Unsere Sehnsüchte sorgen für Unruhe

Es gibt nur eine Sache, die die Mächtigen nicht ertragen können: Nicht in der Lage zu sein, alles zu kontrollieren. Also lasst uns unkontrollierbar sein.

Seien wir doch mal ehrlich: Acte XIII hat uns positiv überrascht und beruhigt bezüglich der Zukunft der Bewegung. Ganz abgesehen von ihrer Entschlossenheit wissen wir jetzt auch, dass die ‘Gelben Westen’ weitgehend dagegen sind, das angekündigte und festgelegte Spiel einer Demonstration zu spielen, deren Route und Verlauf kalkulierbar sind.

Als sich in Paris die meisten Gilets Jaunes an dem Ort der einzigen angemeldeten Demonstration versammelten, geschah dies es vor allem, um mit so vielen Menschen wie möglich zusammen zu kommen, um dann rasch von der von der Präfektur geplanten Route abzuweichen. Nicht, um alles zu zerstören, sondern um die Kontrolle über unsere Bewegung zurückzugewinnen. Um sich zu treffen und autonom und gemeinsam über die zu ergreifenden Aktionen zu entscheiden. Dies ist in einer Demonstration, die vollständig von der Polizei und einem Ordnungsdienst überwacht wird, unmöglich geworden.

Am frühen Nachmittags haben dann gerade mal etwa zehn Demonstranten die Durchführung einer ‘wilden Demonstration’ [manif sauvage] eingeleitet. Nach ein paar Sekunden des Zögerns stürmten Hunderte von Gilets Jaunes ebenfalls in die kleine Seitenstraße und riefen “Streik, Blockade, ‘wilde Demonstration’ [manif sauvage] “. Zu unserer großen Überraschung beschloss dann fast die gesamte Demo, dem unkontrollierten Zug zu folgen. Mehr als eine Stunde lang war die ‘wilde Demonstration’ völlig unbehelligt von Polizei und Ordnungsdiensten. Die Medien und die Behörden werden verbrannte Autos und kaputte Bank- und Versicherungsschaufenster in Erinnerung behalten. Aber die Kraft des Augenblicks lag woanders, war von wesentlicherer Natur.’

Ohne wirklich zu verstehen, wie und warum (der Charme der Eigenständigkeit), fand sich die ‘wilde Demonstration’ schließlich irgendwann doch auf der eigentlichen Route wieder. Dadurch konnte die Polizei die Kontrolle über die Situation wiedererlangen.

Aber das Wichtigste ist, dass wir weiter sind. Der Geist der Revolte, der Verweigerung der Unterwerfung und der Ungehorsamkeit bestimmte diesen Tag. Und er bleibt in der DNA der Bewegung erhalten (so wie er von den allerersten Handlungen an eingeschrieben war).

Für die Anhänger der angemeldeten Demonstrationen ist anzumerken, dass die Tragödie des Menschen, der eine Hand durch eine Offensivgranate der Polizei verloren hat, während des “angemeldeten” Teils der Pariser Demonstration stattfand. Das Spiel um einen kontrollierten Verlauf der Demonstrationen mit zu spielen, schützt die Demonstranten daher in keiner Weise. Im Gegenteil.

Von nun an stellt sich die Frage, wie man diesen subversiven Geist weiterführen und dynamisieren kann. Wie man verhindern kann, dass er in einem wöchentliches Ritual eingesperrt wird, wie man ihn verdichtet und wie man ihn gefährlich für die Regierung macht.

Wir wissen die Antwort nicht. Aber wir wissen, dass dies Unabhängigkeit erfordert, eine Weigerung, unsere Wut von einer Macht reglementieren zu lassen, die uns verachtet und verletzt. Dazu gehört auch die Besetzung (wenn auch nur vorübergehend) der Lebensräume der Mächtigen: Die Umwidmung ihrer Straßen, Geschäfte, Autos … zu Räumen der Rückeroberung und des Kampfes. Im Übrigen ist alles andere schon gesagt. Und die Entschlossenheit der Bewegung, kombiniert mit ihrem Einfallsreichtum, kann nur zu überraschenden und offensiven Aktionen führen.

Es gibt nur eine Sache, die die Mächtigen nicht ertragen können: Nicht in der Lage zu sein, alles zu kontrollieren. Also lasst uns unkontrollierbar sein.

Einige Querköpfe

Anmerkung:

Dies ist eine sinngemäße Übersetzung eines Textes der am 11. Februar 2019 auf Paris Luttes Info erschien. https://paris-luttes.info/nos-desirs-font-desordres-11651?lang=fr

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