Red-Bull-Kapitalismus

Red Bull ist mehr als ein Getränk, ein Energiespender, ein Lebensgefühl. Ja, es ist mehr als nur ein Produkt. Es verkörpert die aktuellste Form des Kapitalismus

Getränke eignen sich als Prophezeiungen des jeweils neuesten Stadiums des Kapitalismus besonders gut. In ihnen sind die Aspekte von Lebens- und Genussmittel, Differenz und Mainstreaming, Image und Illusion besonders ausgeprägt – und das umso mehr, als sich die Welt gerade das Rauchen abgewöhnt. Die meisten von ihnen kokettieren damit, mehr als ein Getränk zu sein, Lifestyle und Lebensfreude auszudrücken oder auch einen besonderen Status zu haben: die legale Droge. Wenn im Folgenden also vom verflüssigten Kapitalismus im weiteren Sinne und den Red-Bull-Kapitalismus im engeren Sinne die Rede ist, dann um zu beschreiben, wie die Macht vom Produzenten auf den Distribuenten übergegangen ist.

1. Die neue Ware ist zu großen Teilen virtuell

Wer vom Kapitalismus spricht, muss von Konstanten und Variablen reden, möglicherweise auch von Transformationen. Denn was wir „Krise“ nennen oder doch plural „Krisen“ – wir haben sie geordnet in Immobilienkrisen, Bankenkrisen, Schuldenkrisen und so weiter – ist ja vielleicht nichts anderes als ein Symptom der Veränderung. Der Produktionskapitalismus spaltet sich nach dem Ende seiner Produktivität offensichtlich in einen Finanzkapitalismus, wie er sich derzeit so heftig zeigt, und in einen Distributionskapitalismus, vor dem nicht allein die wirklichen Produzenten, die Bauern zum Beispiel, sondern auch das Produzierte zittern muss. An der stets noch zunehmenden Macht von Lebensmittel- und Pharmakonzernen, Discountern und globalen Playern der Grundversorgung ist abzusehen, dass sich die „neuen“ Waren nicht in sozialen Diskursen verwirklichen, sondern als soziale Diskurse. Die neuen Waren erfüllen nicht mehr allein die Wünsche nach Ess- und Trinkbarem, nach tragbarer Kleidung und zuträglicher beziehungsweise erträglicher Medizin, sie definieren bereits, was essbar und trinkbar, was Gesundheit und Krankheit, was be- oder verkleidet ist. Die neue Ware will das Leben selbst sein, und sie kann das vor allem, weil sie zu großen Teilen virtuell ist.

Wo die Ware indes weitgehend virtuell geworden ist, erhalten womöglich auch die Produktionsmittel einen völlig neuen Charakter. Zunächst begannen sie ihren nomadischen Zug durch die Welt, immer auf der Suche nach billigen Arbeitskräften und günstigen Standortbedingungen wie schwache und korrupte oder komplizenhafte Regierungen, steuerliche Begünstigungen, preiswerte Infrastruktur und so weiter. Doch die Beutezüge des nomadischen Produzierens kommen an ihre Grenzen. Ist der Kapitalismus einmal um die Welt gezogen, sind auch die Differenzen eingeebnet, die für die Dynamik ausschlaggebend waren. Deshalb bietet sich im Medienkapitalismus eine neue Art des Produzierens an, die an die reale Existenz der Ware gar nicht mehr gebunden ist. Je virtueller die Waren, je fiktiver, politischer oder taktischer die Preise, desto mehr wird die Macht der Distribuenten gestärkt und die der eigentlichen Produzenten beschränkt. Nicht wer etwas herstellen kann, erzielt den größten Profit, sondern wer die Hände in der Verteilung hat. Wie in der Finanzwirtschaft wächst auch in der sogenannten Realwirtschaft der Handel mit Dingen, die man gar nicht hat, oder auch mit Dingen, die es gar nicht gibt. Man handelt also mit Versprechungen, mit sozialen Identifikationen, mit Zeichen und Mythen, in denen die wirkliche Ware nur noch letzte haptische Verwirrung der Sinne ist.

Die Ware selber besteht im verflüssigten Kapitalismus nun nicht mehr in einem bestimmten Ding, sondern in einem Komplettangebot aus „Rezeptur“, Marken-Image, Vermarktungsstrategie und der Verknüpfung mit sozialen Events. Coca-Cola hat diese Strategie des verflüssigten Kapitalismus einst vorgemacht, und nicht zufällig gelang diesem einst kokain-, nun nur noch koffein-haltigen Getränk, der größte Sprung nach vorn durch einen Krieg, den Zweiten Weltkrieg. Jeder amerikanische Soldat hatte das Recht auf eine Flasche Coca-Cola, wo immer er auch war, und Coca-Cola, eins, zwei, drei, war das erste große Geschenk an die Befreiten. Die Ware war indes nicht eine in alle Welt verkaufte braune Brühe, es waren die Ware und ihre furchtbar geheime Rezeptur. So entstand die Marke.

Bis heute hat sich selbst diese Übereinstimmung aufgelöst. Während Coca-Cola überall auf der Welt annähernd gleich schmecken sollte, enthält eine Dose Bier, auf der die Marke „Löwenbräu“ prangt, je nach Konsumort sehr, sehr unterschiedliche Flüssigkeiten. Das weiß jeder, der in den USA einmal zu einem „original“ Löwenbräu eingeladen wurde. Mit der Bionade entwickelte man vor einigen Jahren in Deutschland ein Getränk, das Gegenwärtigkeit und sogar Dominanz innerhalb von sozialen Bewegungen und Jugendkulturen erringen konnte. Auch hier wurde der mythische Zusammenhang zwischen Produktion (ein „Familienbetrieb“ jenseits der Konzerne) und Produkt rasch aufgelöst. Auf drei sehr unterschiedliche Arten gelangen diese drei Getränke zum gleichen Ziel, nämlich in bestimmten gesellschaftlichen Situationen, die Dominanz der Diskurse zu begleiten: kein Pop-Konzert ohne Coca-Cola, keine bavarian gemutlichkeit ohne Löwenbräu, kein Klönschnack unter Alternativen ohne Bionade.

2. Taurin ist das Kokain des kleinen Mannes

Die Entwicklung von Coca-Cola zur Bionade besteht nicht zuletzt darin, dass man von der Begleitung von Diskurs und Spektakel zur Beteiligung übergegangen ist. Die nächste Phase besteht zwangsläufig darin, dass die flüssige Ware Diskurs und Spektakel selbst erzeugt. Ein Beispiel bietet Red Bull, was ursprünglich eine Art von Brauselimonade mit irgendeinem Energie-Zusatz von Koffein und Vitamin und einem mehr oder weniger geheimnisvollen Zusatzmittel namens Taurin war, das in einer eigenwilligen Werbekampagne einen neuen Markt-Auswuchs bildete. Aufschlussreich schon die Entstehungsgeschichte der Marke: Taurin als Wirkstoff in einem Getränk entstammt, wiederum nicht zufällig, nehmen wir an, einer Entwicklung des Krieges: Im Zweiten Weltkrieg wurden die japanischen Piloten damit versorgt, weil man glaubte, dadurch Leistung und Einsatzbereitschaft zu erhöhen.

Der Slogan „Red Bull verleiht Flügel“ bekommt hier eine makabre Nebenbedeutung. Und auch der Stier im Namen hat nicht nur eine symbolische Bedeutung von Kraft: Die Substanz, die seit dem Jahr 1824 bekannt ist, wurde aus Ochsengalle gewonnen und erhielt mittels einer Ableitung vom griechischen „tauros“ (= Stier) ihren Namen. Einerseits: Würg! Andererseits: eine ungeheure mythische Aufladung eines Brausegetränks bis in die Tiefen der Konstruktion von männlicher Kraft und gar „übermenschlichen“ Fähigkeiten.

Mittlerweile wird das Taurin in den Energy Drinks natürlich synthetisch hergestellt und kann auch pur bezogen werden, 100 Gramm kosten etwa acht Euro. Laut Anbieter Energize Your Life möchte das weiße Pulver durchaus ein wenig wie das Kokain des kleinen Mannes wirken (das Sprachzentrum scheint schon mal angegriffen): „Ähnlich wie Koffein hat Taurin dieselben Auswirkungen auf den Körper. Jedoch steigert und beschleunigt Taurin die Wirkung von Koffein. Müdigkeit wird überdeckt, Konzentrationsfähigkeit gesteigert. Leichte Kopfschmerzen können verschwinden. Die Wirkungen sind unter anderem abhängig von der Dosis, den Gewöhnungseffekten, Stoffwechselfunktionen sowie vom psychischen Zustand des Menschen. Unter anderem wird Taurin für die Fettverdauung, die Aufnahme fettlöslicher Vitamine, die Regulierung des Blutcholesterinspiegels gebraucht. Ebenso kann der Körper bei übermäßigem Alkoholkonsum Taurin nicht mehr richtig verwerten und sollte daher ergänzt werden.“ Mit anderen Worten: Man kann mehr fressen, ficken und saufen und schläft auch beim Fernsehen nicht mehr so schnell ein, während man von Disco-Queens und Extremsport träumt.

Tatsächlich scheint es das Werbeziel bei etlichen Anbietern von Energy Drinks zu sein, immer jüngere Zielgruppen zu erreichen, etwa indem Verpackung und Design besonders „kindgerecht“ gewählt werden. Dem Aspekt der legalen Droge wird immerhin so weit Rechnung getragen, als auf einer Red-Bull-Dose der Hinweis zu lesen ist: „Nicht empfohlen für Kinder, Schwangere und koffeinempfindliche Personen. In moderaten Mengen konsumieren.“

3. Was zählt, ist die Distribution

Auch die Back-Story liefert ihren Beitrag zum Wert der flüssigen Ware: Der „Erfinder“ von Red Bull, Dietrich Mateschitz, brachte die Idee 1982 von einem Besuch in Thailand mit, wo ein Getränk namens „Krating Daeng“ angeboten wird, unter anderem, um die Folgen des Jetlag zu überwinden. 1987 wurde Red Bull zunächst auf dem österreichischen Markt getestet und fand schnell Anklang insbesondere unter Jugendlichen, in deren Szenen man durch einen Mix aus Werbung, PR, Image-Produktion und „Guerilla Marketing“ einen nachhaltigen Effekt auslöste. Red Bull wurde zu einem Bestandteil der Techno- und Snowboarding-Szene, immer unter dem Versprechen, Ausdauer, Energie und „Spaß“ zu befördern.

Der „Red Bull Energy Drink“, meist auch nur Red Bull genannt, besteht hauptsächlich aus Wasser, Zucker (Saccharose, Glucose), Glucuronolacton, Koffein (im Maß etwa einer Tasse Kaffee) und besagtem Taurin sowie zugesetzten Vitaminen. Gegenüber dem thailändischen Krating Daeng wurde die Rezeptur moderat verwestlicht. Das Angebot wurde außerdem um eine zuckerfreie Variante erweitert, neben der 250ml-Dose existieren auch größere Behältnisse wie etwa seit 2008 die 330ml-PET-Flaschen für die Discounter. „Special Editions“ bieten Geschmacksverbindungen etwa mit Heidelbeere und Limette. In der Szene wird der Energy Drink unter dem Namen „Flügerl“ mit Wodka gemischt, manchmal heißt der Longdrink auch „Vodka Energy“ oder „Ferrari“ (mit rotem Wodka).

Im Jahr 2010 hatte Red Bull trotz Nachahmungen nach eigenen Angaben noch einen Anteil von 90 Prozent bei den Energy-Getränken in der Gastronomie. Es gilt als eines der erfolgreichsten neu eingeführten Markenprodukte des neuen Jahrhunderts. Ob es eine Leistungssteigerung auch nur für Augenblicke gibt oder nicht, ist umstritten; immerhin scheinen einige Versuche, eine anaerobe Leistungssteigerung nicht auszuschließen. Da das Getränk bei der Einführung in verschiedenen Ländern auf gewisse Beschränkungen – in Frankreich gar auf ein Verbot (bis im Jahr 2008 wurde dort das Taurin durch Arginin ersetzt; später wurde aber auch das taurinhaltige Getränk zugelassen), umweht immer ein Hauch von „Droge“ das Getränk, was allen Warnungen zum Trotz (in Ländern wie Kanada sogar auf den Dosen angebracht) insbesondere in Verbindung mit Alkohol (gegen Müdigkeit) Red Bull zum idealen Event- und Partygetränk machte.

Red Bull ist gewiss ein überteuertes Produkt, durch seine Werbekampagnen, Sponsor-und Event-Aktivität bleibt es gleichwohl ungebremst erfolgreich. Neben klassischen Sponsor-Auftritten entstanden ganz eigene Events wie das „Red Bull X-Fighters“ (Freestyle Motocross Rennen) oder die „Red Bull Air Race Series“. In der Formel 1 ist man mit Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso gleich mit zwei Teams vertreten. Die von Red Bull initiierten Extremsportarten forderten im Jahr 2009 bei den „Basejumpern“ zwei Todesopfer, was zu einer Abmilderung der Strategie führte und unter anderem zum Sponsoring klassischer Sportarten wie Fußball, darunter beim RB Leipzig und dem FC Red Bull Salzburg.

4. Es geht um die Red-Bullisierung der Kultur

Es gibt im Grunde keine Red-Bull-Fabrikationsstätte; die Limonade wird bei mehreren Getränkefirmen erzeugt. Was zählt, ist nicht mehr der Besitz der Produktionsmittel, die man im globalen Spiel auch ohne Weiteres von einem Wirtschafts- und Rechtsraum in den anderen verlagern kann. Was zählt, sind „Marken“, Copyrights und Kampagnen, was zählt, ist eine wie auch immer erzeugte Dominanz in der Distribution.

Der entscheidende Impuls für eine Distributionsdominanz in Postdemokratie und Neoliberalismus ist die Verknüpfung eines (mehr oder weniger virtuellen) Produkts mit den Sphären der Freizeit und der Medien, aber auch mit anderen kontrollierbaren und übernehmbaren „Events“ und Institutionen wie Kunst, Pop und sogar Medizin, Politik und Bildung – kurz gesagt: die Blödmaschinen. Die Dominanz kann sich auf dem Freizeit- und Kulturmarkt realisieren, weil sie zu Blödmaschinen geworden sind, und umgekehrt werden Medien, Spektakel und „kulturelle“ Institutionen zu Blödmaschinen, weil sie sich für die Herstellung und Festigung der Distributionsdominanz oligarchischer Interessen zu Beihelfern machen lassen. Die Medien sind nicht einfach „Opfer“ von Ökonomisierung und Privatisierung, sondern sie sind Teil der Wandlung des Produktions- in den Distributionskapitalismus. Daher geht es eben nicht allein um die „Kultivierung“ einer Marke wie „Red Bull“, sondern vielmehr um die Red-Bullisierung kultureller Institutionen. Kreativität wird nicht nur auf eine Weise von den Marken-Kampagnen benutzt, um positive Konnotationen zu schaffen wie in der klassischen Werbung, sondern direkt der Marke unterworfen, so wie künstlerische Kreativität, körperliche Leistung et cetera einstmals „der Ehre Gottes“ (oder doch der Macht der Kirche) unterworfen wurden. Und aus dem Zeichen der dominanten Marke wird ein Dominanzzeichen, wozu sich natürlich das Bild eines roten Stieres besonders gut eignet, da es ja zu keinem anderen Zweck erfunden wurde, als Dominanz auszudrücken.

Der rote Stier zeigt sich nicht nur als Sinnbild gebündelter Energie – unübersehbar immer wieder die Blut-Metapher in diesem rot, sondern vor allem auch als Wesen der massiven Konkurrenz. Man hält länger durch als die anderen, gleichgültig, ob es sich dabei um Sport, Tanz, Sex oder soziale Performance handelt. Dafür ist man nicht nur bereit, einen höheren Preis zu zahlen, sondern auch dazu, sein Leben unter das Zeichen des roten Stieres zu stellen, und das schließt, wie erste zaghafte medizinische Einwände (und hier und dort Warnhinweise, von dem Stoff nicht zu viel zu sich zu nehmen und eine Vermischung mit Alkohol zu unterlassen, was natürlich einer Aufforderung zu eben diesem gleich kommt) meinen, den Raubbau an der eigenen Gesundheit mit ein.

So wird der rote Stier zum Sinnbild der Rücksichtslosigkeit gegenüber den anderen und sich selbst, freilich nicht in der Sphäre der Produktion, der Karriere und der sozialen Auseinandersetzung, die sorgfältig ausgeblendet werden, sondern in der Sphäre des bedeutungslosen Genusses, der stets neu erfundenen „Extremsportarten“, der „depolitisierten“ Variante von Musik und Street Art, des unverbindlichen Miteinanders der Klassen, Rassen und Geschlechter, wenn auch mit einer strikten Betonung der Jugendlichkeit. Red Bull ist die Marke des Spektakels im Neoliberalismus – und als solche im Wesentlichen nichts anderes als ein käuflicher Wirklichkeitsrest. Der Eintritt in eine virtuelle Welt, einen Kult-Raum der angestrengten Nichtigkeiten. Während ich mit Coca-Cola in die Welt kam, mir Bionade ein gutes Trinkgewissen verschaffte, und Löwenbräu-Bier erlaubte Regression signalisiert, ist Red Bull eine Welt für sich, ein legal high des positiven Denkens.

5. Die Ware bezeichnet keinen Sinn. Sie ist der Sinn

Die kulturelle Dominanz-Sphäre, die Red Bull schafft – eine synthetische „Subkultur“ unter anderem – ist nie wirklich unpolitisch. In ihr modellieren sich nicht nur soziale Strategien und Abhängigkeitsverhältnisse, sondern es wird Dominanz als Wesensform gesellschaftlicher Aktivität konstruiert. Diese vernetzte Dominanz ist die neue Form von Herrschaft. Weder sichtbare Macht noch Kontrolle, stattdessen Dominanz als Gegenwärtigkeit, als Korruption von Sprache und Code, als Anschlussfähigkeit der Subdominanten. Auch die großen Konzern-Discounter „herrschen“ nicht, sondern sind „nur“ dominant, indem sie kulinarische, modische, technische und soziale Diskurse bestimmen, nicht in Befehls-, sondern in Verlaufsform.

Doch während die „realen“ Distribuenten noch Gebäude besetzen und Menschen anziehen müssen, ist ein virtueller Distribuent wie Red Bull, der Idee, Haltung oder Strategie verkauft, an der die Ware noch hängen muss, darauf nicht mehr angewiesen. Er vermag die Menschen zu dominieren, wo sie sind.

Haben wir je in einem Lidl-Geschäft ein politisches Gespräch gehört? Wohl aber haben wir erstaunt zur Kenntnis genommen, dass dies ein Ort ist, an dem man gern und keinesfalls allzu leise Details aus seiner sexuellen, medizinischen und beruflichen Biografie kommuniziert. Diese Sphäre ist auch in dieser Hinsicht mit einer neuen Kirche verwandt (so wie jedes Red Bull-Event eine Art Feldgottesdienst darstellt). Es ist ein direktes Andocken der „biografischen Einheit“ an einen semantisch mit Dominanz-Zeichen ausstaffierten sozialen Raum. Die Vielfalt der Waren täuscht hier so wenig über die Dominanz, wie in einer der alten Kirchen die Vielfalt von Heiligen über die Dominanz des Meta-Zeichens hinwegtäuschen wollte. So wird die virtuelle Ware à la Red Bull zum Transformationsmittel zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, dem Sozialen und dem Körperlichen, kurz zur Nachfolge dessen, wofür einst Religion und dann Kultur zuständig war.

Darüber hinaus entstehen neue Formen der Dominanz. Red Bull und seine Distribution ist ein Beispiel dafür, wie eine Ware andere Güter infiziert, um über die Kette von Nutzwert, Tauschwert, Sozialwert und Sinnwert noch hinauszugelangen: Man besetzt in gewissem Sinne ganze Lebenssphären beziehungsweise erfindet eine Form von „Lebensqualität“. Es entsteht also neben der Dominanz einer Person, einer Firma, eines Zeichens (wie Coca-Cola) die Dominanz eines Lebenskonzepts inklusive aller vorherigen Elemente der Dominanz: Red Bull bezeichnet keinen Sinn, sondern ist ein Sinn; er drückt nicht ein „Lebensgefühl“ aus, sondern tritt an seine Stelle.

Wenn Coca-Cola die Brause war, die sich den Stars lustvoll unterwarf, so ist Red Bull die Ware, die selber zum Star geworden ist und die sich die Stars lustvoll unterwirft. Anders gesagt: Red Bull ist die Marke, die die „Stars von Morgen“ macht. Eine einzige gewaltige Casting Show, in der Red Bull das Brandzeichen des Erfolges darstellt.

 

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