POST COVID RIOT PRIME MANIFEST – ROTER OKTOBER [PART III]

Part I findet sich hier, Part ll hier. Das ursprüngliche POST COVID RIOT PRIME MANIFEST hier, das POST COVID RIOT PRIME MANIFEST – NEXT LEVEL hier.

Einundfünfzig: „Ehe das Proletariat seine Siege auf Barrikaden und in Schlachtlinien erficht, kündet es die Ankunft seiner Herrschaft durch eine Reihe intellektueller Siege an.“ – Karl Marx. Es wird sich wieder verschworen. In jedem Winkel der Welt. Verschworen und diskutiert. Die Revolten und Aufstände der letzten Jahre, ihr Potential und ihre Begrenzungen. Dass es nicht reicht, Dior auf den Champs-Élysées zu plündern, im Swimmingpool des Präsidentenpalastes von Colombo zu baden, Quito lahmzulegen oder Bullenwachen in Minneapolis niederzubrennen. Das Primat der Praxis [P(A)=U-p] war unabdingbar, um die Ära der Aufstände nicht mehr zu behaupten, sondern zur Gegenwärtigkeit des Klassenkonfliktes zu materialisieren. Doch nun wird jede Welle, die gegen das Stauwerk des Empires anbrandet, von diesem zurückgeworfen und nivelliert die Amplituden der nächsten Wellenbewegungen, wenn es nicht gelingt, das erste Abwehrbollwerk zu überspringen.

Dafür braucht es eine neue aufständische Begrifflichkeit, die über das hinausgeht, was das bisherige theoretische Rüstzeug der Aufstände war. Eine Begrifflichkeit, die nun den Horizont der grundsätzlichen revolutionären Erhebung für alle aufreißt. Die erste Aufgabe wäre die Demythologisierung der Allmacht des Empires. Zu wesentliche Sektoren der Klasse sind noch in Angst gebunden an die Macht. Die sozialen Verwerfungen und die Vorstellung des Endes der Welt wie wir sie kennen haben das grundsätzliche konforme Bewusstsein erodiert, aber die Angst ist der brüchige Kitt, der das Trennscheibenpanzerglas noch im Rahmen hält, die Isolierung und Atomisierung aufrechterhält, die primären Bedingungen der Unterwerfung und Ohnmacht. Gegen Angst hilft nicht Mut, sondern ein Bewusstsein über die Bedingungen ihrer Entstehung, Aufrechterhaltung, sowie Begrenzung; und somit Überwindbarkeit. 

Die erste Tat jedes Kolonialisten ist es zu täuschen. Über seine Absichten und Pläne. Die zweite ist es, Angst zu säen, um von seiner anfänglichen Unterlegenheit abzulenken, bis er genug Truppen und Kriegsmaterial um sich versammelt hat. Wobei fast immer Teile seiner Truppen aus Hilfstruppen der zu Unterwerfenden bestehen. Die dritte Tat ist es Krankheiten unter den zu Kolonialisierenden zu verbreiten. (Cortés marschierte mit nur 300 eigenen Mann ins Azteken Reich ein). Die Krankheit der Kolonialisierten der Postmoderne ist die Angst in all ihren Spielarten, einschließlich der Depression, die mittlerweile große Teile der Bevölkerung vor allem in den sogenannten entwickelten Ländern (aber nicht nur dort) befallen hat. (Ich führte schon in Part ll aus, dass z.B. jeder dritte US Amerikaner unter einer behandlungsbedürftigen Angststörung und/oder Depression leidet.)

Im Pandemie Ausnahmezustand konnte man erleben, wie das Empire auf der Klaviatur der Angst ganze Symphonien erklingen ließ und wie wirkungsvoll dies (allerdings nur für eine begrenzte Zeit) die Klassenkonfliktualität lähmte. Da diese Erfahrung eine globale war (und verständlicherweise in den sogenannten entwickelten Ländern ausgeprägter), ist es unvermeidlich, diese Erfahrung, die in sich den Terror der Schockstrategie (die dem Opfer die Möglichkeiten zum Gegenangriff ebenso wie zur Flucht raubt, ihn ergo in Schockstarre versetzt) trägt, grundlegender zu analysieren und zum Gegenstand der Neubestimmung revolutionärer Strategie zu machen. Unsere Gegner haben längst schon die Erfahrungen der massenhaften Internierungspraxis analysiert und mit den Rechenmodellen ihrer Preparedness Think Tanks abgeglichen und wir können davon ausgehen, dass ihr nächster Schlag noch besser vorbereitet sein wird. Für uns, für unsere Seite, gilt es nun, die grundlegendste Lektion jeder Kampfkunst anzuwenden: Die Energie des Angriffs des Gegner zu absorbieren und zu der unsrigen zu machen. Wir können aus den Erfahrungen des Pandemie Ausnahmezustandes genauso viel wie unser Gegner lernen, wir können sogar mehr über das Verhalten unseres Gegner lernen, als dieser über unseres, da es sein Manöver war, das ausgeführt wurde.

Die Demythologisierung der Allmacht des Empires als erster Schritt einer grundlegenden revolutionären Analyse gelingt also am besten und nur über den Weg der Untersuchung des Pandemie Ausnahmezustandes und seiner Mechanismen. Einer Auseinandersetzung mit der konkreten Machtentfaltung der letzten 2,5 Jahre. Alle, die diesen Weg scheuen (viele davon sind sogenannte Linke, die ihren eigenen Anteil an der repressiven Totalität vergessen machen wollen) bewegen sich zwangsläufig nicht auf dem Niveau der gegenwärtigen Klassenkonfliktualität. Das revolutionäre Narrativ über den Pandemie Ausnahmezustand unter die Leute zu bringen ist der erste Sieg der Reihe von intellektuellen Siegen, von denen Marx sprach. “Im Zusammenhang mit den letzten zwei Jahren wurde von einer großen Verwirrung der Geister gesprochen. Aber es gibt eine Art von Verwirrung, die der Erkenntnis unmittelbar vorausgeht. Für denjenigen, der bereit ist zu sehen, werden die vergangenen zwei Jahre eine große Klarheit hervorgebracht haben. Für diejenigen, die bereit sind, aufzuräumen, ist das Feld offen.” – Konspirationistisches Manifest

Zweiundfünfzig: Da nun das Unvermeidliche getan wird oder auch nicht, es nur noch die Wahl zwischen dem Ende der Geschichte oder dem Schreiben von Geschichte gibt, kommen wir zu der Wahl unserer Waffen, die mit Bedacht gewählt werden müssen. Wenn der revolutionäre Horizont real aufscheint (und nicht in der Imagination gestriger linker Splittergrüppchen) wird jedes Gedicht, jede Überlieferung, jede Unterweisung, jedes Gespräch unter Freunden, jeder Kuss im Tränengas, jede Feuertonne an einem tristen Ort, jede hitzige Diskussion, jede Umarmung, jedes ehrliche Wort,… zu einem revolutionären Terrain. Ein Terrain, das wir definieren, und indem wir dieses Terrain definieren, entreißen wir dem Empire einen weiteren Ort, an dem es wüten kann, an dem es seine zerstörerische Verwertungslogik durchsetzen kann. Die wahre Kunst der Wahl der Waffen besteht also darin, dass wir diese Orte auswählen und definieren, dass wir uns dafür die Orte aussuchen, die am wenigsten mit der Verwertungslogik verbunden sind. Die Non Bewegungen haben uns viel gelehrt über die Auswahl dieser Orten, nicht zufällig entstanden sie häufig an Kreisverkehren, in armen Viertel, an den Rändern der Metropolen, in den indigenen Gebieten… Die zweite große Aufgabe ist also ein tiefgründiges Verständnis unserer eigenen Aufstände und Revolte zu entwickeln, zu verstehen, wie die Non Bewegungen und ihre Genese in einem uns bisher nicht bewussten Verhältnis zu den eigentlichen Orten stehen, jenen Orten, die vor allem durch Beziehungen definiert sind. Denn der Kern jeder eigentlichen Beziehung zwischen Menschen ist, solange nicht die Entfremdungsprozesse wirksam werden, jenseits jeder Verwertungslogik. Auch und besonders deshalb zielte der Pandemie Ausnahmezustand darauf ab, jegliche Beziehungen in einen fragilen Zustand zu versetzen, im Endergebnis als einen Gnadenakt der Macht, ein Privileg, das erteilt oder untersagt werden kann. “Arendt wies auf die Freundschaft als mögliche Grundlage für Politik in dunklen Zeiten hin. Ich denke, das ist ein guter Punkt, vorausgesetzt, wir erinnern uns daran, dass Freundschaft – d.h. die Tatsache, ein Anderssein in unserer Erfahrung des Existierens zu spüren – eine Art politisches Minimum ist, eine Schwelle, die das Individuum gegenüber der Gemeinschaft sowohl eint als auch trennt. Das heißt, vorausgesetzt, wir erinnern uns daran, dass es sich um nichts Geringeres als den Versuch handelt, überall eine Gesellschaft oder eine Gemeinschaft innerhalb der Gesellschaft zu bilden. Mit anderen Worten, angesichts der zunehmenden Entpolitisierung der Individuen, in der Freundschaft das radikale Prinzip einer erneuten Politisierung zu finden.” – Giorgio Agamben

Dreiundfünfzig: Sich treu bleiben. Den Verrat hassen. Offene Rechnungen begleichen. Lügen Lügen nennen. Feinde denunzieren. Wahrheiten lieben. Die Gefallenen und Gefangenen nicht vergessen. Nicht mitmachen. Zuzuhören. Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen. Sich dessen bewusst zu sein, was auf dem Spiel steht. Inmitten des Lärms und der Hektik der Unruhen Gelassenheit bewahren. Ungeduldig bleiben und trotzdem sich alle Zeit der Welt zu lassen. Alt und weise werden und alles trotzdem jeden Tag aufs Neue mit Kinderaugen zu betrachten. Geschenke verteilen. Kochen. Schreiben. Dichten. Kämpfen. Schlafen. Träumen. Von denen lernen, die an vorderster Front kämpfen, auch wenn sie nicht die passenden Worte finden. Geschichte studieren. Immer und immer wieder. Schwach sein. Müde sein. Trotzdem da zu sein, wenn man gebraucht wird. Übersetzen. Berichten. Reisen, um sich zu verschwören. “In die Herzen ein Feuer” – George Jackson

Vierundfünfzig: “Der Faschismus ist auf der italienischen und europäischen Bühne allgegenwärtig: in der Wiederkehr der nationalistischen Wut, in der Verherrlichung des Krieges als einzige Hygiene der Welt, in der arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Gewalt, in der Verachtung von Kultur und Wissenschaft, in der demografisch-rassistischen Besessenheit, die Frauen davon überzeugen will, Kinder mit weißer Hautfarbe zu bekommen, um den großen ethnischen Austausch zu vermeiden und weil die Nation altert und zerfällt, wenn die Wiegen leer sind, wie es heißt. Dieser ganze Unsinn ist wieder da. Ist es Faschismus? Nicht ganz. Der Faschismus Mussolinis war ein futuristischer Faschismus, der die Jugend, die Eroberung und die Expansion verherrlichte. Doch hundert Jahre später ist die Expansion vorbei, an die Stelle des Eroberungsdrangs ist die Angst vor der Invasion fremder Einwanderer getreten. Und an die Stelle der glorreichen Zukunft tritt der fortschreitende Zerfall der Strukturen, die die Zivilisation ermöglicht haben. – ‘Die Sonne geht frei und fruchtbar auf, / du wirst keinen größeren Ruhm auf der Welt sehen als Rom’ – , so die nationalistische Rhetorik des vergangenen Jahrhunderts. Jetzt ist die Sonne unheimlich, weil die Flüsse austrocknen und die Wälder brennen. Was auf dem Vormarsch ist, ist der Geronto-Faschismus: der Faschismus des senilen Alters, der Faschismus als wütende Reaktion auf die Alterung der ‘weißen Rasse’.” – So schreibt Franco ‘Bifo’ Berardi in seinem Artikel ‘Geronto Faschismus’ (1) über den jüngsten Wahlerfolg der radikalen Rechten in Italien.

Ohne Zweifel gibt es derzeit zwei Optionen für das Empire im Endgame, die “Grüne Governance”, auf die ich schon ausführlicher eingegangen bin und die sich bis vor kurzem als die Zukünftigkeit abzeichnete, und die faschistische Option (in welcher modifizierten Form auch immer). In der Permanenz des Ausnahmezustandes, in die wir eingetreten sind, die rasche Abfolge der Krisen, die aufeinander folgen, entsteht aber offensichtlich auch eine permanente Fragilität der Macht selber, die so viele inkonstante Momente in sich trägt, dass alles möglich scheint, auch eine grundsätzliche Renaissance eines Faschismus, der keine Zukünftigkeit in sich trägt. Angesichts der realen faschistischen Machtoption stehen die revolutionären Kräfte vor dem gleichen Dilemma, das auch schon in dem Krieg in der Ukraine, der auch und nicht unwesentlich ein innerimperialistischer Krieg ist, deutlich geworden ist: Es gibt einen relevanten Zeitfaktor, der angesichts der Situation, in der sich unsere Kräfte befinden, alles in Frage stellt, was wir bisher erreicht haben und alles was nun endlich wieder geschichtlich möglich scheint. Das muss einfließen in das was weltweit derzeit im revolutionären Lager diskutiert wird, ich werde darauf im nächsten, vierten Teil des Post Covid Riot Prime Manifest (Roter Oktober) noch ausführlicher eingehen, wollte diesen Punkt aber schon einmal aufgrund der aktuellen Entwicklung kurz anschneiden.

Fünfundfünfzig: “Der Leviathan ernährt sich von der Energie der Lebenden. Je mehr sich seine Verzahnung quantitativ und qualitativ ausweitet, desto mehr kolonisiert er direkt die Körper. Aber da die Körper mit der größten Energie diejenigen sind, die an etwas glauben – ein Aspekt, den die Technokraten des Westens ignorieren, die davon überzeugt sind, dass ihre Laboratorien, wenn sie Gene rekombinieren oder synthetische Steaks produzieren können, auch Seelen herstellen können -, sind die aufstrebenden Mächte diejenigen, die sowohl die koloniale Gewalt als auch die gegenteilige Kraft der antikolonialen Revolutionen in ihrem Getriebe haben: Zwangsarbeit und kollektive Identifikation.” (2) Das große Meta-Welt-Projekt von Zuckerberg läuft gerade voll gegen die Wand. Der Wert seines Imperiums hat sich innerhalb eines Jahres von 1 Billion Dollar auf 360 Milliarden reduziert, jeden Tag verliert der Konzern derzeit an der Börse 1,5 Milliarden Dollar an Notierung. Alle Zukünftigkeiten sind im Kern nur denkbar durch die Projektionen der postmodernen Kolonialisierten, oder anders ausgedrückt, ohne die Proklamation der modernen Sklaven steht alles am Abgrund, zur Disposition. Die gleiche Erfahrung muss auch die chinesische Staatsführung machen, die ihr Schicksal derzeit an ihre Zero Covid Politik geknüpft hat und deshalb Mühe hat trotz eines unglaublich perfektionierten Überwachungsapparates die aufkommenden Unruhen im Griff zu behalten und gleichzeitig hohe Einbrüche bei den Wachstumsraten zu verkraften hat, was ebenfalls zu wesentlichen Teilen der Zero Covid Politik geschuldet ist. Was aus dem chinesischen Gesellschaftsmodell ohne ausbleibendes Wirtschaftswachstum wird, lässt sich unschwer erahnen. Die Rückkehr zu einem nordkoreanischen Modell ist jedenfalls nicht mehr möglich.

So oder so, wo man auch hinblickt, alle derzeitigen Modelle der Macht gelangen an ihre Grenzen. Alles, was den Laden noch am Laufen hält, ist die Passivität, die Hinnahme der Beherrschten, die scheinbare Alternativlosigkeit. Eine Welt, die dem Untergang geweiht ist, in der es keine Visionen mehr zu verkaufen gibt, die glaubhaft sind, eine kalte, nacke Wüste. Eine Wüste, die immer sichtbarer wird, eine Welt, die nach Rebellion schreit. Das ist die Situation, die wir vorfinden. Eine Welt wie gemacht für Revolutionäre…

to be continued..

Fußnoten

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