanzsystem musste das griechische Volk beugen, das mit 62 % gegen ein Memorandum gestimmt hatte, das eine allgemeine Privatisierung und die Kürzung von Renten und Löhnen anordnete. Draghi war Direktor der Europäischen Zentralbank und trug seinen Teil dazu bei, die Demütigung und brutale Verarmung der Griechen zu erzwingen. Es war sein Job, es war der Wille auf Autopilot.

Draghi ist ein gebildeter Mensch, anders als die große Mehrheit der italienischen Politiker, die im Allgemeinen von peinlicher Unwissenheit sind, wie Außenminister Di Maio, ein Handlanger, der davon überzeugt ist, dass Pinochet ein Diktator in Venezuela war.

Die Regierung Draghi entstand Anfang 2021 nach einer Palastverschwörung, die von einem professionellen Attentäter namens Matteo Renzi, einem Freund von bin Salman, ausgeheckt wurde. Das europäische Finanzsystem wollte Premierminister Giuseppe Conte, den Führer der Fünf Sterne, ablösen, der zu sehr mit den Forderungen der Gesellschaft sympathisierte, als dass man ihm das gesamte Geld anvertrauen könnte, das die Europäische Union zur Unterstützung der italienischen Wirtschaft investiert, dem Land, das am meisten unter den Auswirkungen der Epidemie gelitten hat.

Es wurde ein Weg gefunden, Conte aus dem Weg zu räumen, und Draghi wurde hinzugezogen, um das Land zu retten und es endlich in ein seriöses Land zu verwandeln, d. h. in eines, das die Gesetze des Profits und die vom Finanzsystem aufgestellten Regeln respektiert.

Das barocke Chaos der italienischen Politik musste sich der protestantischen Strenge des deutschen Finanzwesens beugen, und der mitfühlende Draghi war die richtige Person für diese Aufgabe.

Alle warfen sich dem Finanz-Duce zu Füßen, alle lobten seine Autorität, alle erklärten sich bereit, sein Programm, seine Methoden, seine Ziele zu unterstützen.

Alle außer ihr.

Außer Giorgia Meloni, eine echte Römerin, selbsternannte Feministin und Parteigründerin. Zum ersten Mal in der italienischen Geschichte gründet eine Frau eine Partei und nennt sie, ein geniales Paradoxon, Fratelli d’Italia.

Giorgia erklärt ihren Feminismus selbst: „Die Linke redet viel von der Gleichstellung der Frauen, aber tief im Inneren ist sie der Meinung, dass die Anwesenheit von Frauen immer noch ein Zugeständnis an die Männer sein sollte. Egal, ob Sie eine Frau oder ein Mann sind, wo Sie sind, müssen Sie durch Ihre Fähigkeiten und nicht durch Kooptation hingelangen. Und wenn Frauen dort ankommen, dann nicht durch männliche Zugeständnisse“.

Meloni konkurriert gerne mit Männern, als wäre sie ein Mann. Und sie gewinnt.

„Vielleicht ist es eine Reaktion auf den Minderwertigkeitskomplex, der viele Frauen dazu bringt, gegeneinander anzutreten, dass es mir mehr Spaß macht, gegen Männer anzutreten.“

Feminismus und Wettbewerb: ein Oxymoron, das funktioniert. Welche Botschaft könnte für die weibliche Wählerschaft überzeugender sein, da die herrschende Ideologie den Wettbewerb in den Mittelpunkt stellt und die heuchlerische Schmeichelei gegenüber Frauen eines der wiederkehrenden Motive der kommerziellen Werbung und der liberalistischen Propaganda ist?

Der Faschismus als Alzheimer-Krankheit

Die Fratelli d’Italia ist die einzige Partei, die sich nicht an der Regierung Draghi beteiligt hat, zumindest formell war sie in der Opposition. In Wirklichkeit hat sie in sozialen Fragen keinen Widerstand geleistet.

Sie hat sich nicht gewehrt, als es darum ging, Waffen an die ukrainische Armee zu liefern, um den Krieg und damit die Qualen der Menschen in diesem Land auf unbestimmte Zeit zu verlängern.

Aber sie gab vor, in der Opposition zu sein, sie lehnte die Ministersessel ab, die stattdessen alle anderen bequem besetzten.

Deshalb hat Meloni gewonnen: weil sie den Sieg verdient hat.

Und jetzt verdient sie es zu regieren.

Sie wird die erste weibliche Ministerpräsidentin in der Geschichte des vereinigten Italiens sein.

Interessant, nicht wahr?

Hundert Jahre nach dem Wildfang Mussolini bringt eine Frau den Kult des Vaterlandes, die traditionelle Familie, das militärische Heldentum, den Respekt vor Hierarchien, die Ablehnung von Migranten und eine rassistische Auffassung von Staatsbürgerschaft in die Regierung des Landes zurück.

Mit einem Wort: Faschismus.

Aber die Dinge sind nicht so einfach.

Einige Merkmale des Faschismus – Nationalismus, Rassismus, Unterdrückung von Arbeitnehmerorganisationen, Militarismus – sind in der nationalen Kultur und in den politischen Entscheidungen wieder aufgetaucht, aber sie sind nicht nur in der Partei von Giorgia Meloni zu finden. Sie werden von vielen anderen politischen Kräften, die an den Wahlen teilnehmen, geteilt. Sie werden sicherlich von der Demokratischen Partei geteilt, die ebenso wie die Liga für die systematische Ablehnung von Zehntausenden von Ausländern, die im Mittelmeer ertrinken, verantwortlich ist.

Der Architekt dieser heuchlerischen und grausamen Politik der Zurückweisung und Inhaftierung von Migranten ist ein Mitglied der PD namens Marco Minniti, der im letzten Jahrzehnt Innenminister war und jetzt Italiens wichtigste Militärbehörde, Leonardo, leitet.

Rassismus ist die inoffizielle, aber wesentliche Politik der Italienischen Republik und der Europäischen Union. Weißhäutige Flüchtlinge werden mit offenen Armen empfangen, während diejenigen mit einer etwas anderen Hautfarbe eingeladen werden, sich im Meer zu ertränken. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Giorgia Meloni nicht von den anderen Parteien, die auf dem Kontinent an der Macht sind.

Im Übrigen ist der Faschismus, die Gewalt der Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer, in Italien bereits der Stil der Macht, seit die Mitte-Links-Regierungen Gesetze zur Prekarisierung von Zeit, Leben und Arbeit unterzeichnet haben.

Was ist mit dem Krieg?

Bündnistreue war in der italienischen Geschichte noch nie eine Stärke, wie wir im Ersten Weltkrieg und auch im Zweiten Weltkrieg gesehen haben. Nun, da die dritte Runde beginnt, kann man sich fragen, welches Spiel Italien spielen will.

Nach dem 24. Februar hat die Draghi-Regierung unnachgiebige Loyalität gegenüber der Politik der NATO und der Kriegstreiber im Weißen Haus gezeigt.

Während 73 % der Bürgerinnen und Bürger gegen eine Teilnahme an diesem Krieg waren, schickten Draghi und seine Schergen, allen voran der Ultramilitarist Enrico Letta, Waffen und Munition an die Ukrainer, damit der Krieg niemals enden würde.

Wird der siegreiche rechte Flügel nun genauso loyal sein?

Vergessen wir nicht, dass die Bündnistreue in der italienischen Geschichte nie eine Stärke war, wie wir im Ersten und auch im Zweiten Weltkrieg gesehen haben.

Nun, da die dritte Runde beginnt, stellt sich die Frage, welches Spiel Italien spielen will, denn die drei rechten Führer haben enge Freunde in der gegnerischen Front: Orban ist der Favorit von Giorgia Meloni, und Putin selbst ist ein alter Freund von allen dreien.

Die Atlantiker, die sich zusammengetan haben, um das Feuer an der Ostgrenze Europas zu schüren, sind besorgt über das, was die alte Mammutissima Silvio Berlusconi, ein großer Freund Putins, und der ehemalige Innenminister Matteo Salvini, ein energischer Mann, der vor ein paar Jahren einen Bündnispakt seiner Lega Nord mit der in Russland regierenden Partei Einiges Russland unterzeichnet hat, tun könnten.

Giorgia Meloni vertritt eine eher zweideutige Position. In der Vergangenheit mochte sie natürlich den christlichen Nationalismus des russischen Neozarismus, aber als der Krieg in der Ukraine ausbrach, als sich das friedliche Europa in das bewaffnete Europa verwandelte, beeilte sich die Führerin der neo-mussolinischen Partei, ihrem neuen Heimatland ewige Treue zu schwören.

Wir werden sehen.

Der Sommer 2022 war der heißeste seit Menschengedenken: Wälder brannten von Triest bis Livorno, Flüsse trockneten aus, Gletscher schmolzen, Arbeiter starben auf Baustellen in der Sonne. Die Inflation drückte auf die mageren Löhne, und der nahende Winter war beängstigend.

Das italienische Volk war nicht immer so vergesslich, so sauer, so traurig, nervös, wütend und deshalb rassistisch und auch ein bisschen dumm. Es gab eine Zeit, in der die Bosse Gewerkschaftsmitglieder nicht einfach entlassen konnten, weil es Solidarität unter den Arbeitnehmern gab und weil es leicht war, Freundschaften zu schließen, nicht so wie heute, wo niemand mehr auf der Straße lächelt und wir bereit sind, uns gegenseitig zu zerfleischen, weil die Prekarität die Arbeitnehmer zu erbärmlichen Konkurrenten gemacht hat, die Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Ein Volk wutentbrannter, deprimierter Menschen wählt diejenigen, die ihnen versprechen, eine verlorene Ehre wiederherzustellen, die es nie gab, und die ihnen versprechen, die Zahl der Afrikaner zu erhöhen, die ertrunken sind, weil sie an unseren heiligen Ufern landen wollen, und die ihnen Krieg und noch mehr Krieg und noch mehr Krieg versprechen.

Keiner kann das Chaos beherrschen

Es heißt, dass Giorgia Meloni gewonnen hat, aber mir scheint, dass die Abstinenzler die führende italienische Partei sind.

Ein erklärtes Ziel von Giorgia Meloni ist es, die Republik, die in der antifaschistischen Verfassung von 1948 als parlamentarisch bezeichnet wurde, in eine präsidiale Republik umzuwandeln: ein Mann an der Spitze, auch wenn dieser Mann derzeit eine Frau ist.

Das Problem ist jedoch, dass niemand das Chaos beherrschen kann, und das Chaos wird der König des kommenden Winters sein. Italien befindet sich in der schwersten Krise aller Zeiten: Armut und Arbeitslosigkeit nehmen zu.

Die Migration nimmt zu, weil rund um das Mittelmeer Krieg und Verzweiflung herrschen. Wie viele Millionen Migranten werden aus der Ukraine und Russland kommen und wie viele aus Pakistan, einem Land mit 224 Millionen Einwohnern, das in den Fluten einer Apokalypse versinkt, die der Westen mit seinem unbegrenzten Wachstum ausgelöst hat?

Meloni will „die Geburtenrate wiederbeleben“ (umfangreiche Programme).

Wie überall im Norden der Welt haben auch in Italien die Frauen beschlossen, keine Zuchttiere mehr zu sein, sondern ihr Leben zu leben, ohne den Befehlen ihrer Männer oder der Nation gehorchen zu müssen.

Die neuen Generationen sind sich auch immer mehr bewusst, dass Kinder zu bekommen heutzutage eine unverantwortliche Geste bedeutet, die Unschuldige in die Hölle eines unerträglichen Klimas, einer Welt, die sich in Richtung unmenschlicher Lebensbedingungen zurückentwickelt, mit immer niedrigeren Löhnen und Lebensbedingungen, die denen von Sklaven immer ähnlicher werden, befördert.

Meloni will Kinder für die Kriege, die vorbereitet werden, sie will Sklaven für die Wirtschaft der absoluten Ausbeutung. Und vor allem will sie, dass Frauen Kinder bekommen, um zu verhindern, dass Migranten aus fernen Ländern nach Italien kommen, um die schrumpfende Bevölkerung zu ersetzen.

Das ist der tiefste Charakter des Geronto-Faschismus: Ein Volk alter Männer, das fünf Jahrhunderte lang die Völker des globalen Südens ausgeraubt, vergewaltigt und ausgebeutet hat, hat nun Angst vor einer Invasion.

Genau deshalb wird der Geronto-Faschismus verlieren: Frauen werden keine Kinder für die Öfen der Zukunft gebären.