Von der Gefährlichkeit zum Risiko: Auf dem Weg in eine post-disziplinäre Ordnung?

In diesem Beitrag* möchte ich einige Gedanken über die präventiven Strategien der Sozialverwaltung vorlegen, die gegenwärtig, am ausgeprägtesten in den Vereinigten Staaten und in Frankreich, entwickelt werden und die in einer tiefgreifend erneuernden Weise von den Traditionen der Psychiatrie und der Sozialarbeit abzuweichen scheinen.

Um es am Anfang sehr schematisch auszudrücken, ist die Innovation folgende. Die neuen Strategien lösen den Begriff eines Subjekts oder eines konkreten Individuums auf und installieren an ihrer Stelle eine Kombinatorik von Faktoren, den Risikofaktoren. Wenn es wirklich das ist, was stattfindet, dann bringt eine derartige Umgestaltung wichtige praktische Auswirkungen mit sich. Der wesentliche Bestandteil der Intervention nimmt nicht mehr die Form der direkten Beziehung von Angesicht zu Angesicht zwischen dem Fürsorger und dem Befürsorgten, dem Helfer und dem zu Helfenden und dem Experten und dem Patienten an. Statt dessen liegt er in der Bildung von Bevölkerungssegmenten, die auf dem Vergleich einer Reihe von abstrakten Faktoren basieren, die geeignet scheinen, das Risiko im allgemeinen hervorzubringen. Diese Verschiebung wirft das existierende Gleichgewicht zwischen den jeweiligen Standpunkten des spezialisierten Experten und des Verwaltungsbeamten völlig um, die mit der Bestimmung und der Anwendung der neuen Gesundheitspolitik beauftragt werden. Die Spezialisten sehen sich nun in eine untergeordnete Rolle verwiesen, während es der Verwaltungspolitik gestattet wird, sich zu einer vollkommen autonomen Kraft zu entwickeln, völlig jenseits der Kontrolle durch den Tätigen vor Ort, der nun auf einen bloß Ausführenden reduziert wird.

 

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