Von Menschen, Flundern und letzten Dingen. Günther Anders’ negative Menschenkunde der Moderne

… Weltlos bzw. unfrei – das heißt: zum erfahrungslosen Nichtstun verdammt – ist der Mensch Anders zufolge daher auch in seinen modernen, durchratio-nalisierten Arbeitswelten, in denen echte menschliche Tätigkeit vis-à-vis immer kompetenterer Maschinen bzw. Technologien zu bloßem „Mit-Funktionieren“ herabsinkt, der ‚Arbeiter‘ zum Rädchen im Getriebe des Betriebs (Anders 2018a, S. 317), Im Stil zeittypischer Kritik an der modernen Massengesellschaft sieht Anders diese neue Form „aktiv-passiv-neutralen“ Mit-Tuns auch in der Freizeit bzw. im Konsum verwirklicht (Anders 2018a, S. 320; vgl. auch ebd., S. 253 sowie die Ausführungen zur Antiquiertheit der Arbeit und des Individuums im zweiten Band). Wie Wladimir und Estragon in Becketts Warten auf Godot   – für Anders eine Parabel auf die Weltlosigkeit des modernen Menschen – seien Millionen heute ohne Sinn und Zweck damit beschäftigt, sich selbst zu beschäftigen: „Der jämmerliche Kampf“, den Becketts Protagonisten „um Scheintätigkeiten führen, ist wohl nur deshalb so eindrucksvoll, weil er unser, also das Schicksal des Massenmenschen, abspiegelt.“ (Anders 2018a, S. 252) Ein analoges, ähnlich düsteres Bild zeichnet Anders von der durch Massenmedien bzw. Ablenkung, Unterhaltung und Hobbys geprägten Freizeit. Noch einmal potenziert wird die moderne Form der Weltlosigkeit in Andersʼ Augen im Schicksal der Arbeitslosen (man darf ergänzen: auch der erzwungenen Migration), der beinahe völligen Abstraktion noch aus den letzten verfügbaren Sozialbezügen. Wie Becketts Landstreicher sind die Arbeitslosen für Anders keine gesellschaftlichen Rand-, sondern „Schlüsselfiguren unserer Epoche“ (Anders 1993, S. XIV).

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