Gonzo

Gonzo (die reine Darstellung des Geschlechtsakts und der Verkettung von Partialobjekten im Pornofilm, ohne jeden Hauch einer den Akt umrahmenden Handlung) scheint deswegen so erregend und schal zugleich zuwirken, weil man schon so viele Filme gesehen hat. Die Lust will aber Wiederholung. (Zunächst wiederholt die Wiederholung nicht die Vergangenheit, so wie sie tatsächlich war, sondern deren Virtualität, die man eben nicht nur der Zukunft, sondern auch der Vergangenheit zugestehen muss.) Beim Pornofilm ist die Struktur der Wiederholung allerdings eher der bloßenKopie zugeneigt, wobei der Film eine spontane Aktivität, so scheint esjedenfalls, jenseits des Triebaufschubs und der Sublimierung (die genau genommenauch wiederholbar, also verschiebbar ist) bis in das letzte Detailausleuchtet und kodifiziert, um beim Zuschauer eine Erregung zu erzeugen. Körperdesign, Sprache & Geräusche, Stellungen & Szenen, Kameraeinstellungen& Licht unterliegen im Pornofilm einer strengen Kanonisierung. Darüber hinaus inszenieren die Filme und Clips (mit Hilfeder Schnitttechniken) das ewige Fantasma, dass es Sex so einfach gibt, überall, egal ob bei der Autopanne, beim Fernsehen oder am Strand. Inihrer Rolle als verkörperte Erregungsmaschinen können die Akteureimmer und sie können alles. Diese Fiktion faket die Sexualität, vor allem im Film, der die Imagination desZuschauers nicht, wie beispielsweise denLeser pornofiler Texte, in der Schwebe hält, sondern der durch die Abbildungund Darstellung unmittelbar zuschlägt. Während Sade alles sagen will, will der Sexfilm alles zeigen. So substituiert der Pornofilm in Permanenzdas Authenzitätswollen der Einbildungskräfte und der Subjekte, deren Begehren inmitten der Bilder/Filme, die vermeintlich nur ein Reales konnotieren, stabilisiert und zugleich destablisiert wird. Die chemisch-elektronischen Bilder des Pornofilms evozieren eine sexuelle Stimulation, diedurch Triebabfuhr durch Selbstbefridigung hindurch einen Kreislauf in Gang setzt, der des Partners und des Realen nicht mehr bedarf. Je mehr die gesellschaftlichen Teilsysteme jedoch ihre kulturellen Bezüge zur Sexualität kappen, desto drastischer werden die Bilder, die massenhaft auf den Aufzeichnungsflächen der Pornografie erscheinen, sowohl um der verbliebenen Sehnsucht nach greifbarem Sex Nahrung zu geben als auch die Widerwärtigkeit des puren Sex hervorzukehren bzw. über ihren Verlust zu trösten. Der Imperativ eines Genießens, das in der normalisierten Variante der Werbeindustrie den Sex ohne Körper serviert, zieht die Produktion von Bildmaschinerien nach sich, die ein programmatisches Interesses an dem Konsum von Sexualität befriedigen. Die Konsumenten des Sex bzw. die Süchtigen nach Sex pendeln permanent zwischen den Polen oversexed und underfucked, wobei die Superreichen den Sex eher in der Berlusconi-Variante vorführen, während die Underdogs eine internetgestützte Porn-Porn-Variante ausleben. Der Pornofilm besitzt ein variables Gefüge von Techniken des Sehens, die Kamera ist das allesüberragende Toy, das die Körper quasi auf Dauer penetriert. Körper, die sich in ihrer Ausrichtung auf die Stecher-Apparaturen optimieren. Im Einklang mit Anni Sprinkle wäre aber nicht die Zensur von Pornos zu fordern, sondern einfach bessere Pornos. In ihrem Buch »King Kong Theorie« stellt Virginie Despentes die Pornografie sowohl in das oszillierende Verhältnis von postmodernem »Sexdelirium«, der totalen Sexualisierung der Werbe- und Fernsehoberflächen, als auch der pornografischen Fiktion, die besagt, dass es Sex per se gibt. Ein Verhältnis, das der Porno laut Despentes nährt, weil er die Wirklichkeit und die Wirklichkeit den Porno nicht (aus)halten kann, und nichts ist einfacher, als einen Akt zu vollziehen, der an einem Authentizitätsmakel leidet, denn irgendwie ist der Akt vor der Kamera immer Arbeit und Spiel zugleich, wobei die weibliche Lust im Porno geheuchelt sein mag, und gerade das würden angeblich die männlichen Konsumenten einer Pornodarstellerin mehr als übel nehmen, aber mit seiner perfekten Fakeologie holt der Pornofilm das, was Sade in die dunklen Cabarets und der berühbaren Prostituierten verlegt hätte, in das Feld des Sichtbaren zurück, überbietet es und macht das Sexualobjekt zum Produkt eines globalisierten virtuellen Schaufensters.

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