#MenAreTrash als antisexistische Dialektik Zum Fall weiße Männer und Staat versus @zugezogenovic

Mitte letzten Jahres schrieben @apolitAsh und @zugezogenovic (https://www.akweb.de/ak_s/ak639/43.htm) über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und seine Instrumentalisierung durch Rechte. Ursprünglich gedacht um endlich gegen „Hate Speech“ im Internet vorgehen zu können, entwickelte sich das Gesetz schnell zu einem Instrument, um antirassistische und antisexistische Accounts anzugreifen. Teilweise wurden Accounts von migrantischen Linken 20 Mal pro Tag gemeldet.

Die Instrumentalisierung des Netzwerkdurchsuchungsgesetz funktioniert darüber, dass auf Plattformen wie Twitter in der Beurteilung, was „Hate Speech“ ist, gesellschaftliche Macht- und Ausbeutungsverhältnisse und Diskussionsdynamiken keine Berücksichtigung finden. Stattdessen war es nun Rechten möglich, Tweets für Inhalte wie #MenAreTrash zu melden, weil darin angeblich Menschenfeindlichkeit gegen Männer ausgedrückt würde.

Der Hashtag #MenAreTrash bezieht sich auf eine Radikalisierung der antisexistischen Diskussionen, die durch #MeToo ausgelöst wurden. Sibel Schick schrieb, sich auf den Hashtag beziehend, am 30. Juli 2018: „Es ist ein strukturelles Problem, dass Männer Arschlöcher sind“. Durch den darauffolgenden reaktionären Angriff u.a. von Jutta Ditfurth gab es in der Folge eine breite Diskussion über antisexistische Kritik.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass #MenAreTrash aus einem Diskurs hervorgeht, bei dem abwehrend immer wieder davon gesprochen wurde, dass man keine pauschalen Aussagen über Männer treffen könne. Diese Strategie des Derailing1 versucht antisexistische Kritik die Zähne zu ziehen und von der strukturellen Ebene von Ausbeutung und Sexismus abzulenken. Es seien doch nicht „alle Männer so“.

Der Hashtag #MenAreTrash verschlagwortete nun also, dass es ein systematisches Problem von Sexismus im Patriarchat gibt. #MeToo beschrieb die betroffenen Perspektiven, #MenAreTrash zeigte antagonistisch, dass es nicht nur Opfer, sondern auch Täter von patriarchaler Gewalt gibt. Die Benennung als „Abfall“ war dabei sogar noch moderat, wenn man dabei z.B. an die Massenmorde neuer Männlichkeitsbewegungen wie der Incels („Involuntary Celibates“) denkt. Abfall ist passiv und kann weggeworfen werden, Männer hingegen haben gesellschaftliche Macht und Femizide passieren fast täglich.

Vor dem Hintergrund dieser Debattenlage entwickelte sich #MenAreTrash schnell zu einem öffentlichkeitswirksamen Meme, das vielfach auch in Online-Diskussionen benutzt werden konnte. Wenn Männer anfingen strukturelle Probleme von patriarchaler Gewalt kleinzureden, konnte einfach mit dem Trash-Symbol geantwortet werden.

Damit gelang es vielfach Gesprächssituation umzukehren, sodass sich nicht immer die von Gewalt betroffene Seite gegenüber Anfeindungen vereidigen musste. Männer konnten durch den Hashtag erfahren, wie es sich anfühlt, nicht immer wieder eine nette Erklärung auf ihr Derailing zu bekommen, sondern ihr Verhalten als Teil einer problematischen Gesamtstruktur begreifen.

Von reaktionärer Seite wurde schließlich – teilweise erfolgreich – versucht, den radikalen Teil des antisexistischen Aktivismus als „überzogen“ zu diffamieren und in immer neuen Variationen die strukturelle Kritik aufzuweichen. Eine besonders perfide Variante bestand darin, homosexuelle Männer gegen den Hashtag zu instrumentalisieren, sich beim Derailing im Sinne von „nicht alle Männer“ mit Homosexualitätsfeindlichkeits-Vorwürfen zu immunisieren. „Aber ihr könnt nicht sagen, dass schwule Männer Abfall sind.“

Vor dem Hintergrund dieser Diskurslage sprach @zugezogenovic davon, dass auch schwule Alman-Männer Abfall seien, gehören sie doch strukturell im Patriarchat ebenfalls zur Kategorie „Mann“. Die rassistischen und sexistischen Angriffe auf den Account, die seit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz schon mehrfach zu Sperrungen geführt hatten, erreichten nun in Anzeigen von weißen Männern wegen Volksverhetzung ihren Höhepunkt. @zugezogenovic wurde als eine antirassistische und antisexistische Stimme wahrgenommen und in Folge durch das Zusammenspiel von patriarchaler Reaktion und Rassismus vor Gericht gestellt. Die Rechten jubelten, die Solidarität von links blieb allerdings ambivalent.

Grundproblem ist, dass viele männliche und weiße Linke im Zweifelsfall eher zu Männern und/oder Weißen halten, anstatt sich mit antisexistisch-migrantischen Stimmen zu solidarisieren. Die ‚Solidarität‘ nahm z.T. eine Form an, in der zwar die Anklage kritisiert wurde, jedoch eine Entschuldigung für den Inhalt werden wollte. Und auch in dem Fall, wo der Schuldspruch der „Volksverhetzung“ zu Abschiebung führt, bestanden Linke darauf, dass es immer noch wichtiger sei, wie der antisexistische Inhalt solcher Aussagen ganz genau formuliert wurde. Die sprachpolizeiliche Verfolgung, die gerade jene migrantischen Stimmen trifft, ist weiß-männliche Identitätspolitik, die als solche allerdings nur selten be- und angegriffen wird.

Solange die „Solidarität“ von weißen Männern so aussieht, spalten sie Klasse, anstatt sie im Kampf gegen Patriarchat und Rassismus auch durch auch Reflexion und Veränderung ihrer eigenen Handlungen zu einen. Diese Spaltung wird dann gerne denjenigen angedichtet, die in erster Linie unter Patriarchat und Rassismus leiden, nicht denen, die davon strukturell profitieren. Der weiße Deutsche liebt die Täter-Opfer-Umkehr. Weil sich diese verkehrte Welt der falschen Solidarisierungen fortsetzt, ist es für Marginalisierte erste Priorität, sich selbst zu organisieren und dadurch eigene Stärke, Diskursmacht und schließlich organisierte Klassenmacht zu erlangen.

Während Linke immer noch zweifeln, ob der Tatbestand der Volksverhetzung nicht doch richtig wäre, musste selbst das Amtsgericht Tiergarten die Verhandlung gegen @zugezogenovic am 10. September 2019 in erster Instanz mit einem Freispruch auflösen. Die Repression gegen die antagonistischen Teile der antisexistischen/antirassistischen Community wird indes weitergehen.

1 Zu dieser Strategie des Derailing wurde ausführlich schon 2015 geschrieben (http://sanczny.blogsport.eu/2015/03/08/not-all-men-must-die-hegemoniale-maennlichkeiten-und-warum-not-all-men-sterben-muss/)

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