Was ist eigentlich eine Bank?

In ihrer Anfangsphase konzentrierten sich die Geschäfte der privaten Banken hauptsächlich auf den Ankauf von Gold, Wechseln, Aktien und Anleihen, dem die Ausgabe von Kontokorrentkrediten, Krediten und Darlehen gegenüberstand. Historisch geschah dies oft zuerst in der Form des Wechsels; im Wechselgeschäft haftet bis zum Fälligkeitstermin derjenige, der den Wechsel als Zahlungsmittel benutzt, dem letzten Inhaber des Wechsels mit wirklichem Geld. (Lohoff/Trenkle 2012: 164f.)1 In die Verkettungen dieser frühen Form des kommerziellen Kredits schalteten sich nach und nach Geldhändler ein, indem sie Wechsel aufkauften und damit eine in der Zukunft versprochene Zahlung vorfristig in Geld realisierten, wobei sie sich diese Art der Dienstleistung mit einem Teil der Geldsumme, die sich aus dem fixierten Zinssatz auf den Wechsel und der Restlaufzeit des Papiers errechnete, bezahlen ließen.

Die privaten Banken fungieren auf der einen Seite als Institutionen zur Konzentration des Geldes und des Geldkapitals, indem sie in der Funktion des Schuldners das Geld von Haushalten, Staaten und Unternehmen sammeln und leihen, und auf der anderen Seite verleihen sie in der Funktion des Gläubigers Geld bzw. vergeben Kredite und tätigen finanzielle Dienstleistungen und Spekulationsgeschäfte, die für sie selbst gewinnbringend sein sollen. Der wichtigste modus operandi der privaten Banken scheint zunächst allein darauf ausgerichtet zu sein, möglichst viel Geld in der Ökonomie auszuleihen und es für eine Zinsrate zu verleihen, die höher ist als diejenige, die sie für das Ausleihen des Geldes bezahlen. Dies nennt man in der heterodoxen Finanztheorie das Distributionsmodell des Geldes (Sahr 2017: Kindle-Edition: 3208) Marx schreibt zur Bank: »Ihr Profit besteht im allgemeinen darin, daß sie zu niedrigen Zinsen borgt, als sie verleiht.« (MEW 25: 416) So wäre der Gewinnmechanismus der Banken tatsächlich ein höchst einfacher: Sie vergeben Kredite zu höheren Zinsen (Kreditzinssatz) als sie selbst Zinsen für aufgenommene Kredite oder Einlagen bezahlen (Einlagezinssatz). Um es noch exakter zu sagen: Die Einkommen bzw. die Gewinne der Banken bestünden in nichts weiter als aus den Gebühren für Zahlungsverkehrsleistungen und den Zinsdifferenzen, die sich aus der Spanne zwischen Finanzierungs- und Geldanlageleistungen ergäben. (Seiffert 2014: 31) Die positive Differenz stellte (nach Abzug der Kosten) dann den Bankgewinn dar. Es gilt dagegen jetzt schon unbedingt festzuhalten: Mit der Kreation von Krediten, das heißt der Schaffung von Zahlungsversprechen (die kreative Funktion des Geldes) beginnt die eigentliche Geschäftstätigkeit einer privaten Bank.2

.Die Geschäftsbanken setzen die Unternehmen bis zu einem gewissen Grad von ihrem Geldmangel frei, das heißt von den Schranken ihrer bisher erreichten ökonomischen Größe und verschärfen damit zugleich die Konkurrenz zwischen den Unternehmen, insofern sie in ihrer Funktion als umfassender Gläubiger und Schuldner des Geldkapitals zwischen den Unternehmen ein Verhältnis der Interdependenz herstellen, das beinhaltet, dass die Unternehmen untereinander um Kredite konkurrieren müssen, um mit dem Einsatz des Kredits an den Märkte konkurrenzfähig zu bleiben. (Decker, Hecker, Patrick 2016:21f.) Indem die privaten Banken die Kreation und Distribution von Krediten kontrollieren, stellen sie die industriellen und kommerziellen Unternehmen, denen es ausschließlich um die kontinuierliche Vermehrung ihres Kapitals geht, in eine wechselseitige Abhängigkeit, wobei die Banken die monetären Kreisläufe kontrollieren und sowohl den Geldmangel als auch den Geldüberfluss in einer Ökonomie bewirtschaften. Es gibt hier also Strukturen wechselseitiger Interdependenzen mit Dominante zu vermelden. Und eines muss hier unbedingt angemerkt werden: Unabhängig vom geschäftlichen Erfolg ihres Schuldners gilt für die Privatbanken das Recht auf Tilgung und Verzinsung des Kredits absolut, das heißt, es hat Vorrang gegenüber der Vermehrung von Kapital durch diejenigen Unternehmen, die ihr gegenüber als Kreditnehmer bzw. Schuldner fungieren. Eine private Bank wird einen Kreditvertrag mit einem Unternehmen nur dann abschließen, wenn sie erwartet, dass der mit Hilfe des Kredits erwirtschaftete Profit des Unternehmens höher als der von diesem zu zahlende Zins ausfallen wird. Wenn der Profit des Unternehmens geringer ausfällt als der Zins oder gar weitreichende Verluste bei diesem entstehen, dann teilen sich aber das Unternehmen und die private Bank nicht etwa den geringeren Profit oder gar den Verlust, sondern der vorher vertraglich vereinbarte Zins (plus Tilgung) wird von der Bank ohne Rücksicht auf die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens weiterhin eingefordert. Und wenn der Schuldner (das Unternehmen) nicht auf finanzielle Reserven zurückgreifen kann, wird ihm der Gläubiger (die Bank) das als Kreditsicherung übereignete Geld pfänden und/oder das Unternehmen geht in Konkurs. Die Banken begnügen sich nicht einfach mit einem gewissen Anteil am Profit, sondern sie fordern von den Unternehmen unerbittlich und gesetzlich abgesichert die vorher vertraglich vereinbarte (fixe) Verzinsung (und Tilgung) des Kredits ein. Deshalb sind die privaten Banken, die mit den Unternehmen meistens einen fixen Zinssatz aushandeln, nicht ausschließlich an den stark risikorientierten und Extraprofite realisierenden Unternehmen interessiert, da in deren Konkursfall auch die Banken Verluste erleiden, während sie an den Extraprofiten der Unternehmen doch nur sehr begrenzt oder überhaupt nicht partizipieren. Die privaten Banken bewerten und kalkulieren zwar bis zu einem gewissen Maß die Erfolgsaussichten der Geschäfte der von ihnen kreditierten Unternehmen (und verlangen dafür auch Sicherheiten), aber sie abstrahieren auch von den Operationen, die diese Unternehmen mit dem geliehenen Geld real vornehmen – zwar sollen die Geschäfte der Unternehmen in ihrer Funktion als Kreditnehmer rentabel führen, aber berechnet wird der Zinssatz als ein Prozentanteil auf die verliehene Geldsumme, als ob es schließlich nur an ihr läge, dass sie wächst.

Fassen wir zunächst die wichtigsten Aufgaben, Geschäftsbereiche und Funktionen der Geschäftsbanken zusammen: Konzentration der Ersparnisse und Geldanlageleistungen (Depositen), Zahlungsverkehrsleistungen (das Management der baren und unbaren Zahlungen von Kunden), Finanzierungsleistungen, Kreditschöpfung, Investmenttätigkeit mit der Emission und der Operationalisierung von Wertpapieren, fiktivem Kapital und Derivaten und die Organisation des Devisenhandels (spot, forward und swap Geschäfte) für kommerzielle und industrielle Unternehmen, aber auch in eigener Regie, Risikotransformation (zwischen Sparern und Kreditnehmern), Dienstleistungen (Leasing-, Factoring-, Broking-, Consultinggeschäft). Als wichtigste Geschäftsaktivitäten der privaten Banken sind heute die Kreditschöpfung, ohne die die Aufrechterhaltung der Kapitalkreisläufe als Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter überhaupt nicht möglich wäre, die Investmenttätigkeit im Wertpapier- und Derivatehandel und die Minimierung der gesamt-wirtschaftlichen Transaktionskosten zu nennen. Für die privaten Banken lassen sich damit einige wichtige Parameter für ihre eigene Geschäftstätigkeit bestimmen: Faktoren der Konkurrenz (Oligopolisierung der Banken), Höhe der Barauszahlungen, Mindestreservepolitik, Kreditschöpfungspotenzial, Investmenttätigkeit, Wertpapier- und Derivatehandel, Risikokalkulation, diverse Formen des Managements der Zahlungen im Interbankenverkehr und mit den Zentralbanken (Vgl. Baecker 2008: 140f.).

Kommen wir zum Giralgeldverkehr: Es lassen sich hier drei Ebenen benennen.3 (Vgl. Seiffert 2014: 23f.)

1) Die Kundenebene (Haushalte, Unternehmen, Staat). Auf dieser Ebene werden die Geschäfte zwischen den privaten Banken und den Kunden sowie zwischen den Bankkunden untereinander abgewickelt, wobei die Guthaben als alphanumerische Zeichen digital auf Konten angeschrieben werden, um dann zwischen den Konten der Bankkunden, die die Guthaben als Geld für die Konsumtion oder als Geldkapital verwenden, zu zirkulieren. Die Gutschriften der Kunden entstehen heute vor allem durch kreditschöpfende Schreibprozesse bzw. als Eingabe von Zahlen auf der Rechnertastatur (Keystroke-Kapitalismus). (Sahr 2017: Kindle-Edition: 8462)

2) Während die internen Geldgeschäfte der Banken als reine Schreibprozesse zwischen den eigenen Kunden stattfinden, treten bei ihren externen Geschäfte die Kunden verschiedener privater Banken miteinander in Kontakt, wobei dies über die Verrechnung der Geldflüsse zwischen den Konten der beteiligten Banken geschieht: Dies tangiert die zweite Ebene, nämlich die des Interbank-Kreditmarktes. Die Überweisung von einem Kundenkonto der Geschäftsbank A auf ein Kundenkonto der Geschäftsbank B stellt für erstere einen Zahlungsausgang und für letztere einen Zahlungseingang dar, wobei die gegenseitigen Zahlungsflüsse auf den Interbank-Kreditkonten verrechnet werden. Die Geschäftsbank A unterhält bei jeder Geschäftsbank, auf deren Kundenkonten sie Giralgeld überweist, ein Interbank-Kreditkonto, während umgekehrt jede Geschäftsbank, die Überweisungen an die Geschäftsbank A tätigt, bei dieser ein Interbank-Kreditkonto unterhält. Das von den Geschäftsbanken gegenseitig akzeptierte bilaterale Geld könnte man unter rein diesen Gesichtspunkten mit H. Seiffert »Interbankgeld« (Seiffert 2014: 26) nennen.

Dabei treten die Geschäftsbanken am Geldmarkt als Kreditgeber und Kreditnehmer auf, je nachdem, welche Zahlungsverpflichtungen und Geldzuflüsse an einem Tag stattfinden; es handelt sich hier um Kredite, die von einem Tag auf den nächsten Tag (Tagesgeld) vergeben werden, wobei die Spannen in diesen Kreditgeschäften eher gering sind (die Laufzeiten der Kredite sind kurz, aber die Volumina hoch). Hinsichtlich des Liquiditätsmanagements der Banken bedeutet das, dass sie wenig Reserven für ihre Zahlungsverpflichtungen halten müssen, weil sie sich am Geldmarkt die Mittel relativ leicht beschaffen können.4 (Vgl. Zeise 2011: 100f.) Es gilt an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass im Interbankenhandel nicht nur die Interbank-Kreditkonten glatt gestellt werden, sondern die privaten Banken vergeben über diese Konten untereinander auch hohe Kredite, sie handeln untereinander Wertpapiere oder sie betreiben bilaterale Devisengeschäfte.Die Bedeutung des Interbankengeschäfts impliziert, dass die Liquiditätsrisiken (Refinanzierung) der Banken jetzt von Zinssatzänderungsrisiken begleitet werden, womit die Refinanzierung einer Bank auch von den Zinsforderungen anderer Gläubigerbanken abhängig wird, wobei die Risiken desto höher erscheinen, je stärker die Volatilität an Geld- und Kapitalmärkten schwankt. Das Verweigern kurzfristiger neuer Refinanzierungen kann für eine Bank katastrophale Folgen haben.

3) Auf der dritten Ebene findet der Geldverkehr zwischen den Geschäftsbanken und den Zentralbanken statt. Die Geschäftsbanken sind verpflichtet bei den Zentralbanken Konten zu unterhalten und erhalten von ihnen das Zentralbankgeld. Kommt es zwischen zwei privaten Banken zu erheblichen Differenzen auf ihren Interbank-Kreditkonten, so kann die kreditierende Bank von der anderen die Begleichung der Schulden durch Zentralbankgeld verlangen, sodass es zu Zahlungsflüssen zwischen den Zentralbankkonten der privaten Banken und gleichzeitig zu einer Korrektur auf den Interbank-Kreditkonten kommt. Hat eine private Bank zu wenig Zentralbankgeld zur Verfügung, so muss sie einen Kredit bei der Zentralbank aufnehmen.

Für die Banken stellen sich folgende Aufgaben: 1) Die Vergabe von Krediten an den Techniken der Finanzierung von Zahlungsfähigkeit und der Risikobewertung von Zahlungsversprechen zu orientieren. 2) Das Risikokalkül (preisliche Bewertung der Risiken) positiv zu bewirtschaften. 3) Die unterschiedlichen Fristen von Einlagen und Kreditvergaben zu koordinieren, d. h. höherverzinste längerfristige Kredite mit kürzeren, zum Teil täglich zu erneuernden und niedrig verzinsten Einlagen abzusichern und damit die Losgrößentransformation (Ausgleich zwischen Kreditangebot und -nachfrage) und die Fristentransformation (temporaler Ausgleich zwischen Geldanlagen und Krediten) zu garantieren. Die Verweigerung kurzfristiger Refinanzierung verschärft für eine private Bank die Gefahr der Illiquidität. 4) Die Sicherheiten der Kunden zu bewerten und gegebenenfalls einzufordern, wobei heute auch diverse Zahlungsversprechen als Sicherheit gelten können, womit die Erwartungen künftiger Zahlungen wiederum die Erwartungen zukünftiger Zahlungen absichern. Allerdings werden von den privaten Banken auch vielfach unbesicherte Kredite an Unternehmen und Haushalte vergeben. 5) Die breite Adressierung der Risiken bzw. die Risikokompensation durch das Hedging vorzunehmen. 6) Die Kreditschöpfung und den profitbringenden Handel mit fiktivem/spekulativen Kapital zu betreiben. 7) Ganz allgemein die Fähigkeit, rechtzeitig die Geldanschlüsse zu sichern, die in bestimmten konjunkturellen Situationen freilich nur zu hohen Kosten zu haben sind.

Diese Funktionen stehen heute bei den großen Privatbanken im Kontext der Integration von Geschäfts- und Investmentbanking. Hinsichtlich des letzteren unterhalten die Banken weitverzweigte globale Schattenbankensysteme5, um den weitgehend unsichtbaren Handel mit synthetischen Wertpapieren zu betreiben, das heißt ohne dass der Staat und die verschiedenen Bankenaufsichten größere Möglichkeiten zur Regulierung des Derivathandels besäßen. Die großen privaten Banken unterhalten also selbst zahlreiche Schattenbanken in der Form von außerbilanziellen Zweckgesellschaften, um die staatliche Bankenregulierung zu umgehen und ihre Gewinne der Besteuerung zu entziehen oder um Verbindlichkeiten und Verluste vor ihren Aktionären, der Bankenaufsicht und der Öffentlichkeit zu verbergen. Die Schattenbanken sind als Pole und als Relationen zu verstehen, die außerhalb der Bilanzierung regulärer Geschäftsbanken und damit auch außerhalb staatlicher und transnationaler Regulationsinstanzen fungieren, ein Resultat dessen, dass die globalen Wertschöpfungsketten, in denen ständig komplexe Derivat- und Verbriefungsketten stattfinden, für das Kapital immer wichtiger werden. Man schätzt, dass die Schattenbanken im Jahr 2011 ein Drittel des globalen Volumens an Finanzrelationen abgewickelt haben. (Sahr 2017: Kindle-Edition: 5120)

Die Geschäftsbanken schöpfen im Vorgriff auf die zukünftige Verwertung sog. Giralgeld, das Zahlungsfunktionen wie Bargeld besitzt, sodass die Wirksamkeit ihrer Zahlungsmittel ihre Schranken nicht am gegebenen Stand der Depositen, sondern unter anderem an der Zahlungsfähigkeit der Kunden und im Vertrauen findet, dass eine zukünftige positive wirtschaftliche Entwicklung innerhalb eines Landes und auf internationaler Ebene stattfinden wird. Das Kreditmanagement der Geschäftsbanken erstreckt sich auf die Akquisition von Kreditnehmern, die Prüfung ihrer Kreditwürdigkeit bzw. ihrer Bonität (ihrer Sicherheiten) sowie auf die reibungslose Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Akkumulation von Gewinnen durch die Einnahme von Zinsen. Das Potenzial zur Kreditschöpfung ist wiederum an das Risikomanagement gebunden. Dabei sollen die Bilanzen dokumentieren, dass die privaten Banken die eigenen Zahlungsversprechen reibungslos mit denen anderer verbinden können; die privaten Banken rechtfertigen ihre eigenen Schulden mit den Schulden, die sie anderen durch die Kreditvergabe gewährt haben. Die Gläubiger auf der Passivseite der Bilanz sollen nämlich wissen, dass die Auswahl die Schuldner auf der Aktivseite der Bilanz genügend Zahlungsflüsse erzeugen werden, um die Schulden der Gläubiger zu bedienen, was wiederum einen kontinuierlichen Zustrom von Tilgungsmitteln für die Bedienung der Kredite benötigt. (Ebd.: 5607) Es ist ein primäres Ziel der Banken die Synchronisation von differenten Zahlungsströmen mit verschiedenen Zahlungsfristen herzustellen. Das Problem besteht nämlich darin, dass ein großer Teil der Vermögen der privaten Banken aus langfristigen Forderungen (Anleihen, Kredite etc.) besteht, die kurzfristig nicht realisierbar sind, während ihre Verbindlichkeiten zum großen Teil kurzfristig sind.

Das finanzielle Potenzial einer privaten Bank ist immer auch von der Quantität der potenziell verfügbaren Geldsummen in Relation zur Höhe ihrer Zahlungsanforderungen abhängig. Dazu bedarf es eines Liquiditätsmanagements, das sich auch um die permanente Sicherung der eigenen Kreditwürdigkeit, deren Funktion hier die Repräsentation und Realisierung der Zahlungsfähigkeit ist, bemüht. Liquiditätsrisiken müssen rechtzeitig erkannt und sollten bestenfalls vermieden werden, denn tauchen bei einer Bank tatsächlich Zahlungsschwierigkeiten auf, dann sind Restriktionen im Interbankenverkehr nicht auszuschließen und es müssen weitere Sicherheiten mobilisiert werden, um die eigene Zahlungsfähigkeit zu dokumentieren. Die Bank organisiert dafür ein Management für Sicherheiten, das ihre eigene Zahlungsfähigkeit gewährleisten soll: Bargeldvorräte und Reserven (Guthaben bei der Zentralbank zum Saldenausgleich mit anderen Banken oder Zahlungen an den Staat), die von anderen Banken ohne weiteres als Zahlungsmittel akzeptiert werden, sowie liquide Vermögenstitel, die sich jederzeit in Geld transferieren lassen. Dabei ist in den letzten Jahrzehnten das Verhältnis der Schulden zu den eigenen Zahlungsmitteln, das heißt den besonders liquiden Wertpapieren wie Staatsanleihen und Zentralbankgeld stark angestiegen, sodass immer mehr riskante Sicherheiten eingesetzt werden. Insgesamt hat sich das Geschäft mit den Sicherheiten und dem Pfand diversifiziert und zugleich multipliziert; so sicherte im Jahr 2007 ein einziges Pfand drei verschiedene Kredite ab. (Ebd.: 5538) Relativ sichere Schuldtitel wie Staatsanleihen werden nun von den Gläubigern auch immer stärker dazu benutzt, um die eigenen Schulden abzusichern, womit schnell sog. Collateral Chains entstehen können, Ketten von Versicherungen und Sicherheiten, die immer weiter wuchern.

Ein wichtiges Kriterium für die Zahlungsfähigkeit einer privaten Bank ist die Potenz zur eigenen Kreditschöpfung, welche u. a. die permanente Sondierung der ausreichenden monetären Kapazität der Kunden zur Kreditaufnahme (Bewertung ihrer wirtschaftlichen Performance hinsichtlich ihrer Kreditwürdigkeit; Bonität der Haushalte, Staaten und Unternehmen) durch die Bank beinhaltet, damit diese als Gläubiger dann eine Selektion und Kreditrationierung sowie die operative Konzentration auf eine vermeintlich sichere Risikobereitschaft von Kunden vornehmen kann. Die Potenz Schulden zu begleichen ergibt sich bei einer privaten Bank weniger aus ihrem Eigenkapital als aus der Qualität ihrer Anlagen, und dies heißt eben auch aus der Kreditwürdigkeit und der finanziellen Potenz der Schuldner, wobei sich in der Tendenz die Strategien der privaten Banken heute weg von der Auswahl von konkreten Schuldnern und hin zu generellen Prozessbedingungen der Verschuldung bewegen, man denke hier dann an die Tauglichkeit bestimmter Risikomodelle, an die Volatilität der Ratings und der Marktpreise. Andererseits sind die Banken selbst auch dazu gezwungen, gegenüber den anderen Banken als Informationsproduzent sowie als Liquiditätsorganisation zu bestehen, um als kreditwürdige Schuldner überhaupt anerkannt zu werden.

Die Gestaltung der (erwarteten) Aktiva- und der (versprochenen) Passivageschäfte der privaten Banken erfordern schließlich ein Bilanzstrukturmanagement, mit dessen Hilfe in simultanen Verfahren die Fristen und Risiken tendenziell eher kurzfristiger Passiva mit tendenziell eher langfristigen Aktiva ab- und verglichen werden. Dieses Bilanzmanagement gleicht einem spezifischen Produktionsprozess, als dessen Resultat immer ein numerischer Eintrag zu verzeichnen ist, wobei die eingetragenen Preissummen heute zunehmend gemäß mathematischer Modelle entwickelt werden, die eine Zukunftsvorhersage inkludieren (Market-to-Model) und zugleich die soziale Plastizität von Bilanzierungsverfahren in Rechnung stellen.

Die privaten Banken setzen heute zudem auch auf die Extraktion der Einkommen der Lohnabhängigen. Dabei haben sie in den letzten Jahrzehnten in den Phasen der signifikant schwachen Klassenkämpfe immer wieder neue Methoden und Strategien entwickelt, die sich unter dem Stichwort des »Capturing« zusammenfassen lassen. Über die Privatisierung der Erziehung, der Bildung, des Wohnens und der Gesundheit, durch die Reduzierung des Sozialsystems und durch diverse Steuerreformen haben es die Staaten den privaten Banken ermöglicht, neue Zugänge zur Kaufkraft der Lohnabhängigen zu erlangen. In einem immer stärkerem Ausmaß werden heute über Versicherungs-, Hypotheken-, Studenten- und Konsumentenkredite und andere Kreditformen die Zugänge zur Bildung, Gesundheit, Wohnungen, Häusern und langfristigen Konsumgütern an die Kunden vermittelt, womit nicht nur die Versicherungen, sondern auch die privaten Banken direkt oder zumindest indirekt Profite aus der Absorption von Lohneinkommen generieren. Die graduelle Privatisierung der Altersversorgung stellt ein weiteres Mittel der Integration der Lohneinkommen in die Finanzindustrie dar. (Vgl. dazu Lapavitsas 2009) Der Kredit ist heute eine wichtige Quelle für die Reproduktion der Lohnabhängigen.

Die privaten Banken realisieren ihre Profite auch nach der Finanzkrise von 2008 weiterhin mit der Vergabe von Konsumentenkrediten an Haushalte, die permanent mit der Beschränkung der eigenen Zahlungsfähigkeit zu kämpfen haben. Mit den Konsumentenkrediten kann der Wert des Anteils des Warenkorbs, der durch den Reallohn finanziert wird, vermindert und damit können die Profite gesteigert werden. Es sind also gerade auch die Kreditierungen und die Innovationen des finanziellen Kapitals, die zu signifikanten Senkungen der Reallöhne führen. (Vgl. Sotiropoulos//Milios/Lapatsioras 2013: 57) Hypothekenkredite eröffnen weitere Potenziale für Reallohnsenkungen; sie sind aber nicht nur unter dem Aspekt der Verschuldung zu betrachten, denn mit einem Hypothekenkredit leiht ein Haushalt ja nicht nur Geld, sondern er besitzt zumindest potenziell einen Vermögenswert (Haus). Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen nun auch zukünftige Löhne als ein Vermögenswert in den finanzialisierten Portfolios der Haushalte, womit die Löhne, wenn es auch nur geringe Summen sind, zu einer Form des fiktiven Kapitals mutieren und somit unterliegen heute schließlich Teile der Geldressourcen der Haushalte den Bewegungen der Kapitalisierung und den entsprechenden Marktrisiken, wobei sich eine scheinbare Identität der Interessen zwischen Arbeit und Kapital herausbilden kann, die vor allem in der Vergrößerung der Vermögenswerte der Haushalte besteht.

Kommen wir nun zur Frage, wie die von den Geschäftsbanken ausgegebenen Kredite von den Kreditnehmern verwendet werden: 1) Es kommt zur Finanzierung von Investitionen der industriellen und kommerziellen Unternehmen, die der Anschaffung von Maschinen, Energien und Rohstoffen dienen, zur Einstellung von Arbeitskräften und womöglich zur Verbesserung der Produktionsprozesse in technologischer Hinsicht, sodass in Zukunft die Produktivität der Unternehmen steigt, das heißt in einer gegebenen Zeitfrist mehr oder qualitativ höherwertige Produkte und Dienstleistungen gegenüber denen der Vorperiode verkauft werden können. Damit erhöht sich das gesamtwirtschaftliche Angebot und eben auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, während nicht realisierte Investitionsprojekte hingegen zur Inflation führen können, da den Ausgaben kein Mehrprodukt gegenübersteht. Hypothekarkredite sind nur dann als produktiv einzuschätzen, wenn sie zum Bau von neuen Häusern verwendet werden.

2) Das Geld wird zur Finanzierung des Kaufs von bereits existierenden Waren und Dienstleistungen verwendet und kann damit unter bestimmten Umständen inflationär wirken, insofern sich die Geldmenge erhöht, ohne dass zusätzliche Waren hergestellt werden. Zwar erhöht sich die Nachfrage, aber das Angebot bleibt konstant (Konsumentenkredite oder Ankauf von Staatsschulden durch Unternehmen).

3) Es kommt zum Kauf von Wertpapieren, Immobilien und Derivaten und demgemäß meistens zur Vermögensinflation an den Finanzmärkten. Es ist davon auszugehen, dass seit dem Jahr 1990 ungefähr drei Viertel des von den Geschäftsbanken erzeugten Giralgeldes für den Kauf von verschiedenen Finanzanlagen verwendet werden (Huber: ), was einen selbstverstärkenden Effekt nach sich zieht, denn je mehr die Wertpapiere (und Immobilien) am Markt im Preis steigen, desto leichter vergeben Banken neue Kredite, die für den Kauf von Wertpapieren eingesetzt werden und damit eine weitere Steigerung der Wertpapierpreise initiieren, was wiederum zum Schöpfen von neuen Krediten führt and so on. Somit kommt es zu ständig steigenden Kursen und steigenden Immobilienpreisen – anhaltende Preissteigerungen an den Finanzmärkten führen zu Blasen.

Die drei möglichen Verwendungsarten der Kredite führen natürlich auch zu Interdependenzen zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen: So baut ein Unternehmen seine Kapazitäten aus, weil es mit einem Anstieg der Aufnahme von Konsumentenkrediten rechnet, oder es werden vermehrt Aktien auf Kredit gekauft, weil man mit steigenden Realinvestitionen der Unternehmen rechnet. Aufgrund der Erhöhung der Geldmenge kann es zu Preissteigerungen an den Börsen und an den Immobilienmärkten kommen, aber es können umgekehrt auch zuerst die Immobilienpreise steigen und darauf hin erhöht sich der Preis der Sicherheiten, was zu erneuten Kreditvergaben führt, womit wir es mit einer umgekehrten Kausalität zu tun haben, denn hier laufen die Immobilienpreise den Krediten voraus.

Wenn die Kreditschöpfung zum Kauf von Wertpapieren oder Derivaten führt, dann ist dies, so nehmen die meisten linken und heterodoxen Wirtschaftswissenschaftler an, rein unter einer unproduktiven Verwendung des Geldes zu veranschlagen. Zwar ist es richtig, dass die Kreditschöpfung zu Inflationierung von Vermögenswerten und spekulativen Blasen an den Finanzmärkten führen kann, dennoch zieht der Kredit (und der Handel von fiktivem und spekulativem Kapital) durchaus zu produktiven Wirkungen für das Kapital nach sich, ja der Kredit geht der Investition in das industrielle Kapital voraus bzw. ermöglicht sie erst, sieht man einmal von der Selbstfinanzierung der großen Unternehmen ab, die letzten Endes jedoch einer Eigenkreditierung gleichkommt.

Gegenwärtig vergeben die privaten Banken einen großen Anteil ihrer Kredite als Hypothekarkredite. Laut dem Schweizer Ökonomen Mathias Binswanger kann dieser Anteil, so eine von ihm zitierte Hypothekarstudie, die über die Kreditvergabe in 17 entwickelten Ländern (England, USA, Schweiz etc.) seit dem Jahr 1990 angefertigt wurde, im Durchschnitt bis zu 60% des Kreditvolumens der Banken ausmachen. (Binswanger 2015: Kindle Edition: 3297). Dies hängt einerseits mit der gestiegenen Anzahl der Eigentümer von Eigenheimen, zum anderen mit der steigenden Nachfrage nach immer teureren Wohnungen vor allem in den urbanen Ballungszentren der entwickelten Länder zusammen. Die großen industriellen und kommerziellen Unternehmen sind hingegen auf die Vergabe von Bankenkrediten oder selbst auf die Emission von Unternehmensanleihen heute nicht mehr unbedingt angewiesen, um etwa finanzielle Fonds für ihre eigenen Investments zu erhalten (sie geben eher neue Aktien aus oder finanzieren sich aus den Rückflüssen ihrer Investitionen). Im Jahr 2011 gingen laut Tony Norfield in Großbritannien nur 15% der Kredite an nicht-finanzielle Unternehmen, und 2/3 dieser Kredite waren keine Kapitalinvestments, sondern es waren kurzfristige Kredite, die hauptsächlich dazu dienten, den kurzfristigen Cash Flow der Unternehmen zu bedienen. (Norfield 2016: Kindle-Edition: 2643). (Die langfristig vergebenen Kredite für Unternehmen bleiben aber dennoch strukturell wichtig, obgleich eben nur ein kleiner Teil der Assets der privaten Banken in der Vergabe von Krediten für produktive Investments besteht.)

1 Der Wechselnehmer kann die Wechselforderung bis zum Fälligkeitstag an die Bank verkaufen, indem er den Wechsel diskontieren lässt, womit er den Gegenwert abzüglich des Diskonts erhält.

2 Der mit der Kreditvergabe erfolgende Zahlungsverkehr der Banken wird heute weitgehend digitalisiert und buchungstechnisch, das heißt mit Last- und Gutschriften abgerechnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr nicht nur der Beschleunigung der Geldtransaktionen dient, sondern er stärkt auch die Zugriffsmacht der privaten Banken auf die auf den Konten geparkten Geldsummen und diejenigen Geldsummen, die in einer Kapitalökonomie zirkulieren und die ihren spekulativen Kreditgeschäften dienen.

3 Das Bargeld ist an dieser Stelle vernachlässigbar, da dessen Anteil am Gesamtgeldvolumen mit ca. 10% gering ist. Mit der neuerdings in einigen Ländern vorangetriebenen Abschaffung des Bargeldes (in einigen Staaten Afrikas und in Schweden ist sie schon durchgesetzt, aber auch im Rest von Europa kommt es ständig zu weiteren Restriktionen bezüglich der Abhebung von Bargeld) intendieren die herrschenden Klassen neben neben dem Erschweren von illegalen Aktivitäten (ein Argument, das in der Öffentlichkeit meistens als einziges erwähnt wir) die Durchsetzung negativer Zinsen, die Steigerung der Gewinne der Kreditkartenunternehmen sowie der privaten Banken, die totale Überwachung des Zahlungsverkehrs und schließlich die Fixierung von Einlagen, wenn es um die Rettung dieser Banken geht. (Häring 2016: 60f.) Inzwischen verbieten die Staaten in immer höherem Maß das Bezahlen mit Bargeld, das sie ja selbst zum exklusiven gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt haben.

4 Die Akkumulation von Geldkapital inauguriert eine spezifische Struktur von Fristen, die hinsichtlich der Kapitalverfügbarkeit innerhalb der differenziellen Kapitalakkumulation stets zu berücksichtigen ist und die sich in sämtlichen Investitionsentscheidungen der Banken artikuliert, wobei es für diese diverse Optionen gibt, wenn sie mit unterschiedlichen Graden der Rentabilität und der Verfügbarkeit von Liquidität kalkulieren und spekulieren.

5 Die Schattenbanken sind Finanzunternehmen, die relativ selbstständig Kreditgeschäfte betreiben und bankähnliche Geschäftsmodelle verfolgen, ohne jedoch selbst über eine Banklizenz zu verfügen. Damit sind sie auch nicht an die Bankenregulierung und -aufsicht gebunden und können deswegen höhere Risiken eingehen, um noch höhere Profite als die Geschäftsbanken zu erzielen. Man rechnet die Investmentfonds, die Geldmarktfonds und die Hedgefonds dem Bereich der Schattenbanken zu. Die meisten Schattenbanken haben ihren juristischen Sitz in den bekannten Offshore-Zentren und Steueroasen. Laut des Berichts des European Systemic Risk Board (ESRB) vom Juli 2016 wurde von den Schattenbanken allein in der EU im vierten Quartal 2015 Kapital im Wert von 37 Billionen Euro angelegt. Dies entsprach etwa 36 Prozent der gesamten Aktiva des Finanzsystems. (ESRB 2016: 3).

Foto: Bernhard Weber

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