„Rojava Revolution“? „Antistaatlich“? „Antikapitalistisch“? Oder eine neue Mystifizierung?

Class War/Tridni Valka

Die wesentliche Frage, die wir uns in Bezug auf Rojava stellen sollten, ist die folgende: Ist das, was manche als „Rojava Revolution“ bezeichnen, wirklich eine soziale Revolution oder besser gesagt, ist sie ein Teil der Dynamik der Zerstörung der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung (d.h. der kapitalistischen Ordnung)? Oder handelt es sich nicht vielmehr um einen Prozess der Instrumentalisierung und Eindämmung einer authentischen Bewegung der Revolte gegen Elend und staatliche Repression durch sozialdemokratische (und damit bourgeoise) Institutionen unter dem Vorwand der „sozialen Befreiung“, um ihre „nationalen Befreiungskämpfe“ besser rechtfertigen zu können?

Die revolutionäre Bewegung suchte natürlich die Antwort auf diese Frage in Diskussionen und Konfrontationen von oft widersprüchlichen, vagen und komplexen Ansichten, Aussagen und Analysen. Als „Class War“ haben auch wir uns an dieser Debatte beteiligt und eine Auswahl von Beiträgen auf unserem Blog veröffentlicht.

Und wir können sagen, dass diese Debatte zu einer einzigen Schlussfolgerung geführt hat: dass die berühmte „Revolution in Rojava“ keineswegs Teil der revolutionären „antikapitalistischen“ und „antistaatlichen“ Dynamik ist. Schließlich ist sie nichts anderes als eine lokale Variante der „Bolivarischen Revolution“ oder des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, die von einer mächtigen Propagandamaschine kontrolliert und begrenzt wird, der „libertäre Munizipalismus“, Marxismus-Leninismus und „nationale Befreiung“ kombiniert.

Diejenigen, die diese Schlussfolgerung heute leugnen, sind keineswegs schwer von Begriff oder schlecht informiert. Sie sind einfach Anhänger der Reform des Kapitals, seiner Umlackierung auf „rot“, Anhänger der Strategie, alles zu ändern, damit das Wesentliche gleich bleibt. Und wenn wir heute auf internationaler Ebene vor allem die Stimmen der Unterstützer von Rojava hören (wenn auch weniger als früher), dann deshalb, weil für die Revolutionäre diese Frage bereits gelöst ist und ihre kritische Haltung gegenüber Rojava unverändert bleibt (was nicht ausschließt, dass die proletarische Bewegung in der Region in Zukunft einen zweiten Atemzug tut und sich gegen die sozialdemokratische Wiederbelebung seines Kampfes stellt, die wir als Kommunisten natürlich unterstützen).

Wichtige Sektoren des „Anarchismus“ (die offiziellen und auch die weniger offiziellen) erklären sich zu überzeugten Anhängern der „Rojava Revolution“, die laut dem „bedeutenden“ Intellektuellen David Graeber eine „echte Revolution“ wäre. Diese „Revolution“ wird von einer Reihe von Institutionen wie z.B. „Volksvollversammlungen“, „Kantonen“, „Kommunen“, „Gemeinden“ angezettelt und kontrolliert, die global und grundsätzlich die Reproduktion der gleichen sozialen Verhältnisse nicht verhindern (und historisch gesehen nie verhindert haben), wie sie auf dem Planeten herrschen.

Waren wir naiv oder dumm, „den Anarchisten“ zu glauben, als sie erklärten, sie würden Arbeit, Gerechtigkeit und die Armee fröhlich hassen?

In der Tat wird die Ausbeutung am Arbeitsplatz in Rojava durch die „soziale Ökonomie“ und ihre „Genossenschaften“ erreicht, wo der Proletarier immer so tief an „sein“ („ihre“) Arbeitswerkzeug, „seine“ („ihre“) Maschine, „seinen“ („ihre“) Arbeitsplatz, „seine“ („ihre“) Rentabilitätsanforderungen „seiner“ („ihrer“) lokalen, kantonalen und „libertären“ Ökonomie, kurz an „seine“ („ihre“) Ausbeutung gebunden ist, dass es durch die Magie der Worte gelingen würde, „menschlicher“ zu werden. Im Namen des „Realismus“ und der Ablehnung von Kritikern, die als „ultralinks“ karikaturisiert werden, herrscht immer die Arbeit über die Region, die Lohnarbeit natürlich, auch wenn die Versorgung in Papiergeld, in monetären Exkrementen oder in Münzen des Reiches wegen des Krieges nicht immer ganz gesichert ist.

Die „Anarchisten“ haben immer ihren Hass auf den Staat und die Nation erklärt… Und doch weist Rojava alle Merkmale des Staates auf… Obwohl einige Leute Rojava als „Proto-Staat“ bezeichnen, d.h. einen Staat, der „eine gewisse Anzahl von Merkmalen moderner Staaten aufweist, ohne sie alle zu haben“, bestimmt unsere kritische Auffassung des Staates unsererseits, dass wir in diesen Gebilden nichts anderes sehen als eine Materialisierung des Staates der Kapitalisten. Jenseits des Konzepts des Nationalstaats ist der Staat ein soziales Verhältnis, das sich aus verschiedenen Apparaten zusammensetzt: Regierung, Parlament, Polizei, Armee, Arbeitgeber, Gewerkschaften/Syndikate, politische Parteien, Schule und Familie… kombiniert mit verschiedenen Ideologien, die ihm Kraft verleihen: Parlamentarismus, Religion, Positivismus, Autoritarismus… Auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe der Klassengesellschaften, deren Endergebnis der Kapitalismus als Synthese früherer Produktionsweisen ist, kann der Staat nur der Staat der Kapitalisten sein, der als Staat organisierte Kapitalismus, als soziale Kraft, die die Diktatur des Wertes über die Menschheit ausübt. Für uns ist es daher absurd, von einem „Proto-Staat“ zu sprechen… Was die Nation betrifft, ist es wirklich notwendig, an die nationalistische Grundlage der „kurdischen Befreiungsbewegung“ zu erinnern?

„Die Anarchisten“ haben immer ihre Verachtung gegenüber der Regierung, dem Parlamentarismus und den Wahlen zum Ausdruck gebracht… Aber Rojava wird von einer unendlichen Anzahl von Parlamenten geführt, ob sie nun „Volksvollversammlungen“, „Räte“, „Gemeinden“ oder „Kommunen“ heißen, ist nicht wichtig, wenn ihr praktischer Inhalt immer darin besteht, (mit einem „menschlichen Gesicht“ oder eher mit einer Fratze der Menschlichkeit) das soziale Verhältnis zu verwalten, das die Welt weithin beherrscht (d.h. den Kapitalismus, auch wenn er rot oder rot-schwarz gestrichen ist). All diese Strukturen organisieren sich auf lokaler Ebene einer Straße, eines Viertels, eines Dorfes, einer Stadt, einer Region und unterliegen alle dem Wahlprinzip. Auf der übergeordneten Entscheidungsebene schließlich haben die „Kantone“ ihre eigenen Regierungen sowie ihre Ministerien und die dazugehörigen Minister. Im Gegensatz zu dem, was wir als territoriale Organisationen bezeichnen: „Unionen“ in Deutschland 1919/20, „Shuras“ im Irak 1991 usw., geht es um den Inhalt der Subversion dieser Welt, darum, „die Dinge für die Kapitalisten nicht profitabel zu machen“ (wie die KAPD sagte)…

Die „Anarchisten“ geben vor, allergisch gegen jeden Begriff von „Partei“ zu sein, den sie auf die bourgeoisen politischen Parteien reduzieren, ob sie nun zu den Wahlen antreten oder nicht, oder sogar auf bolschewistische und leninistische Parteien. Doch plötzlich gibt es politische Parteien, die dieselben „Anarchisten“ mit Freude erfüllen: Es handelt sich um die PKK („Arbeiterpartei Kurdistans“) in der Türkei und die PYD („Partei der Demokratischen Union“) in Syrien. Diese Parteien, und noch mehr die PYD als die PKK, entwickeln eine diplomatische Politik, die klassisch bourgeoiser nicht sein könnte, und gehen so weit, dass sie „Büros“ (Botschaften in gewisser Weise) in Moskau und Prag eröffnen. Die PYD ging während einer großen Europatournee sogar so weit, dass sie im Februar 2015 im Elysée-Palast „auftrat“, wo einige ihrer bekanntesten Vertreter von „Mr. President“ (damals) François Hollande persönlich empfangen wurden.

Für wichtige Bereiche des „Anarchismus“, für Libertäre, wären die Ereignisse in Rojava im Wesentlichen libertär inspiriert, antistaatlich und antikapitalistisch. Zumindest würde die „Revolution in Rojava“ nicht mehr den traditionellen Kriterien der „nationalen Befreiungskämpfe“ entsprechen, sondern ihre ideologische Strukturierung würde sich direkt aus den Schriften des amerikanischen libertären Akademikers Murray Bookchin und seinen Prinzipien des „Kommunalismus“, des „ Munizipalismus“ ergeben. Es gibt sogar einige, die den Vergleich zwischen Rojava und dem Spanien der 1930er Jahre wagen.

Für die andere politische Familie (die mit der anderen konkurriert, aber dennoch komplementär ist), für diese ideologische Familie, die sich mehr oder weniger auf den „Marxismus“ beruft, ist es nicht verwunderlich, dass sie genau das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ vertritt, das Lenin, den Bolschewiken, der Dritten Internationale und ihren marxistisch-leninistischen, stalinistischen und trotzkistischen Erben am Herzen liegt. In einem Artikel der französischen Zeitung „L’Humanité“ war sogar zu lesen, dass die „Rojava Revolution“ eine neue Form des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zum Ausdruck bringen würde…

Das Konzept des „demokratischen Konföderalismus“, das vor einigen Jahren vom PKK-Anführer Abdullah Öcalan theoretisch entwickelt wurde und vor allem in libertären Kreisen (aber nicht nur dort) populär und in Mode ist, erhebt den Anspruch, den Nationalstaat zu kritisieren, und die Schaffung eines neuen kurdischen Nationalstaates ist daher nicht mehr sein politisches Ziel (gemäß dem „neuen Paradigma“ der PKK). Neben der „direkten Demokratie“ ist das unmittelbare erklärte Ziel des „demokratischen Konföderalismus“ der „libertäre Munizipalismus“, in dem „Volkvollsversammlungen“ eine Schlüsselrolle spielen, sowie die regionale Autonomie jeder „kurdischen Einheit“ durch kantonale und kommunale Organisationen innerhalb jedes Nationalstaates. Wie hier zu sehen ist, behauptet die revidierte Ideologie der nationalen Befreiung (in ihrer Version des „demokratischen Konföderalismus“), dass sie natürlich nach einem Facelifting und einigen kleineren Reformen die gegenwärtig bestehenden Nationalstaaten beibehalten will. In der Vorstellung der PKK stehen „Dezentralisierung“ und „Autonomie“ gegen den „Zentralismus“ des Nationalstaates, gegen dessen Chauvinismus, und sie werden als Mittel zur Schwächung des Staates dargestellt. Ein Vertreter der KCK (eine der zahllosen der PKK nahestehenden Organisationen) in Diyarbakir, Kurdistan, Türkei, sprach in einem Interview von „Schrumpfung des Staates“

Die PKK bewegt sich also in denselben Gewässern wie die Zapatisten, die von der Kurdischen Nationalen Befreiungsbewegung so geschätzt werden. Für uns Kommunisten, Anarchisten, Internationalisten ist im Gegensatz zu all diesen Reformern des Kapitals klar, dass der Staat nicht „geschrumpft“ werden kann, dass wir nicht etwas „jenseits des Staates“ aufbauen können, sondern dass er von Grund auf abgeschafft werden muss und dass alle seine materiellen Grundlagen, die ihn am Leben erhalten, umgestürzt, ausgerottet werden müssen…

Einige Libertäre unterstützen auch offen und ohne zu zögern die „Rojava Revolution“, weil sie, in ihren eigenen Worten, „antistaatliche Formen der nationalen Befreiung“ bringt. Erinnern wir uns also zum x-ten Mal daran, dass jeder Nationalismus, egal ob es sich um eine „kleine“ oder eine „große“ Nation handelt, historisch chauvinistisch, expansionistisch, imperialistisch… und somit statistisch ist! Es genügt heute zu sehen, wie sich die drei Kantone, die 2014 ursprünglich Rojava bildeten, exponentiell entwickelt haben (Rojava besteht heute aus sieben Kantonen), um ein Gebiet unter politisch-militärischer Kontrolle der PYD und ihrer YPG/SDF-Milizen zu bilden, das ein Viertel des Territoriums des syrischen Nationalstaates ausmacht, das sich sogar über die ehemalige Hauptstadt des selbsternannten Kalifats des Islamischen Staates (die Stadt Raqqa, die im Oktober 2017 nach monatelangen intensiven Kämpfen und Beschuss, der nur Ruinen und Tausende von Leichen hinterlassen hat, eingenommen wurde) hinaus erstreckt und bis an den Rand der Wüste der Provinz Deir-ez-Zor, sehr weit von Rojava entfernt, reicht. Diese neue Verwaltungseinheit, die mehr oder weniger von ihren Waffenlieferanten, den USA, unterstützt wird, hat den Namen Rojava (der „zu“ kurdisch klingt) vorübergehend für den sehr bürokratischen Namen „Demokratische Föderation Nordsyrien“ (seit 2018 „Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“) aufgegeben, der viel weniger „romantische“ Aspekte verbirgt, aber auf der internationalen diplomatischen Bühne viel „seriöser“ ist.

Das „neue“ ideologische Paradigma, das sich „demokratischer Konföderalismus“ nennt, ist letztlich nichts anderes als eine vulgäre Hochstapelei, die sich irgendwie in das Gewand der „Revolution“ kleidet, den vagen Beigeschmack der „Revolution“ hat, aber absolut nichts mit einem Minimum an beginnenden Dynamiken gemein hat, die auf den Umsturz der herrschenden kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse hinauslaufen.

Werfen wir einen Blick auf eine der Säulen dieses „neuen“ Progressivismus, der weit verbreitet ist, um den revolutionären Charakter der sozialen Bewegung in Rojava zu rechtfertigen: die „Multiethnizität“ und der „Multikulturalismus“, die von allen Propagandakanälen der ideologischen Apparate, die in Rojava und auch anderswo zu ihren Gunsten agieren, so sehr gepriesen werden.

Was für uns als revolutionäre Proletarier, kommunistische Militante oder Anarchisten (jenseits von Etiketten) wichtig ist, ist nicht das, was uns „unterscheidet“, es ist nicht unsere „Einzigartigkeit“, die Tatsache, dass wir „tschechisch“ oder „französisch“ oder „britisch“ oder „amerikanisch“ sind, während andere „kurdisch“ oder „assyrisch“ oder „chaldäisch“ oder „sunnitisch“ oder „schiitisch“ usw. sind. Wichtig ist vielmehr, was uns als menschliche und militante Gemeinschaft gegen die globale und universelle Diktatur des Kapitals eint, die sich für uns alle durch Ausbeutung, Entfremdung, Verdinglichung unserer Körper und unseres Lebens, Elend, Krieg, Tod… verwirklicht. Es geht uns darum, unsere Verachtung für jede nationale Gemeinschaft, Staatsbürgergemeinschaft, Volksgemeinschaft, für jede demokratische Gemeinschaft im tiefsten Sinne dessen, was Demokratie ist, sehr deutlich zu zeigen, d. h. nicht eine einfache Form (parlamentarische Demokratie, „Arbeiter“-Demokratie oder direkte Demokratie, kantonale oder kommunale Demokratie usw.), sondern vielmehr das Wesen des Kapitalismus und somit die Negation des Klassenantagonismus und die Verwässerung des Proletariats (revolutionäre Klasse) in dieser bourgeoisen Einheit, die das Volk, die Nation und letztendlich der Staat ist. Es kommt vor allem darauf an, dass wir Brüder und Schwestern des Elends und der Ausbeutung, Brüder und Schwestern der Revolution sind oder werden, und dass wir dies bewusst erkennen.

Die Menschheit ist von sich selbst, von der Natur, von ihrer Tätigkeit und ihrer Produktion getrennt worden, um zu Sklaven, Leibeigenen und modernen Proletariern gemacht zu werden. Die Menschheit ist von ihrer wirklichen menschlichen Gemeinschaft getrennt und sie ist zu einer falschen Multi-“etwas“-Gemeinschaft verbunden: multiethnisch, multikulturell, multinational… Internationalismus ist nicht die Hinzufügung von verschiedenen oder gar unterschiedlichen Nationalismen oder allen Nationalismen, sondern im Gegenteil seine vollständige und vollendete Negation…

Stellvertreter-Militärs? Wir möchten der Kritik an der „Revolution in Rojava „, die in verschiedenen Beiträgen in unserem Blog entwickelt wurde, ein weiteres wichtiges Element hinzufügen – die Hilfe des internationalen Kapitals, die Rojava erhalten hat. Die Hilfe der NATO, der EU, verschiedener nationaler Staaten und anderer kapitalistischer Institutionen, eine Hilfe, die den bourgeoisen Charakter der Organisationen, die vorgeben, die soziale Bewegung der Subversion dieser Welt in Rojava zu vertreten, nur noch mehr bestätigt.

In diesem Sinne, im Sinne der klassischen bourgeoisen Politik, gibt es nichts, worüber man erstaunt oder beleidigt sein müsste, wenn die PKK/PYD sich mit ihren Partnern (in Washington wie in Paris oder Moskau…) trifft, um ihre Beziehungen zu stärken und ihre militärische Zusammenarbeit sowie die Angelegenheiten des Wiederaufbaus in Rojava und Kobanê zu besprechen… Für Frankreich war es auch notwendig, insbesondere angesichts der Anschläge auf „Charlie Hebdo“ im Januar 2015, in den Medien das Bild einer offiziellen Annäherung und eines Bündnisses mit den Kräften zu vermitteln, die vor Ort den Dschihadismus, den „Radikalismus“, den „Islam-Faschismus“ bekämpfen…

Erwähnen wir am Rande diese „besondere Freundschaft“, die die offensichtliche Komplizenschaft dieser „revolutionären“ Organisationen aus Rojava mit unseren Klassenfeinden hervorhebt, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als der kapitalistische Staat (in Frankreich, Belgien, Deutschland, Spanien,…) neue sogenannte „antiterroristische“ Maßnahmen und Kampagnen initiierte, entwickelte und verstärkte, die „nationale Einheit“, die „heilige Vereinigung – union sacrée, die „Verteidigung der republikanischen Werte“, das „Zusammenleben“ und letztendlich die Wiedervereinigung der Völker um die „gefährdete Demokratie“, d.h. die kapitalistische Diktatur, die von den Ausgebeuteten so sehr gehasst wird. Diese terroristischen Kampagnen des Staates zielten in erster Linie und offiziell darauf ab, den Islamismus zu bekämpfen, aber in Wirklichkeit waren sie in einer zweiten Phase (und das ist ihr ursprüngliches und wesentliches Ziel) viel mächtigere neue Werkzeuge im Kampf gegen die Subversion, gegen das Wiederaufleben des Klassenkampfes, gegen die kommende weltweite soziale Revolution. Für uns gibt es definitiv und im Gegensatz zu linken Kreisen kein „kleineres Übel“, das zu unterstützen wäre…

Wirklich, was für eine interessante „Revolution“, „antikapitalistisch“ und „antistaatlich“, die alle Merkmale eines Staates aufweist, mit einer von der „Einheitspartei“ PYD geführten Regierung, Ministerien, einer Vielzahl von Mini-Parlamenten, Gerichten, einer „Verfassung“ (genannt „Gesellschaftsvertrag“), einer Armee (die zunehmend militarisierten YPG/YPJ-Milizen), eine Polizei (die Asayish), die die innere soziale Ordnung durchsetzt (auch mit ihren „Antiterror-Sondereinheiten“, deren Rambo keinen Grund haben, neidisch zu sein auf ihre mörderischen Kollegen der entsprechenden Korps wie die „SWAT“ in den Vereinigten Staaten von Amerika, die „Spetsnaz“ in Russland, die „GIPN“ und „GIGN“ in Frankreich usw. ).

Die „Revolution“ ist umso interessanter, weil sie „von allen Seiten einkassiert“ wird: die YPG/YPJ sind nichts anderes als Stellvertreter-Militärs der kapitalistischen Mächte, ihre Hilfstruppen vor Ort, die einem „gemeinsamen Feind“ (Islamischer Staat) gegenüberstehen. Wir haben die Anzahl der Offensiven, die von der YPG/YPJ und anderen SDF gemeinsam durchgeführt wurden, aufgezählt:

– mit der US-Luftwaffe,

– mit den „Green Berets“ (diese verdammten Folterknechte der US-Spezialeinheiten),

– mit der russischen Luftwaffe,

– mit der syrischen Baschar-Armee (mit der die PYD u.a. die Stadt Qamischli mitverwaltet) und ihrer Luftwaffe, die die Rebellengebiete bombardiert (und nicht unbedingt Al-Nusra und andere Dschihadisten!!!),

– mit der libanesischen Hisbollah,

– den iranischen „Revolutionsgarden (die unsere Klassenbrüder und -schwestern abschlachten),

– und so weiter, bis zum Umfallen (ad nauseam)!

Wir können also Rojava beglückwünschen, das den Mördern der US-Luftwaffe erlaubt hat, die Schwierigkeiten bei der Nutzung ihres türkischen Verbündeten, des Luftwaffenstützpunkts Incirlik, auszugleichen. Rojava ist noch nicht Mitglied des Atlantischen Bündnisses (NATO), aber ein bisschen mehr Anstrengung „Gefährten“… Der ganze Schwachsinn über „Demokratie ohne Staat“, Antikapitalismus und Revolution ist nichts als Show für linke (libertäre und marxistisch-leninistische) Milieus, die immer bereit sind, sich mit einem „kleineren Übel“ und einer Reform des Kapitalismus zufrieden zu geben.

Es gibt keinen Grund, sich zu wundern oder sich darüber zu ärgern, dass die PKK/PYD, die YPG/YPJ ganz offen ihre Zusammenarbeit (entweder gleichzeitig oder abwechselnd) mit den USA, Russland oder Syrien angekündigt haben. Gestern kollaborierten sie bereits mit der Hisbollah, dem syrischen Regime von Vater Assad: Öcalan und die gesamte PKK-Führung hatten ihr Hauptquartier in Damaskus, bevor die Allianzen um 1998 gekippt wurden!!! Genauso wie die PKK 2013 Friedensabkommen mit der Türkei unterzeichnete, die bis 2015 hielten, nicht weil sie von der PKK (angeblich antistaatlich) endlich aufgekündigt worden wären, sondern weil diese nicht mehr den türkischen imperialistischen Notwendigkeiten entsprachen…

Während die Streitkräfte des Assad-Regimes die von den Rebellen gehaltene Region al-Gutta östlich von Damaskus immer wieder schwer bombardierten, schickte dasselbe Regime einige paramilitärische Truppen (schiitische Milizen, die dem Iran nahestehen), um den Kanton Afrin zu verteidigen, der gerade im Februar 2018 von der türkischen Armee und ihren islamistischen Hilfstruppen eingenommen worden war. Die Intervention der syrischen Streitkräfte erfolgt auf Ersuchen der PKK/PYD, der YPG/SDF-Milizen, mit einem konkreten politisch-militärischen Abkommen zwischen beiden Seiten – „Rojava Revolution“ und Baath-Regime.

Und in den Reihen der Rojavisten gibt es damit absolut kein Problem und es ist ganz normal für sie, dass diese Schlächter kommen, um zu helfen, den „demokratischen Konföderalismus“ vor der türkischen Aggression zu retten. Die Regierung von Rojava hat auch die Streitkräfte von Damaskus aufgefordert, die nationalen Grenzen und die Integrität Syriens zu schützen. Was zur Hölle bedeutet es, so zu tun, als ob man das Konzept des Nationalstaates (gemäß dem „neuen Paradigma“ der PKK) ablehnt, wenn man gleichzeitig (vielleicht aus „taktischen und zeitweiligen“ Gründen, wie von den Rojavisten gerechtfertigt) Bündnisse mit dem syrischen Nationalstaat eingeht und zur Verteidigung des letzteren, „eines souveränen Staates“, aufruft?

Wie können die Partisanen der „Rojava Revolution“ die Augen vor diesen Tatsachen verschließen?

Die Türkei, Syrien, die USA, die EU, die Monarchien am Golf, Russland, der Iran und sogar „Proto“-Staaten wie Rojava und der Islamische Staat… all diese Staaten, alle Staaten sind große Kumpel mit unterschiedlichem Glück, je nach geostrategischen Umständen und der Verteidigung ihrer besonderen nationalen und nationalistischen Interessen; sie kommen miteinander aus auf Kosten von uns allen, den Ausgebeuteten, den Proletariern.

Und dieselben Parteigänger der „Revolution in Rojava“ rechtfertigen diese Zusammenarbeit mit folgendem Argument: „In den 1930er Jahren akzeptierten spanische Anarchisten Waffen aus der Sowjetunion, obwohl sie sich völlig bewusst waren, dass die an diese Waffen geknüpften Bedingungen darauf abzielten, die Revolution zu untergraben.“ Wenn konterrevolutionäre Mächte (gestern die UdSSR, heute die USA, Russland, die EU usw.) Waffen und logistische Hilfsmittel zur Verfügung stellen, dann natürlich, weil sie ihre eigenen Interessen zu verteidigen haben und ihre eigene Agenda als Mächte verfolgen. Und damals dachten viele unserer Gefährten in Spanien und heute denken die Kämpfer in Rojava, dass sie nicht von diesen kapitalistischen, imperialistischen Mächten benutzt werden, sondern dass sie sie in einer Art „taktischer und vorübergehender“ Allianzen benutzen werden. Die Realität zeigte und zeigt immer noch, dass dies völlig falsch ist. Nachdem das Proletariat in Spanien gegen den Faschismus und für die Verteidigung der bourgeoisen Republik gekämpft und sich geweigert hatte, die wirklichen Erfordernisse der sozialen Revolution vorzubringen (z.B. durch die selbsternannte „Diktatur der Anarchie“), war es gezwungen, die Auflösung der Arbeitermilizen und damit deren Militarisierung zu akzeptieren und damit seinen „revolutionären Geist“ auf dem Altar eines „kleineren Übels“, für das es zu kämpfen galt, einer „Revolution“, die „nach“ dem Sieg über den Faschismus, der nie stattgefunden hat, durchgeführt werden sollte, aufzugeben…

Wenn die Revolution tatsächlich Waffen, Gewehre, Kanonen, Raketen und sicherlich noch viel mehr braucht, dann braucht die soziale Revolution vor allem eine klare Perspektive, was zu tun ist und mit wem. Das Gleiche gilt, wenn Arbeiter „ihre“ Fabriken in die Hand nehmen und verwalten; man erinnere sich an Leon Blums zynische, aber dennoch irgendwie treffende Bemerkungen über die Besetzung von Fabriken in Frankreich im Jahr 1936: „Die Arbeiter besetzen die Fabriken, aber in Wirklichkeit sind es die Fabriken, die sie besetzen“, indem sie ihnen etwas zu tun geben (mit anderen Worten: sie von ihrer Aufgabe ablenken, die kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse zu zerstören)… Das Problem ist nicht, die Fabriken als solche zu besetzen und die Produktionsmittel in die Hand zu nehmen, sondern von da an, was mit ihnen gemacht werden soll, was produziert werden soll und für welche Zwecke…

Die „militärische Frage“, der Einsatz von Waffen, ist nicht von der Gesamtheit der revolutionären militanten Aufgaben, die zu übernehmen sind, getrennt, sie ist keine Frage für sich. Es ist nicht die militärische Frage, die die soziale Bewegung anführt, sondern das Gegenteil. Dieses Problem ist sehr akut in Bezug auf das, was in Rojava passiert: wir wurden buchstäblich mit einer Flut von Kriegsmitteilungen über die militärische Situation in Afrin (und davor in Manbij, Raqqa, Deir-Ezzor, etc. alle Regionen, die von der „Selbstverwaltung“ von Rojava geschluckt wurden) überschüttet. Es gibt keinen Ausweg und keine Erklärung dafür, wie ein „revolutionärer“ Kampf so einfach direkt mit der US-Luftwaffe und den US-Spezialkräften (Green Berets) zusammenarbeiten konnte, mit der Tatsache, dass sich das Hauptquartier der US-Armee in Manbij (Gebiet unter der Kontrolle der YPG/SDF) befand, dass mehr als 2, 000 US-Soldaten in Rojava waren, die USA über zehn Militärbasen in Rojava verfügten (darunter zwei Luftwaffenstützpunkte), sie hatten Absprachen mit der russischen Luftwaffe und der russischen Armee im Allgemeinen und auch mit den blutigen Schlächtern der Regierung in Damaskus (durch „Operationsräume“ zur Koordinierung der militärischen Aktivitäten zwischen den drei Armeen)…

Das Proletariat als revolutionäre Klasse hat kein Interesse daran, sich frontal mit dem Staat und seinen zentralen Repressionsapparaten auseinanderzusetzen. Was wir im Gegenteil entwickeln müssen, ist der revolutionäre Defätismus, das heißt, die Auflösung der bourgeoisen Armeen voranzutreiben (vor allem, indem wir ihre Disziplin und ihren Zusammenhalt schwächen), natürlich mit Gewalt, durch direkte Aktionen, Sabotage, Generalstreiks und Aufstände… in den Armeen, in den Fabriken, in den Minen, in den Büros, in den Schulen… überall dort, wo wir unter der Ausbeutung dieser Welt des Todes und des Elends leiden… aber auch durch die Kraft und Energie der Bewegung, die ihre Klassenperspektiven entwickelt. Vergesst eines nicht, Leute: Wo es Kriegsflugzeuge und Kriegsschiffe, Maschinengewehre und Raketen und Giftgas gibt, um unsere Klassenbewegung zu unterdrücken, stehen immer und überall Männer und Frauen dahinter, die sie produzieren, sie an ihren Bestimmungsort transportieren, sie mit Treibstoff versorgen müssen… Es ist die Pflicht der kämpfenden Proletarier, die Kriegsmaschine daran zu hindern, unsere Brüder und Schwestern zu töten, das Produktionssystem zu stoppen, damit es funktioniert…

Erinnern wir uns auch daran, dass sich das Kapital historisch gesehen nach jeder proletarischen Niederlage die materiellen Mittel schafft, die ursprüngliche proletarische Energie, wenn nicht zur Zerstörung dieses gesellschaftlichen Verhältnisses, so doch zumindest zu dessen Infragestellung, in gegenteilige Energie umzuwandeln, in Energie, die darauf abzielt, sein gesellschaftliches Verhältnis zu stärken. Das Kapital nährt sich von unseren Revolten, unseren Niederlagen, es übernimmt das Vokabular des Proletariats, seine Fahnen, seine Parolen (wobei es darauf achtet, sie von ihrem genuin subversiven Inhalt zu entleeren), um die durch die Niederlage verwirrten, aber immer noch rachsüchtigen Proletarier auf seine Seite zu bringen. Die rote Fahne, die von den „roten“ Bourgeois aufgestellt wird, zieht die Proletarier an, die noch kämpfen, sich aber mit ein bisschen Lametta, ein paar Ersatzrevolutionen zufrieden geben sollen…

Diese „Demokratie ohne Staat“ (Abdullah Öcalan, 2010), dieser „Staat ohne Staat“, diese „demokratische Autonomie, dieser „demokratische Konföderalismus“ ist immer noch und immer ein Staat, in dem Sinne, den die kommunistische Kritik diesem Begriff gibt. Das heißt, das bestehende gesellschaftliche Verhältnis, der gegenwärtige Stand der Dinge, und daher die Organisation in Handlungen dieses Verhältnisses. Eine Organisation, die darauf abzielt, dieses Verhältnis zu erweitern und aufrechtzuerhalten. Und ohne die Revolution, die die alte Ordnung hinwegfegt, kann dieses gesellschaftliche Verhältnis, dieser Zustand der Dinge nur der der Kapitalisten sein und bleiben, ungeachtet der Reformen, die ihn in einer anderen, verbesserten Form erscheinen lassen. Der Kapitalismus reformiert sich ständig… Er „revolutioniert“ sich sogar manchmal selbst, aber diese „Revolution“ mit ihren Erschütterungen (die zig Millionen Tote zur Folge haben), die natürlich für die Ausgebeuteten, aber auch manchmal für bestimmte konkurrierende und/oder überholte Fraktionen der kapitalistischen Klasse äußerst gewalttätig sind, ist nie etwas anderes als eine „Revolution“ innerhalb des sozialen Verhältnisses selbst, das gestärkt und ausgeweitet werden muss.

Es wäre fatal, eine soziale Bewegung und einen sozialen Prozess mit ihrer bourgeoisen Führung zu verwechseln, eine proletarische Revolution mit der Konterrevolution, soziale Befreiung mit nationaler Befreiung („national-sozialer Befreiungismus“), eine militante Dynamik gegen die Diktatur des gegenwärtigen Zustands mit einer Reihe von reformistischen Maßnahmen zur Konsolidierung dieses Zustands, die offensichtlich unter einem neuen Deckmantel, mit neuen Etiketten und mit umgestalteten Institutionen und Ideologien wie „Volksvollversammlungen“, „Genossenschaften“, „demokratischer Konföderalismus“, „Sozialwirtschaft“, „Frauenbefreiung“ usw. auftreten und es schließlich akzeptabler macht, dass Unterdrückte an ihrer eigenen Unterdrückung teilnehmen, Entfremdete an ihrer eigenen Entfremdung, Ausgebeutete an ihrer eigenen Ausbeutung…

Es gibt einige, die sagen werden, dass wir ad hoc „Anti-Rojava“ sind oder dass wir die Existenz der „Rojava Revolution“ leugnen. Weit gefehlt, wir sind nicht mehr „Anti-Rojava“ als wir effektiv gegen Großbritannien oder gegen die USA oder gegen irgendeinen anderen Nationalstaat sind.

Die Position der Kommunisten und Anarchisten ist klar: Mögen alle kapitalistischen Staaten sterben, möge der türkische Staat mit seiner grausamen Repression gegen die revoltierende Bevölkerung im Südosten des Landes und anderswo sterben, möge der syrische Staat und seine Massaker sterben, mögen die Staaten USA, die EU, die Monarchien am Golf, Russland und der Iran sterben, und mögen auch alle „progressiven“ und linken Staaten sterben: Kuba, Venezuela, Bolivien sowie die „Proto“-Staaten wie Rojava und der Islamische Staat…

Was die wirkliche Revolution in Rojava betrifft, so sind wir natürlich eminente Unterstützer dieser Revolution, wie auch der Revolution im Nahen Osten und in der ganzen Welt. Wir stehen für eine weltweite soziale und somit antikapitalistische Revolution, die das Privateigentum, den Staat, die sozialen Klassen, die Religionen usw. abschaffen wird.

Class War – Sommer 2021

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