Trump, der rechte Populismus und das finanzielle Kapital.

Der Wahlsieg von Trump im Jahr 2016 war eine Antwort auf die Krise des Neoliberalismus und nicht primär eine Antwort auf gegenwärtige Bewegungen wie Occupy und die Anti-Globalisierungs-Bewegung, obgleich diese Bewegungen natürlich irgendwie mit der Krise verbunden sind. Die Strategien der herrschenden Parteien im Block an der Macht zielen immer auf einen Konsens mit den wichtigen Teilen der herrschenden Klasse ab. Wenn progressive linke Bewegungen eine Neuverteilung der Macht und des Reichtums fordern, führt dies prompt zu einer Antwort von bestimmten Fraktionen herrschenden Klasse, normalerweise in Form nationalistischer und protektionistischer Politiken. Vielleicht sollte man Trump auch in diese Richtung interpretieren und insgesamt eben die Transformation der neoliberalen Politiken in ihre konservative, nationalistische und protektionistische Version, die zwar das „Anti-Entablishment“ proklamiert, aber aktuell ganz integrativer Teil des kapitalistischen Systems bleibt.

Nationalistische und populistische Politiken müssen nicht unbedingt den Neoliberalismus herausfordern, der eine Form der kapitalistischen Gouvernementalität ist, eine Form, mit der die Macht des Kapitals über die Arbeiter und Angestellten, die Prekären, die Surplusbevölkerung, ja allgemein über die Mehrheit der Bevölkerung ausgeübt wird. Der Neoliberalismus basiert auf der Austeritätspolitik und der Evaluation der Märkte, wobei das global organisierte Finanzsystem das regulatorische Prinzip der Ökonomie darstellt. Das finanzielle Kapital repräsentiert dabei keineswegs die Herrschaft der Spekulation als eine Art Kasino. Die Techniken des Risikomanagements, die heute eine fundamentale Funktionsweise der Geld- und Kapitalmärkte sind, spielen eine kritische Rolle auch bezüglich des Managements des Widerstands, im speziellen auch gegen jeden Widerstand, der von seiten der Arbeitenden organisiert wird. Die Finanzmärkte generieren eine Art überwachender Struktur für alle möglichen Kapitalbewegungen. Durch die verschiedenen Kanäle hindurch erzeugt die Nachfrage nach hohen finanziellen Profiten einen Druck auf die einzelnen Unternehmen, der darin besteht, die Ausbeutung der Arbeitskräfte zu intensivieren und zu effektivieren. Wenn große Unternehmen von den Finanzmärkten abhängig sind, erhöht jeder Verdacht einer inadäquaten Verwertung von Kapital die Kosten der Finanzierung, reduziert den Zugriff auf Finanzierungsmittel und senkt die Preise. In solch einem Klima stehen die Arbeitskfte vor dem Dilemma, zunehmend schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren oder Arbeitslosigkeit zu riskieren.

Austerität ist der Eckpfeiler der neoliberalen Politiken der Reduzierung der Arbeitskosten und der Steigerung der Profite pro Arbeitsstunde. Die Austeritätspolitik ist für die kapitalistische Klasse keine akzidentelles Phänomen, sondern deren korrekte Politik. Sie gibt der Senkung den Budgetkürzungen in den öffentlichen Haushalten Priorität, senkt die Steuern auf das Kapital und die hohen Einkommen und fährt den Wohlfahrtsstaat herunter. Wie auch immer, der Lebensstandard der Mehrheit der Bevölkerung sinkt. Austerität ist eine brutale Klassenpolitik, welche die Interessen des Kapitals gegen die Arbeiter, Pensionäre, Prekäre, Arbeitslosen und generell ökonomisch nicht verwertbaren Menschen befördert. Am Ende führt dies zu weniger sozialen Rechten und zur Reduktion der sozialen Absicherung, zu niedrigeren und flexibleren Löhnen und zu weniger Klassenmacht der Mitellosen.

Austerität führt auch zu niedrigeren Wachstumsraten, da die Rezession permanent Druck auf die großen und mittleren Unternehmen ausübt, damit diese die Kosten und Löhne reduzieren, die Arbeit intensivieren und die Arbeitsrechte einschränken. Diese Strategien werden durch die nationalistischen Slogans von Trump wie etwa „America First“ oder durch protektionistische Maßnahmen, die die Kapitalisten eines Landes gegenüberdenen eines anderen Landes durchführen, keineswegs in Abrede gestellt. Der Nationalismus bindet die Arbeit an die nationalen Interessen, i.e. die Propaganda der Nation ist ein untrennbarer Aspekt der kapitalistischen sozialen Ordnung, indem sie die Schichten und Klassen innerhalb eines politischen Territoriums auf der Basis der nationalen Identität homogenisiert und die Klassenkonflikte befriedet. Ökonomisch gesehen schafft der nationale Staat die Bedingungen für die Reproduktion der Kapitalverhältnisse und die Kapitalökonomie. Von der politischen und der ideologisch-kulturellen Seite her gesehen legitimiert der Staat die Ausübung der Macht des Kapitals auf Basis der nationalen Unabhängigkeit und der nationalen Interessen. Die strategischen Interessen der kapitalistischen Klasse, die im Staat bzw. im Block an der Macht konzentriert sind, bedürfen dennoch immer eines Kompromisses mit der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Bevölkerung. Jede Form der Klassenmacht kann sich nur dann reproduzieren, wenn sie den Konsens herstellt oder zumindest eine Toleranz für das System erzeugt. Kompromisse zwischen den herrschenden Klassen und dem Proletariat, das die Arbeiterklasse, das Prekariat und die Surplusbevölkerung umfasst, sind notwendig zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems, innerhalb dessen der Nationalismus eine Ideologie ist, durch die die herrschenden Klassen ihre Hegemonie über die beherrschten Klassen sichern.

Der Nationalismus, egal in welcher historischen Ausprägung, ist immer auch rassistisch. Seit dem zweiten Weltkrieg bekommt der Rassismus eine entschieden kulturelle Dimension. Die Leute werden jetzt auf der Grundlage ihrer Kultur differenziert und eingeteilt. Die Abwertung der Fremden entsteht im Rahmen einer latent rassistischen Ideologie und der des Nationalismus, wobei diese Ideologie eine aggressive, militaristische Form bis hin zum Faschismus annehmen kann, aber man kann den Rassismus durchaus auch in den liberalen Politiken entdecken. Letztendlich sind Nationalismus, Protektionismus und Governance mit dem Neoliberalismus voll kompatibel. Die Linke muss sowohl gegen den Neoliberalismus als auch gegen seine falsche Negation, den neuen Nationalismus, kämpfen.

Die hier angesprochene Krise des Neoliberalismus unterscheidet sich von der Annahme, dass er heute auseinanderfallen würde. Sicherlich sind die herrschenden Klassen heute in sich gespalten, aber dies heißt lediglich, dass es verschiedene Programme, Taktiken und Strategien in der Frage der Hegemonie über die beherrschten Klassen gibt. Trump weicht von der Mainstream Politik in bestimmten Aspekten ab, aber auf der anderen Seite schafft er gerade mit dieser Abweichung einen neuen Konsens mit Teilen der herrschenden Klassen, dem Kleinbürgertum und sogar mit bestimmten Segmenten der Arbeiterklasse, um letztendlich das Kapital zu stabilisieren.

Und Trump ist längst zum medialen Megastar mutiert, insofern die Medien permanent auf Sendung sind, wenn es um die Inszenierung von Helden, Stars und Promis geht. Die Simulation des charismatischen und zugleich autoritären Charakter trifft auf kollektive Halluzinationen und Illusionen, wobei die Massen die Autorität lieben und als befreiend erleben. Trump ist derzeit der Star einer insgesamt simulativen Kulturindustrie, in der die Gleichgültigkeit und der Masochismus der Massen auf das brutale und zynische Lächeln und die Peitsche der Chefs trifft. Deren Therapeutik des politischen Sadismus findet ihre Analogie entweder in der Politik des zynischen Selbstinteresses oder der absoluten Unterwerfung. Trump ist mit Sicherheit der vollkommene Repräsentant Amerikas, das dadurch erst zu einer absoluten Demokratie wird, er repräsentiert die endgültige Beförderung des Werbeslogans auf die politische Ebene, die Rache des Spektakels und des Marketings an der Politik. Die politische Zeit gehört dem Lächeln der professionellen Politzombies und ihrem sich wie ein Derivat selbst replizierenden Optimismus.

Zweifelsohne affirmieren Trump und die neue Rechte die strategisch wichtigsten ökonomischen Interessen des Kapitals und seiner neoliberalen Governance, und die bisherigen Politiken neokonservativer Regierungen zeigen, wenn sie etwa die Steuerlasten der Reichen und der oberen Mittelklasse auf Kosten von Sozialleistungen senken, dass ihre Politik ein schlecht getarnter Klassenkampf des Kapitals gegen die Armen ist. Die Konflikte um den Wohlfahrtsstaat werden zugunsten organisierter Interessen des Kapitals gelöst. Dabei wird eine Ideologie des Abwartens installiert, die ihre ideologische Grundlage im Nihilismus einer autoritär gewordenen Mittelklasse hat, insofern die Angst vor dem Verlust von Privilegien, die Depression angesichts der Macht des finanziellen Kapitals und die Verzweiflung über das Ende des liberalen Konsens den psychologischen Nährboden für die Strategien eines neo-autoritären Staates sichert. In diesem Kontext muss man sehen, dass der Liberalismus und insbesondere der Neoliberalismus, indem er die Politik auf einen Kampf der Interessen und der Selbstverwertung reduziert, die Politik der Rechten geradezu positiv beeinflusst hat, sodass die neoliberale Reduktion des öffentlichen Lebens durch die Finanzialisierung und Vertraglichung aller sozialen Beziehungen keineswegs im grundlegenden Widerspruch zur rechten Politik steht, die die Familie, Nachbarschaft und schließlich das Volk ins Zentrum ihres ideologischen Klassenkampfes setzt. Die Parallelen zwischen Liberalismus und der neuen Rechten werden in den Medien konsequent ausgeblendet; der Bezug auf das kapitalistische System ist bei beiden vorhanden, nur will der rechte Populismus alles noch viel sadistischer haben. Unter dem Druck des Verlusts von Privilegien setzt vor allem in der Mittelklasse ein Rückzug aus dem öffentlichen Leben in eine private, nihilistische Erfahrung von Phantasie und Illusion ein. Das ist Ausdruck der Tatsache, dass die Einzelnen zu einem besitzenden Aspekt des kapitalistischen Systems geworden sind und gleichzeitig aktiv einen possessiven Individualismus betreiben. Dabei treffen die Einzelnen auf ein inneres Selbst, dessen Psyche den Katatstrophentheoremen und zugleich den Axiomen des finanziellen Kapitals gleicht. Das innere Selbst kehrt damit einerseits zur ökonomischen Bestialität zurück, um andererseits von den Imperativen der neoliberalen Ökonomie absorbiert zu werden. Kommt es dabei oft zu einem Versagen, dann wird die Schuld entweder sich selbst zugeschoben (und nicht den ökonomischen Konstellationen), oder es sind eben die anderen schuld. Ist für den Liberalismus immer das Individuum schuld, wenn dessen Karriere wie eine Seifenblase platzt und es sozial abstürzt, so sind beim rechten Populismus immer die anderen, ja insbesondere die Fremden schuld. Deshalb propagiert er eine brutale Ausgrenzungspolitik, die heute zwischen Nachbarschaft, Nationalismus und Eurochauvinismus oszilliert. Der Antikapitalismus der neuen Rechten ist der der dummen Kerle (Adorno), er ist antisemitisch durch und durch, (schuld an allem sind gierige Banker, Spekulanten, arbeitsunwillige Subjekte, Juden und Verbrecher). Mit dem linken Populismus stimmt er in der Propaganda der produktiven und wertschaffenden Arbeit überein. Arbeit ist demnach Pflicht und macht frei, Arbeitsverweigerung ist ein Verbrechen.

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