Wahlen – der blitzende Anus der Versprechungen

Auch Baudrillard kommt in die Jahre: Er schreibt: “Die Leute wollen wählen, sie wollen immer öfter wählen, und sie würden am liebsten noch viel mehr wählen … Man entledigt sich seiner durch einen Exzess (nicht durch Ablehnung, sondern durch eine Verdauungsstörung) – das ganze System wird in einen riesigen Wanst umgewandelt.” Diese Art der Verfettung des politischen Systems, die auf die andauernde Spiegelung der vorgegebenen Meinungen der Umfrageindustrie durch die Massen zurückzuführen ist, und keineswegs wie Baudrillard annimmt zur Implosion des Systems führt, zeigt signifikante Ermüdungserscheinungen. Es ist heute die Linke, die die Illusion von einem implodierenden System aufrechterhält, mehr noch, die Politik zum blitzenden Anus von Versprechungen stilisiert und damit das System am Laufen hält.

Dier Bevölkerung Frankreichs sieht das etwas anders. Die Wahlbeteiligung bei der heutigen Abstimmung zur französischen Nationalversammlung liegt bei ca. 42%. Damit gewinnt das Spiel der Anwesenheit und Abwesenheit eine neue Dimension. Es ist, als würde die Bevölkerung sagen, ich kann meine Anwesenheit (im politischen System) nicht mehr ertragen. So wenig die Wörter im “Haus des Seins” wohnen,  so wenig wohnt nämlich die Bevölkerung im politischen System der Wahlen.  Während die Wörter je schon im Exil wohnen, hat die Bevölkerung sich von ihrem Dasein als Meinungsumfrage und Stichprobe radikal zu trennen, um den Exodus vorzubereiten und durchzuführen.  Die Bevölkerung hat sich als Bevölkerung  durchzustreichen und zu erkennen, dass hinter den Versprechungen des politischen Systems und der Linken nichts ist, nur das Vergehen, die Nacht und das Grauen des Daseins, dem die Welt entglitten ist.

 

 

Foto: Bernhard Weber

Nach oben scrollen