Thomas Nails Magnum Opus “Being and Motion” – eine Sensation in materialistischer Philosophie (6)

Das historische Regime der Bewegung (2)

Im Mittelalter haben wir es laut Nail mit dem kinetischen Regime der tensionalen Kraft zu tun, einerseits der theologischen Beschreibung des Seins als Kraft, andererseits der kinographischen Erfindung des Buchs. Dabei bleibt die Kraft immanent zur Bewegung, die erstere konstituiert, wird aber im Mitteöalter in die Sprache der Metaphysik übersetzt, und zwar als Kausalität, Impetus, Conatus etc.

Das kinetische Konzept der Kraft hat dabei drei wesentliche Features, tensionale Bewegung,Triangulation und Relation. Erstere ist die Bewegung, die durch relativ autonome zwei Falten kreiert wird, die wiederum durch rigide Links verbunden sind, wobei die Bewegung der einen Falte immer durch die Bewegung der anderen Falte beeinflusst wird. Es handelt sich hier auch um eine inelastische Verbindung oder Relation zwischen zwei Zirkulationen, die durch einen dritten flow verbunden sind, der sie verlinkt und trennt zur gleichen Zeit. Es ist der inelastische Link zwischen zwei Feldern der Zirkulation, der hier entscheidend ist.

Ohne eine erste Kraft, welche die Sphären zum rotieren bringt, bleibt die asymmetrische Relation zwischen einem statischen Zentrum und einer mobilen Peripherie im Mittelalter nicht denkbar. Kraft ist dabei der Name für das, was den verlinkten Transfer der Bewegung von der Zentrum zur Peripherie erlaubt. Ein Gott ohne Kraft könnte niemals der wahre Kreator Gott sein.

Triangulation bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Zentren durch verbindende flows von Kraft oder Spannung verbunden sind und sich damit bewegen. i.e. durch eine kontinuierliche dritte Falte, die drei distinkte Elemente durch einen einzigen kontinuierlichen Prozess des Polygonalismus miteinander verbindet. Die Kraft wird Gottes motivierender Akt, und in der Natur gibt es die immanenten physischen Gesetze, die ihr Verhalten steuern.

Tensionale Bewegung und Triangulation beruhen wiederum auf der konstitutiven Relation zwischen Relata, wobei die primäre Relation wiederum auf der Vorherrschaft der Bewegung basiert. Nail benennt drei Typen der Relation, die Relation im Raum, in der Zeit und Relationen der Wiederholung in einer Umgebung. All diese Relationen hängen aber von einer einzigen Relation ab, der kinetischen Konjunktion, dem kinetischen Prozess eines kontinuierlichen Zusammenbringens von flows in einer relativ ähnlichen Periodizität (die sich wiederum zu Falten verbinden etc.). Die Kinomena der Relation setzen Verbindung voraus, diese wiederum den flow. Nail lobt an dieser Stelle Hume dafür, dass er die Kausalität, Kraft und Verbindung als metaphysische Konstruktionen gegeißelt habe, seine materiell-kinetische Erklärung aber nicht weit genug gehe, da die diskreten Partikel, die Hume als habituell annimmt, die Gewohnheit von periodischer Bewegung von flows sind, die sich mit sich selbst und anderen flows verbinden. Es gibt einen kontinuierlichen periodischen Feedback-Loop oder eine Zirkulation von Gründen und Effekten, indem zwei oder mehr Falten durch einen kontinuierlichen flow, in dem sie einfach Falten sind, verbunden werden. Das kausale Objekt und das Objekt des Effekts sind zwei Falten, die kontinuierlich durch einen dritten flow, der sie faltet und miteinander verbindet, verbunden werden, dem relationalen flow.

Die theologische Beschreibung der Kraft nahm während des Mittelalters zwei historische Formen an, die Physik der Kräfte und die Trinitarität. Die Theologie unterscheidet sich damit von der Mythologie und der Kosmologie, sie liefert eine ontologische Beschreibung, die sich auf die Relation von Gott und alles anderem konzentriert, sowie auf den Prozess, durch den diese Relation für die Menschen als natürlich und als Gesetz erscheint. Dabei muss die Verbindung der Bewegung den Beweger und das Bewegte durchziehen, damit sie eine Relation eingehen können. Kinetisch gesprochen, müssen sie einen Link teilen, der mit ihnen kontinuierlich ist, aber sich auch von ihnen unterscheidet; es muss ein Medium geben, durch das und in dem die Relationen erscheinen. Dafür steht die Äthertheorie. Dabei ist die Kraft die unsichtbare Substanz, durch die die Bewegung der Körper kausal begründet wird. Gott hält die Planeten durch die Kraft zusammen, aber die Kräfte werden plural und zeichnen sich im fluiden Medium des Äthers als Triangularität aus. Ein Medium ist hier essenziell für den Transport der Bewegung, aber es erklärt nicht die internen und externen Kräfte der Objekte in Bewegung.

Die Externalisierung der Bewegung taucht auf, wenn ein flow von einem Feld der Zirkulation abgetrennt wird und in einem anderen Feld zirkuliert, dann hat man es mit einer Veränderung in der Mutation desselben Feldes oder einer relativen Nachbarschaft zu tun und nicht mit dem Transfer einer Substanz, wie dies die Metaphysik im Mittelalter annahm. Die Impetustheorie versucht im Mittelalter die Externalisierung vom Beweger zum Bewegten zu erklären, und zwar durch ein drittes Ding, das beide durch Spannung zusammen hält und trennt, und sich zwischen ihnen hin und her bewegt. In diesem Kontext kommt die Theorie des Universums als ein Uhrwerk auf, das heißt, von alternierenden Spannungen und einem Link zwischen zwei rotierenden Bewegungen. Der Automat als spontan, sich selbst bewegend und automatisch taucht auf. Es gibt den Uhrmacher Gott als externe Kraft, die Natur des Mechanismus als relationale Kraft und die motivierende innere Kraft. Später ist es Newton, der die Gravitation als Name für die Kraft benennt, die die Bewegung zu einem Zentrum durch die externe Transmission der Bewegung durch den Raum begründet.

Für das Verständnis, wie Bewegung durch ein fluides Medium möglich ist, bedarf es einer Theorie. Zudem kann Gott nicht einfach seine Kräfte in die Natur transferieren, ohne dass die Natur diese Kräfte als ihre eigenen internalisiert und ihre eigene Art und Weise entfaltet. Es bedarf also auch einer Theorie der Internalisierung der Bewegung, die ein Attribut Gottes ist, das nicht mit ihm identisch ist und eine gewisse Autonomie besitzt. Hierfür wurde die Theorie des conatus (Tendenz oder Spannung) erfunden, der kausalen Kraft, die die autonome Selbstbewegung des Seins beschreibt. Es war Spinoza, der die Theorie des conatus auf die höchste ontologische Ebene hob, Gott und/oder Natur: Gott drückt seine Kraft durch den conatus von singulär determinierten Dingen aus, die gleichzeitig Gottes Kraft des Seins und der Aktion ausdrücken. Dabei ist der conatus weder ein Körper mit Extension noch Geist, sondern eine kontinuierliche Transformation von beidem (in und als Gott), ohne dass es einen dritten Grund oder Mediator gibt. Spinoza führt die Theorie einer immanenten Kausalität ein, insofern, Gott und seine Attribute und Modi drei Ausdrücke derselben Kraft sind. Complicare, explicare und implicare sind Prozesse des Faltens bzw. reale Bewegungen und auch deshalb ist der conatus eine rein transversales Werden durch Substanz, Attribute und Modi hindurch. Und wenn deren Relationen solche des Faltens sind, dann muss das Sein kinetisch sein und benötigt einen flow. Aber Spinoza beschreibt diese Bewegungen als conatus oder Werden, das selbst unfähig zum Falten ist, da es keine sich bewegende Materie gibt. Er setzt damit das voraus, was der conatus zu erklären versucht, nämlich Bewegung. Nail untersucht in diesem Zusammenhang noch weitere Autoren wie Hobbes, Descartes und Leibniz, auf die wir hier nicht näher eingehen.

Wenn Nail dann auf den graphos des Mittelalters zu sprechen kommt, dann handelt es sich um das Buch. Wir überspringen das Kapitel und kommen direkt zum vierten historischen Regime der Bewegung, dem der Zeit.

Es war Kant, der im 18. Jahrhundert eine neue Beschreibung der Bewegung lieferte, die Zeit, i.e. der neue Name für das Sein. Für Nail bleibt die Zeit unter drei Gesichtspunkten von der Bewegung abhängig. Wenn die Zeit per definitionem eine Teilung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist, dann setzt sie das, was sie unterteilt, voraus, nämlich ein Kontinuum oder den flow der Bewegung. Dies ist die minimale ontologische Bedingung unserer Zeit. Die Zeit bringt zwar die Teilung in das Kontinuum der Bewegung, aber Bewegung erlaubt es der Zeit zu fließen.

Zum zweiten kommt jede Form der Teilung und der Diskretheit von der primären Bewegung einer kontinuierlichen kosmischen Materialisierung. Ohne Materie in Bewegung gäbe es keine räumliche Teilung, keine rotationalen Bilder der Ewigkeit, keine Kräfte zwischen den Körpern und keine Teilung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In hoch-entropischen Universen ist die Zeit nicht fundamental, sondern abhängig von einem kinetischen Prozess der kosmischen Beschleunigung und Materialisierung. Und was wir Zeit nennen, ist eine Teilung in einem kontinuierlichen Prozess, eine Messung der Bewegung.

Die Thermodynamik unterstützt diese These und führt weiter aus, dass der Grund, warum wir die Zeit für irreversibel halten, darin liegt, dass diese Irreversibilität von der Materie in entropischer Bewegung abgeleitet ist. Weil Hitze fundamental kinetisch ist, und Bewegung mit Pedesis zu tun hat, geht Bewegung immer auch verloren oder reißt aus jeder gegebenen Zirkulation aus (Entropie). Entropie ist aber nicht absolut, sondern eine makroskopische Tendenz.

Wenn die Zeit unabhängig von Materie-in-Bewegung wäre, dann wäre sie logisch reversibel. Es gibt eine metaphysische Voraussetzung in der Mathematik, die darin besteht, dass man glaubt, die Reversibilität der Zeit in Gleichungen nachweisen zu können. Was aber hier immer angezeigt wird, ist nicht die Reversibilität der Zeit, sondern die der Gleichungen. Was die Thermodynamik uns hingegen zeigt, besteht darin, dass Zeit eine Beschreibung der Körper in Bewegung von Körpern in Bewegung ist. Wenn die Zeit nicht in Bewegung ist, dann wird man mit einer statischen und leeren Ontologie des abstrakten Wandels, des immobilen Werdens und der Differenz ohne kontinuierlichen flow konfrontiert.

Serialität nennt man das indefinite Falten eines flows, das möglich ist, weil der flow eine reine Kontinuität ist, sodass eine Falte zwischen zwei anderen Falten auftauchen kann. Für Nail kommt es damit zu vier miteinander verbundenen Strukturen der Zeit: abstrakt, konkret, gefaltet und elastisch. Im Konzept der abstrakten Zeit (eine Falte ) gibt es nur ein vages bevor und danach, während in der konkreten Temporalität dreier Falten in einem flow zwei Falten als limitierte Kreuzungen fungieren, eine als Vergangenheit, die andere als Zukunft, und die dritte Falte beide durchzieht. Es muss ein in-between geben, durch das die Zeit fließen kann. Gleichzeitig wird ist hier jeder flow in Relation zu den anderen Falten zugleich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und es kommt zu einer paradoxen Detemporalisierung.

Die Gegenwart durchzieht alle Spannungen der Falten und enthält Vergangenheit und Zukunft als Momente in sich selbst. Die Zeit fließt, aber verlässt nie die Falte der gelebten Gegenwart, wobei die Falte der Zeit eine habituelle Periodizität formt. Sie kreiert Zeit und gleichzeitig fließt sie durch die Zeit, beides konstituiert in derselben kontinuierlichen Bewegung. Alle Materie enthält unzählige Falten, jede mit einer Sensation und Affektion in sich selbst (Gegenwart), eine Retention dessen, was sie war, in Form einer materiellen Persistenz (Vergangenheit), und einer Antizipation von positiven Stimuli (Zukunft). Es gibt gefaltete und ungefaltete flows, und damit geschlossene und offene Kreisläufe, Eins oder Null.

Dazu benötigt es wiederum das Feld, das einen verbindenden flow zwischen den Falten ermöglicht. Und wenn die Falten elastisch sind, dann ist es auch das Feld, was eine Expansion und Kontraktion einer gesamten temporalen Sequenz ermöglicht. Das Feld ist die Bedingung, in der einzelne temporale Falten auftreten können und geordnet werden. Damit können sich gegenwärtige temporale Falten reproduzieren, und dies als wiederholbares Moment Im Feld. Wenn das Feld ein Ganzes ist, dann sind alle temporalen Falten gegenwärtig. Einerseits ist der zirkulatorische Prozess selbst die zeitliche Bedingung oder das elastische Feld, in dem jede individuelle zeitliche Falte auftaucht, andererseits ist es das Falten von partikularen Temporalitäten mit ihren eigenen Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünften, durch die die Zeit passiert.

Seit Kant sind Zeit und Subjektivität ko-existent. In der Moderne wird die Beschreibung der Subjektivität zeitlich und die Zeit wird subjektiv. Die kinetische Theorie der Subjektivität ist jedoch viel breiter angelegt als die anthropologische, die Subjektivität mit Bewusstsein gleichsetzt. Subjektivität wird in ihr als ein Prozess des Faltens dargestellt, in dem ein kontinuierlicher flow sich in eine Falte zurückfaltet. Es gibt den Punkt, an dem die Falte sich selbst berührt (Sensation), den Punkt, der am weitesten weg von der Falte (Rezeptivität/Zukunft) ist und der ihr am nächsten ist (Retention/Vergangenheit). In diesem Kontext erwähnt Nail den Biologen Jakob von Uexküll (Animalität). Die Welt der flows wird hier zuerst vom Organismus rezipiert, dann in die organische Struktur internalisiert, Effekte ihrer selbst, die dann an die Welt zurückgegeben werden.

Das Falten bzw. die kinetische Internalisierung besitzt Affektivität, Rezeptivität und Retention. Affektivität ist die Sensation der Bewegung, die sich durch das Falten in der Gegenwart mit sich selbst trifft, die Rezeptivität ist die Offenheit für eine zukünftige Stimulation und die Retention ist die Erblichkeit der Vergangenheit, die in die Zukunft durch kinetische Gewohnheit getragen wird. Je komplexer ein Organismus und größer seine lebende Präsenz ist, desto stärker kann er diese kinetische Struktur der Temporalisierung durchsetzen. Das Subjekt ist damit multipel und zeitlich komponiert. Das zirkulatorische Subjekt ist somit kein spezifischer Körper, sondern ein kinetischer Prozess, der alle Körper zusammen hält. Das Subjekt kann sich selbst in den zeitlichen Momenten repräsentieren, die distinkt, aber nicht different von der Kontinuität im Feld sind, das alle Falten miteinander verbindet. Für Nail ist das die kinomenologische Bedeutung des Terms „Bewusstseinsstrom“. Es gibt kein Bewusstsein von Zeit, sondern ein Zeit-Bewusstsein von Bewegung.

Auf der Ebene des Logos erwähnt Nail hinsichtlich der Moderne die Phänomenologie, die eine neue Elastizität des flows mit dem Namen Subjekt anstelle von Gott einführt und dies unter dem ontologischen Grundprinzip der Zeit. Es war KantsTheorie der transzendentalen Zeit/Subjekt, die zum ersten Mal eine Theorie des zeitlichen Feldes der Zirkulation lieferte. Wir haben diese im ersten Abschnitt kurz behandelt und kommen zu einigen kurzen Bemerkungen desselben theoretischen Problems bei Hegel. Wenn Kant mit der Universalität des Subjekts begann und bei der Ontologisierung der Zeit endet, so beginnt Hegel mit der Ontologisierung der Zeit und endet bei der Universalisierung des Subjekts. Hegels Geist, selbst ein Teil der Natur, überwindet deren Widersprüche und entwickelt ein absolutes Wissen von sich selbst als Prozess des Selbstbewusstseins der Natur. Diese ist schlafender Geist, der von sich noch nicht durch Idee von sich selbst weiß, und dies erfordert Zeit und letztendlich Geschichte, die ein absolutes Wissen benötigt und im Staat endet, während das zeitliche Sein andauert. Sein als zeitlich differenziert ist für Hegel die Bedingung des Selbstbewusstseins und steht für die Unmöglichkeit eines sofortigen Zugangs zum Selbstbewusstsein, weil das Sein in der Zeit differenziert wird. Zeit ist für Hegel die unlimitierte Sukzession von quantitativen Momenten, und wenn diese als undifferenzierter Fluss ein Ganzes bilden, dann ist es ein Raum. Dabei ist die Gegenwart die Wahrheit des zeitlichen Prozesses als ein Ganzes überhaupt, insofern Vergangenheit und Zukunft nicht sind, sondern werden, womit die wahre Präsenz ewig ist, die Negation der Zeit, also Raum. Hegel kennt auch schon den Übergang von Zeit in Raum und Raum in Zeit, was der Bewegung geschuldet ist. Und Subjektivität ist die erste spatiotemporale Differentation bzw. die Selbstaffektion eines externen Seins mit sich selbst. Da nun das Sein zeitlich ist, ist es die minimale Bedingung für das Subjekt, oder anders gesagt, die Substanz als zeitliche Struktur wird Subjekt durch Bewegung bzw. eine sich kontinuierlich verändernde Selbst-Affektion. Hegel setzt dabei aber Zeit und Raum als logisch primär, um die Idee der Bewegung zu gewinnen, was es umzukehren gilt.

Nail wendet sich dann Marx und der Zirkulation des Kapitals zu. Wenn Marx von der Kapitalakkumulation in Hinsicht auf die Reduzierung der Zeiten des Transports spricht, erwähnt er häufig die Zerstörung des Raumes durch die Zeit. Aber nicht nur die Zirkulation, sondern die Produktion ist durch eine unendliche Modulation der Zeit definiert und erzielt den höchsten technologischen Erfolg mit Materialien, die eine vaporöse Fluidität besitzen. Im Kontrast zur historischen Idee, dass Zeit das Maß der Bewegung ist, wird im Kapitalismus jede Bewegung durch die Zeit geordnet. Der menschliche Körper und seien Aktivität ist auf eine Zeiteinheit reduziert, die Arbeitszeit. Es gibt keine Arbeit, die nicht zeitlich ist, und es gibt keine Zeit, die nicht mit Arbeit gefüllt werden kann. Bewegung und Raum sind damit den Anforderungen der Arbeitszeit unterworfen.

Die Hauptdifferenz zwischen Hegels Ontologie und der Marx`schen Theorie der kapitalistischen Produktion sieht Nail in der Differenz zwischen Kreis und Spirale. Während die Dialektik des Seins dieses immer wieder auf sich selbst zurück wirft, abgeleitet von der abstrakten Form der zirkulären Zeit, ist für Marx das Sein differenziert, sodass jeder Return des Prozesses etwas Neues einführt, i.e. eine spiralförmige Formation erschafft, das Kapital, das andauernd technologische Neuheiten hervorbringt. Wir werden dies an Nails Buch zu Marx weiter diskutieren und kritisieren.

Nail kommt daraufhin auf Husserl, Heidegger und schließlich auf Derrida zu sprechen. Die neue Einsicht des letzteren besteht vor allem darin, dass Zeit kein Kontinuum oder flow sein kann, das heißt, sie kann nicht passieren, sondern ist durch die differance gegeben oder die Aktion eines Intervalls. Aber auch Derrida entkommt der Ontologie der Zeit nicht.

Wenn Nail abschließend auf den graphos der Moderne zu sprechen kommt, ist es natürlich der Computer, der das Intervall zwischen Denken und Inskription mit tausend kleinen Bewegungen füllt.

Wir werden eine Kritik des Buches “Being and Motion” in den kommenden Besprechungen zum Marx Buch von Nail (Marx and Motion) liefern.

Abschließend gilt es Nail eine Frage zu stellen, ob die Natur-Kultur eine epistemische oder eine ontologische Teilung ist. Negarestani schreibt dazu: “”Genau wie die Wüste, die ein und dieselbe ist und zu deren Landschaft wir gerade wegen ihrer Homogenität keinen Zugang haben, erlaubt uns der Monismus der Natur nicht, die Natur zu kennen, ohne einen epistemischen Bruch zu organisieren. Ontologisch unterscheidet sich die Natur nicht von sich selbst. Der Monismus ist in diesem Sinne eine ontologische Realität, die eine notwendige epistemische Strategie verlangt: Gerade wegen dieses Übermaßes an informationeller Homogenität – einer Wüste, die überall ein und dasselbe ist – können wir uns der Natur nicht unmittelbar nähern oder sie navigieren. Die Natur-Kultur-Teilung ist eine epistemische Teilung, keine ontologische. Von der Möglichkeit der epistemischen Zugänglichkeit her ist diese Teilung notwendig und keineswegs starr. Sie provoziert Annäherungen an die Natur, die man sich bisher nicht vorstellen konnte. Zu behaupten, dass alles Natur ist, ist im besten Fall ein Nachgeben in der Vulgarität des Offensichtlichen und im schlimmsten Fall eine völlige Blindheit gegenüber den epistemischen Bedingungen, durch die wir in der Lage sind, der Natur nach und nach einen Sinn zu geben. Die Bimodalisierung des Universellen auf seine globalen und lokalen Horizonte ist eine Navigationsstrategie, die durch einen lokalen Bruch, eine regionale Diskontinuität konzipiert werden muss. Diesen lokalen Bruch zu erzeugen oder zu konzipieren, ist die grundlegende Geste hinter der Bildung des Begriffs als eines lokalen Ortes, der sich durch seine qualitativ differenzierte Information auszeichnet. Es ist der Begriff als regionaler Bruch oder lokale Störung in der qualitativ homogenen Information, der Ansätze und Wege provoziert, die in Abwesenheit des epistemischen Bruchs unmöglich sind. Der Versuch, die Natur ohne epistemische Teilung, allein durch den ontologischen Monismus, zu verstehen, ist ein Appell an den Mystizismus. Er führt entweder zu einer unaussprechlichen Vorstellung von Natur oder zu einem Bild von Natur als einem Reservoir von Bedeutungen und Geschichten über sich selbst. Wenn wir darauf bestehen, dass die Welt ein Reservoir von Bedeutungen ist, dass sie dem Subjekt Geschichten zu erzählen hat, ohne dass das Subjekt eine notwendige epistemische Bedingung schaffen muss, dann haben wir uns bereits verpflichtet, eine stabile Beziehung zwischen dem wissenden Subjekt und der Welt zu bewahren. Die Welt steht dem Subjekt immer so gegenüber, als wolle sie eine Geschichte erzählen, es gibt keine Notwendigkeit für das Subjekt, seinen gegebenen Status zu destabilisieren, sich epistemisch zu entwurzeln, um sich prozedural in der Landschaft zurechtzufinden. Das Subjekt der Welt als vorgefertigter Erfahrungsgegenstand und Bedeutungsreservoir ist ganz hartnäckig eine anthropozentrische und konservative Form des Subjekts, auch wenn es behauptet, das komplette Gegenteil zu sein. Lokalisierung sollte so verstanden werden, dass sie eine epistemische Bedingung herbeiführt, die, wenn sie einmal rigoros verfolgt wird, jede konservative Beziehung zwischen dem wissenden Subjekt und der Welt aufhebt; statt das Subjekt an einem bestimmten Ort zu verankern, entmachtet sie das Subjekt innerhalb einer Navigationslandschaft. Dies ist der deracinating effect, der sich selbst als eine Bedingung der Ermöglichung registriert, insofern er epistemische Möglichkeiten befreit, die bis jetzt Gefangene der Tyrannei des Hier und Jetzt geblieben waren – das heißt, das wissende Subjekt, das an einen lokalen Bereich und einen privilegierten Bezugsrahmen gebunden ist. Die Lokalisierung hat offensichtliche Implikationen für das Denken, nicht nur, weil wir selbst lokale Instanziierungen innerhalb des irdischen Horizonts sind, sondern auch aus erkenntnistheoretischer Perspektive: Der Begriff als der Raum, durch den wir uns die Welt erschließen, ist ein lokaler Horizont. Als die grundlegendste Einheit des Wissens ist der Begriff ein lokaler Horizont, ein lokal organisierter Informationsraum innerhalb einer riesigen Inferenzökonomie und eingebettet in die allgemeine Struktur des Wissens. Die Frage der Lokalisierung erlaubt uns also eine Form der systematischen Untersuchung des lokalen Kontextes und insbesondere eine systematische Analyse des Begriffsverhaltens. In diesem Sinne können wir sagen, dass Lokalisierung der ultimative prozedurale Rahmen des Denkens ist. Es ist ein Verfahren – sogar ein gradualistisches und schrittweises Verfahren – weil, wie ich argumentieren werde, das Lokale nicht verwurzelt ist. Seine Analyse ist keine Angelegenheit des Hinein- und Herauszoomens auf einen bestimmten Punkt. Stattdessen erfordert die Untersuchung des Lokalen ein Verfahren, um ihm in einem Navigationskontext zu folgen, in Beziehung zu anderen lokalen Horizonten, über verschiedene Richtungen und Adressen. Eine axiomatische Festlegung auf der Ebene des Lokalen macht nur durch dieses Verfahren Sinn, d.h. nur dann, wenn wir Parameter und Orientierungen lokalisieren oder ganz allgemein feststellen, was einen lokalen Bereich lokal macht. Das Lokale ist kein fester Punkt im Raum, es ist ein beweglicher Rahmen, der in eine generische Umgebung eingebettet ist. Seine interne Analyse ist immer mit einer externen Synthese gekoppelt.” Um sicher zu sein, das man nicht eine Ontologie hypostasiert, die von der Theologie oder irgendeinem missbräuchlichen Axiom gestützt wird, gilt es eine minimale Metaphysik in der Art von Laruelles Realismus zu “de-ontologisieren”. Die eigentliche Ursache der Ontologie ist die Unbeschreiblichkeit des Realen, die nicht philosophiert werden kann und nur in der Art des Topos hypothetisiert werden kann.

Foto: Sylvia John

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