Produktivität und lebendige Arbeit. Zur Zusammenbruchstheorie von Kurz & Co.

Die mit der Konkurrenz einhergehende Notwendigkeit zur Erhöhung der Produktivität für das einzelne Kapital führt zu einem sinkenden Wert der Waren, womit u. U. die Mehrwertrate (m/v) aufgrund der Verringerung des Werts des variablen Kapitals steigt, gleichzeitig lässt sich in künftigen Produktionsprozessen die Anzahl der Arbeiter pro Produkteinheit einsparen, d. h., lebendige Arbeit, die in fast allen Spielarten des Marxismus als die einzige Quelle des Mehrwerts gilt. Diese Konstellation verweist nach Auffassung einer Reihe von marxistischen Autoren auf ein grundlegendes »Dilemma« im Kapitalismus, auf das wir nun etwas genauer eingehen wollen. Unter der Voraussetzung der Konstanz von Reallohn, Gesamtarbeitszeit und Warenabsatz führt jede Produktivitätssteigerung zu einer Verringerung des Warenwerts pro Produkteinheit und zu einer Erhöhung der Mehrwertrate. Gleichzeitig gilt es jedoch auch das Problem der Mehrwertmasse zu berücksichtigen. Dabei unterliegt die in der einzelnen Ware inkorporierte Mehrwertmasse infolge der Steigerung der Produktivität zwei gegenläufigen Tendenzen: Einerseits sinkt sie proportional zum generellem Wertverlust der einzelnen Ware, andererseits steigt sie in dem Maße, wie der Anteil des Mehrwerts am Gesamtwert der einzelnen Ware steigt. (Vgl. Ortlieb 2008: 8f.) Was man nun als als eine allgemeine Tendenz hinsichtlich der Bewegung der Mehrwertmasse im Zuge von Produktivitätssteigerungen fixieren kann, hängt, wenn man sich denn auf diese Spielarten des Arbeitswertmarxismus einlassen will, davon ab, wie groß überhaupt noch der Anteil der unbezahlten menschlichen Arbeit (Mehrwertrate) zu Beginn der jeweiligen Produktionsperiode war, bevor man neue Technologien in den Produktionsprozess integriert hat. Zunächst wird hier behauptet, dass mit jeder Produktivitätssteigerung der Mehrwert (m) um den Zeitanteil wächst, der von (v) (variables Kapital) abgezogen wird. Und leicht einzusehen ist, das im Zuge von Produktivitätssteigerungen die Wachstumsrate des relativen Mehrwerts sich verringert, denn je kleiner der Bruchteil der notwendigen Arbeit (gegenüber dem Anteil des konstanten Kapitals) am Arbeitstag schon ist, um so weniger fügt eine weitere Steigerung der Produktivität noch neuen Mehrwert hinzu (eine erste Verdopplung der Produktivität führt zur Halbierung von (v) die nächste Verdopplung vom Ausgangspunkt bringt eine Viertelung von (v) etc., und entsprechend sieht es dann mit der Bewegung von (m) aus). Die Markierung, an der sich entscheidet, ob die Mehrwertmasse infolge einer Innovation, die sich schon auf allgemein-gesellschaftlicher Ebene durchgesetzt hat, steigt oder fällt, liegt nach den Aussagen von Ortlieb bei einer Mehrwertrate von 1, und das heißt: m = v, notwendige Arbeitszeit ist gleich Mehrarbeitszeit. (Ebd.: 13f.) Ab jetzt senkt jede Produktivitätssteigerung den Wert der Ware stärker als sie den Mehrwert pro Stück erhöht, womit in der Tendenz trotz steigender Mehrwertrate die Mehrwertmasse sinkt und als Teil der gesamten Wertmasse asymptotisch gegen 0 geht. Dies soll, ceteris paribus, als eine allgemeine Tendenz auf der Ebene des Gesamtkapitals gelten, denn erst mit der Verallgemeinerung einer technologischen Innovation, mit der jeder Extramehrwert eines Einzelkapitals eliminiert ist, sinkt die Wertmasse in einer Ökonomie insgesamt. Und gerade deshalb ist die Jagd nach dem Extramehrwert über die Mechanismen der Konkurrenz auf Dauer gestellt, egal wie weit die Wertmasse insgesamt bereits gesunken sein mag.

Autoren wie Kurz, Trenkle/Lohoff oder Ortlieb, letzterer mit seinen explizit mathematisch gestützten Interpretationsversuchen, tendieren nun dahin, diese zunächst rein arithmetisch durchaus anschreibbaren Relationen als real-empirische Tendenzen im Verlauf der Binnengeschichte des Kapitalismus zu begreifen, wobei über die Konkurrenz und ihre Korrekturmechanismen vermittelt auf einzelne Kapitale der Zwang ausgeübt wird, die Produktivität permanent zu erhöhen und damit den Einsatz lebendiger Arbeit immer weiter zu reduzieren, was nichts anderes heißt, als dass die Arbeitskraft nur auf dem jeweiligen Niveau der durch die Konkurrenz vermittelten Produktivitätsstandards angewandt wird: Je höher die Produktivität durch Rationalisierung und technologischen Fortschritt ist, desto stärker wird die sog. Wertsubstanz (lebendige Arbeit) und mit ihr die Anzahl der Arbeitskräfte auf der Ebene des Gesamtkapitals schrumpfen und desto höher wird der Umfang der Maschinerie bzw. des fixen Kapitals in der Produktion sein. (Vgl. Kurz 2012/ Lohoff/Trenkle 2012/Ortlieb 2008) Im Verlauf der Binnengeschichte des Kapitals kommt es in der Tendenz pro Herstellung einer Wareneinheit zu einer permanenten Reduktion der Arbeitskraft, womit bei konstanter Produktion trotz einer Erhöhung der Mehrwertrate ein Sinken der Gesamtmehrwertmasse festzustellen ist. Im Kapitalismus lässt sich also Kurz & Co. zufolge mit der Steigerung des relativen Mehrwertanteils bei konstantem Einsatz von Geldkapital das Sinken der Anzahl von Arbeitskräften ab einem bestimmten Punkt nicht mehr überkompensieren, und dies trotz der inneren Fortschritte qua Produkt- und Prozessinnovation und der äußeren Expansion des Kapitals auf globaler Ebene sowie der Integration reproduktiver Tätigkeiten (häusliche Tätigkeiten plus Dienstleistungen). Damit mutiert die sich permanent verschiebende innere Grenze des Kapitals zu einer absoluten Grenze, insofern hier die Arbeitskraft weiterhin als einzige Quelle des Mehrwerts gilt. (Vgl. Kurz 2012: 274ff./ Lohoff/Trenkle 105ff.)

Man sollte allerdings an dieser Stelle schon die Frage stellen, ob die in der Theorie explizierte logische und zugleich realhistorische Verlaufsform des Kapitalismus, in der sich der Widerspruch zwischen Stoff und Form bzw. zwischen steigender Produktivität und abschmelzender Wertsubstanz als absolute Schranke der Kapitalakkumulation objektiv Geltung verschaffen soll, tatsächlich als historisch dermaßen irreversibel zu betrachten ist. Wenn die Produktivität unbeschränkt wachsen könnte und damit der durch menschliche Arbeit den Waren hinzugefügte Wert (ungeachtet des maschinellen Mehrwerts) tendenziell gegen Null gehen würde, so würde logischerweise auch die realisierte Mehrwertmasse gegen Null tendieren, denn die Mehrwertmasse kann ja nie größer als die neu hinzu gesetzte Wertmasse qua lebendiger Arbeit sein. (Vgl. Ortlieb 8f.) Nun nehmen die oben genannten marxistischen Autoren an, dass mit exponentiell wachsender Produktivität (heute durch den allumfassenden und weltweiten Einsatz der Mikroelektronik inauguriert) selbst bei steigender Mehrwertrate die Mehrwertmasse auf der Ebene des Gesamtkapitals sozusagen als reale Tendenz im Kapitalismus immer weiter sinken muss. (Vgl. Kurz 2012: 274ff.) In diesem Zusammenhang wäre jedoch Michael Heinrich zunächst durchaus zuzustimmen, dass der vom Einzelkapital produzierte Mehrwert sich aus der Multiplikation des in der einzelnen Ware inkorporierten Mehrwerts mit dem stofflichen Umfang der Produktion ergibt, der trotz eines geringen Einsatzes lebendiger Arbeit enorm ansteigen kann, infolgedessen auch die Gesamtwertmasse des Kapitals. Fällt zudem der Wert des konstanten Kapitals (c) aufgrund neuer Produktionsmethoden schneller als sein stofflicher Umfang zunimmt, dann fällt zumindest auch die Profitrate in der Gesamttendenz nicht. Was die Problematik hier zusätzlich kompliziert, liegt unzweifelbar darin, dass Einzelkapitale ihre Regeln und Steuerungen heute vor allem an der Relation Profit- und Zinsrate bzw. an noch differenzierteren Koeffizienten wie bspw. dem der Kapitalisierung orientieren, der sich gewissermaßen blindlings durch ihre Strategien und Operationen hindurch realisieren. Es muss daher nicht hauptsächlich, wie das Kurz annimmt, um den Gesichtspunkt der absoluten Masse gesamtgesellschaftlichen Mehrwerts oder um die Gesamtwertmasse bei gleichzeitig schwindendem Anteil an lebendiger Arbeit gehen. Genau an dieser Stelle soll aber der »Widerspruch« zwischen exponentiell steigendem stofflichem Wachstum und sinkender Wertproduktion bzw. Wertsubstanz greifen, wie die Argumentationen von Kurz oder Trenkle/Lohoff vorführen wollen, was bei den letzteren Autoren im Rückgriff auf Moishe Postones sog. Tretmühleneffekt im Rahmen der stets ansteigenden Produktivitätsstandards erfolgt: Die Abnahme der Wertmasse und mit ihr der Mehrwertmasse insgesamt geht nicht nur mit einem Fall der Profitrate, sondern auch immer mit einer Wertminderung der einzelnen Produkte einher. Dem einzelnen Kapital steht angesichts sinkender Wertmasse pro einzelnem Produkt nur ein einziger Weg offen, dem Sinken der Gesamtwertmasse und Mehrwertmasse zu entgehen, nämlich mit der Erweiterung der Produktion. Je höher aber die Produktivität auf der Ebene der Gesamtkomplexion des Kapitals schon sei, so Lohoff/Trenkle, desto geringer wäre auch der in der einzelnen Ware inkorporierte Mehrwert und desto stärker erscheine die Notwendigkeit für das Einzelkapital einen immer größeren stofflichen Output zu erzeugen, um die Kontinuität und Konstanz der Mehrwertproduktion überhaupt aufrechtzuerhalten, und desto schärfer würde eben der Konkurrenzdruck zwischen den Unternehmen geraten, was wiederum einen immer stärkeren objektiven Zwang zu weiteren Produktivitätssteigerungen erzeuge. (Vgl. Lohoff/Trenkle 2012: 105f.) Das heißt, das Einzelkapital muss entweder in den bestehenden Fertigungssektoren den Output erhöhen, oder es muss neue Ressourcen finden, neue Sektoren für die Warenproduktion erschließen. Letztendlich werde die lebendige Arbeit durch die erzwungene Steigerung der Produktivität auch auf der Ebene des Gesamtkapitals tatsächlich immer stärker außer Kraft gesetzt, wahrlich ein Problem für das Kapital, das es trotz der permanenten Anstrengung zur Lohnsenkung bzw. zur Steigerung der relativen und absoluten Mehrwertrate nicht lösen könne, denn im Endeffekt hätte das Kapital mithilfe von »Rationalisierungen« nicht nur den Kostenfaktor Arbeit bzw. die Anzahl der Arbeitskräfte verkleinert, sondern mit der Eliminierung der lebendigen Arbeit aus den Produktionsprozessen zugleich die einzige und einzigartige Quelle des Mehrwerts verringert und damit letztendlich die absolute Wert- und Mehrwertmasse auf der Ebene des Gesamtkapitals zum Abschmelzen gebracht. So zunächst die Grundzüge der Argumentation. (Vgl. Ortlieb 2008: 14ff.)

Hier seien zwar im Rahmen der relativen und absoluten Mehrwertproduktion durchaus Verschiebungen möglich, so beteuern die Autoren, die eine Steigerung der Mehrwertmasse auf der Ebene des Einzelkapitals über die Erlangung von temporären Extraprofiten ermöglichen könnten, aber die gesamtgesellschaftliche Mehrwertmasse müsse unabhängig von relativen und absoluten Steigerungen des Mehrwerts pro Arbeitskraft oder Einzelkapital in der Tendenz immer weiter sinken, da bei konstantem Einsatz von Geldkapital die Zahl der anwendbaren Arbeitskräfte sich insgesamt immer weiter verringere, womit es eben auf das Verhältnis zwischen der Verminderung der Anzahl der Arbeitskräfte und der prozentualen Steigerung der relativen Mehrwertproduktion ankäme, wobei die Steigerung des relativen Mehrwerts die Logik einer Aushöhlung der »Wertsubstanz als solcher« ab einem bestimmen Punkt nicht überkompensieren könne. (Vgl. Kurz 2012: 282) Natürlich ist es unter bestimmten Gesichtspunkten denkbar, dass aufgrund der Steigerung der Produktivität die Zahl der anwendbaren Arbeitskräfte so stark sinkt, dass die Erhöhung des relativen Mehrwerts pro Arbeitskraft den durch Eliminierung von Arbeitskräften aus dem Produktionsprozess induzierten Rückgang der Gesamtmehrwertmasse nicht mehr kompensieren kann, oder um es mit anderen Worten zu sagen, die Steigerung der Produktivität erhöht einerseits den relativen Mehrwert pro Arbeitskraft, andererseits wird aber aber die Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte so stark vermindert, dass pro Produkt immer weniger lebendige Arbeit aufgewandt wird und damit tendenziell die Gesamtmehrwertmasse schmilzt. Und dies begreift Kurz tatsächlich als einen irreversiblen und sich potenzierenden Prozess innerhalb der Binnengeschichte des Kapitalismus durch seine Korrektur- und Kompensationsmechanismen hindurch, den selbst die äußere Expansion bzw. Schaffung des Weltmarktes sowie die technologischen Komponenten mit ihren Potenzen von Prozess- und Produktinnovation nicht stoppen können, bis schließlich – Kurz führt es ironischerweise selbst an – der Mehrwert nur noch in homöopathischen Dosen produziert und realisiert würde; aber nein, so weit möchte Kurz ja gar nicht gehen, stattdessen führt er eine mäßig schwere Rechenaufgabe an, um seine ökonomische Zusammenbruchstheorie zu fundieren: Um in einer zukünftigen durch Produktivitätssteigerung induzierten Produktionsperiode Warenmengen kapitalimmanent zu produzieren, müsse man eine höhere Anzahl von Arbeitskräften anwenden als durch die produktivitätsorientierte Reduzierung des Arbeitsaufwands überflüssig würde, und nur wenn das der Fall sei, dann könne der geringere Wert pro Ware qua Produktivitätssteigerung durch die höhere Zahl der absetzbaren Waren überkompensiert werden, und genau dies fände mit der weltweiten Einführung und Etablierung der Mikroelektronik als fundamentale globale Technologie nicht mehr statt – es käme zwar zu einem dramatischen Anstieg der billigen Warenberge, während gleichzeitig die Arbeitsmärkte massiv einbrechen würden. (Ebd.: 294ff.)

Es muss also auch auf der Ebene des Gesamtkapitals eine Grenze festzustellen sein, an der der (monetäre) Output nicht mehr in dem Ausmaß gesteigert werden kann, das erforderlich ist, um trotz der Erhöhung der Mehrwertrate die Gesamtmehrwertmasse insgesamt zumindest konstant zu halten oder wachsen zu lassen, was schließlich heißt, dass der in einer Vorperiode erwirtschaftete Gesamtmehrwert jenseits dieser Grenze nicht mehr ausreicht, um eine Vergrößerung des Gesamtkapitals zu ermöglichen, die wiederum eine Abnahme der gesamtgesellschaftlichen Mehrwertmasse in der Folgeperiode verhindern könnte. Ab einem bestimmten Umschlagpunkt (∆ c = m) reicht der realisierte Mehrwert (m) nicht mehr aus, um genügend Produktionsmittel (c) für die folgende Periode zu kaufen, womit die Kapitalakkumulation infrage gestellt ist, wenn nicht auf Kredit, fiktives Kapital etc. zurückgegriffen wird. Wenn also für die kommende Produktionsperiode das neue Kapital (c2 + v), das erforderlich ist, um zumindest die gegebene Anzahl von Arbeitskräften zu erhalten, größer ist als der Umsatz aus der vorangehenden Periode ( c1+ v + m), dann lässt sich das Kapitalvolumen, das wiederum nötig ist, um zumindest die gleiche Wertmasse wie in der Vorperiode zu produzieren, nicht mehr allein aus dem Umsatz der Vorperiode finanzieren. Der Umschlagpunkt, bei dem der Umsatz aus der Vorperiode noch ausreicht, um die nötigen Investitionen in der Folgeperiode zu finanzieren, mit denen alle Arbeitskräfte weiterbeschäftigt werden können, liegt daher bei: c2+ v = c1+ v + m. (Samol 2013: 32)

Wenn man mit Heinrich annimmt, dass der Wert des konstanten Kapitals (c) in den meisten Fällen schneller fällt als sein stofflicher Umfang zunimmt, dann sinkt die Profitrate in der Gesamttendenz nicht. Die Frage stellt sich hier, wie es nun allen Unternehmen, die Produktionsmittel einsetzen, gelingen soll, ihre bereits produzierten Waren zum alten (höheren) Wert zu verkaufen und gleichzeitig Produktionsmittel zum neuen (niedrigeren) Wert einzukaufen. Das gilt vor allem für die Produzenten von Produktionsmitteln (c). Was für die Käufer von (c) eine Verbilligung von neuem Kapital darstellt, kommt für die Produzenten von (c) eine Entwertung ihrer Waren gleich. Um dieses Problem zu lösen, müsste man davon ausgehen, dass ausnahmslos alle Käufer einen Vorteil ziehen, wenn sie das in der vorherigen Produktionsperiode produzierte (c) zu seinem neuen, niedrigeren Wert einkaufen, während zugleich ausnahmslos alle Unternehmen – und damit auch die Hersteller von Produktionsmitteln – den Wert ihrer in der letzten Periode produzierten Waren vollständig realisiert haben. Für die Fürsprecher von Kurz & Co stellt sich dies als unmöglich dar, sodass die Hersteller von Produktionsmitteln den Wert ihrer Waren nicht mehr vollständig zu realisieren vermögen. Dieses Problem verschärft sich durch die Entwertung von fixem Kapital, insofern Teile von bestehenden Werkzeugen, Maschinen etc., deren Wert noch nicht in Produkte übergegangen ist, durch das neue Produktivitätsniveau an Wert verlieren, was Marx als »moralischen Verschleiß« bezeichnet hat. Beim moralischen Verschleiß sind wegen eines erhöhten allgemeinen Produktivitätsniveaus Maschinen, die technisch durchaus noch einsetzbar wären, durch produktivere Maschinen zu ersetzen. Zudem verlangt der permanente Wertverfall der Maschinerie und der produzierten Waren sowohl eine Verkürzung der Umschlagszeiten des Kapitals als auch längere tägliche Maschinenlaufzeiten, um damit der ständig drohenden Entwertung entgegenzutreten. Die von Heinrich im Zuge der Erhöhung der Produktivität konstatierte Verbilligung des konstanten Kapitals würde somit u. U. den Fall der Profitrate bremsen, könnte jedoch den allgemeinen Verfall der Wert- und Profitmasse nicht stoppen. Darüber hinaus hätte man es mit einer Verringerung von Arbeitskräften zu tun, insofern die Verbilligung des konstanten Kapitals zu einer Einsparung von Arbeitskräften in Abteilung I führt. Zwar schrumpft mit der kontinuierlichen Erhöhung der Produktivität tatsächlich der Anteil der Arbeitskräfte, aber es wäre zunächst nun zu untersuchen, wie sich die Effizienz der eingesetzten Arbeit, des konstanten Kapitals bzw. der Maschinenproduktivität entwickelt, um tragfähige Aussagen über die Tendenz der Profitraten und der Profitmassen machen können. Gegen die Sichtweise, die auf eine stringente logisch-historische Tendenz hin zur Verminderung lebendiger Arbeit in den kapitalistsichen Produktionsprozessen rekurriert, hat Marazzi als Vertreter der Theorie von einem neuen kognitiven Kapitalismus Folgendes eingewandt: »Entgegen allen Theorien, die von einem linearen Kausalzusammenhang zwischen technologischer Innovation und notwendiger Arbeit ausgehen, ist das Quantum der Arbeit nicht zurückgegangen, sondern gestiegen. Die […] im Fixkapital verkörperte Wissenschaft erlaubt es, den industriellen Teil der Arbeit zu eliminieren. Parallel zum Rückgang der Industriearbeit steigt aber das Quantum an kommunikativer Arbeit […]. Die Arbeit wird sozusagen ›intellektualisiert‹, […] bleibt dabei aber strapaziöse lebendige Arbeit.« (Marazzi 2005)

Weiterhin setzt die Argumentation von Kurz & Co voraus, dass für die Bestimmung des Mehrwerts nur der jeweilige Abstand zwischen notwendiger Arbeitszeit und Mehrarbeitszeit in Betracht kommt, während z. B. operaistisch beeinflusste Theoretiker wie Paolo Virno davon ausgehen, dass in den Unternehmen heutzutage in der Regel die Produktionszeit (mit der Marx u. a. die für die Beschreibung des maschinellen Mehrwerts so wichtige Unterscheidung zwischen lebendiger Arbeitszeit und Funktionszeit der Maschinen als sog. Parts der Produktionszeit implizit einführt) als der entscheidende temporale Faktor der Determination des Profits zu gelten hat und deshalb auch verlängert wird, was zu einer höheren Auslastung der betrieblichen Kapazitäten führt, und dies geschieht vor allem durch die Einführung eines äußerst effektiven maschinellen Systems (Mikrotechnologien, deren Funktionsweisen für die jeweilige Produktionszeit ganz entscheidend mitverantwortlich sind, siehe Virno 2005: 147f.). Insofern kann die Produktionszeit nun endlich kontinuierlich fließen, wobei die Arbeiter als Funktionen der der Koordination, der Steuerung und Überwachung neben den automatisierten und digitalisierten Produktionsprozess treten. (Ebd.: 148) Und konsequenterweise verdichten die Unternehmen heute nicht nur auf betrieblicher Ebene die Produktionszeiten, sondern sie integrieren in die Produktionszeiten externe Phasen der Nichtarbeit, in denen die Lohnabhängigen für die Produktion notwendige Fähigkeiten wie soziale Kompetenz, kooperatives Verhalten, Affekte und Sprache erst erlernen und einüben. Der sog. General Intellect, den Marx vor allem im capital fixe, in maschinellen Technologien vergegenständlichtem Wissens und Forschungsresultaten identifiziert hatte (MEW 42: 602), umfasst heute also längst die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der lebendigen Arbeit – Sprachvermögen, begriffliche Schemata und logische Schlüsse, ja selbst Sprachspiele werden in die Produktionszeit integriert; insgesamt zeichnet das sog. »gesellschaftliche Hirn« mit dafür verantwortlich, dass jene Form der Vermögen, die von den Körpern und ihre kognitiven Fähigkeiten nicht zu trennen sind, eine höhere Potenz der Wertschöpfung inaugurieren. Dabei artikuliert sich die gesprächige, ja die geschwätzige Arbeit innerbetrieblich in einem hyper-kommunikativen Interaktionsfeld und zirkuliert entlang den Pfaden der Kommunikation mittels Kommunikation, entlang den Prozessen und Strategien der Sinnwucherungen und Pfropfungen, ja schließlich der Sinn-Disseminationen, die keineswegs mehr nur an das (nachträgliche) Verstehen geknüpft sind, sondern mittels der fiktiven Kriterien von ubiquitär florierenden Consulting- und Coachingorganisationen professionell hergestellt und organisiert werden. Gleichzeitig kommt es verstärkt zu einer Generierung des Mehrwert außerhalb der unmittelbaren (industriellen) Produktionsprozesse, was auf den Bedeutungsverlust des fixen Kapitals nicht nur bezüglich seiner physischen Seite, sondern auch in Hinsicht seiner monetären Formen hinweist und damit neue Möglichkeiten der Finanzialisierung und Kapitalisierung erfordert, und dies gerade mit der schlagenden Durchsetzung und Etablierung der Informations- und Kommunikationstechnologien. (Vgl. Marazzi 2012: 19)

Generell lässt sich Mehrwertproduktion nur als Exploitation von internen und externen monetären Differenzen verstehen, womit sich das Problem der Überhitzung/Krise nicht in erster Linie als Warenüberschuss, sondern vor allem als nicht verwertbarer Kapitalüberschuss (Überakkumulation) artikuliert, wie dies z. B. der japanische Ökonom Uno Kōzō zwingend vorgeführt hat. (Vgl. Karatani 2012: 170) Da die Anzahl der Arbeitskräfte nur bedingt schwankt – sie kann bei steigender Nachfrage weder ohne Weiteres vermehrt noch bei einem Überangebot ohne Weiteres verringert werden –, hat dieser Faktor, selbst wenn man den Einfluss der industriellen Reservearmee einbezieht, nur einen relativ beschränkten Einfluss auf die konjunkturellen Bewegungen des Kapitals. In der Tendenz werden die Reallöhne im Klima der Hochkonjunktur steigen und einen leichten Druck auf die Profitraten ausüben, die immer ins Verhältnis zu den Zinsraten zu setzen sind, wobei diese wegen der verstärkten Kreditausgabe in der Hochkonjunktur auch ansteigen, sodass bei scheinbar stabilen Profitraten und stabiler Nachfrage bis zur Überhitzung weiter produziert wird, die sich als eine Überproduktion von Kapital artikuliert, was sich allerdings immer erst nachträglich feststellen lässt. Für diese Beobachtungen haben marxistische oder etwa neokeynesianische Ökonomen wie Hyman Minsky brauchbare Modelle entwickelt, die einer linearen Zusammenbruchstheorie eindeutig widersprechen. (Vgl. Minsky 2011) Gleichzeitig sollte man auch von der Kreislaufmetapher, die zur Darstellung der Kapitalzyklen dient, Abstand nehmen, denn es geht ja gerade nicht darum, einen Hegel’schen Kreislauf à la das Ende ist der Anfang oder dessen Dekonstruktion, wie sie z. B. Derrida vorgeführt hat, zu denken, sondern das Bild der Spirale, das wir bei Marx finden, wirklich ernstzunehmen: Genau betrachtet handelt es sich der Akkumulation des Kapitals in der Regel um Reproduktionen auf progressiver Stufenleiter. (MEW 24: 485ff.) Damit verwandelt sich der Kreislauf der einfachen Reproduktion nach Sismondis Ausdruck in die Bewegung eines permanent sich vervielfältigenden Werts, in eine Spiralbewegung. (MEW 23: 170) Die beständig ansteigenden Schleifen der Spirale – insofern Identität des Kapitals mit sich selbst nicht stattfindet, als kein Ende in Sicht ist, das ein Anfang sein könnte – führen scheinbar umwegslos in progressiv sich verengende Schleifen der Spirale, deren Eskalation dann darin gipfelt, dass die Umlaufszeit des Kapitals schließlich gegen Null tendiert. Dann wäre allerdings nicht der Mangel an ausbeutbarer lebendiger Arbeit, sondern die Zeit als absolute Schranke für das Kapital zu verstehen. Wir kommen im Kapitel zu den Zeitmodalitäten des Kapitals darauf noch zurück. So wäre es auch verkürzt, wie Marazzi dies etwa vorführt, der Argumentation von Kurz & Co nur die historische Faktizität eines global erweiterten Einsatzes der Anzahl von Arbeitskräften unter Berücksichtigung der neuen kognitiven Arbeiten als Potenzial zur Extraktion des Mehrwerts entgegenzuhalten, wobei auch für Marazzi die lebendige Arbeit einzige Quelle des Mehrwerts ist und bleibt. Es sind hinsichtlich des Problems um das Abschmelzen des Mehrwerts gerade die oben angesprochenen Faktoren wie maschineller Mehrwert, Effizienz der eingesetzten Arbeit und des konstanten Kapitals, Verdichtung und Verlängerung der Produktionszeit, Relation zwischen Profitrate und Zinsrate, Ausnutzung von Differenzen hinsichtlich der relativen Mehrwertproduktion an den Märkten etc. zu berücksichtigen, das Kreditwesen und das fiktive Kapital, und nicht zuletzt sämtliche Formen der Kapitalisierung, womit es schließlich gelingt, einem bornierten Standpunkt zu entkommen, der auf einer ökonomisch fundierten Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus qua des sog. Abschmelzens der abstrakt-lebendigen Wertsubstanz auf der Ebene des Gesamtkapitals beharrt. Auf methodologischer Ebene ließe sich hier vielleicht im Anschluss an Paul Feyerabend so argumentieren, dass Theorien zu entwickeln wären, die sich um die Empirie kümmern, indem sie die Fakten ausreichend analysieren, um sie u. U. zu modellieren (Fakten sind produzierte Faktizitäten), während sie gleichzeitig das erkenntnistheoretische Objekt herstellen, und dies auf dem Terrain einer ganz bestimmten begrifflichen Problematik, wie wiederum Althusser (gegen Feyerabend) anfügen würde. Dies gelingt mit Hilfe von Deskriptionen, Begriffskonstellationen und Hypothesen, welche die Realität des Kapitals als begriffliche Darstellung konstruieren, und der Explikation einer algebraischen Logik bzw. Modellen, die das Mathem des Kapitals erfassen. Ökonomische Wissenschaft ist ein nicht-anekdotischer Empirismus in der letzten Instanz, welcher sich der generischen Methoden des Framings von Realität bedient. Sie erfordert eine nicht-diskursive Untersuchung des ökonomischen Mathems, die in ganz spezifischer Relation zur begrifflichen Darsellung steht (hier ist der Einsatzort der Nicht-Philosophie). Und wie Marx richtig diagnostiziert, bleibt das Realobjekt vor und nach der Erkenntnis unverändert, aber es kann of course auch die Theorie beeinflussen, ja sogar destruieren: Je schon filtriert und verschmutzt die Wirklichkeit die theoretischen Ansätze.

Kurz konstatiert in seinen Schriften einen unaufhaltsamen historischen Anstieg der nicht mehrwertschaffenden unproduktiven Arbeit, der seiner Meinung nach auch durch die Ausweitung der produktiven Sektoren auf globaler Ebene nicht länger zu kompensieren sei, wobei Kurz anzweifelt, dass z. B. China oder der asiatische Raum insgesamt einen signifikanten Anstieg der Exploitation menschlicher Arbeit langfristig herbeizuführen vermögen. Wie sieht es nun tatsächlich mit den Millionen (man schätzt circa 500 Millionen Arbeitskräfte, die derzeit in den sog. industriellen Sektoren der sog. Schwellenländern beschäftigt sind) von neu in die globalisierten Produktionsprozesse integrierten Arbeitskräften vor allem im asiatischen Raum aus, die u. U. sowohl das Abschmelzen der lebendigen Arbeit als auch den tendenziellen Fall der allgemeinen Profitrate stoppen könnten? Lohoff/Trenkle argumentieren an dieser Stelle, dass für die gesellschaftlich relevante Verausgabung lebendiger Arbeit, die sich in der Gesamtwertmasse zu einem bestimmten Zeitpunkt materialisiere, nicht absolut geleistete Arbeitsstunden, sondern gesellschaftlich durchschnittlich notwendige, abstrakte Arbeitszeit entscheidend sei. Wenn man bspw. 500 Arbeitsplätze in China durch einen einzigen Arbeitsplatz in den USA ersetzen könne, dann ginge im globalen Rahmen auch nur dieser eine Arbeitsplatz mit diesem relevanten Durchschnittswert in die gesellschaftlich gültige Wertmasse ein. Wir haben dazu Stellung genommen.

Kurz fügt hinzu, dass es dem Kapitalismus wohl nicht mehr gelänge, den technologischen Fortschritt einigermaßen effizient zu nutzen oder gar zu intensivieren, um noch einmal auf lange Dauer ein höheres Produktivitätsniveau weltweit zu etablieren, weil der produktive Sektor schlicht und einfach zu klein oder schwach geworden sei. Auch Graeber hat in dem Artikel Of flying cars and the declining rate of profit, der im Juni 2012 in der Zeitschrift Baffler erschien, allerdings in anderer Gewichtung als Kurz, der auf das Abschmelzen der lebendigen Wertsubstanz abstellt, davon gesprochen, dass der Kapitalismus in den letzten fünfzig Jahren keine einzige seiner großartigen Prognostiken bezüglich des technologischen Fortschrittspotenzials bestätigt oder gar realisiert hätte, seien es nun etwa total robotisierte Unternehmen, Basen auf dem Mond oder Roboter im privaten Gebrauch, ja selbst die Freizeit der Menschen sei zurückgegangen, der Kampf gegen den Krebs sei längst nicht gewonnen und die Klimakatastrophe stände vor der Tür. Und auch der US-Ökonom Gordon führt in seinem Essay Is US economic growth over? an, dass Faktoren wie die zunehmende Überalterung der Gesellschaften, wachsende ökonomische Ungleichheit, erlahmender Konkurrenzdruck auf die großen dominanten Unternehmen, Bildungsmangel, Klimakatastrophe und Verschuldung zu einer Stagnation des (technologischen) Wachstums in den USA und den westlichen Industrienationen geführt hätten. (Gordon 2013) Somit scheint der Kapitalismus trotz seiner Tendenz zur Akzeleration bestimmte Potenziale der Technik eher zu hemmen als zu fördern, was z. B. Patentkriege und Kämpfe um das Copyright zeigen, die stärker auf eine Entschleunigung des technologischen Fortschritts hinweisen, obgleich es längst nicht unmöglich erscheint, dass der Kapitalismus weitere Fortschritte etwa in der Robotik, Nanotechnologie oder 3-D-Technologie im Rahmen einer bio-informatischen Fraktalität ermöglicht. Der Kapitalismus benötigt nämlich seine ganz spezifischen technologischen Apparaturen, und dies gerade hinsichtlich der Transformation der »Frage der Technik« in eine Logik der Information, der (technologischen) Epistemologie im Bereich der Molekularbiologie, des genetischen Engineering, des posthumanen Designs der natürlichen und menschlichen Lebensformen.

Wichtig für das Problem des Fortschritts/Wachstums oder der anhaltenden Niedergangsphase oder gar des ökonomischen Zusammenbruchs des Kapitalismus scheint neben Faktoren wie dem Fall der Profitrate und der Senkung der Profitmasse das Problem der produktiven Arbeit zu sein. Schließlich geht es bei der ökonomisch fundierten Zusammenbruchstheorie von Kurz & Co. immer auch um die logische Bestimmung/Definition des Begriffs produktive Arbeit. Wir können hier nur in aller Kürze anmerken, dass im Verständnis von Marx durchaus nicht jede Form der Lohnarbeit als »produktiv« gilt, sondern nur diejenige, die tatsächlich auch Mehrwert produziert. Marx schrieb dazu in den Theorien über den Mehrwert folgendes: »Ein Schauspieler, z. B., selbst ein Clown, ist hiernach ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet (des entrepreneur), dem er mehr Arbeit zurückgibt, als er in der Form des Salairs von ihm erhält, während ein Flickschneider, der zu dem Kapitalisten ins Haus kommt und ihm seine Hosen flickt, ihm einen bloßen Gebrauchswert schafft, ein unproduktiver Arbeiter ist. Die Arbeit des erstren tauscht sich gegen Kapital aus, die des zweiten gegen Revenue. Die erstre schafft einen Mehrwert; in der zweiten verzehrt sich eine Revenue.« (MEW 26.1: 127) So ist die Arbeit eines Clowns, der für das Privatvergnügen des Kapitalisten arbeitet und aus dessen Revenue bezahlt wird, in der Tat als unproduktiv einzuschätzen, und erst wenn der Clown bspw. im Cirkus Sarrasani vor Zuschauern arbeitet und diese Eintritt bezahlen, der dem Eigentümer einen Gewinn einbringt, erst dann transformiert die Arbeit des Clowns, ohne dass sich auch nur irgendetwas Konkretes oder Qualitatives gegenüber der Arbeit des Clowns, der für das Privatvergnügen des Kapitalisten arbeitet, geändert hätte, zu Mehrwert erzeugender und damit produktiver Arbeit. Unproduktive Arbeit trägt dagegen nicht zur Mehrwertproduktion bei, sondern wird aus dem Mehrwert als sog. Revenue bezahlt und verringert somit die Potenz der kapitalistischen Akkumulation. Marx warf in diesem Zusammenhang z. B. Adam Smith vor, er würde ständig die »stofflichen Bestimmungen der Arbeit« mit deren gesellschaftlichen Formbestimmungen vermischen. (Ebd.: 122/127) Es gilt hinzuzufügen, dass die Einschränkung des Begriffs der produktiven Arbeit auf die einer ausschließlich mehrwertproduzierenden Tätigkeit einer technisch-medial verordneten Integration der Arbeit in relationale Gefüge von Funktionen und Stellungen in den Produktionsapparaten entspricht, sodass schon auf der Ebene der Organisation das Moment des differenziellen Mehrwerts greift. Er geht nämlich aus differenziellen Relationen hervor, die nur unter ganz spezifischen technologischen Bedingungen stattfinden, welche wiederum die ökonomischen Matheme und deren Algorithmisierung steuern, noch bevor es überhaupt zur Realisierung von Waren in der Zirkulation und im Zuge der Umwandlung von Mehrwert in Profit zu einer weiteren Ausdifferenzierung des Mehrwerts kommt.

Heute gibt es trifftige Gründe, sowohl die sog. Dienstleistungen als auch die Arbeit, die Informationen herstellt, unter ganz bestimmten Bedingungen als potenziell mehrwertschöpfende Tätigkeiten aufzufassen, womit zumindest die von Marazzi angesprochene Tendenz der Steigerung des Quantums lebendiger Arbeit in entsprechenden Produktionsprozessen aus einer weiteren Perspektive bestätigt würde. Man sollte die Dienstleistung als eine durch Arbeit vollzogene Transformation eines stofflichen Dings definieren, das sich im Eigentum desjenigen befindet, der die Dienstleistung nachfragt, wobei der Dienst von Nicht-Eigentümern, den sog Dienstleistenden, geleistet wird. (Vgl. Quaas 2013a: 4) Dabei bleibt der Dienstleistende (Friseur, Schuhputzer, Kosmetikerin etc.) Eigentümer seiner wichtigsten Arbeitsmittel, die er für seine Tätigkeit benötigt, wobei er »Gegenstände« wie Haar, Gesicht oder Schuhe bearbeitet, die von vornherein als Eigentum eines anderen zu verstehen sind. Es erscheint aber durchaus möglich, dass die Produkte von Dienstleistungen, z. B. durch Reparatur wiederhergestellte Maschinen, in Produktionsprozessen funktionieren und auch lagerfähig sind, was wiederum heißt, dass nicht jede Dienstleistung unmittelbar mit ihrem Konsum verschwinden muss, obwohl es natürlich Dienstleistungen gibt, die im Entstehen vergehen (Kosmetikerin oder Schuhputzer auf der Straße). Und der Prozess »Dienstleistung« ist genau dann in das Geflecht der »produktiven« Geldkapitalkreisläufe eingespannt (die ihn natürlich zu einem Prozess der potenziellen Mehrwertproduktion werden lassen), wenn es sich a) um einen sog. investiven Einsatz und eben nicht nur um einen rein konsumtiven Verbrauch der Dienstleistung handelt, und wenn man b) erwarten kann, dass mit dem Preis des Produkts der Dienstleistung ein Profit realisiert wird. Es sollte also auch hier nicht der wie immer begründete Rückbezug auf die Stofflichkeit sein, der letztendlich mehrwertschaffende bzw. produktive Arbeit definiert, vielmehr finden Dienstleistungen als investive und damit potenziell mehrwerterzeugende Produktionsprozesse nach durchaus marxistischer Lesart genau dann statt, wenn die entsprechenden Leistungen in die kapitalisierte Produktion und die Realisierung von deren Waren eingehen, bspw., wenn ein Malerbetrieb den Bau einer Fabrikhalle mit dem Design der Fassaden beendet, womit Wertschöpfung stattgefunden, der Wert des Produkts »Design« sich im Wert der Fabrikhalle vergegenständlicht hat, der in den folgenden Jahren sukzessive durch Abschreibung auf den Wert der in der Fabrikhalle hergestellten Produkte übertragen wird. (Ebd.:11) Oder man kauft das gesamte Material einer Fabrikhalle in Einzelteilen und beauftragt ein Dienstleistungsunternehmen zum Bau bzw. zur Zusammensetzung der Teile, wobei das Resultat eine installierte Fabrikhalle ist, die sicherlich ein paar Jahre zur Produktion von profitbringenden Waren stehen bleibt. Und zum Begriff der Informationsarbeit lässt sich abschließend in ähnlicher Weise sagen, dass allein die Stofflichkeit des hergestellten Produkts kaum als entscheidender Bestimmungsfaktor für die Mehrwertproduktion gelten kann; zunächst besitzen Informationen ja immer einen materiellen Träger, seien es, etwa nach Brown, sich bewegende Gasmoleküle, in Wasser, Beton oder sonstigem Material sich ausbreitende Schallwellen, elektromagnetische Felder, Festplatten oder andere Speicher. Nun lassen sich bestimmte Arten der Information schwerlich profitabel einsetzen, wobei man andererseits Informationen auch knapp halten bzw. andere von der Verwendung des Wissens/Information ausschließen und damit Information gewinnbringend verkaufen kann, und dies dürfte z. B. im Falle von Microsoft niemand bestreiten, allenfalls stände hier noch zur Debatte, ob es sich bei dieser Art der Informationalisierung um die Extraktion von Mehrwert oder um ein Abschöpfen von Informationsrente handelt. Und in der Tat sollte man u. U. auch soziale Werte, wie Wahrheit, Macht, Recht und Schönheit als objektiven Reichtum, d. h., als Tauschwert tragend betrachten. Straßen als Teile der Infrastruktur fungieren als kollektive Produktionsmittel für das Kapital und haben deshalb als produktive Staatsausgaben zu gelten, Universitäten oder Krankenhäuser als produktive Unternehmen, wenn sie profitbringende Medikamente, Technologien und Apparaturen erfinden. (Vgl. Harvey 2013: 86) Aber der traditionell marxistische Ökonom sieht ja keine Mehrwertproduktion oder keinen objektiven (abstrakten) Reichtum, der nicht landwirtschaftlich oder industriell produziert wird, er negiert den Reichtum, den man vom Gesichtspunkt der Kommunikationsindustrien, des Transportwesens, der Technologien, des Wissens und der Sprache betrachtet, der Machtrelationen und ihrer Kräfteverhältnisse, den Rechten oder etwa dem ästhetischen Design – Faktoren, die alle objektiv gültigen Reichtum hervorzubringen vermögen. Die Quellen des Reichtums, auch des abstrakten kapitalistischen Reichtums, sind vielfältig und heterogen, weil die Kräfte seiner Hervorbringung es ebenfalls sind.

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