Intime Einsichten in Deutschlands Büro- und Chefetagen (Szenen; 2)

Dem schwergewichtigen Fondsmanager eines Pensionsfonds,
der ein millionenschweres Portfolio diverser Schuldscheine verwaltet,
war von einer Großbank vor kurzem die Gründung
eines gegenüber den staatlichen Aufsichtsbehörden gut getarnten
Hedgefonds vorgeschlagen worden, um mittels eines
einzigen Schuldscheindarlehens ein spekulatives Investment
durchzuführen, das auf höchstes Leverage spekulieren sollte,
aber der Fondsmanager war im Silver Shadow in der kleinen
Bar zufällig auf Mansfeld getroffen, und dieser machte ihm
später im Separee binnen Minuten plausibel, dass es Zitat kompletter
Quatsch sei Umwege zu gehen, warum nicht gleich bei Mansfeld & Mansfeld anlegen oder andocken, eine Company, die ihm wie eben auch die Großbank ein synthetisches Wertpapier mit AAA-Rating und einer so gut wie sicheren deftigenRendite anbieten könne, und der Fondsmanager willigte im Beisein von Janine per Handschlag ein.

Mansfeld macht sich derzeit weder Gedanken über den
Eingang der Millionensumme im siebenstelligen Bereich noch
über die Höhe der Provision noch darüber, ob und wie diese
Summe Geldes über den Umweg einer Scheingesellschaft in der
Schweiz bei einer Treuhandgesellschaft in Jersey versteckt bzw.
investiert werden soll (weder Gedanken über die Performance
der Derivate, Deltas, Gammas etc., den üblichen Kram noch
…), während von einer externen Finanzgesellschaft ein Index
berechnet wird, um das Ganze durch die BaFin offiziell absegnen
zu lassen und um dann natürlich in der Schweiz nur noch
die Optionen zu kaufen, die auf den Index laufen, einen Hedge,
den seine Mitarbeiter schon tausendmal durchgezogen haben,
und Mansfeld schwindelt, als er durch die langen Flure des
Handelsraums von Mansfeld & Mansfeld im Walter-Beyer-
Haus zwischen schräg dreinschauenden Brokern, multiplen
Monitorsystemen und den Schreien nach schnellem Zugriff,
permanent Access, hin und her wandert, ja ihm schwindelt,
denn er weiß ja, dass der algorithmische Handel auf Basis
digitaler Kommunikationstechnologien der permanenten
Beschleunigung der Entscheidungsprozesse auch durch die
Subjekte bedarf, aber wozu hat er denn das eingespielte Team
von Finanzmathematikern, Physikern, Brokern und Sales –
managern, von dem sich zur Zeit circa dreißig Personen im
angeblich rauschfreien Handelsraum befinden, einem Meer
von pulsierenden und fibrillierenden Leuchtpunkten, auf
denen zig Patterns, Muster und Graphen flimmern, die auf die
verborgenen Rhythmen der Fluktuationen der Informationströme
und Aktienkurse verweisen, Syntagmen, die Preisignale mit weiteren Preissignalen verknüpfen, Mikropunkte im  Schaltkreis der globalen Geldchips, deren Signale von außenauf die Mikroknotenpunkte einstürzen und sie in einen Ozeanvon Unbestimmtheiten werfen können.

»Mansfeld, schau dir mal die hübschen Candlestick-Charts an, bin gerade in eine Longposition eingestiegen, da glasklar steigende Highs und
steigende Lows vorhanden waren, habe Stopps korrekt nachgezogen
und liege gerade bei blau 6 x 28 % der Position und der
Trend ist noch intakt«, hört Mansfeld einen Broker von weitem
kreischen, und Mansfeld winkt nur ab, und der Broker schüttelt
daraufhin nur ungläubig den Kopf, fährt die linke Hand wie
einen Scheibenwischer horizontal vor seinem Gesicht hin und
her, weniger nervös als für seine Verhältnisse geradezu stoisch,
bürstet sich dann mit der Hand beharrlich den silbernen
Bürstenschnitt und pfeift schrill mehrmals durch die Zähne.
Mansfeld spielt derweil unwirsch mit den Ecken eines Computerausdrucks,
auf dem die Bewegungen der Candlesticks eingefroren
zu sehen sind, die neckischen kleinen Säulen, die im
Einminutentakt Kursbewegungen beispielsweise im DAX abbilden.
Als brauchbares Tool spekulierender Targetübungen
und solider Kunstfertigkeit können Mansfeld die internen und
externen Computernetzwerke in den nächsten Tagen gestohlen
bleiben, vielleicht sollte er sich so schnell wie möglich sozusagen
präventiv auf die Suche nach einem brauchbaren Doppelgänger
machen, selbst die Wirtschaftskiller bzw. die Schakale
der US-Regierung sind ja jahrelang nicht an Saddam Hussein
herangekommen, so perfekt betrieb der das Spiel der Metamorphose
bzw. des Doppelgängers, so dass manchmal selbst
die engsten Vertrauten Husseins nicht wussten, ob sie es nun
mit dem echten Hussein oder mit einem Doppelgänger zu tun
hatten, präventiv auch deswegen, weil Mansfeld wirklich
glaubt, eine so nicht gewünschte Zukunft durch Maßnahmen
hier und jetzt stornieren zu können, er hat einfach ein schlechtes Gefühl wegen einiger Geldströme oder Derivate, deren
Volatilität im Zusammenhang mit staatlich eingespeister
Liquidität zwar erstmal absorbiert wurde, aber er fragt sich,
wie lange noch die Hedgefonds das Risiko jemanden anderem
weiterhin zuschieben können, und die letzten Pfändungen der
Vermögenswerte und Wertsachen insolventer Kreditnehmer
gingen nun einmal richtig in die Hose. Er fühlt, wie im Augenblick
Kreditgeld wie scherbenbesetzte Kolonnen duch die
Glasfaserkabel rasen könnte. Die dringlichen Anfragen des
Structure Marketing Fonds aus Singapur oder des Pensionfonds
A.L.T. aus Köln, die darauf hinauslaufen, deren beschissen
überflüssiges Geld irgendwie in die globalen digitalen
Geldinformationsmärkte einzuspeisen, access to cheap capital,
kommen ihm im Moment wie eine unglaubliche Unverfrorenheit
vor, okay, offene Grenzen für die Ströme von Güter,
Kapital, Geld und Dienstleistungen, das ja, aber was ist denn
mit den Menschen- oder Migrantenströmen, und soll er vielleicht
demnächst selbst als singuläres Einzelteil innerhalb der
Menschenströme auch einen Eintrittspreis zahlen, um etwa
nach Chile einreisen und dort handfest investieren zu können,
um darüber hinaus Steuern und Abgaben zu zahlen, was ihm ja
in Jersey, auf den Cayman Islands oder Isle of Man komplett
erspart bleibt, warum will er denn die Arme überhaupt noch
einmal hochkrempeln, um, ja um was denn bloß alles in aller
Welt. Einigen Brokern fällt auf, dass Mansfelds schokoladenbraune
Tweedhose mit einem Meer von noch dunkleren Flekken
übersät ist, und dass Mansfeld untypischerweise eine blaue
Wollkrawatte über dem hellbraunen Country & Western Hemd
trägt und die Ärmel nicht wie sonst hochgekrempelt hat. Mansfeld
perspektiviert in der Nähe des Arbeitsplatzes des Brokers
Denis seine Terrierqualitäten, mit Hilfe derer er früher den
Wettlauf zwischen ihm und Denis um stochastische Finanzund
Geldsströme geprobt und vielfach auch gewonnen hat,sekundenschnelle Einsätze wurden ausgelöst durch den entscheidenden
Klick auf das Touchpad des in das Armaturenbrett
aus Tulpenholz integrierten Computerboards in seinem
weißen Ferrari, als er sich tatsächlich noch für kurzfristige Verlaufszyklen
von Derivaten und deren Unsicherheiten auf Basis
von Echtzeitinformationssystemen megamäßig interessiert
hatte. Der neuerliche Sturzflug des Yens bzw. ungünstige Spreads
gedealter Aktien im XETRA-Handelssystem und die
dadurch eingefahrenen Verluste in einem der Portfolios von
Mansfeld & Mansfeld, das u.a. mit Währungsspekulationen
dealt, und zu dessen Risikomanagement und Bewertung sowohl
die Anwendung der Methode der Approximation als auch
die Monte-Carlo-Methode neulich schon gründlich versagt
hatten, auch trinominale Bäume brachten nichts, all das knabbert
kaum an Mansfelds weitgehend intuitiven Vorstellungen
und recycelten Theorien zur Unfehlbarkeit und zur Stärke seines
wohlverdienten, durchkonstruierten oder –designten Egos,
das gewissermaßen drauflos poltert wie manchmal sein Herz
laut poltert, insbesondere nachdem er die Spezialsalbe aufgetragen
und zumindest von subjektiver Seite her interstellaren
Weltraumsex gehabt hat, das Poltern schlimmer als ein Schuh
aus purem Stahl, der eine Stahltreppe hinunterstürzt. Tagelang
sitzt Mansfeld manchmal in den Büroräumen in der Nähe des
Hauptbahnhofs, weil ihn auch das Chaos=die Nähe zum Rotlichtviertel,
womöglich die virulente Brandlage, wie er sagt,
dort echt reize, denn ohne tief vermummt zu sein, könne er da
manchmal tiefenentspannt die Straßen, die zum Hauptbahnhof
führen, leger, anonym und locker entlang schlendern. Andererseits,
ähnlich den ubiquitären Vermarktungsstrategien der
Celebrities und Superreichen – die als Personen nicht trotz,
sondern gerade wegen ihrer Provinzialität die Bildschirme
der Welt beflastern –, setze er manchmal aus rein taktischen
Stimulanz-Gesichtspunkten und bis hin zur total über- oder durchgedrehten Sichtbarkeit auf das Lokale, ergo gehe die
politökonomische Forderung der Grünen bzw. der Alternativen,
die man z.B. auch beim McDonald’s-Franchise-Konzept
»Think Global, act local« verfolgen könne, bei ihm letztendlich
als reine Masche durch, Chichi, wie er sich ausdrückt, und
wenn es darauf ankäme, in Augenhöhe mit den Global-Players
der großen Banken zu operieren, habe er ja mehr als einmal
Teile seiner Finanznetzwerke als Übernahmekandidaten für
größere Investment-Companies angeboten, auch um den
Schwund des Repräsentierten in den Repräsentationen zu
vermeiden (ungewöhnlich für Mansfeld, sich dem leveraged
buyout anzubieten, bei dem über Fremdfinanzierung Unternehmensbeteiligungen  mit außergewöhnlichen Gewinnchancen
erworben werden), wobei seinem Hedgefonds wegen der
computergestützten Sequenzialisierung des Handels mit Derivaten,
Optionen und Zukunft mittels der vielfältigsten Börsensoftwareprogramme
die großen Banken kaum vorauseilenwürden, deren Kapitalpower und Kreditwürdigkeit er natürlich nicht bezweifeln möchte, aber auch bei den Schlüsselunternehmen könne sich das Blatt entgegen jeder Erwartung
manchmal wenden. Jedenfalls will er sich keine Sekunde mehr
mit der unvorstellbaren Vorstellung von seiner Fremdfinanzierung,
der Verzweigung und Vernetzung seiner eigenen Wert –
papierbestände beschäftigen, der Unvorhersehrbarkeit, Unles –
barkeit und Richtungslosigkeit der Finanzkapitalströme. Es
handelt sich um ein reines Gerücht, wenn bis in gewisse höhere
Finanzkreise hinein behauptet wird, dass Mansfeld sich in den
obersten Etagen der Villa am südlichen Mainufer ein Spiegelkabinett
einrichten ließ, wo nun Dutzende von Spiegeln im Sog
eines Spiegelfluidums sein virtuelles und aktuelles Spiegelbild
bis zur Ununterscheidbarkeit vervielfältigen, um vielleicht das
Gefühl von Endlosigkeit und Größe zu erzeugen oder um die
eigene Person als Verkörperung einer Politik der Schlagfertigkeiten auszugeben. Es geht um Personen, denkt Mansfeld,
die beispielseise der Ökonom Joseph Schumpeter mit einer
Semantik der totalen Mobilmachung als »die wahren Helden
der Moderne« bezeichnet, unglückliche Formulierungen, aber
was Schumpeter damit ausdrücken will, ist, dass in Zeiten
unsicherer Information, fehlender Handlungsrichtlinien und
sicherlich auch menschlicher Ungewissheit, die kreative
Destruktionskraft des Unternehmers als Stratege bzw. Spieler
anstelle eines vorliegenden Plans zu treten hat (und eben nicht
die Medien als technologische Subjekte), auch um die Geldströme
und Finanzspekulationen in einen etwas stabileren
dynamischen Reproduktionsmodus zu überführen, der dem
Entrepreneur zusätzliche Prämien einbringt, aber nicht nur
die (instabilen) Transaktionsprozesse in den elektronischen
Börsenhandelssystemen, sondern auch das Faktum, dass
Mansfelds individuelle Schöpferkraft manchmal in einem sehr
ungesunden Verhältnis zu den Koalitionen steht, die er mit
Teilhabersystemen, Expertenriegen oder Kundenströmen phasenweise
eingeht, was ihm schon den einen oder anderen
ordentlichen Rückschlag versetzt hat, beseitigen jeden Gedanken
an eine erfolgreiche Kopie des Schumpeterschen Schöpfungs-
Subjekts at once. Geschmackloser Weise hat Mansfeld
eine Liste von sogenannten »Bad-Vibes« angelegt, deren mindere
oder kleinste Selbste auch die Zwangsneurosen Mansfelds
bedeuten. Trotzdem haben die Kreditabteilung, die Broker, ja
der gesamte Investmentsektor von Mansfeld & Mansfeld und
vielleicht sogar Snaffu eingesehen, dass Mansfeld auch bereit
steht, ihre Wege zu bauen.

Denis fragt Mansfeld, nachdem dieser seinen Arbeitsplatz
nun seit circa zwanzig Minuten nicht mehr verlassen hat und
anscheinend nicht so recht weiß wohin des Weges, ob die Sucht,
die Sucht nach der Vermehrung des Geldes bzw. der Illuminierung
der ureigenen psychosemantischen Spekulationskraft durch das Kapital, die ganz entgegen der trivialen Drogensucht die Souveränität und Autonomie des Individuums möglicherweise nicht herabsetze, sondern entscheidend steigere, obwohl  man doch von etwas abhängig sei, ob die Sucht am Ende nicht doch in ein Blendwerk astronomischer Schuld- und Schuldendimensionen von unüberschaubarer Tragweite und Kompliziertheit ausarten könnte, nachdem es ja einfach misslungen sei,
die Maßlosigkeit durch Maßlosigkeit zu bekämpfen, und
Mansfeld sagt, dass er darüber vielleicht in brand eins und im
Capital nachlesen wolle, er möchte darüber hinaus natürlich
demnächst in diesen Schlabbermagazinen auch lesen, was für
ein großartiger Manager er doch sei, und im wesentlichen habe
es die Redakteurin von brand eins zu seiner vorläufigen
Zufriedenheit vollbracht. Seine Nasennebenhöhlen pochen
dumpf, ein sicheres Anzeichen, dass der derzeitige Standort im
Handelsraum, was den Längen- und Breitengrad angeht, eine
ungünstige Konstellation für ihn auch in physischer Hinsicht
miteinschließt, trotz des permanenten Anschlusses an sein
Lieblingslaptop und dem Faktum, dass Denis’ Tag-Imperative
ihm gewohnheitsmäßig noch ein letztes Quentchen Spielraum
lassen, zumindest was seine eigene psychosemantische Dimensionierung
und Kaprizierung in Hinsicht auf Deduktion und
Kreditierung seiner eigenen Leistung im Hedgefonds angeht,
seinetwegen der Heterotopien der Hochillusionierung, die man
einfach braucht, um hier weitgehend heil durchzukommen.
Denis grübelt. Okay, sagt er, auch seine eigenen expliziten
Süchte würden im Gegensatz zu denen Mansfelds oft noch viel
zu frontal gegen die Gesetze schlagen, gegen die Axiomatik der
Kapital- und Geldströme, auf Gleichungen und quantifizierbare
Verhältnisse einfach scheißen, da läge selbst dieser Chief
K. ja bezüglich der ökonomischen Axiomatik ja nicht ganz
falsch, eine Axiomatik, die ihre Variablen und Koeffizienten
permanent verschöbe, weil es keine externen Bedingungen gäbe, die der Axiomatik ihr immanentes Funktionieren exakt
vorschreiben würden, und wenn man sich auf diesen Wahnsinn
mal gedanklich einließe, dann käme manchmal so eine Figur
ähnlich wie Mansfeld dabei heraus, die durch das Geld
hindurch auf die Welt blicke, das sage ja wohl auch Chief K.,
dass Mansfeld Geld stets in den Augen mitführe, als eine Art
Färbung des Glaskörpers, die auf den Dingen und den Subjekten
läge, ein Split der Hornhaut, der die Welt nicht mehr anders
sehen ließe als gesplittet. Du bist jetzt alt genug, denkt Mansfeld,
du solltest dich langsam preisgeben und ruhen. Andererseits
eröffne, sagt Mansfeld, der Netzwerk-Kapitalismus neue,
ja aufregende Lebenschancen und Betätigungsfelder, er denke
da an das Verhältnis von Server und Clients im Cyberspace,
ein Traum, denn Eigentum sei einfach ebenso nervig wie der
Besitz an Dingen, Häusern und selbst digitalen Sicherungskopien,
nun ja, um seine »Besitztümer«, die man ja meist in ihrer
Übersetzbarkeit zu Zahlen denke, ja auch um sein Eigentum
sollten sich gefälligst andere kümmern, und er selbst werde
in Zukunft lediglich abonnieren und leasen, vielleicht sogar
Frauen. Flatrate, Abonnement, Nutzungslizenz. Das gilt
es hier und jetzt zu nutzen, denkt Mansfeld, obwohl sein indiskreter
Verkehr mit dem (virtuellen) Volkssport Sex in Zukunft
nicht unbedingt zu seinen Kerngeschäften zählen sollte. Mansfeld
erinnert sich an Geschäftspartner, die ihn vor ungefähr
fünf Jahren als grandiosen Prognostiker in den Himmel
lobten, an Zeiten, als er noch den Handel mit ausschließlich
Biotechnologieaktien favorisierte, als er etwas wie Geschichte
schrieb, bevor die Geschichte madig und monoton wurde und
die Zahlenströme, dargestellt in Kurven, Charts und Diagrammen,
ihn trotzdem fanden und nicht er die Geldströme,
Zahlen in der Dimension von Zählen 1-2-3-4-5 …; obwohl er
schnell als Eigentümer einer Zahl bzw. einer Summe nicht mehr
fassbar war, zu abstrakt und zu überflüssig, wie das Kreditgeld
in seiner reinen Überflüssigkeit, Ströme, deren wunderbare
abstrakte Bilder von Turbulenzen, Fluktuationen und Rhythmologien
ihn jenseits aller Darstellbarkeit des Vermehrens jetzt
fast die Tränen in die Augen treiben, so unvorstellbar ist das
Ganze.

Sein persönlicher Äquivalenzspielraum in Bezug auf neue
Technologien, die qua kybernetische Rückkoppelungen funktionieren,
sorgten schon an der Universität dafür, dass er in den
Seminaren ab und an das Parkett fegte, obwohl er damit nicht
immer mit Zuspruch oder Bewunderung bei den Kommilitonen
oder Professoren rechnen konnte, wonach ihm eigentlich
auch nicht so recht war, am wenigsten in London, wo er zwei
Gastsemester an der European-Business-School absolvierte
und den Hang zur Praxis früher als geplant mit einer Reihe von
Projekten realisierte, über die er bis heute lieber den Mantel des
Schweigens hüllt. Okay, sagt Denis, wodurch unterscheide ich
mich aber mit meiner Entschiedenheit, beispielsweise beim
Anblick eines Frauenkörpers das Geld mitzudenken, es überall
hineinzusehen, es förmlich zu riechen oder klingeln zu hören,
auch wenn der Münzverkehr längst verschwunden ist, wodurch
unterscheide ich mich also von der Masse der abscheulichsten
Businesstypen bis hin zu den Konsumenten der Jobcenter, von
all denjenigen, denen es nicht einmal bei einer Transaktion wie
dem Kauf einer Brezel oder eines Callgirls in all der Unterschiedslosigkeit
auffällt, dass sie neben der Nützlichkeit oder
Attraktivität der toten bzw. der lebendigen Ware zusätzlich
noch den Geldwert denken? Diese Marionetten der unbewussten
Vollzugslogik des Kredits, sagt Mansfeld. Der Geldwert
ist auch eine Denkleistung, hämmerte ihm gestern Chief K. im
großen Konferenzraum wieder einmal ein, als es um die Vermarktung
der audio-visuellen Installationen des russischen
Künstlers Rhagun ging, die sich beispielsweise mit dem Problem
des »lifetime value« des globalen Konsumenten auseinandersetzen. Nachdem Mansfeld Stunden später in der Nähe
des Hauptbahnhofs zu einer zumindest in der Silhouette attraktiven
Frau aufgeschlossen hatte, schrittweise und mit
einem für seine Verhältnisse vorsichtigen Maß an Diskretion,
warfen ihn sowohl die Gedanken als auch der Blick auf diesen
Rattenschwanz von großen, schweren, schwarzen Limousinen,
die auf dem vorderen Teil der Kaiserstraße entlang der Bordsteine
Stoßstange an Stoßstange standen, aus der Bahn, nicht
zuletzt die metallblauen Leuchtreklamen, die drei Blocks weiter
auf der Taunusstraße am klarsten zur Geltung kamen, und
ohne nach vorne zu schauen knallte er im Höllentempo auf
diese Frau, die er auf der Vernissage »Luxusinsignien von Andy
Warhol bis Rauschenberg« in der Kunsthalle Schirn nur ganz
kurz zu Gesicht bekommen hatte. Paradoxerweise zog die
Wucht des Aufpralls sowohl die Frau als auch Mansfeld
beinahe magnetisch oder magisch an. Auch das schreckliche
Erinnerungbild vom gestrigen Nachmittag, an dem er die
Spezialsalbe auf die rechte Schläfe aufgetragen und danach
sein Mountainbike mindestens achtundzwanzig Mal aus der
High-Design-Küche ins Badezimmer geschleppt und zurückgeschleppt
hatte und sich daraufhin eigentlich auf der Stelle
suizidal entsorgen wollte, kehrt glücklicherweise nur sehr vage
zurück, versickert ohne Blasen zu hinterlassen in den grund –
losen Geröll- und Gesteinsschichten seiner (virtuellen) Vergangenheit/
Erinnerung. Mansfeld würde es sich jetzt gerne auf
seiner weißen Ledercouch bequem machen und bei einem Glas
Gerolsteiner Sprudel mit einem Stück Limone entspannen, um
noch einmal die aktuellen Unterlagen zur Gründung der neuen
Erotik-Company im Jahr 2009 durchzugehen. Möglicherweise
auf diversen Webpages ein paar gewichtige Finanzmarkt –
analysen eingehender studieren, in denen behauptet wird, dass
in der Prosperität des Kapitalismus Laissez-faire gepredigt
werde, in Krisenzeiten – jede Krise ist Teil des Systems, das die Krise hervorbringt –12 der Staat als hyperkomplexe Umverteilungsmaschinerie
eben qua Verschuldung einspringen müsse, doch sei die Krise überstanden, würde der Marktradikalismusneu etabliert und die Staatsverschuldung durch Inflation verringert.
Letzten Endes kann das aber für ihn alles nur Ausdruck
eines erbärmlichen Schwarz-Weiß-Denkens sein, denkt Mansfeld,
gerade als Denis sich einen Teil der zerlesenen Ausgabe
der Financial Times vom Vortag greift und behauptet, er wolle
ja keine Prosopopoie betreiben, nein solch ein Schwein sei er
beileibe nicht, aber nach kurzem Überflug der veröffentlichten
Zahlen der Deutschen Bank für das 2. Quartal, werde da doch
heftig getrickst, Umbuchungsgewinne in Höhe von 876 Millionen,
also manchmal sollte man dem gesichtslosen System doch
ein Gesicht geben, und er wisse ja, Mansfeld habe es gerne, ein
politisches Gesicht einzunehmen. Dass die Banken mit der
Kalkulation und (elektronischen) Programmierung von Risiken
handeln würden, und dass manche dieser Programmierungen
eher Dissimulationen seien, das sei ja geschenkt. Die
Cash-Flow-Analyse für ein Zeitfenster von fünf Jahren sähe
auf Monitor 3/2 gar nicht schlecht aus, sagt Mansfeld zu Denis,
der unentwegt über sein multiples Monitor-System hinweg auf
das ungerahmte kleine Yves-Klein-Dreieck über dem langen
Sideboard an der Nordwand des Raumes sowie auf einen zakkigen,
überdimensionierten, goldenen Stern aus Aluminium
starrt. Das gute Stück ist so banal, dass vielleicht die Zahl der
Sterne, aus dem es zusammengesetzt ist, ein Zeichen von Möglichkeit
gibt. Der Handel mit erotischen Produkten sei kulturell,
semiotisch, sagt Mansfeld unvermittelt, allerdings müsse
die Karte des erotischen Textes noch ausgespielt werden, bis zu
den Rändern. Die Produktion hauptsächlich in einen neuen
Freizeitcenter nach Südamerika zu verlegen, erscheine ihm deswegen
als ein mehr als gelungener Schachzug. Nicht nur unter
dem Gesichtspunkt der Grundstückspreise, Betriebskosten,Hypothekenzinsen etc., die lateinamerikanischen Frauen ständen
in der Sexbranche auch hier in Frankfurt einfach hoch im
Kurs. Über eine Dependance in Moskau wäre nachzudenken.
Mansfeld sieht vor seinem inneren Auge, wie oft schon andere
vom Quell seines Wissens getrunken haben, zu einer Zeit, als
er noch bis tief in die Nacht vor dem Bildschirm saß, fluktuierende
Zahlenkolonnen an seinen geröteten, brennenden Augen
vorbeizogen, am Telefon konnektete er nerdige zukunftsorientierte
Netzwerkkapitalisten, denen er mit wachsendem Genuss
den Slogan Wachstum via Wachstum predigte, damit sie
später spritzige Superyachten kaufen oder betonbunkerartige
Villen bewohnen konnten wie andere Särge bewohnen, oder
um das Spiel einfach als Zahl anzuschauen. Und das war alles
»so yale«, wie er es von der Universität Boston kannte, wo er
ein Gastsemester absolviert hatte. Die neue Erotikcompany
wird ein Designlabor werden, das sich gewaschen hat, ein
Projekt, eine Idee, und sie bedarf eines durchschlagenden
Marketingkonzeptes. Mansfeld pupst unvorsichtigerweise.
Er ist inzwischen ein sehr erfahrener Geschäftsmann. Und in
Zukunft wird sich der Status einer Person vor allem an ihrem
Zugang zu Erfahrung bemessen. Er rülpst. Er benötigt dringendst
eine zweite Chefsekretärin. Er pupst ein zweites, ein
drittes Mal, während er Broker Denis sich gerade an high frequency
trading versucht, eine Flotte von flash orders in die
Computernetze jagt, mit denen er wahrscheinliche Vorsprünge
von Rechengeschwindigkeiten gegenüber der Konkurrenz dazu
nutzt, Kaufaufträge der Biotechnologiaktie Medicine PRG. in
das System einzugeben und Sekundenbruchteile später schon
wieder zu annullieren, um das Marktverhalten einiger Hedgefonds
in NYC und von Brokern der Esperanto Bank zu testen.
Mansfeld konnektiert nicht, steht auf und geht stattdessen zur
Toilette, um sich vielleicht die Aztekensalbe in kleinen, hübschen
Strähnchen auf die Stirn aufzutragen, was seiner Schlaf-
Krise hervorbringt –12 der Staat als hyperkomplexe Umverteilungsmaschinerie
eben qua Verschuldung einspringen müsse,
doch sei die Krise überstanden, würde der Marktradikalismus
neu etabliert und die Staatsverschuldung durch Inflation verringert.
Letzten Endes kann das aber für ihn alles nur Ausdruck
eines erbärmlichen Schwarz-Weiß-Denkens sein, denkt Mansfeld,
gerade als Denis sich einen Teil der zerlesenen Ausgabe
der Financial Times vom Vortag greift und behauptet, er wolle
ja keine Prosopopoie betreiben, nein solch ein Schwein sei er
beileibe nicht, aber nach kurzem Überflug der veröffentlichten
Zahlen der Deutschen Bank für das 2. Quartal, werde da doch
heftig getrickst, Umbuchungsgewinne in Höhe von 876 Millionen,
also manchmal sollte man dem gesichtslosen System doch
ein Gesicht geben, und er wisse ja, Mansfeld habe es gerne, ein
politisches Gesicht einzunehmen. Dass die Banken mit der
Kalkulation und (elektronischen) Programmierung von Risiken
handeln würden, und dass manche dieser Programmierungen
eher Dissimulationen seien, das sei ja geschenkt. Die
Cash-Flow-Analyse für ein Zeitfenster von fünf Jahren sähe
auf Monitor 3/2 gar nicht schlecht aus, sagt Mansfeld zu Denis,
der unentwegt über sein multiples Monitor-System hinweg auf
das ungerahmte kleine Yves-Klein-Dreieck über dem langen
Sideboard an der Nordwand des Raumes sowie auf einen zakkigen,
überdimensionierten, goldenen Stern aus Aluminium
starrt. Das gute Stück ist so banal, dass vielleicht die Zahl der
Sterne, aus dem es zusammengesetzt ist, ein Zeichen von Möglichkeit
gibt. Der Handel mit erotischen Produkten sei kulturell,
semiotisch, sagt Mansfeld unvermittelt, allerdings müsse
die Karte des erotischen Textes noch ausgespielt werden, bis zu
den Rändern. Die Produktion hauptsächlich in einen neuen
Freizeitcenter nach Südamerika zu verlegen, erscheine ihm deswegen
als ein mehr als gelungener Schachzug. Nicht nur unter
dem Gesichtspunkt der Grundstückspreise, Betriebskosten,Hypothekenzinsen etc., die lateinamerikanischen Frauen ständen
in der Sexbranche auch hier in Frankfurt einfach hoch im
Kurs. Über eine Dependance in Moskau wäre nachzudenken.
Mansfeld sieht vor seinem inneren Auge, wie oft schon andere
vom Quell seines Wissens getrunken haben, zu einer Zeit, als
er noch bis tief in die Nacht vor dem Bildschirm saß, fluktuierende
Zahlenkolonnen an seinen geröteten, brennenden Augen
vorbeizogen, am Telefon konnektete er nerdige zukunftsorientierte
Netzwerkkapitalisten, denen er mit wachsendem Genuss
den Slogan Wachstum via Wachstum predigte, damit sie
später spritzige Superyachten kaufen oder betonbunkerartige
Villen bewohnen konnten wie andere Särge bewohnen, oder
um das Spiel einfach als Zahl anzuschauen. Und das war alles
»so yale«, wie er es von der Universität Boston kannte, wo er
ein Gastsemester absolviert hatte. Die neue Erotikcompany
wird ein Designlabor werden, das sich gewaschen hat, ein
Projekt, eine Idee, und sie bedarf eines durchschlagenden
Marketingkonzeptes. Mansfeld pupst unvorsichtigerweise.
Er ist inzwischen ein sehr erfahrener Geschäftsmann. Und in
Zukunft wird sich der Status einer Person vor allem an ihrem
Zugang zu Erfahrung bemessen. Er rülpst. Er benötigt dringendst
eine zweite Chefsekretärin. Er pupst ein zweites, ein
drittes Mal, während er Broker Denis sich gerade an high frequency
trading versucht, eine Flotte von flash orders in die
Computernetze jagt, mit denen er wahrscheinliche Vorsprünge
von Rechengeschwindigkeiten gegenüber der Konkurrenz dazu
nutzt, Kaufaufträge der Biotechnologiaktie Medicine PRG. in
das System einzugeben und Sekundenbruchteile später schon
wieder zu annullieren, um das Marktverhalten einiger Hedgefonds
in NYC und von Brokern der Esperanto Bank zu testen.
Mansfeld konnektiert nicht, steht auf und geht stattdessen zur
Toilette, um sich vielleicht die Aztekensalbe in kleinen, hübschen
Strähnchen auf die Stirn aufzutragen, was seiner Schlalosigkeit ganz sicher einen neuen Schub versetzt, allerdings
nicht unbedingt zu einer Art Überwachheit im Büro führt, obgleich
seine Ich-Überhitzung sicherlich in die nächste Runde
gehen wird, bei der sexuelle Exzessivität und manisches Rumklicken
auf dem Laptop sich vielleicht abwechseln werden, alles
in allem leidet er wieder an einem Zuviel des Immateriellen, das
heute auf ihn einstürzt, zum Beispiel das schier schon unerträgliche
Flimmern der Charts auf den Bildschirmen, und ihm
herum diese miesen Brokerkörper quasi als 24-Stunden-
Händlermonitore, das schier unerträgliche Leuchten der Zahlen,
die jeden Moment zu einem toten Leuchtpunkt auf den
Bildschirmen implodieren können, und immer wieder diese
miesen Borkerexistenzen, die ihre Selbstgespräche mit den Derivaten
für das Nonplusultra der Befreiung durch und in der
Zukunft träumen, obwohl Informationen und Zeichen, die Recheneinheiten,
ein Spiel mit ihnen spielen, das die Synthesizer
der synthetischen Geld- und Börsensmaschinen ihnen im Nanosekundentakt
der Schwerelosigkeit diktieren, Geographien
und euklidische Muster nur noch eine vage Erinnerung einer
Kapitalbewegung, die sich entgrenzt hat und Sekunde für Sekunde
sich weiter von materiellen Erscheinungsformen des
Reichtums entfernt, Sekunde für Sekunde die Zunkunft in all
ihrer Dringlichkeit handelt.

Nach oben scrollen