Gilets Jaunes – Der Kampf geht weiter

‘Möge die Macht mit uns sein’

Seit dem sogenannten IV. Akt sind sich die zentralen Unterdrückungsapparate der bürgerlichen Ordnung und des kapitalistischen Staates der Tragweite der laufenden sozialen Bewegung, die vor unser aller Augen stattfindet, wirklich bewusst geworden. An diesem Tag (8. Dezember) gingen sie einen Schritt weiter und versuchten mit aller Macht zu verhindern, das sich die Ausschreitungen des Vorwochenendes wiederholten. 89.000 Polizisten, Gendarmen und CRS Bullen wurden in ganz Frankreich eingesetzt (10.000 davon in Paris), die die wichtigsten Städte des Landes unter Kontrolle bekommen sollten. Massen- und Präventivverhaftungen, gepanzerte Fahrzeuge zum Durchbrechen von Barrikaden, direktes Feuern von Tausenden von Granaten, Tränengasgranaten, “Schock- Granaten”, “GLI-F4-Granaten” (präsentiert als “nicht-letale Waffe” mit einer Sprengladung von 25 Gramm TNT),…

Angesichts dieses beeindruckenden Arsenals schlugen die “Gelben Westen”, oder zumindest die Radikalsten von ihnen, zurück und reagierten mit Stärke und Entschlossenheit. Und andere Teile und Sektoren der Bevölkerung schlossen sich ihnen an, diejenigen, die auch in die Luft gingen und sich in diesem Atemzug der Frischluft wiederfanden, der von dieser lobenswerten Bewegung, diesem Prozess des Kampfes, diesem Moment der Ablehnung von Armut und Elend ausging. Kurz gesagt, diejenigen, die “die Mächtigen” dieser Welt und “die Reichen” immer verächtlich “das gemeine Volk”, “den Plebs”, “den Abschaum”, “den Pöbel” genannt haben… Und diesmal brannte nicht nur Paris, sondern die Wut verbreitete sich wie ein Lauffeuer nach Bordeaux, Toulouse, Lyon, Marseille, Saint-Etienne, etc.

Mehr denn je haben wir das Recht, Armut, Entmenschlichung und den permanenten Krieg abzulehnen, die unsere ständigen Begleiter sind, wir haben das Recht, uns allen gebündelten Kräften der sozialen Diktatur des Kapitalismus entgegen zu stellen (Regierung, Polizei, Milizen, Armee, politische Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, kontrollierte Medien, Wohltätigkeitsverbände…), die nur eines anstreben: uns wieder in den Kerker zu führen, entweder durch die gewalttätige Polizei und das Militär, oder durch Abschreckung, Diskussion, Verhandlungen, Desinformation….

Wir haben das absolut Recht, unser Leben und unsere Kämpfe selbst in die Hand nehmen zu wollen. Lasst uns weiterhin jeden “Vertreter” ablehnen, der nur sich selbst und die wirtschaftlichen und politischen Interessen seiner Klasse, seiner Clique von Kriminellen, vertritt. Alle Feinde unserer Klasse bitten uns, “geordnet”, “organisiert” zu sein, Forderungen zu stellen, “zu verhandeln”, etc.. Wir spucken nur auf sie: Unsere Spontaneität und unsere Bewegung, wir werden sie auf unsere eigene Art und Weise gestalten und organisieren…

Mehr denn je haben wir Recht, wenn wir uns weigern, mit unseren Herren, mit unseren Ausbeutern, mit unseren Unterdrückern, mit den Herrschenden zu verhandeln, denn wir Proletarier haben NICHTS zu verhandeln, auf die Gefahr hin, uns im Strudel des Verzichts zu verlieren. Wir haben nur unsere Ketten zu verlieren (bisweilen etwas vergoldet, wenn es die Bourgeoisie in ihren noblen Lounges vorgibt!), und wir haben eine ganze (neue) Welt zu gewinnen. Wir haben es satt zu überleben, wir wollen leben! Zu Verhandeln? Das riecht nach Tod! Lasst uns also weiterhin unsere Radikalisierung entschlossen vorantreiben, denn die vergangene und die kommende Geschichte, die vergangenen und zukünftigen Generationen beobachten und zählen auf uns, damit die Menschheit endlich über diesen Dreck triumphiert…

Konfrontiert mit den Wächtern der “Wohlhabenden”, der “Reichen”, der “Genussmenschen”, ihren bis an die Zähne bewaffneten Milizen, den Massenmedien und den “Friedenstiftern,” lasst uns weiterhin gegen sie mit unserer Wut und unserer Entschlossenheit vorgehen und sie dazu bringen, endlich abzutreten. Lasst sie entkommen, wenn sie keine Bastarde bleiben wollen. Wir wollen nicht, dass unser Blut vergossen wird; wir wollen nur das Ende ihrer Privilegien…

Wir sind völlig zu Recht bereit, unsere Radikalisierung fortzusetzen, um ihre Welt aus Reichtum für sie (Reichtum, den wir Proletarier produzieren) und aus Elend (aus “niedrigen Löhnen”, aus Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen”) für uns, “Diejenigen ohne gesunde Zähne”, zu erschüttern…

Verweigern wir uns weiterhin uns “generös” von Macron und seiner Clique ( “einer wahren Wundertüte“) bevormunden zu lassen, so wie wir uns von der Instrumentalisierung des “Angriffs von Straßburg” und all den Aufrufen, mit den Demonstrationen aufzuhören, nicht täuschen ließen. Widersetzen wir uns weiterhin den Räumungen durch Polizei und Militär an unseren Blockadepunkten: Kreisverkehren, Einkaufszentren..…

Jeden Tag sehen wir diese offensichtliche Tatsache: Dem Kapitalismus und seinem Staat ist die Gewalt eingeschrieben, was wir tun, ist nur, uns zu verteidigen. Es ist die kapitalistische Gesellschaft, in der „die Reichen” „die Armen” unterjochen, die als Ganzes voller Brutalität ist, die unser Leben zerstückelt und zerstört. Wir alle reagieren nur mit einer gesunden und notwendigen Gewalt, die unsere Menschlichkeit zum Ausdruck bringt. Also, Genossen, Freunde, Brüder und Schwestern im Kampf lasst uns mutigen Herzens die Festungen unserer Meister zerstören.

Viele der “Gelben Westen” fordern Macrons Rücktritt, und auch wenn wir den Klassenhass verstehen, den diese “Witzfigur” in der Bewegung hervorruft, ist das nicht ausreichend, es stellt auch eine falsche Alternative dar, eine Ablenkung, durch die “die Macht” beabsichtigt, unsere Energien zu neutralisieren. Das Problem mit Macrons Rücktritt (oder noch besser, wenn wir ihn durch unsere Kämpfe zum Rücktritt zwingen) besteht darin, dass die herrschende Klasse, die nationale und internationale Bourgeoisie, in diesem Moment sofort einen Nachfolger finden wird, mehr “sauber”. mehr “ehrlich”, näher“ an unseren Anliegen, an uns, an den “Hinterwäldlern”, dem “Abschaum der Menschheit”, “den “Hungrigen”, den “Elenden der Erde”.

Wir Proletarier, die nur unsere Arme und Köpfe haben, die wir jeden Tag an den Chef verkaufen können, die nur jeden Tag für einen armseligen Lohn zur Arbeit gehen müssen. Das eigentliche Problem besteht darin, dass die gesamte kapitalistische Gesellschaft zerstört werden muss, damit wir endlich echte menschliche Beziehungen aufbauen können, ohne zu herrschen und beherrscht zu werden, ohne Unterdrücker und Unterdrückte, ohne Ausbeuter und Ausgebeutete.

Unter den “Gelben Westen” fordern viele immer noch eine andere Rechtsstaatlichkeit (RIC, etc.). Sagen wir einfach Folgendes: Das bürgerliche “Gesetz” ist nur die rechtliche Kodifizierung der Produktionsverhältnisse, der Herrschaftsverhältnisse einer sozialen Klasse (die Bourgeoisie, die Eigentümer der Produktionsmittel des Lebens, oder besser gesagt der Klasse der Kapitalisten) gegen eine andere soziale Klasse (wir, die Enteigneten der Existenzmittel). Dieses bürgerliche Gesetz ist letztlich nur die gewaltsame Ausübung ihrer Klassengewalt unter dem Deckmantel einer mehr oder weniger passiven Teilhabe der Unterdrückten an ihrer eigenen Unterdrückung. Aber immer mehr fällt alles in Trümmer und die Bewegung der “gelben Westen” ist nur einer der Ausdrucksformen dieses Rettungs- und Erneuerungsprozesses…

Lasst uns weiter machen bis zu den letzten Konsequenzen unserer Kritik!

Lasst uns uns organisieren, diskutieren und das Feuer der Revolte zusammen nähren!

Mein Freund, hörst du in der Ferne die aufkommende Revolution raunen?

Merry CRISIS and Happy New FEAR” (Athènes, 2008)

31. Dezember 2018 | nosotros.proletarios |

Anmerkungen:

Der Text erschien am 11. Januar 2019 auf Paris Luttes Infos (https://paris-luttes.info/gilets-jaunes-la-lutte-continue-11463?lang=fr). Die Übersetzung erfolgte sinngemäß und frei, hilfreich war dabei die englische Übersetzung der Genoss*innen von libcom (https://libcom.org/news/yellow-vests-struggle-continues-10012019)

Sebastian Lotzer, 11. Januar 2019

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