Love hurts – Ein paar Worte zur Krise der Bewegung der Gilets Jaunes

Die Bewegung der Gilets Jaunes gerät ins Taumeln. Gestern nun war es endlich so weit. Die ‘große’, ‘historische’ CGT hatte sich nach fast drei Monaten dazu herabgelassen, landesweit zu einem Streik- und Aktionstag gemeinsam mit den gelben Westen aufzurufen. Regional hatte es zwar schon seit Wochen gemeinsame Aktionen und Demonstrationen gegeben, aber der Führungsspitze der CGT fiel dieses Zugeständnis sichtlich schwer. In alter ‘stalinistischer’ Tradition (die CGT stammt aus der alten KPF) hatte man wochenlang wahlweise auf die rechtsextremen Elemente in der Bewegung oder die Notwendigkeit der Präferenz der Organisierung der Klasse unter der ‘richtigen Fahne’ (der eigenen selbstverständlich) verwiesen und gepocht. Man hat diese historische Notwendigkeit schließlich immer und mit allen Mitteln verteidigt. Dies war ebenso im Mai 1968 der Fall gewesen, als auch 2016 beim Kampf gegen das ‘loi travail’, als schwerbewaffnete Mitglieder des Ordnungsdienstes der CGT mit Gewalt gegen die aufmüpfigen Jugendlichen vorgegangen waren, die einfach die Spitze der von der CGT organisierten Demonstrationszüge gekapert und sich Kämpfe mit den Bullen geliefert sowie diverse Scheiben von Banken, etc. zerkloppt hatten. Nun war diese Konfrontation trotz stillschweigender Unterstützung durch die Bullen nicht gut für die CGT ausgegangen, weil sich erstens die aufmüpfigen Jugendlichen recht handfest und erfolgreich zur Wehr gesetzt hatten und zweitens der Ordnungsdienst von allen Umstehenden, einschließlich zahlreicher CGT Mitglieder, auf übelste beschimpft worden war.

Wie auch immer, nun war es also gestern, am Dienstag, dem 5. Februar endlich soweit. Die ‘neue Front’ besetzte die Straße. Oder besser gesagt, sie scheiterte grandios, bevor sie überhaupt den ersten Schritt gewagt hatte. Die CGT sprach noch am Abend von 300.000 Teilnehmern an den Demos und Arbeitsniederlegungen, eine Zahl die erstens maßlos übertreiben ist und zweitens verschweigt, dass es nur sehr, sehr begrenzt zu Arbeitsniederlegungen kam (und diese fast ausschließlich im Öffentlichen Dienst stattfanden und so gut wie keine Auswirkungen hatten, wenn man davon absieht, dass ein paar Touristen nicht den Eiffelturm besichtigen konnten. Fast alle Züge und Busse fuhren planmäßig und im produktiven- und Logistiksektor kam es von einigen wenigen Blockaden abgesehen zu keinerlei Beeinträchtigungen). Im Vergleich zu der Bewegung gegen das ‘loi travail’ 2016 fiel die Mobilisierung äußerst bescheiden aus. Auch glichen die Demonstrationen in den meisten Orten eher den lahmen, traditionellen Umzügen der Gewerkschaften zum 1. Mai, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle zu einigen Sachbeschädigungen oder Geplänkel mit den Bullen kam.

Die einzigen, die sich an den gestrigen Geschehnissen wohl aufrichtig erfreuen konnten (wenn man von der Regierung und der Bourgeoisie abzieht), dürften all die unzähligen Linken gewesen sein, die in den letzten Monaten so sehr mit dieser diffusen Bewegung der Gilets Jaunes gehadert hatten. Jetzt gab es wieder die altvertrauten Bilder und Parolen, die lustigen Riesenballons der Gewerkschaften, die routinierten Statements der Vertreter von CGT, La France insoumise und UNEF. Doch jene ‘Goldene Horde’ (1), die es gewagt hatte, den siegesgewohnten CRS am Arc de Tromphe im Nahkampf die Grenzen aufzuzeigen (2), die die noblen Innenstadtbezirke von Paris heimgesucht, Dior geplündert und Ministerien gestürmt (3) hatte (Schandtaten, zu denen es nicht einmal im Mai 1968 gekommen war), war schon lange nicht mehr gesehen, war gestern nicht erschienen.

Wer weiß schon bestimmt zu sagen, wohin die ‘Goldene Horde’ verschwunden ist und was aus ihr geworden sein mag. Immer finden Chronisten wichtiger geschichtlicher Ereignisse ( und um ein solches handelt es sich ohne Zweifel bei den Gilets Jaunes, von denen die Menschen im Gegensatz zur ‘Linken’ noch in Jahrzehnten reden werden „Wisst ihr noch, die Tage und Nächte im Tränengas auf den Champs Elysees…“) im Nachhinein stringente Erklärungen für das Verschwinden von Bewegungen im Nebel. Die Repression, die allgemeine Erschöpfung, die fehlende politische Weitsicht, oder meinetwegen auch der kalte Winter. In Wirklichkeit jedoch muss eine jede Bewegung, so sie nicht nach der Macht greift bzw. sich in diesem Prozess erschöpft oder verlustig geht (was so oder so auf das Selbe hinaus läuft) zwangsläufig an jenen Punkt geraten, an den die Gilets Jaunes nun stehen.

Ein Teil von ihnen wird den institutionellen Weg gehen. Die ersten Wahllisten für die Europawahl stehen schon, man traf sich sowohl mit Statthaltern von Macron als auch mit der populistischen 5 Sterne Bewegung aus Italien. Ein anderer Teil wird immer weiter „Demokratie“ schreien und vielleicht von Macron, dem König, ein bisschen mehr Partizipation geschenkt bekommen. Andere werden sich, angewidert und enttäuscht, den Faschisten zuwenden, soweit sie es nicht mehr oder weniger insgeheim schon getan haben. Bleiben all Jene, die in den letzten Monaten so aufrichtig gekämpft haben, die an den Kreisverkehren und in provisorischen Versammlungsorten einander zugehört und versucht haben einander zu verstehen. Die in Gefängnisse eingedrungen sind und die Freilassung ihrer Gefährten gefordert haben. Ihr Schicksal scheint besiegelt.

Sie werden den Weg all derer gehen, die auf den allgemeinen Aufruhr gehofft und enttäuscht wurden. Wie so viele vor ihnen. Sie werden der Macht Rückzuggefechte liefern (Acte13,14, -…), dabei die eine oder andere Barrikade errichten und die eine oder andere Bank verwüsten. Aber die Zeit der verwegenen Schlachten scheint Geschichte. Sie erwartet nun das Los der Partisanen. Den Rückzug in entlegene Gebiete, um dauerhaft Infrastruktur aufbauen, sich am Lagerfeuer mit den Agenten der Imaginären Partei (4) auszutauschen und versuchen voneinander zu lernen. Darauf zu hoffen, irgendwann einmal wieder verwegen nach den Sternen zu greifen.

Vielleicht kommt aber auch alles ganz anders. Der Verfasser dieser Zeilen, der auch doch nur ein Chronist, ein Fürsprecher der Unsichtbaren, der ewigen Rebellen ist, mag sich irren, was nur allzu menschlich wäre. Vielleicht begeht die Macht einen strategischen Fehler, unterläuft ihr ein folgenreicher Irrtum. Wähnt sie sich zu früh zu siegessicher und trumpft zu arrogant auf. Es wäre zu wünschen, dass diese Bewegung, die nicht nur Paris in ein Wintermärchen (5) verwandelt hat, noch das Grün des Frühlings erblickt, neue Energie sammelt, sich neu sammeln und erneut zum Angriff übergehen zu vermag…Ahuu, Ahuu,….

(1) https://non.copyriot.com/die-rueckkehr-der-goldenen-horde/

(2) https://www.youtube.com/watch?v=tYtSwpSmWL4

(3) https://www.youtube.com/watch?v=Kszvq_618HE

(4) https://non.copyriot.com/ein-beitrag-zu-den-derzeitigen-unterbrechungen-in-frankreich/

(5) https://non.copyriot.com/paris-ein-wintermaerchen/

Nach oben scrollen