ZU John Smiths “Imperialism in the Twenty-First Century” (5)

Smith wirft unter anderem Harvey und Brenner vor, dass sie unterschätzen, dass die “hochkompetitiven Niedrigkostenproduzenten” (Brenner) ein Resultat des Triebes der Unternehmen der imperialistischen Volkswirtschaften war, die Kosten zu senken, indem sie relativ teure einheimische Arbeitskräfte durch billige aus dem Süden ersetzten. Unterschätzt wird zudem die Tatsache, dass die Überkapazitäten in den arbeitsintensiven Produktionsprozessen des Südens den imperialistischen Ökonomien geholfen hat, die Tendenz zur Überproduktion insofern einzudämmen, als im Süden in den Niedriglohnländern die Produktionskosten so weit gesenkt wurden, dass die internationalen Märkte weiter wachsen und hohe Gewinnspannen bestehen bleiben können.

Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass der unterschiedliche Wert der Arbeitskraft und die Differenzen in der Produktivität der Arbeit in den verschiedenen Ländern nicht als ein einziges Phänomen zusammenzufassen sind, sondern zwei unterschiedliche Dimensionen des imperialistischen Kapital-Arbeits-Verhältnisses darstellen und deshalb voneinander getrennt werden müssen, weil man ansonsten marginalistische Produktivitätsvorstellungen einführt und die Lohnunterschiede auf Produktivitätsunterschiede reduziert. Vielmehr sei der .Wert der Arbeitskraft im globalen Süden viel niedriger und daher die Mehrwertrate viel höher ist als in den imperialistischen Ländern.

Smith fasst an dieser Stelle noch einmal zusammen: Einerseits gilt es die globale Arbeitsarbitrage zu bedenken, andererseits die Existenz einer massiven globalen Reservearmee, die dieses Weltsystem der extremen Ausbeutung erst möglich macht. Arbeitsarbitrage beinhaltet die Ausnutzung niedrigerer Löhne im Ausland, besonders in armen Ländern. Es ist also ein ungleicher Tauschprozess. Es ist diese Super-Ausbeutung, die hinter einem Großteil der Produktionsausweitung im globalen Süden steht. Die Tatsache, dass dies die Grundlage für das schnelle Wirtschaftswachstums einiger Schwellenländer allen voran Chinas war, ändert nichts an der Realität, dass enorme imperiale Renten für multinationale Konzerne und das Kapital im Zentrum des System geschaffen wurden.

Dass die Ausbeutung nun die Form der Super-Ausbeutung annimmt, liegt laut Smith zum Teil daran, dass in Ländern mit einer schnell wachsenden, ehemals bäuerlichen Arbeiterschaft autoritäre Regime im Süden und mächtige multinationale Konzerne aus dem Norden in der Lage waren, die üblichen sozialen Grenzen für zu niedrige Löhne, Arbeitszeiten und -bedingungen etc. zu überwinden, sodass die Löhne unter dem Wert der Arbeitskraft (den Kosten für die Lebensnotwendigkeiten) gehalten werden konnten. Außerdem betont Smith, dass auch die Unterdrückung der internationalen Mobilität von Arbeitskräften durch den Norden dazu beigetragen hat.

Durch die Verlagerung der Produktion bestimmter Güter in die weniger entwickelten Länder und Schwellenländer werden also die Kosten für deren Herstellung gesenkt, gerade weil die Löhne dort außergewöhnlich niedrig bleiben. Die unerschöpfliche Dynamik billiger Arbeitskraft ist somit laut Smith der Schlüsselfaktor für die Verlagerung der Produktion in den globalen Süden. Sie wird zudem durch die Zerlegung des Produktionsprozesses in einzelne Abläufe durch die Einführung neuer Technologien begünstigt. Viele dieser Vorgänge können von nicht spezialisierten Arbeitskräften durchgeführt werden. Und die Entwicklungen im Transport- und Kommunikationswesen machen es möglich, dass der gesamte Produktionsprozess auf eine größere Anzahl von Ländern verteilt wird.

Gegen Smith gilt es hier auf allgemeiner Ebene einzuwenden, dass es für das Kapital nicht in erster Linie auf die Ausdehnung des Marktes für Konsumgüter und damit auf die Höhe der Löhne, sondern in erster Linie auf die Ausdehnung der produktiven und finanziellen Kapitalverwertung ankommt und deshalb auch die Geldkapitalkreisläufe insgesamt auf internationaler Ebene untersucht werden müssen.

Sicherlich ist die Super-Ausbeutung auch nicht das einzig das dominierende Merkmal des modernen Imperialismus. Wie Smith selbst zeigt, stützte sich auch der Imperialismus des 19. Jahrhunderts auf die Super-Ausbeutung der Massen in den Kolonien (bis hin zur Sklaverei), und er zeigt, dass bei der Industrialisierung imperialistischer Länder wie Großbritannien im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert die Senkung der Löhne unter den Wert der Arbeitskraft ein mächtiger Faktor für die Ausbeutung der Arbeit war.

Zudem ist die Super-Ausbeutung auch in den imperialistischen Volkswirtschaften sichtbar, man denke an Null-Stunden-Verträge, bei denen die Arbeiter rund um die Uhr zu einem minimalen Lohn zur Verfügung stehen. In ganz Südeuropa, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei 40-50% liegt, sind junge Menschen gezwungen, bei ihren Eltern zu wohnen und in Niedriglohnjobs im Einzelhandel und in der Freizeitindustrie erbärmliche Summen zu verdienen. Und die Daten zeigen auch, dass die Armut für die untersten 10 % der Haushalte im Norden (einschließlich der USA) seit den 1980er Jahren zugenommen hat.

Die Theorie der Super-Ausbeutung beruht nicht auf der Annahme eines einzigen globalen Werts der Arbeitskraft. Die Vorstellung eines einzigen globalen Werts der Arbeitskraft negiert die Differenz zwischen der nationalen und internationalen Dimensionen. Wenn man aber hingegen Argument akzeptiert, dass es so viele Arbeitswerte gibt wie es Nationen gibt, dann könnte die Super-Ausbeutung einfach definiert werden als nationale Ausbeutungsraten, die höher sind als der globale Durchschnitt. Letztendlich verlagern die multinationalen Konzerne die Produktion dorthin, wo die Profitrate höher ist als dort, wo sie niedriger ist, und erzielen dadurch größere Gewinne.

Smith setzt sich auch mit den Theorien von Bettelheim und Amin auseinander. Charles Bettelheim hat zum Beispiel in seiner Kritik von Arghiri Emmanuels Unequal Exchange argumentiert, dass je mehr die Produktivkräfte entwickelt sind, desto mehr werden die Proletarier ausgebeutet. Niedrige Löhne entsprechen bestimmten sozioökonomischen Strukturen mit einem niedrigen Entwicklungsstand der Produktivkräfte und einer niedrigen organischen Zusammensetzung des Kapitals. Sie sind jedoch letztlich durch die Gesamtstruktur jeder spezifischen gesellschaftlichen Formation bestimmt. Der Begriff “Ausbeutung” bezeichnet für Bettelheim bestimmte Klassenverhältnisse der Produktion, die sich auf eine spezifische Gesellschaftsstruktur im Kontext eines jeden spezifischen Landes beziehen.

Samir Amin versucht die Theorie des ungleichen Austauschs mit Hilfe seiner Theorie der Akkumulation im globalen Maßstab zu begründen. Nach dieser Theorie entstand die Polarisierung des Lohnniveaus, die das globale kapitalistische System charakterisiert, aus den unterschiedlichen Entwicklungstypen, die die Metropole und die Peripherie verfolgen. Dies implizierte die Erkenntnis, dass Löhne keine “unabhängige Variable” sind. Die hohen Löhne sind das Ergebnis des im Zentrum verfolgten Entwicklungsmodells, des Modells der “autozentrischen” Entwicklung. Entsprechend sind die niedrigen Löhne der Peripherie das Ergebnis des Modells der “extravertierten” Kapitalakkumulation und einer Entwicklung, die der Peripherie vom Imperialismus aufgezwungen wurde. Mit anderen Worten, der ungleiche Austausch ist weniger die Ursache als vielmehr ein Effekt der Deformation und Unterentwicklung der Dritten Welt. So wird laut Amin in einem autozentrischen System die gleichzeitige Existenz, enge Verflechtung und parallele Entwicklung des Sektors, der Güter für den Massenkonsum produziert, und des Sektors, der Kapitalgüter produziert, vorausgesetzt. Aus diesem Grund, so folgert er, erfordert die Akkumulation eine ständige Ausweitung des Binnenmarktes und damit der Löhne, von denen die Ausweitung des Marktes für Konsumgüter abhängt. Im Gegensatz dazu erfordert die Entwicklung an der Peripherie keine Expansion des Binnenmarktes und damit der Löhne, weil das System extravertiert ist. Während also im Kontext Metropole-Peripherie-Theorien des Imperialismus ein singulärer Wert der Arbeitskraft angenommen wird, der gleich ihrem globalen Wert ist, werden nach Amin zwei verschiedene Preise für die Arbeitskraft erhoben, einer über dem Wert und der andere darunter. Aus der Polarisierung der Löhne entsteht dann nach dem von Emmanuel formulierten Schema der ungleiche Tausch. Bettelheim hatte sich gegen die der Aminschen Analyse zugrundeliegende Theorie des internationalen Werts der Arbeitskraft ausgesprochen: “Das Wertgesetz […] neigt [… ] dazu, die spezifischen Reproduktionsbedingungen jeder der verschiedenen gesellschaftlichen Formationen zu reproduzieren, was bedeutet, dass das jeder gesellschaftlichen Formation ‘eigene’ Lohnniveau nicht durch das ‘Weltniveau der Entwicklung der Produktivkräfte’ bestimmt werden kann (was in einem Weltsystem, das aus verschiedenen und gegensätzlichen gesellschaftlichen Formationen besteht, lediglich eine falsche Abstraktion ist), sondern dass es grundsätzlich mit der spezifischen Kombination von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen verbunden ist.“

Seit diese Debatte zum ersten Mal tobte, hat die neoliberale Ära und ihre entscheidende Transformation der Globalisierung der Produktion, für Smith das Argument der marxistischen Kritiker der Dependenztheorie fatal untergraben. Es kann für Smith nicht ernsthaft argumentiert werden, dass die globale Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer von peripherer Bedeutung ist.

Das durchaus marxistische Argument, dass höhere Produktivität im Norden auch bedeutet, dass höhere Löhne mit höheren Mehrwertraten vereinbar sind, wird für Smith durch eine einfache Tatsache eingeschränkt: Wie man von den Etiketten schon weiß, seien die von den Arbeitern im Norden konsumierten Konsumgüter nicht mehr ausschließlich oder hauptsächlich im Norden produziert; sie würden in immer größerem Umfang von Niedriglohnarbeitern im globalen Süden hergestellt. Ihre Produktivität, ihre Löhne bestimmen wesentlich den Wert des Warenkorbs der Konsumgüter, die die Arbeitskraft in den imperialistischen Ländern reproduzieren. Auch hier verengt Smith die Frage der Kapitalakkumulation wieder auf den Konsumgütersektor.

Smith schreibt weiterhin, hier gegen seine eigene Intention, dass der Wert und der Mehrwert, den eine Arbeitsstunde erzeugt, völlig unabhängig von ihrer Produktivität und der organischen Zusammensetzung des Kapitals sei, von dem sie eingesetzt würde. Dem muss widersprochen werden. Unter der Voraussetzung der Konstanz von Reallohn, Gesamtarbeitszeit und Warenabsatz führt jede Produktivitätssteigerung zu einer Verringerung des Warenwerts pro Produkteinheit und zu einer Erhöhung der Mehrwertrate. Gleichzeitig gilt es jedoch auch das Problem der Mehrwertmasse zu berücksichtigen. Dabei unterliegt die in der einzelnen Ware inkorporierte Mehrwertmasse infolge der Steigerung der Produktivität zwei gegenläufigen Tendenzen: Einerseits sinkt sie proportional zum generellem Wertverlust der einzelnen Ware, andererseits steigt sie in dem Maße, wie der Anteil des Mehrwerts am Gesamtwert der einzelnen Ware steigt. Der vom Einzelkapital produzierte Mehrwert ergibt sich aus der Multiplikation des in der einzelnen Ware inkorporierten Mehrwerts mit dem stofflichen Umfang der Produktion ergibt, der trotz eines geringen Einsatzes lebendiger Arbeit enorm ansteigen kann, infolgedessen auch die Gesamtwertmasse des Kapitals.

In der Auseinandersetzung mit Ernest Mandel diskutiert Smith noch einmal die Bedeutung des ungleichen Austauschs für den modernen Imperialismus. Mandel versucht in seinem Buch „Spätkapitalismus“ eine Theorie des ungleichen Austauschs zu entwickeln, die nicht aus höheren Ausbeutungsraten in abhängigen, halbkolonialen Nationen resultiert. Zwar erkennt Mandel an, dass Überschuss-Profite entstehen, wenn es möglich ist, den Preis, der für die Arbeitskraft gezahlt wird, auf ein Niveau unterhalb ihres gesellschaftlichen Wertes zu drücken, oder, was dasselbe ist, wenn es möglich ist, Arbeitskraft in Ländern zu kaufen, wo ihr Wert (Durchschnittspreis) niedriger ist als ihr Wert (Durchschnittspreis) in dem Lande ist, wo die Ware teurer verkauft wird. Später spricht er von “großen internationalen Unterschieden im Wert und Preis der Ware Arbeitskraft”, was den Eindruck erweckt, es gehe um eine höhere Mehrwertrate im unterentwickelten Land. Dennoch vertrat Mandel die streng orthodoxe Ansicht, dass es “in unterentwickelten Ländern eine niedrigere Rate des Mehrwerts” als in den imperialistischen Ländern gibt, wobei alle seine Ergebnisse von sehr unterschiedlichen organischen Zusammensetzungen des Kapitals herrühren. Was Mandel zeigen wollte, bestand darin, dass Werttransfers, die mit ungleichem Austausch verbunden sind, nur aus Unterschieden in der organischen Zusammensetzung resultieren, genauso wie zwischen verschiedenen Produktionszweigen innerhalb von Ländern.

In seinem Buch Rethinking Imperialism stellen Milios/Sotiropolous die wichtige Frage, wie es zu erklären sei, dass der prozentuale Anteil der internationalen Kapitalbewegungen, die in den globalen Süden fließen, im Vergleich zu den jeweiligen Anteilen, die innerhalb der entwickelten kapitalistischen Länder fließen, immer noch relativ klein bleibt. Darüber hinaus sind die Schwellenländer, die ausländische Direktinvestitionen und andere Formen der Kapitalinvestition in starkem Maß anziehen, durch Prozesse schneller wirtschaftlicher Entwicklung gekennzeichnet (China in der gegenwärtigen historischen Phase, Länder Südostasiens wie Taiwan und Südkorea in den 1980er und 1990er Jahren). Es sind Länder, denen es gelingt, die Entwicklungskluft zwischen sich und den fortgeschritteneren Ländern zu verkleinern oder in einigen Fällen sogar ganz zu schließen. Diese empirische Evidenz relativiert nicht nur das, was man als den Super-Exploitations-Ansatz von Smith bezeichnen kann, sondern auch den Kapitalüberschuss-Ansatz der klassischen Imperialismustheorien, der in modernen Ansätzen erhalten blieb. Schließlich stellt sie auch die Haupthypothese des Ansatzes des “ungleichen Austauschs” in Frage, nämlich, dass es eine Tendenz zu einer einheitlichen Profitrate in der Weltwirtschaft gibt. Es lohnt sich, an dieser Stelle daran zu erinnern, dass (a) in Industrieländern nach dem Ansatz des Kapitalüberschusses das Volumen des für die Akkumulation bestimmten Kapitals rasch zunimmt, während die Investitionsmöglichkeiten schrumpfen, sodass Kapital exportiert werden muss, während (b) nach dem Ansatz der Extraprofite bzw. der Super-Ausbeutung niedrig entwickelte Niedriglohnländer zu einer Quelle von Extraprofiten werden, indem sie den Selbstkostenpreis von Industrieprodukten senken, sodass diese Länder eher internationale Kapitalbewegungen anziehen dürften.

Die Realität ist jedoch insofern differenzierter, als dass die meisten ausländischen Direktinvestitionen nach wie vor zwischen den entwickelten Ländern selbst oder zwischen ihnen und Schwellenländern stattfinden. Die vergleichsweise geringe Beteiligung der Entwicklungsländer an den globalen Strömen von Direktinvestitionen widerlegt jedenfalls zumindest die These einiger Zentrum-Peripherie-Theorien, dass nämlich die Entwicklung der kapitalistischen Industrieländer ihren Ursprung in den Ländern der Dritten Welt hat.

Sie verrät nicht nur eine Ignoranz gegenüber den Bedingungen für die erweiterte Reproduktion des Kapitals, sondern steht auch im Widerspruch zu den empirischen Daten über die Industrialisierung der Länder der Peripherie, die zeigen, dass die Industrialisierung dort in erster Linie mit dem Binnenmarkt verbunden war. Entgegen den Annahmen der Theorien der Peripherie verläuft die Industrialisierung der Dritten Welt also hauptsächlich in Bezug auf den Binnenmarkt als endogener Prozess der kapitalistischen Akkumulation. Die Dynamik und das Ausmaß dieses Prozesses hängt von der jeweiligen gesellschaftlichen Formation ab und wird von ihr in erster Linie auf der Grundlage der internen Korrelation der Klassenkräfte, der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse usw. bestimmt. Die Verbesserung der Wettbewerbsposition bestimmter Länder auf dem internationalen Markt ist mit der Entwicklung des Klassenkampfes in ihnen verbunden, d.h. mit dem Grad der Durchdringung des Kapitalverhältnisses, der Erhöhung des Anteils des Mehrwerts usw. Nur unter solchen Bedingungen ist es möglich, dass die Höhe der Löhne zu einem Faktor in der internationalen Konkurrenz wird.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts schlossen sich eine Reihe “landwirtschaftlicher” Länder (hauptsächlich in Europa) durch eine radikale Reorganisation ihrer sozialen und produktiven Strukturen den Reihen der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder an. Gleichzeitig kam es zu einer tiefgreifenden Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses unter den imperialistischen Ländern, sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Hinsicht. Wenn der Anteil der Auslandsinvestitionen in den weniger entwickelten Länder auf niedrigem Niveau bleibt, dann deshalb, weil die Produktivität der Arbeit und vor allem vom Standpunkt des Kapitals die Profitrate in diesen Ländern deutlich niedriger bleibt als im “Zentrum”.

Smith meint hingegen, dass die marxistischen Ökonomen in ihrer Diskussion über die Rolle des Marxschen Gesetzes der Tendenz der fallenden Profitrate auf die internationalen Schwankungen der Mehrwertrate sowie auf die Veränderungen in der organischen Zusammensetzung des Kapitals (c/v) zu wenig eingehen. Es werde die Tatsache ignoriert, dass ein wesentlicher Teil des Mehrwerts, der von Firmen in imperialistischen Ländern als Profit realisiert wird, von Arbeitern in Niedriglohnländern extrahiert wird. Tatsächlich war das Niveau der Profitraten im Süden einmal höher, ist aber auch trotz steigender und höherer Mehrwertraten wieder gesunken sind.

Eine der Auswirkungen des veränderten Funktionierens des Wettbewerbs auf dem Weltmarkt ist es (neben anderen Ursachen), eine Reproduktion der Unterschiede in der Profitrate und der Produktivität der Arbeit zwischen den verschiedenen Ländern zu ermöglichen: die Beseitigung der Extraprofite durch die Mechanismen der Wechselkurse reduziert den Wettbewerbsdruck und ermöglicht die Reproduktion der unterschiedlichen nationalen Profitraten. Dabei gilt es zu beachten, dass die “Kreuzinvestitionen” zwischen den entwickelten Industrieländern, bei gleichzeitiger fortgesetzter Marginalisierung der armen Länder nicht völlig verschwunden ist. Die Kapitalbewegungen in die armen Länder des globalen Südens sind nach wie vor überschaubar, weil die Profitrate in diesen Ländern entgegen der Behauptung der Theorie des ungleichen Austauschs international auf niedrigem Niveau verharrt, und die Theorie des ungleichen Austauschs ein zu stark vereinfachtes Schema der internationalen Spezialisierung voraussetzt, das zwei absolut unterschiedliche Gruppen von Ländern vorsieht, von denen jedes Güter produziert, die das andere nicht konkurrenzfähig produziert. In Wirklichkeit importieren und exportieren die Entwicklungsländer in und aus den Industrieländern, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, Waren aller Art (UNCTAD, ebd.).

Der Kapitalexport aus einem Land mit höherer Arbeitsproduktivität in ein Land mit niedrigerer Arbeitsproduktivität hat zwei Folgen: Einerseits wird der Akkumulationsprozess im kapitalimportierenden Land beschleunigt, was im Allgemeinen die Tendenz zur Kontraktion der Gesamtprofitrate in diesem Land wieder verstärkt. Auf der anderen Seite führt die Rückführung eines Teils der Gewinne in das kapitalexportierende Land zu einer Erhöhung der Profitrate in diesem Land. Dies führt in der Tat zu einer Verringerung der Unterschiede zwischen der Gesamtprofitrate des höher entwickelten kapitalexportierenden Landes und der Profitrate des weniger entwickelten Industrielandes, das Kapital importiert. Wir sollten bedenken, dass dies ein Prozess ist, der ausschließlich die entwickelten kapitalistischen Länder und Schwellenländer betrifft. Dagegen spielen die am wenigsten entwickelten Länder weiterhin eine marginale Rolle in den internationalen Kapitalbewegungen und damit in der internationalen Tendenz zur Angleichung der nationalen Profitraten. Wir sollten auch bedenken, dass diese internationale Tendenz zur Angleichung der Profitrate in allen Fällen ein viel schwächerer Prozess ist als der entsprechende Prozess (Ausarbeitung einer allgemeinen Profitrate) innerhalb einer einheitlichen sozialen Formation. Gegen Smith wäre einzuwenden, dass es nicht nur die niedrigen Löhne in den weniger entwickelten Ländern sind, sondern auch die Produktivität der Arbeit und die Rentabilität der Investitionen (die Profitrate in einem Land), wie sie durch die Gesamtproduktion und die sozialen Beziehungen bestimmt werden, die wieerum über die Richtung des internationalen Handels und der Kapitalströme entscheiden. Darüber hinaus schließt die Organisation jedes gesellschaftlichen nationalen Kapitals auf der Ebene des eigenen Nationalstaates, die sich u.a. in der Existenz einer spezifischen nationalen Währung für jedes Land (Fehlen einer einheitlichen internationalen Währung für alle Länder) ausdrückt, sowie das Fortbestehen einer protektionistischen Wirtschaftspolitik, die den internationalen Handel einschränkt, die Bildung internationaler Produktionspreise und damit die Bildung einer internationalen allgemeinen Profitrate auf der Ebene des Weltmarktes aus. Die Profitrate ist daher von Land zu Land unterschiedlich und unterliegt nur unter den entwickelten kapitalistischen Ländern einem Angleichungsprozess auf der Basis ständig wachsender Volumina internationaler Investitionen. Verstärkt wird dieser Prozess durch das rasante Wachstum der globalisierten Finanzsphäre. Die unterentwickelten Länder hingegen befinden sich in der internationalen Hierarchie der Profitraten auf den unteren Stufen, was auf die Schwäche der Kontrolle des Kapitals über die vorkapitalistischen und vorindustriellen gesellschaftlichen Verhältnisse einerseits und über die Arbeiterklassen andererseits zurückzuführen ist, was zu einer folglich niedrigen Produktivität der Arbeit in diesen Ländern führt. Die unterentwickelten Länder sind daher schwach in den internationalen Handel integriert und nur geringfügig in den Kapitalverkehr eingebunden.

Foto: Stefan Paulus

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