Zur Frage der allgemeinen Bestimmung des Staates (Poulantzas, Paschukanis, Vogl etc.

Als wichtige Bestandteile des souveränen Nationalstaates werden gemeinhin in der modernen Völkerrechtslehre das Territorium, die Staatsgewalt und die Bevölkerung betrachtet. In der vom Strukturalismus inspirierten marxistischen Theorietradition hat Nicos Poulantzas im Anschluss an und in Absetzung zu Louis Althussers Analysen über die Ideologischen Staatsapparate (Althusser 1977) den Staat etwas elaborierter als »materielle Verdichtung eines Kräfteverhältnisses zwischen Klassen und Klassenfraktionen, das sich im Staat immer in spezifischer Form ausdrückt« (Poulantzas 1978:119) beschrieben. Das Primat haben in dieser Definition die Klassenkämpfe, die sozialen Kräfteverhältnisse und ihre Transformationen und schließlich die Stellungen der sozialen Agenten in Rahmen der Organisation und Reproduktion der Produktionsverhältnisse, welche für Poulantzas insbesondere durch die Trennung von geistiger und manueller Arbeit gekennzeichnet sind. Es lässt sich in aller Kürze sagen, dass Poulantzas in seiner Staatstheorie das komplexe Zusammenspiel zwischen der in den Produktionsverhältnissen materialisierten Arbeitsteilung und dem Staat innerhalb einer konkreten Gesellschaftsformation untersucht, die in letzter Instanz durch soziale Kräfte und Kräfteverhältnisse konstituiert wird. Gerade aufgrund seiner relativen Trennung von der Ökonomie kann der Staat als das Ensemble der ideologischen, repressiven und ökonomischen Staatsapparate die Bedingungen liefern, die es den herrschenden Klassen und Klassenfraktionen ermöglichen, sich als »Block an der Macht« zu konstituieren, innerhalb dessen es einer oder mehrerer Fraktionen gelingt, partikulare Interessen als allgemeine und hegemoniale Interessen darzustellen. (Ebd.: 239)1

Damit versucht Poulantzas im Gleichklang mit Pierre Bourdieus Analysen zum Staat (Bourdieu 2014), zumindest was die Stoßrichtung angeht, funktionalistischen Staatskonzeptionen, die den Staat rein von seinen Funktionen her definieren, eine Absage zu erteilen, indem die Funktionen selbst als umkämpfte staatliche Felder gefasst werden. Poulantzas unterscheidet sich erstens von juridischen Staatsauffassungen, die den Staat in den Begriffen des Rechts (Souveränität, Territorium, Verfassung, Gewaltenteilung, juristisches Eigentum etc.) beschreiben, zweitens von instrumentalistischen Positionen, die den Staat entweder als ein neutrales Werkzeug oder als ein Instrument der ökonomisch herrschenden Klassen fassen, drittens von ökonomistischen Auffassungen, die den Staat als Ausdruck oder rein als Transmissionsmechanismus ökonomischer Gesetzmäßigkeiten betrachten, und viertens von formanalytischen Theorien, die den Staat aus der kapitalistischen Zirkulationssphäre bzw. aus den die formelle Freiheit und Gleichheit (Verträge abschließende Akteure) garantierenden Marktmechanismen oder aus Kapitalstrukturen ableiten, um die Kohäsionsfunktion des Staates für die Ökonomie zu betonen, während dabei, so zumindest Poulantzas, die Klassenkämpfe und Kräfteverhältnisse nachgelagert oder als rein kontingent begriffen würden.

Die Fundierung der Kräfteverhältnisse in den Staatsapparaten beschreibt Poulantzas mit dem Begriff der Verdichtung, der für ihn anzeigt, dass die Kräfteverhältnisse von hierarchischen Gliederungen (der sozialen Kräfte) durchzogen sind, die sich in spezifischen diskursiv-materiellen Anordnungen verfestigen und damit in die Staatsapparate einschreiben. Für Poulantzas beruht der Apparat, der die Verdichtung des Kräfteverhältnisses materialisiert, auf einer spezifischen Zusammenfassung, Institutionalisierung und Bündelung von materiellen Praktiken. Diese Praktiken durchqueren sämtliche staatlichen Bereiche, das heißt sie finden in und zwischen den verschiedenen Staatsapparaten statt, wodurch sie eine spezifische Dichte und Relevanz erfahren, was nichts weiter bedeutet, als dass die Praktiken, die entweder in Gegensätzen zueinander stehen oder zu Kompromissen vermengt werden, im Staat ganz spezifische materielle Anordnungen finden müssen.2 Dies bedeutet, dass die Konfiguration der staatlichen Apparate materielle Strukturprinzipen besitzt, seien es etwa Mechanismen der »strukturellen Selektivität« (Offe 1975: 65f.), welche den Zugang zu den Apparaten für die Unterklassen versperren, bürokratische Verwaltungslogiken wie die »Prioritätendetermination«, die sich im organisatorischen Aufbau und der Gewichtung der verschiedenen Staatsapparate zeigt, und schließlich die »Filtrierung« von Interessen (es sind verschiedene politische Optionen vorhanden, aber nur bestimmte Maßnahmen werden umgesetzt). (Poulantzas 1978: 165f.)3 Je nach gegebenen Problemen werden ganz Komplexe von Maßnahmen in Gang gesetzt, die heute allerdings viel weniger konfliktuell sind, als dies Poulantzas noch angenommen hat, sondern im Problemhorizont einer technokratischen Elite verbleiben, womit sich ein weiteres Mal beweist, dass der Staat kein für alle sozialen Kräfte gleichermaßen zugängliches neutrales Terrain darstellt. Somit ist der Staat also keineswegs eine neutrale Anordnung, sondern er ist für die Kapitalinteressen weitaus empfänglicher als für Arbeiterinteressen, wobei diese Art der Relationalität permanent im Staat reproduziert werden muss.

Die »materielle Verdichtung« ist ein spezifischer Begriff, der die Konstitution, Reproduktion und Transformation des kapitalistischen Staates in seiner Materialität begründen soll. Darüber hinaus dient er dazu, den Staat als einen strategischen Prozess zu erfassen und die Staatsmacht auf die Machtrelationen und -strategien sozialer Kräfte und Klassen zu beziehen, um dann eben zu analysieren, wie genau die Prozesse der Konstitution von Staatsmacht stattfinden, aus welchen Interessen heraus soziale Kräfte und Klassen (ausgehend von ihrer Position in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung) mittels bestimmter Machttechniken politische Strategien und Taktiken gegenüber anderen Kräften einsetzen, wie sich diese Prozesse in die Strukturen und Politiken von Apparaten und in die Einheit des Staates einschreiben und welche Auswirkungen dies auf die Struktur und die Praxisformen innerhalb des Machtblocks, auf die Beziehungen zwischen Machtblock und subalternen Klassen und auf das instabile Kompromissgleichgewicht zwischen den Klassen hat. (Vgl. Gallas 2016)

Letzten Endes sieht Poulantzas den Staat als die (relative autonome, nicht reflexive) Reproduktion der Arbeitsteilung innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, und zwar in einer konkreten Gesellschaftsformation.4 Die kapitalistische Arbeitsteilung, deren adäquate Form Poulantzas im der Taylorismus sieht, schafft einerseits parzellierte, atomisierte Zellen und Einheiten, während andererseits die Raum-Zeit-Matrix seriell, kumulativ, kontinuierlich und homogen gestaltet ist und sich am klarsten in der Fließbandproduktion anzeigt. (Poulantzas 1978: 57) Mit solchen Aussagen bezieht Poulantzas sowohl das Recht als auch die institutionelle Struktur der staatlichen Apparate mehr oder weniger direkt auf die Produktionsverhältnisse, die sich einerseits durch die Individualisierung der Produzenten und andererseits durch die Synthesis der Arbeit (gesellschaftliche Arbeitsteilung bzw. arbeitsorganisatorische Wirkungen des Produktionsprozesses in der großen Industrie) auszeichnen. Es ist leicht einzusehen, dass dies zu einer Analogisierung der empirischen Bestimmungen des unter das Kapital reell subsumierten Produktionsprozesses und der Rechts- und Organisationsformen staatlicher Apparate führt. Zwar impliziert die Sichtweise von der relativen Autonomie des Staates eben nicht nur das verbindende Moment des Staates zu den Produktionsverhältnissen, letztendlich setzt aber Poulantzas die relative Autonomie des Staates mehr oder weniger voraus, ohne sie genauer zu explizieren. Zumindest widersetzt sich Poulantzas bezüglich einer Bestimmung der relativen Autonomie des Staates vehement Begründungsversuchen, die der sog. Staatsableitungsdebatte zuzuschlagen sind, weil deren Bestimmung der Zirkulation/Austauschrelation als erste Referenz für die Ableitung der Rechts- und Staatsform die Einbeziehung des Klassencharakters der Produktionsverhältnisse in die politische Theorie verunmögliche. Poulantzas ist an dieser Stelle, ganz unabhängig von der Stichhaltigkeit der Argumente, die in der Staatsableitungsdebatte vorgebracht werden, vorzuwerfen, dass er selbst keinen logischen Begriff vom Kapital besitzt und auch deshalb die Bedeutung der Klassenkämpfe, die für das Kapital konstitutiv zu sein scheinen, einfach überbetont, man kann sogar sagen, dass er den Kämpfen eine seltsam rationale, ja schon natürliche Fundierung gibt und sie ohne Begründung zu einer Antriebskraft macht. Da er zudem das Verhältnis Zirkulation-Produktion nicht näher bestimmt und den Schwerpunkt der Konfiguration des Verhältnisses von Staat und Ökonomie auf die Reproduktion der Arbeitsteilung in den Produktionsverhältnissen durch den Staat legt, ist zum der innere Zusammenhang zwischen Zirkulation und Produktion in der Kapitalform nicht erfasst, oder, um es in anderen Worten zu sagen, zum einen kann die Zirkulation nicht als die des Kapitals begriffen werden, während zum anderen das Verhältnis von Ökonomie und Staat ungeklärt bleibt.5

Die formanalytischen Staatstheorien behandeln den Staat, wenn wir kurz bei den von Althusser geprägten Begriffen bleiben, nicht auf der Ebene der konkreten Gesellschaftsformation, sondern allgemeiner auf der Ebene der Produktionsweise. Der Versuch, den Staat in seinen Grundzügen von der Zirkulation her allgemein zu bestimmen, hat einen direkten Bezug zur neuen deutschen Wertkritik, einer spezifischen Rezeption der Marx‘schen Wertformanalyse, die sich nach den Ereignissen des Mai 1968 entwickelte (stellvertretend hierfür Blanke, u. a. 1974) Allerdings wurde schon lange davor von dem russischen Rechtstheoretiker Paschukanis im Jahr 1923 die originär Marx‘sche Frage aufgeworfen, warum der Inhalt eine Form annehmen müsse, um die Frage dahingehend zu konkretisieren, warum eigentlich die Klassenherrschaft des Kapitals die Form eines außerökonomischen, eines mittels abstrakt-allgemeiner Gesetze regierenden Apparats der staatlichen Macht bedürfe. Paschukanis schreibt: »Warum nimmt sie die Form einer offiziellen staatlichen Herrschaft an, oder – was dasselbe ist – warum wird der Apparat des staatlichen Zwanges nicht als privater Apparat der herrschenden Klasse geschaffen, warum spaltet er sich von der letzteren ab und nimmt die Form eines unpersönlichen, von der Gesellschaft losgelösten Apparats der öffentlichen Macht an?« (Paschukanis 2003: 116) Um es kurz zu fassen, die allgemeinen Formbestimmungen des kapitalistischen Staates (Staatsmacht mittels öffentlicher Gewalt) werden von Paschukanis als notwendige Implikation der schon im Warentausch (zwischen formell freien Warenbesitzern) angelegten Rechtsprinzipien erklärt. Der explanatorische Bezug zum (kapitalistischen) Warentausch ist das Kennzeichen dieser rechts- und staatstheoretischen Position, oder, anders gesagt, die Zirkulationssphäre, die keineswegs als Schein, sondern als eine durch den Tausch konstituierte reale Form der materiellen Reproduktion des Kapitals (und damit als Bestandteil der Produktionsverhältnisse) begriffen wird, ist hier der Ausgangspunkt zur Bestimmung der Staatform.

Der Zusammenhang zwischen Wertform/Warenform und Staatsform wird also über die Rechtsform vermittelt. Die Wertrelation/Warenform als eine konstitutive ökonomische Form bestehe, so die Theoretiker, unabhängig vom Willen der Menschen (Blanke, u. a. 1974: 70), erfordere aber zugleich ein gemeinsames Einverständnis der Warenbesitzer, damit sie ihre Produkte überhaupt als Waren aufeinander beziehen können. Die Warenform impliziert also ein spezifisches soziales Verhältnis der Menschen zueinander, da die Waren eben »nicht selbst zu Markte gehn« (MEW 23: 99) können. Es müsse deshalb eine adäquate Form existieren, die es erlaube, die isolierten Privateigentümer als Subjekte miteinander zu verbinden. Dazu müssen die Warenbesitzer sich gegenseitig als freie und gleiche Privateigentümer ihrer Produkte anerkennen und dies in einer wechselseitig verpflichtenden Willensübereinstimmung auch zum Ausdruck bringen. Dazu benötigen sie wiederum den Vertrag, der damit als die »ursprüngliche Rechtsfigur« (Blanke, u. a.: 71) gilt. Und dies inhäriert eine Realabstraktion: Wie beim Tausch vom Gebrauchswert abstrahiert werde, so werde ihn ihm auch von den konkreten Individuen abstrahiert, womit einerseits die Wertform und andererseits formell freie und gleiche Rechtssubjekte erst denkbar seien. Wenn mit Marx dann davon gesprochen werden könne, dass der Rechtsinhalt die Rechtsform bestimme, so dahingehend, als dieser Inhalt, der als ein ökonomisches Verhältnis identifiziert werden könne, selbst eine spezifische rechtliche Form aufweise: der Inhalt, der die gesellschaftlich notwendige, abstrakte Arbeit betrifft, muss nicht nur eine ökonomische Form (Wertform), sondern auch eine rechtliche Form finden, die sich zwangsläufig in den kognitiven Strukturen der Akteure bewusst oder unbewusst reproduziert.6

Schließlich muss, um den Staat zu denken, die abstrakte Rechtsform im Staat als Legislative kodifiziert (»inhaltliche Rechtsgewissheit«) und als Exekutive garantiert werden (»Vollstreckungsgewissheit«).7 Jedoch setzt die Durchsetzung des Rechts voraus, dass es dem Staat gelingt, die Gewalt jenseits des Verfügungsbereichs von privaten Warenbesitzern zu monopolisieren – zwar sind die Rechtsformen eine notwendig immanente Bedingung für den Warentausch, aber um Wirkungen zu zeitigen, müssen sie gerade im Konfliktfall auch mit Zwang durchgesetzt werden können, sodass eine die Repressionsinstrumente monopolisierende Instanz, nämlich der Staat, die Bedingung für die Rechtsverhältnisse und somit gleichzeitig für den geregelten Warentausch ist. Das staatliche Gewaltmonopol zur Durchsetzung des Rechts ist also ein konstitutives Moment des Staates, der in seiner relativen Trennung von der Produktion immer auch Bedingungen für eine einigermaßen reibungslose Reproduktion der kapitalistischen Akkumulation setzt.

In der Staatsableitungstheorie fungiert das allgemeine Gesetz als ein staatliches Formprinzip, das den Rechtsverhältnissen, die je schon auf die Zirkulation bezogen sind, in der sich wiederum die Individuen als formell freie und gleiche Repräsentanten der Waren zueinander verhalten, adäquat ist. Dieses gesetzliche und unpersönliche Procedere markiert die abstrakte Gleichheit insofern, als ihre Wirkung eben keine andere sein kann als eine für alle gleiche Wirkung. In den Staatsableitungsdebatten wird allerdings hier schon die imaginäre Dimension der politischen Ideen, die Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit propagieren, vergessen, weil die Zirkulation einer spezielle Ware, nämlich die der Arbeitskraft, nicht ins Blickfeld gerät. Es ist die imaginäre Identifikation von (mehrwertschaffender) Arbeit und äquivalent getauschter Arbeitskraft, die in genetischer Hinsicht die Produktion imaginärer politischer Ideen erklärt. Es ist dann in der Tat die ökonomische Sphäre der Zirkulation, nämlich der Verkauf und Kauf der Arbeitskraft (die als Verkauf und Kauf von Arbeit erscheint), welche die politischen Ideen von Freiheit und Gleichheit verursacht.

Aufgrund eines salto mortale, man kann ihn auch »dialektische Kopplung« von Produktion und Zirkulation nennen (die als ein Verhältnis der Koexistenz oder der Kausalität oder wahlweise als ein funktionaler Zusammenhang dargestellt wird), wird der Rechtsstaat von den Ableitungstheoretikern doch noch als ein Klassenstaat ausgewiesen: So vermittelt nämlich die »dialektische Kopplung« die Freiheit/Gleichheit der Akteure auf der Ebene der Zirkulation und die Unfreiheit/Ungleichheit auf der Ebene der Produktion (Klassengesellschaft: Eigentum der Kapitalisten an Produktionsmitteln, während die davon befreiten Arbeiter nichts als ihre Arbeitskraft besitzen). Und somit besitzt der kapitalistische Staat eine doppelte Existenz, nämlich als Rechts- und Klassenstaat, als ein Staat, der neben seiner Funktion als Rechtsstaat, mit der er das formell freie und gleiche Rechtssubjekt garantiert, zugleich die Reproduktion des Kapitals absichert. (Ebd.: 72f.)

Jetzt zeigt sich aber, dass die Theorie der Staatsableitung, die sich in erster Linie auf die Waren- und Wertform kapriziert, Zirkulation und Produktion voneinander trennt (wie eben auch Poulantzas, wenn auch durch andere Begründungsweisen), zumindest bleibt die Vermittlung vage, gerade weil man selbst einen verkürzten Begriff der Zirkulation (nämlich lediglich die Warenzirkulation) benutzt. Es ist nämlich sowohl bei der Analyse des Kapitals als auch des Staates nicht von der Warenform, sondern vom Mehrwert und der monetären Kapitalzirkulation auszugehen, das heißt, dieKommodifizierung ist je schon an die Mehrwertproduktion und Kapitalisierung gekoppelt, und wenn Diskussionen über die Warenform, Kommodifizierung oder den Markt die Frage des Mehrwerts/Kapitals nicht aufwerfen, sind sie aus marxistischer Sicht abzulehnen. Und wenn der Staat bezüglich seiner Apparate und seines Personals eben gerade auch ein Interesse an sich selbst hat, dann heißt dies, dass der kapitalistische Staat, der sui generis ein Steuerstaat ist, strukturell von der Erzeugung eines Überschusses im kapitalistischen Akkumulationsprozess abhängig ist.

Stellen wir kurz dar, warum die die Staatsableitungstheorien einen völlig verkürzten Begriff von der Zirkulation haben. Marx geht im Kapital Band 2, von drei Kreisläufen des industriellen Kapitals aus, nämlich des Geldkapitals, des produktiven Kapitals (konstantes und variables Kapital) und des Warenkapitals, wobei er den gesamten Kreislauf des Kapitals, in welchen der des Geldkapitals eingeschlossen ist, in der Prozessformel GW (PM, AK) … P … W’ – Gerfasst. Neben der Produktionszeit (P) umfasst dieser Kreislauf zwei Phasen der Zirkulation, nämlich die Vorbereitungszeit (G-W) und die Realisierungszeit (W`-G`). Den gesamten Prozess nennt Marx in zeitlicher Hinsicht die Umschlagszeit. Marx verwendet den Begriff der Zirkulation abernicht nur für die beiden Phasen des An- und Verkaufs von Waren, sondern auch für die gesamte Dauer des Kapitalumschlags, der damit auch die Produktion enthält. Marx spricht dann von der gesamten Zirkulationszeit eines gegebenen Kapitals. (MEW 24: 154) Der gesamte Kreislauf des Kapitals ist der Kreislauf des Geldkapitals, insofern dieser die Kreislaufbewegungen, exakter die Spiralbewegungen des Kapitals umfassend strukturiert, repräsentiert und integriert, wie er auch Störungen innerhalb der Kreisläufe impliziert, insofern er selbst als ein je sich verschiebendes Zentrum fungiert. (MEW 24: 31ff.) Diese Formel der monetären Kapitalzirkulation ist der primäre Mechanismus der Kapitalökonomie, der die Warenproduktion als Produktion-für-den-Profit und als Produktion-für-die-Zirkulation konstant begleitet und einschließt. Zwar ist auch das Geldkapital ein Durchgangsmoment des gesamten Reproduktionsprozesses des Kapitals, wie Marx anmerkt (MEW 25: 406), aber ist erst einmal die Kapitalisierung als Bildung des fiktiven Kapitals, i. e. für Marx die entwickeltste Form des Kapitals, gesetzt, dann sind im Verhältnis zu ihm jegliche qualitativen Unterschiede der industriellen und kommerziellen Einzelkapitale, ihrer Produktionsprozesse und ihrer Waren, gelöscht. Marx schreibt: »… Und alles Kapital ist seinem Wertausdruck nach Geldkapital.« (Ebd.: 406) Fremdes oder eigenes Geldkapital ist der Motor für industrielle Unternehmen, die Waren (Maschinen, Gebäude, Energie, Rohstoffe, Software etc.) kaufen und Arbeitskräfte mieten, damit mit Mehrwert angereicherte Produkte produziert und auch realisiert werden können, so dass es zur Neubildung von Geldkapital kommt. Maschinerie, Energie, Produkte oder Produktionsprozesse sind eben an sich kein Kapital. Marx hat gezeigt, dass die obige Formel der entscheidende Ausdruck aller dem Kapital gemäßen ökonomischen Relationen ist und darin ist selbstverständlich die Produktion mit eingeschlossen, die als ein rein funktionaler Prozess, ein Prozess zur Herstellung des Profits fungiert. Das Kapital bindet den Produktionsprozess je schon an seine monetären Metamorphosen bzw. an die (monetäre) Gesamt-Zirkulation, i. e. die Produktion ist als eine Funktion und Phase der Zirkulation des Kapitals (im zweiten umfassenden Sinne) zu verstehen, dessen allgemeine Form sich in folgender Formel beschreiben lässt: G-W-P-W’-G’.8

Was heißt dies nun alles für die Bestimmung des Staates? Die Wirkungsmacht des kapitalistischen Staates besteht gerade darin, dass er eine absolute Autonomie nicht besitzt und damit die dem Kapital immanenten Axiomatiken, die wir hier nur kurz skizziert haben, beachten und durch seine eigenen Apparate in politische Macht übersetzen muss, und insofern ist der Staat gerade als relativ äußerlich zu den Mechanismen der Kapitalakkumulation zu begreifen, die durch die Gesamtheit von Prozessen der Produktion und Zirkulation determiniert werden, während er selbst durch seine Interventionen die ökonomisch-sozialen Relationen in spezifischer Weise reproduziert und sich damit innerhalb des Kapitalsystems befindet, gerade wenn er die Konsequenzen der Reibungen und Dynamiken innerhalb der Kapitalakkumulation abzufedern versucht, indem er etwa Gegentendenzen gegen den Fall der Profitrate erfindet oder durch seine Art der Antiproduktion überflüssiges Kapital absorbiert.

Dieser Aussage müssen wir voraussetzen, dass der Staat, der niemals als solcher gegeben ist, als eine Form sich in Latenz (virtuell) befindet und damit nur als konkreter historischer Staat gegeben ist, was diesen jedoch immer als die Reaktualisierung eines abstrakten Paradigmas erscheinen lässt, das seinen eigenen Horizont formt und realisiert. Die Staatsform ist also immer schon da und wird immer wieder neu geboren, einen Ursprung reaktualisierend, den es nie gegeben hat. Diese idealistische Konstruktion verweist stets von Neuem auf die ideelle Staatsform, die den materiellen Bedingungen des Staates vorausgesetzt ist, wobei der Staat als Staatsform sich aber nur deshalb als die Selbstbewegung seiner Idee (Hegel) identifizieren kann, weil er unfähig ist, seine Emergenz in der Zeit zu lokalisieren. (Vgl. dazu Sibertin-Blanc 2016: 19f.) Somit beinhaltet die Staatsform einen doppelten Exzess, nämlich den ihrer Idealität (die Selbstbewegung seiner Konzepte) und den der Materialität, der sich in den historischen Vereinnahmungsapparaten des Staates verdichtet. Dabei hat die materialistische Staatstheorie davon auszugehen, dass der Staat in erster Linie ein Apparat der Vereinnahmung ist, was bedeutet, dass danach gefragt werden muss, warum die Akkumulation seines ökonomischen Bestandes qua Steuern (nicht die Kapitalakkumulation als Fluss und Potenz) die objektive Form der Bewegung der Selbstkonstitution eines Machtkörpers annimmt, der sich ein Monopol über das aneignet, was er einnimmt und verteilt. Die paranoide Struktur, die in die Staatsform eingeschrieben ist (er muss sich immer selbst voraussetzen), lässt gerade verkennen, dass der Staat ein Vereinnahmungsapparat, aber eben auch die Unmöglichkeit dieser Vereinnahmung ist, letzteres jedoch nicht bezüglich der Unmöglichkeit der Struktur der Selbstvoraussetzung (Staatsform), sondern der Unmöglichkeit die Selbstvoraussetzung abschließen zu können, ohne das einzuschließen, was ihm ständig entflieht und seine Abschließung herausfordert, das heißt ohne anzuerkennen, wovon er als Steuerstaat immer abhängig bleibt, nämlich der Ökonomie. Der generische Faktor der staatlichen Dekomposition in Form der selbstbezüglichen Staatsparanoia ist dasselbe wie die Historisierung der Staatsform, im speziellen des kapitalistischen Steuerstaates.

Ab dem 17. Jahrhundert gilt das »gute Regieren« als ein ökonomisches Regieren, das von einer gewissen staatlichen Rationalität der Diskurse, der Begründungen und der Verfahren begleitet werden muss, womit sich schon der proto-kapitalistische Staat als eine Art von Unternehmen ausweist, das ein spezifisches Interventionsfeld hervorbringt, mit dem neue Objekte wie etwa die Bevölkerung, Territorien und Nationen erschaffen werden, die vor allem dazu da sind, den allgemeinen Reichtum der eigenen Ökonomie zu befördern. So reichen das Recht, die souveräne Staatsmacht und das demokratische Repräsentationssystem längst nicht aus, um zum einen die Steuerung der Vielzahl der Objekte und zum anderen die des physischen Staatskörpers selbst (nicht des repräsentativen) aufrechtzuerhalten, vielmehr benötigt der kapitalistische Staat zudem ein Arsenal technologisch-ökonomischer Methoden und Instrumente, um das Staatsproblem zu meistern, das immer auch um die Stimulation der Produktion des allgemeinen Reichtums kreist. So muss man die ökonomischen Staatsinterventionen und ihre Machttechnologien ab dem 17. Jahrhundert immer auch als Reaktion auf das Wachstum der industriellen Produktion und der Bevölkerung verstehen, wobei umgekehrt der Akkumulation von Kapital und Menschen die Steigerung staatlicher Macht korrespondiert.

Die Ausgabe des staatlichen Geldes, die Steuereinnahmen und der öffentliche Haushalt sind entscheidende Elemente einer staatlichen Souveränität, die mittels ihrer Apparate die Finanzverwaltung und die Verfügungsweisen öffentlicher Gelder übernommen und damit ein quasi-autonomes Interventionsfeld geschaffen hat, in das aber immer wieder partikulare Interessen von außen einsickern, welche die Souveränität des Staates bedrohen, zumal der Staat, wenn er Steuern erhebt, sich von den Vermögen und Einkommen anderer abhängig macht. Diese Abhängigkeit wird durch die Ausgabe von Staatsanleihen bzw. durch die kreditförmige Staatsfinanzierung, welche an das finanzielle Kapital gebunden ist, noch weiter forciert. So gerät der staatliche Fiskus zu einer fiktiven und abstrakten Rechtsperson, die eine Instanz unpersönlicher Kontinuität markiert – von ihm wird sogar als der Seele des Staates gesprochen, die aber der staatliche Souverän nie ganz unter seine Kontrolle nehmen kann, weil er eben Steuern von unsicheren privaten Einheiten, den Unternehmen und Haushalten, erheben muss. An dieser Stelle verschränken sich die staatliche Souveränität und die kapitalistische Ökonomie auf sehr eigentümliche Weise. (Vgl. Vogl 2015: 76f.)

Die Dreiheit aus Militär, Staatsanleihen und Steuererhebung muss als ein wichtiges Movens der Verfestigung des kapitalistischen Staates und seiner Apparate gelten, wobei zu bedenken ist, dass die Steuern und die staatlichen Schulden, die der Sicherung der staatlichen Souveränität dienen, den Staat gerade auch in die Zange nehmen. Wenn nach einer gängigen Definition, wie Carl Schmitt sie etwa ausführt, nur der Souverän über den Ausnahmezustand entscheiden kann, so werden doch Akteure (Financiers) und Mechanismen (Staatsschulden und Steuern) benötigt, die diese Entscheidung erst ermöglichen. Umgekehrt treiben die öffentlichen Schulden die Kapitalakkumulation und die private Vermögensbildung voran. Mit der Verflechtung von Steuern, öffentlichem Kredit und Staatsschulden ist schon früh in der Geschichte des Kapitalismus ein diagrammatisches, strategisches und polit-ökonomisches Macht-Feld bzw. Dispositiv etabliert worden, das von einem spezifischen Zusammenspiel von Staat und Kapital zeugt (im Gegensatz zur relativen Autonomie des Staates gegenüber dem Kapital). Innerhalb dieses Feldes entwickelte sich ab dem 17. Jahrhundert eine »seigniorale Macht« (ebd: 69f.), mit der es diversen Kapitalfraktionen gelang, sich in gewisser Unabhängigkeit gegenüber der juridischen Souveränität, den Parlamenten, der Exekutive und den Technologien der administrativen Staatsapparate selbst in das polit-ökonomische Feld einzuschleichen und festzusetzen, ein Feld, dessen Kohäsionskrafte von Anfang an durch diffuse, instabile und informelle Kräftekonstellationen zwischen Staat und Kapital gekennzeichnet waren. Joseph Vogl spricht bezüglich dieser polit-ökonomisch situierten Verschränkung von Staat und Kapital von diagrammatischen Anordnungen, in denen heterogene Einheiten, informelle Kräfteverhältnisse und strategische Politiken vermischt sind, obgleich es doch immer wieder zu Verdichtungen und Fusionen und damit zur Herstellung von wie auch immer fragilen Strukturen der Vereinheitlichung kommt.9

Es geht an dieser Stelle weniger um das Problem der relativen Trennung von Staat und Ökonomie, vielmehr um den wie auch immer fragilen inneren Zusammenhang von staatlicher Macht und privater Kapitalakkumulation, der einen spezifischen Typus der Macht einfordert. Dieser Typus seignioraler Macht lässt sich laut Vogl durch folgende genealogischen Merkmale charakterisieren (ebd.: 69ff.) 1) Die Macht verweist auf heterogene Gefüge, die sich aus rechtlichen Regularitäten, privaten Kapitalbewegungen und staatlichen Interventionen zusammensetzten, i. e. Modi, welche in spezifischen Konstellationen konvergieren wie auch divergieren, wobei die Aktivierung der staatlichen Macht sich nicht von der Kapitalmacht komplett absondern lässt. Staat und Ökonomie sind unter diesen meta-organisatorischen Gesichtspunkten zunächst als gleich ursprünglich zu verstehen. 2) Die Fiskalität, die durch Steuern und die Staatsschulden gekennzeichnet ist, treibt die Produktion des allgemeinen Reichtums voran, während sie umgekehrt auch von ihr abhängig bleibt. 3) Die Konvertierung von Teilen der staatlichen Macht in private Kapital-Macht war schon früh durch die Etablierung heterogener Assemblagen (Bank of England) gekennzeichnet, in denen es zur Integration von Rechtsregeln, politischen Interventionen, ökonomischen Infrastrukturen und diversen Kapitalstrategien durch die Bewirtschaftung des Systems der Staatsschulden kam. Mit der Überführung des Staatskredits unter die Herrschaft des privaten Risikomanagements ist die spekulative Finanzierung des privaten Kapitals auf Dauer gestellt. 4) Der Staat unterwirft sich mit der Emission von Staatsanleihen zunehmend der Macht privater Gläubiger, womit es zur verstärkten Auslösung von Kreditzyklen kommt, die von der Kapitalisierung des fiktiven Kapitals nicht mehr zu trennen sind. 5) Die informelle Konnexion zwischen staatlichen Strukturen und privater Kapitalisierung verfestigt sich sukzessive, womit stabile Infrastrukturen für den Geld- und Kapitalverkehr geschaffen werden können und zugleich das Kreditsystem gestärkt wird, das wiederum den umfangreichen Handel des fiktiven Kapitals ermöglicht.

Mit den Prozessen der Verstetigung von Staatsschulden, Steuerwesen und Kredit, die den ökonomischen Staat etabliert haben, ist gerade in den diversen Geld- und Fiskalangelegenheiten eine weitere souveräne Macht entstanden, die sich dem unmittelbaren Zugriff des Staates entzieht, nämlich die Zentral- oder Notenbank. Mit ihr entwickelt sich aber zugleich eine noch höhere Verflechtungsintensität und Organisationsdichte zwischen den privatwirtschaftlichen, staatlichen und transstaatlichen Strukturen und Institutionen, und zwar auf systemischer (Koordination von staatlichen Regierungspraxen und Ökonomie), auf technischer (Ausrichtung der Geldpolitik am Kapital) und schließlich auf personeller Ebene. Die Zentralbanken bilden das Scharnier für die Ko-Evolution zwischen staatlichen Strukturen und (finanziellem) Kapital, infolgedessen wechselseitige Abhängigkeiten sich verstärken und zugleich ein neuer spezifischer para-staatlicher Machttypus sich herausbildet.

1 Kräfteverhältnisse implizieren Ungleichheiten in den Sinn- und Kommunikationsverhältnissen: Während der herrschende Kader ständig Befehle ausgibt, die spezifische Wirkungen zeigen, erkennt der Beherrschte die Befehle und Kommunikationsformen andauernd an. Wer sich in seinen Verhaltensweisen den Regeln des kapitalistischen Staates nicht beugt, der wird in differenzierten Abstufungen klassifiziert und ein- oder ausgeschlossen, im besten Falle beides.

2 Diese Darstellung ist nicht so weit von einer Position entfernt, wie sie die von Derrida inspirierte feministische Theoretikerin Karen Barad formuliert hat: Apparate bestehen für sie aus spezifischen Anordnungen, die auf Einfaltungen, Schnitten und Ausschlüssen, das heißt auf materiell-diskursiven Praktiken beruhen, welche die für die Apparate notwendige Kohäsion erzeugen; die Materialisierung und Stabilisierung von Phänomenen, die durch Intraaktivitäten zustande kommen, findet in Apparaten statt, oder, um es anders zu sagen, Apparate sind das Resultat von materiell-diskursiven Praktiken, und diese produzieren entscheidende Unterschiede, indem sie sowohl Materien als auch Bedeutungen gestalten und damit Phänomene produzieren, von denen sie ein Teil sind. (Barad 2012: 31) Eine spezifische, materielle Konfiguration findet also in den Apparaten statt, was die Raum- und Zeitmatrizes anbelangt, die allerdings selbst nicht statisch zu verstehen sind, sondern dynamische Rekonfigurationen erfordern. Allerdings müsste jetzt gerade der Begriff der Kohäsion konkretisiert werden, da die materielle Verdichtung in Apparaten mehr als nur eine bloße Institutionalisierung von Intraaktivitäten ist, weil die Kohäsion nämlich zum einen ein ganz spezifisch strategisches Terrain impliziert, auf dem politische und ökonomische Konflikte und Kämpfe ausgetragen werden (also sehr spezifische Intraaktionen), zum anderen spezifische Apparate benötigt. Auf den Staat übertragen hieße dies dann, dass Staatsapparate spezifische materielle Konfigurationen der Welt sind, die durch Gruppen in Kämpfen materialisiert werden, womit Apparate eben nicht im Sinne von reinen Strukturen oder Instrumenten, sondern als materiell-diskursive Praktiken, die sich in spezifischen Anordnungen realisieren und verfestigen, zu begreifen sind. Poulantas schließt an dieser Stelle an den späten Althusser an und sagt, dass Apparate durch Energien, die aus den Klassenkämpfen entstehen, angetrieben werden, während die Apparate umgekehrt auch in die Klassenkämpfe einwirken und damit die einmal investierten Energien umwandeln.

3 Bob Jessop hat gegen Offe in starker Anlehnung an Poulantzas das Konzept der strategischen Selektivität ins Spiel gebracht, das stärker das Verhältnis zwischen den staatlichen Strukturen und den Strategien von Klassen innerhalb spezifischer Kräfteverhältnisse betont. (Jessop 2007)

4 Poulantzas unterscheidet zwischen dem abstrakt-formalen Begriff der Produktionsweise und dem real-konkreten Begriff der Produktionsverhältnisse/Gesellschaftsformation (der für den Staat entscheiden ist).

5 Das Recht wird als die institutionalisierte Form des staatlichen Gesetzes identifiziert oder als eine juristischen Ideologie bzw. als Ausdruck eines über der Produktion schwebenden Scheins begriffen.

6 Der Wert als die Form ökonomischer und sozialer Integration sowie als abstraktes Einheitsprinzip privater Arbeitsprodukte und das Recht als abstraktes Einheitsprinzip unabhängiger Privatproduzenten besitzen hier einen immanenten Zusammenhang.

7 Unter anderem haben die Autoren Hirsch/Kannankulam in ihrer Erweiterung von Poulantzas und der Formanalyse des Staates darauf hingewiesen (Hirsch/Kannankulam2006), dass die Rechtsformen auch in Institutionen materialisiert werden müssen, die spezifische Dynamiken, Reglementierungen und Muster aufweisen und mit den Rechtsformen nicht zusammenfallen. So sind materiell-diskursive Strukturprinzipien in die Institutionen eingeschrieben und lassen sich als »Institutionalisierungsweisen« und spezifische Einsatzpunkte der Verdichtung verstehen. Wie die Strukturbestimmungen im Kapitalismus historisch konkret aussehen, das hängt wiederum von den Kräfteverhältnissen und Kämpfen ab, die ihnen zum »Ausdruck« verhelfen. Der Staat »vergegenständlicht« die Formbestimmungen in einer politischen Form, die auf der Basis der ökonomischen Form begründet werden muss.

8Dies zeigt sich heute auch ganz materiell. Die globale Logistik indiziert die Subordination der Produktion unter die Bedingungen der Zirkulation. In der Logistik ist die Produktion letztendlich ein Moment in einem kontinuierlichen, heraklitischen Fluss; die Fabrik löst sich in einen planetarischen Strom auf, wird unterteilt in modulare Prozesse, die gemäß der wechselnden Anforderungen des Kapitals auf globaler Ebene kombiniert und rekombiniert werden können. Modulare Systeme lösen das Komplexitätsproblem, indem sie Informationen in eine «Black Box» überführen, in der Codes oder Informationen in separate Einheiten aufgeteilt werden. Lieferketten und Containerschiffe sind per se modular angelegt. So versucht die Logistik alles fixe Kapital in zirkulierendes Kapital zu transformieren, um selbst der reinsten und am stärksten liquiden Form des Kapitals näherzukommen: Geldkapital.

9Für Deleuze ist das Diagramm, das stets instabil und von informellen Kräften getragen ist, eine Machtfunktion, mit der man bestimmten Materien bestimmte Verhaltensweisen aufzwingen kann. (Deleuze 1987: 51f.)

Foto: Bernhard Weber

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