Post Covid Riot Prime Manifest – Next Level (Part 1)

Zwanzig weitere Anmerkungen (Part l) zu den gegenwärtigen Konfliktualitäten und Perspektiven. (21-25) Der erste Teil des Post Covid Riot Prime Manifest findet sich u.a. hier, bzw. kann in gedruckter Form als Broschüre hier bestellt werden.

Einundzwanzig: Die Imaginäre Partei muss aus dem Schatten treten und real werden. Darunter geht es nicht. Zu dem Faktor der Zeit, auf den wir schon im PCRPM 1 eingegangen sind, die Auslöschung der Welt, wie wir sie kennen, durch die Barbarei, die sich Zivilisation nennt, kommt jetzt die Zuspitzung des innerimperialistischen Krieges, der sich vorerst in der begrenzten Konfrontation in der Ukraine materialisiert, in sich aber die Tendenz und Möglichkeit der Ausweitung und Generalisierung trägt. In der Totalität des Krieges werden viele unserer Waffen aus den Aufständen der letzten 15 Jahre stumpf werden und da die Linke historisch gescheitert und sich im Begriff der Auflösung befindet (indem sie Teil der Macht wird oder gesellschaftlich bedeutungslose Sektiererei) existiert keine reale Kraft, die jenseits von Symbolik (Sabotage, Fahnenflucht, humanitäre Hilfe, hilflose, appellative [Massen]demos) Gegenmacht in dieser historischen Zuspitzung zu konstituieren in der Lage ist. Da der innerimperialistische Krieg, jenseits aller damit verbundenen Grausamkeiten, ganz konkret die Bedingungen der Klassenkampfes signifikant zu unseren Ungunsten verändert und den Horizont des Aufstandes verdeckt, müssen wir jetzt in eine neue Epoche eintreten, unabhängig davon zu wissen, wohin dieser Sprung führen wird. In den Abgrund oder in die Fähigkeit auf dem Niveau der konkreten historischen Situation agieren zu können.

“Die intensivsten Kämpfe unserer Zeit stehen an einem Abgrund und kehren dann um. Weiter zu gehen würde bedeuten, ins Unbekannte zu springen. Niemand will der erste sein, der springt, um zu sehen, ob er Neuland entdeckt oder sich einfach im freien Fall wiederfindet. Wir wissen noch nicht, wie schließlich eine Situation geschaffen wird, die jedes Umkehren unmöglich macht und in der die Bedingungen selbst schreien: ‘hic Rhodus, hic salta!’“ [Thesen zur sudanesischen Commune] (1)

Zweiundzwanzig: “Für die europäische Bourgeoisie hingegen ist der Weg nach vorn derjenige der historischen Formierung eines jeden Staates: Neben dem Geld wird das Schwert benötigt. In diesem Sinne ist die Wiederbelebung des Projekts der „europäischen Verteidigung“ durch unsere Herren, und in der Zwischenzeit das der Atomkraft in ihrem neuen ideologischen Gewand der grünen Wirtschaft, in doppelter Hinsicht von Bedeutung: für die Energieversorgung des europäischen Kapitalismus und für die Aufrüstung.” [Krieg dem Krieg der Bosse] (2)

Viele zeigten sich überrascht und irritiert, wie schnell und vor allem geschlossen die Reaktion des westlichen Imperialismus auf die Invasion Russlands in der Ukraine ausfiel. Bedingungen dieser unmittelbaren Reaktion war die strategische Bedeutung der Ukraine im erweiterten Zentrum Europas [im Gegensatz zu Tschetschenien oder Kasachstan, wo das von Russland angeführte Militärbündnis OVKS intervenierte, nachdem Proteste gegen steigenden Energiepreise innerhalb weniger Tage in allgemeine Riots und dann in einen Aufstand umschlugen, und das Regime, nach dem Überlaufen erster Polizei-und Militäreinheiten, nur durch diese Intervention zu retten war [3)] und die Macht der Gelegenheit. Anders gesagt, so wie die Corona Pandemie ein zufällig gehobener Schatz für das Empire war, den historisch notwendigen Schritt in den permanenten Ausnahmezustand zu realisieren (die “grüne Governance” vor dem Hintergrund der Klima – und Verwertungskrise) und zugleich in einem Kriegsmanöver unter realen Bedingungen die Internierung und Disziplinierung eines Großteils der Weltbevölkerung zugleich zu simulieren wie durchzuführen und zu evaluieren, so schafft der Einmarsch Russlands die Bedingungen, die insbesondere der westeuropäische Imperialismus benötigt, um im Dreieck der Konkurrenz USA/Russland/China nicht nur wirtschaftlich mithalten zu können, sondern sich auch auch macht-und geopolitisch jenseits der atomaren Bewaffnung GB und Frankreichs als eigenständiges Machtzentrum auf Dauer behaupten zu können. Dafür ist die Aufrüstung der BRD eine unverzichtbare strategische Ressource, die dann ja auch von Scholz fast staatsstreichartig mit dem 100 Milliarden Konjunkturprogramm für die Bundeswehr (ohne Absprache mit den Regierungsfraktionen, die Tendenz zum Regieren per Dekret, faktisch oder de jure, wurde ja in der Maßnahmenpolitik der letzten 2 Jahre erfolgreich implantiert)umgesetzt wurde, “schicksalträchtig” unter stehenden Beifall des Bundestages, während nur wenige hundert Meter entfernt über 100.000 Menschen “für den Frieden”, aber nicht in Fundamentalopposition zu dieser (Kriegs)Politik demonstrierten.

Dreiundzwanzig: Alles ist im Fluss, dies betrifft auch grundsätzliche strategische Prognosen und Realitäten. Die Chancen, die sich daraus ergeben, müssen erkannt und genutzt werden. Sah es 2 Jahre lang so aus, als wenn der chinesische Staatskapitalismus im Gefolge der Corona Pandemie und der fast überall gewählten staatlichen Maßnahmenpolitik sich als führender Player in der weltweiten Konkurrenz etablieren würde, bricht dies alles innerhalb weniger Wochen mit dem verzweifelten Versuch, die Zero Covid Strategie um jeden Preis aufrechterhalten zu wollen, zusammen. Gegen den Kurswechsel prominenter Regierungsberater setzt die Parteiführung weiterhin auf die totale Eindämmung, riegelt komplette Millionenstädte ab, darunter das wirtschaftlich unverzichtbare Shanghai mit seinen 25 Mio Einwohnern im Großraum. Während die meisten Menschen einer vollkommenen Ausgangssperre unterliegen, die Zugangstore zu den Wohnblocks zugeschweißt werden, die Belegschaften strategischer Betrieben an ihren Arbeitsplätzen eingesperrt werden, bricht die Wirtschaftsleistung innerhalb von vier Wochen um über 3 Prozent ein. Massenhafte Suizide, verzweifelte Menschen auf der Suche nach Nahrung, da die staatliche Versorgung mit Lebensmittel nur unzureichend funktioniert, Hunderttausende in aus dem Boden gestampften Quarantänecamps Internierte, mittlerweile werden jeden Tag aus anderen Orten Revolten gegen die Abriegungsmaßnahmen und die wirtschaftliche Not gemeldet. Der Imperialismus ist ein Papiertiger. Auch der chinesische, dem unter Umständen seine umfassendste Delegitimierung seit 1989 bevorsteht. (4)

Vierundzwanzig: “Damit etwas kommt muss etwas gehen, die erste Gestalt der neuen Hoffnung ist die Furcht, die erste Erscheinung des Neuen der Schrecken” (Heiner Müller). Sprache, Herz, Syntax, Konditionierung, kollektives Unterbewusstsein, Neurose, Zwang, Herrschaft. Jedes Bemühen, eine aufständische Perspektive anzueignen kommt nicht an den Umprogrammierungen der letzten beiden Jahren vorbei. Freiheit heisst in diesem Sinne Dekodierung zu leisten. Sobald von notwendigen Opfern, Einschränkungen und Begrenzungen zum Zwecke der Allgemeinwohls und im Namen der Solidarität die Rede ist, handelt es sich um einen kriegerischen Akt zur Aufrechterhaltung der herrschenden, todgeweihten Ordnung. “Die soziale Frage, die in unseren Ohren so positiv klingt, weil sie in den letzten zwei Jahrhunderten von so vielen Reformern und Revolutionären, die sich törichterweise auf sie gestürzt haben, mit so vielen guten Absichten aufgeladen wurde, ist ein Manöver. Sie dient dazu, die Enteignung der Menschen von ihrer Welt zu verhüllen und die Vergewaltigung ihrer Einschreibung in die ihnen vertrauten Orte zuzulassen. Sie zielt darauf ab, Aliens zu produzieren, die man beliebig verlagern kann, deren Land man verwüsten und deren Lebensräume man vergiften kann. Und man kann sie in Fabriken produzieren. So entwurzelt, so isoliert, so geschwächt, wehren sie sich weniger dagegen, als unterschiedslose Materie ohne eigene Eigenschaften und Bestimmungen behandelt zu werden, als eine Art Knetmasse für die Regierungstechnik.” (5)

Es kann also um nicht weniger gehen, als sich in der jetzigen historischen Zuspitzung, die sich im Bermuda Dreieck zwischen Corona-Pandemie-Maßnahmen, Klimakatastrophe und (inner)imperialistischen Krieg abspielt, überhaupt wieder eine eigene Subjektivität zu erkämpfen, um eine antagonistische Front aufzubauen. Das heisst in der Übersetzung Kampf um jeden Meter Begrifflichkeit, auch und gerade gegen die falschen Freude aus der Linken, die in den letzten Jahrzehnten systematisch, unter diversen Vorwänden und Ausreden, die Selbstentwaffnung der revolutionären Kräfte betrieben haben. Wir stehen vor den Trümmern unserer Geschichte und in dieser Kulisse führen linke Hofnarren Tag für Tag ihre verstaubten Klassiker auf. Entweder werden wir Wir oder wir werden scheitern. In Schönheit, voller Hingabe und Liebe, mit Wut und Hunger im Bauch, aber scheiternd.

Fünfundzwanzig: Wir leben am Vorabend der Revolution. Wir wissen bloß nicht, wann sie kommen wird und ob sie siegreich sein wird. Aber alle Notwendigkeiten und Anzeichen drängen in Richtung eines generalisierten Aufstandes. Dies ist auch die Exegese der Niederschriften der Revolten der letzten Jahre, die sich häufig innerhalb weniger Tage und Wochen von diffusen Protesten zu allgemeinen Erhebungen transformiert haben und ihre eigentliche Begrenzung nicht in der Brutalität der Konterrevolution sondern in der nicht stattgefundenen Etablierung von Gegenmacht gefunden haben. Nicht reif für den Bürgerkrieg, örtlich begrenzt, idealisierend in ihrer Verhaftung des Commune Charakters gelang nicht der notwendige Sprung in die neue Qualität der Klassenauseinandersetzung. Aber selbst wenn dieser Sprung zukünftig gelingen wird, wir also real die vorrevolutionäre Qualität erfahren, mit allen Sinnen, stehen wir vor dem Dilemma wie sich diese neue Qualität ausdrückt, ihre Form findet. Historisch gibt es wenig, worauf wir zurückgreifen können, so radikal haben sich die Realitäten verändert. Umso dringender braucht es den Austausch, den Diskurs zwischen den Aufständischen, die neue Internationale wird sich in einer Ausprägung neu erfinden müssen, die kaum etwas mit dem zu tun haben wird, was wir kennen oder zu verstehen glauben.

Vor allem heißt es aber Zuversicht zu streuen, die zeitgemäße Agenda der Counterinsurgencystrategen heißt Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit. Reden wir also von der Reife der Zeit. (6) Auch in unseren dunkelsten Nächten.

…to be continued

Fußnoten:

(1)  (1)  Thesen zur sudanesischen Commune’, auf deutsch auf Sunzi Bingfa https://sunzibingfa.noblogs.org/post/2021/05/03/thesen-zur-sudanesischen-commune/, auf englisch auf https://illwill.com/theses-on-the-sudan-commune

(4)  ‘Als die Kommunisten die internationale Arbeiterbewegung zerschlugen – Der Kampf der Arbeiter auf dem Platz des Himmlischen Friedens…’ https://sunzibingfa.noblogs.org/post/2021/08/23/als-die-kommunisten-die-internationale-arbeiterbewegung-zerschlugen-der-kampf-der-arbeiter-auf-dem-platz-des-himmlischen-friedens-war-der-transformationspunkt-von-einer-welt-in-die-naechste/

(5)   Auszüge aus dem ‘Manifeste conspirationniste’ finden sich in der Sunzi Bingfa, das Zitat ist aus dem übersetzten Schlusskapitel https://sunzibingfa.noblogs.org/post/2022/03/07/this-is-the-end-my-only-friend-the-end-manifest-conspirationniste/, das Vorwort und das erste Kapitel wurden ebenfalls übersetzt https://sunzibingfa.noblogs.org/post/2022/02/07/ein-manifest-der-verschwoerung/

Nach oben scrollen