Vermögensverwalter – Aspekte des Asset-Manager-Kapitalismus

In meinem Buch „Ekstase der Spekulation. Kapitalismus im Zeitalter der Katastrophe“ gehe ich in einem Kapitel auf die steigende Bedeutung der sog. Vermögensverwalter seit den 2000er Jahren ein. Vor allem mit Bezug auf die beiden Bücher von Braun/Koddenbroc „Capital Claims. Power and Global Finance” und Brett Christophers “Our Lives in Their Portfolios: Why Asset Managers Own the World” werde ich noch einmal einige wichtige Chratkeristiken dieser Finanzinstitutionen zusammenfassen.

Seit den 1980er Jahren hat das US-Finanzwesen in den USA selbst starrk an Macht und Einfluss gewonnen, wobei amerikanische Investmentfonds zu den größten Anteilseignern von US-Unternehmen geworden sind und Investitionen in Höhe von mehreren Billionen Dollar verwalten. Das US-Finanzwesen besitzt heute rund 60 % der börsennotierten Unternehmen in den USA (ein Anstieg von 3 % im Jahr 1945) und 28 % des Eigenkapitals aller weltweit notierten Unternehmen.  Der Aufstieg des sog. Asset-manager-Kapitalismus (Braun) veranschaulicht eine sektoral und geografisch ungleiche Landschaft der Kapitalströme, die die bestehenden Gräben zwischen dem Kernland und dem Hinterland der globalen Finanzmärkte noch weiter verschärft.

Vermögensverwaltungsgesellschaften sind Anlageinstitute, die ihren Kunden, (privaten und institutionellen Anlegern) kollektive Anlageinstrumente anbieten. Die von diesen Kunden gezahlten Gebühren sind die Haupteinnahmequelle der Vermögensverwalter. Die Vermögensverwaltung ist ein gewinnbringendes Geschäft. Die Größe der Branche wird anhand des Marktwerts der von den Verwaltern im Namen ihrer Kunden gehaltenen Vermögenswerte (AUM) gemessen. Die Schätzungen variieren; McKinsey berichtet, dass die weltweiten AUM bis Ende 2021 einen Rekordwert von 126 Billionen Dollar erreicht haben (McKinsey, 2022: 5).  Umsatz- und Rentabilitätszahlen sind eine weitere Methode, um die Größe des Sektors zu messen. McKinsey (2022: 5) schätzte, dass sich die von Vermögensverwaltern weltweit erzielten Einnahmen im Jahr 2021 auf etwa 526 Mrd. USD beliefen, was mehr als das Doppelte der weltweiten Einnahmen der Branche von neun Jahren zuvor war. Die Gewinnspannen lagen zwischen 35 % und 40 % (McKinsey, 2022: 7). Obwohl die US-Vermögensverwalter nicht die Endaktionäre und somit nicht unbedingt die Hauptnutznießer ihrer weltumspannenden Anlageportfolios sind, haben sie eine historisch beispiellose Fähigkeit erworben, die Kontrolle über Tausende von Unternehmen gleichzeitig auszuüben. Damit lässt sich unter anderem der Einfluss der Finanzindustrie auf die Realwirtschaft erfassen.

Vor den 1980er Jahren war die Vermögensverwaltung ein peripherer Bestandteil der kapitalistischen Finanzindustrie. Heute dagegen sind die Vermögensverwalter wichtige und zunhjmend auch dominierende privaten Finanzinzunternehmen. Der Begriff “Vermögensverwalter-Kapitalismus” wurde geprägt, um Bedeutung der Vermögensverwaltung nicht nur für das zeitgenössische kapitalistische Finanzwesen, sondern für den zeitgenössischen Kapitalismus im weiteren Sinne zu bezeichnen.

Obwohl dieses Wachstum der Vermögensverwalter, das durch das Wachstum der Pensionsfonds angeheizt wird, ein weltweites Phänomen ist, ist es in relativ wenigen kapitalistischen Kernländern stark konzentriert. Zu den Ländern mit einem Pensionsfondsvermögen von über 100 % der nationalen Wirtschaftsleistung gehören Australien, Kanada, Japan, die Niederlande, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und die USA. Auf diese sieben Länder zusammen entfallen 92 % des gesamten Rentenvermögens der 22 Länder mit den größten Vermögen (Thinking Ahead Institute, 2023).

Die USA dominieren diesen Sektor. Auf die US-Pensionsfonds entfallen 62 % des gesamten Pensionsvermögens der 22 führenden Länder. Seit 1990 ist das gesamte US-Pensionsvermögen, einschließlich kollektiver leistungsorientierter und individueller beitragsorientierter Lesitungen, von 5 Billionen Dollar auf 35 Billionen Dollar gestiegen. Gleichzeitig ist das Vermögen der US-Investmentfonds von 2,5 Billionen Dollar auf 25 Billionen Dollar gestiegen. Heute macht das Altersvorsorgevermögen fast die Hälfte des AUM des US-Investmentfondssektors aus (Braun, 2022b: 71).

Vermögensverwalter verwalten vor allem große institutionelle Kapitalpools wie Staatsfonds, Stiftungen und eben Pensionsfonds.   Sie benutzen Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards (ESG), um ihre Geschäftsmodelle voranzubringen und beeinflussen zudem die Aktivitäten anderer kapitalistischer Unternehmen. Im Private-Equity-Vermögensverwaltungssegment übernehmen die Vermögensverwalter und ihre Investmentfonds die Kontrolle über Unternehmen, um deren Führung zu beeinflussen und die Rentabilität und den Marktwert dieser Unternehmen zu steigern. Der direkte Einfluss von Vermögensverwaltern auf andere Unternehmen ist zwar im Private-Equity-Bereich besonders deutlich, geht aber weit darüber hinaus. Insbesondere Risikokapitalfirmen im Start-up-Sektor und das relative Gewicht großer, diversifizierter Vermögensverwalter in verschiedenen Ländern und Sektoren sind hier zu beachten. Vermögensverwalter verändern nicht nur die Art und Weise, wie einzelne Unternehmen geführt werden, sie haben zudem Einfluss darauf, wie ganze Branchen organisiert sind und wie sich Länder in das globale Währungs- und Finanzsystem einfügen; sie üben Einfluss auf Regierungen aus, damit diese eine Regulierungs- und makroökonomische Politik umsetzen, die ihren Präferenzen entspricht.

Der Vermögensverwaltungssektor ist ausdifferenziert. Es gibt die “konventionellen” Vermögensverwalter, die vorwiegend in börsennotierte Finanztitel investieren und überwiegend “Long”-Positionen einnehmen, d. h. sie kaufen Vermögenswerte in der Erwartung, dass sie im Wert steigen werden. Diese Vermögensverwalter kontrollieren den größten Teil des weltweiten verwalteten Vermögens – mehr als 80 %, nach manchen Schätzungen sogar 90 %, je nach Definition (BCG, 2023; S&P Global Market Intelligence, 2022). Die größten Publikumsfonds konventioneller Verwalter sind in zunehmendem Maße Indexfonds. Diese verfolgen einen passiven Anlagestil und zielen darauf ab, die Wertentwicklung eines bestimmten Marktindex nachzubilden. Die bekanntesten konventionellen Vermögensverwalter sind die “Big Three”: BlackRock, State Street und Vanguard.

Als größte globale Aktionäreder US-Vermögensverwalter halten die “Big Three” Beteiligungen an 81 % der börsennotierten US-Unternehmen und 17 % des US-Aktienmarktes, während sie gleichzeitig als Anteilseigner von 20 % der börsennotierten Nicht-US-Unternehmen auftreten und 4 % des Nicht-US-Aktienmarktes besitzen.  Ein erheblicher Teil dieser Anlagen wird derzeit von US-Indexfonds gehalten, die die Ersparnisse von Millionen von Haushalten in passiv verwalteten und stark diversifizierten Portfolios bündeln. Eine Kombination aus technologischen Fortschritten und Skaleneffekten bei digitalen Vermögensverwaltungsplattformen  führte zu einer stark monopolisierten Vermögensverwaltungsbranche, in der die großen Drei den Markt für institutionelle Anlagen kontrollieren. Mehr als die Hälfte des weltweiten Aktienkapitals befindet sich im Besitz von Finanzunternehmen, wobei die großen Drei mit großem Abstand die größten Investoren der Welt sind, mit bedeutenden Beteiligungen in Europa, Ostasien und Australien.

BlackRock ist der größte konventionelle Vermögensverwalter mit einem verwalteten Vermögen von rund 9 Billionen US-Dollar im Jahr 2022 (BlackRock, 2023a: 24). Seine Gewinnebe liefen sich 2023 auf etwa 5 Mrd. USD. Um einen einzigen Dollar Jahresgewinn zu erwirtschaften, benötigte das Unternehmen fast 2000 Dollar an verwaltetem Kundenkapital.

Das konventionelle Vermögensverwaltungsgeschäft ist volumenstark und margenschwach. Die Verwalter streben  eine Maximierung der verwalteten Vermögen an, indem sie eine möglichst breite Anlegerbasis ansprechen und hauptsächlich über den Preis konkurrieren. Die von den Anlegern in Indexfonds gezahlten Verwaltungsgebühren betrugen im Jahr 2021 im Durchschnitt nur 0,12 % des Gesamtvermögens. Da sie keine Performancegebühren erheben und in der Regel in alle in einem Index gelisteten Wertpapiere investieren, werden die Erträge und Gewinne konventioneller Vermögensverwalter nicht von den Kursbewegungen bestimmter Aktien, sondern von der Bewertung des Gesamtmarktes bestimmt (Braun, 2021: 291-292).

Konventionelle Vermögensverwalter werden in der Regel von “alternativen” Verwaltern unterschieden. Unter alternativen Anlagen versteht man im Wesentlichen alles, was über das Eingehen von Long-Positionen an den öffentlichen Wertpapiermärkten hinausgeht. Dies umfasst sechs Hauptsegmente: 1) Private Equity: Investitionen in Unternehmensanteile, die nicht an einem öffentlichen Markt notiert sind, sondern privat gehalten werden. 2) Risikokapital umfasst Kapitalinvestitionen speziell in Unternehmen in der Frühphase, einschließlich Start-ups. 3) Hedge-Fonds setzen auf ihre Handelsstrategien, die sich nicht auf das Eingehen von Long-Positionen beschränken, sondern auch Strategien umfassen, die in fallenden Märkten positive Renditen ermöglichen sollen. 4) Private Debt: Die Investition erfolgt durch die Ausgabe langfristiger Darlehen, die nicht auf einem offenen Markt gehandelt werden. 5) Immobilien: Direktinvestitionen in Gewerbe- oder Wohnimmobilien. &) Infrastruktur: Direktinvestitionen in physische Infrastrukturanlagen, z. B. in den Bereichen Energie, Verkehr oder Telekommunikation.

Alternative Vermögensverwalter – zu den bekanntesten gehören Firmen wie Apollo, Blackstone, Carlyle und KKR – wenden sich an einen engeren Kundenkreis als konventionelle Vermögensverwalter. Von den Kleinanlegern haben derzeit nur vermögende Privatpersonen über Direktinvestitionen in alternative Fonds Zugang zur gesamten Palette alternativer Anlageklassen. Der Zugang ist geregelt, weil diese Anlagen, die im Durchschnitt viel weniger liquide sind als börsennotierte Wertpapiere, als risikoreicher gelten und damit auch höhere Renditen bieten. Es sind vor aallem große institutionelle Vermögenseigentümer wie Pensionsfonds und Staatsfonds mit praktisch unbegrenzten Anlagehorizonten, die in die von alternativen Vermögensverwaltern angebotenen Anlageklassen investieren.

Darüber hinaus ist der Managementstil alternativer Vermögensverwalter wesentlich aktiver als der ihrer konventionellen Pendants: Investitionen in bestimmte Anlageklassen erfordern im Gegensatz zur passiven Indexnachbildung eine sorgfältige Recherche. Dementsprechend sind die jährlichen Verwaltungsgebühren um ein Vielfaches höher und belaufen sich traditionell auf durchschnittlich 2 % des eingesetzten Kapitals, verglichen mit den durchschnittlichen 0,12 %, die von Indexfonds erhoben werden. Nicht zuletzt ist die Vergütung der Manager über die Performancegebühren viel stärker an die Anlageperformance gebunden – in der Regel ein Anteil von etwa 20 % an den realisierten Kapitalgewinnen.

Bezogen auf das verwaltete Vermögen sind alternative Anlagen also wesentlich lukrativer als die herkömmliche Vermögensverwaltung. BCG (2023: 11) schätzt, dass alternative Anlage zwar nur etwa 20 % des globalen AUM der Vermögensverwaltungsbranche ausmachen, aber etwa die Hälfte der globalen Brancheneinnahmen. Im Jahr 2022 belief sich der Gewinn des Unternehmens Blackstone auf rund 3 Mrd. USD, während die verwalteten Vermögen im Jahresdurchschnitt knapp unter 1 Billion USD lagen (Blackstone, 2023: 100, 158). Somit benötigte Blackstone nur etwa 300 Dollar an AUM, um einen Dollar Gewinn zu erwirtschaften (im Vergleich zu 2000 Dollar bei BlackRock), und die Rendite auf die AUM betrug etwa 0,3 % (im Vergleich zu 0,05 % bei BlackRock).

Geografisch gesehen ist das Vermögensverwaltungsgeschäft ein Geschäft des globalen Nordens, sowohl in Bezug auf den Hauptsitz der führenden Vermögensverwalter als auch in Bezug auf ihre Investitionen. Mehr noch, es ist ein stark auf die USA konzentriertes Geschäft. Die drei großen konventionellen Vermögensverwalter besitzen zusammen etwa 18 % der in den USA notierten Aktien, aber nur 4 % der außerhalb der USA notierten Aktien.

Wie alle kapitalistischen Unternehmen sind auch die Vermögensverwalter auf die Bereitstellung einer Reihe unverzichtbarer Unterstützungsdienste angewiesen, ohne die ihre Fähigkeit, Kapital zu zirkulieren und zu akkumulieren, schnell verloren ginge. Wenn also die weltweit führenden Vermögensverwalter in New York und London ansässig sind, so ist die Konsequenz dieser sichtbaren Front-Office-Geografie eine weitgehend unsichtbare Back-Office-Geografie, wobei die Support-Infrastruktur der Branche in den weltweit führenden steuerfreundlichen Offshore-Finanzzentren wie den Kaimaninseln, Delaware und Luxemburg konzentriert ist.

Eine zentrale Dimension des Vermögensverwalter-Kapitalismus betrifft de Einfluss der Vermögensverwalter auf die Aktivitäten anderer kapitalistischer Unternehmen. Wenn sie Unternehmenswertpapiere kaufen oder einGeschäftsdarlehen gewähre, erwerben Vermögensverwalter eine Reihe von Rechten und Pflichten gegenüber dem Unternehmen, in das sie investieren. Die Kapitalakkumulation der Vermögensverwalter hängt also auch von ihrer Fähigkeit ab, Einfluss darauf zu nehmen, wie und mit welchem Grad an wirtschaftlichem und finanziellem Erfolg andere kapitalistische Unternehmen arbeiten.

Wenn Vermögensverwalter in Schuldtitel von Unternehmen investieren, erwerben sie keine Pflichten und nur relativ begrenzte Rechte – nämlich den Anspruch auf Zinszahlungen und bei Fälligkeit auf die Rückzahlung des Kapitals. Insbesondere erhalten sie keine Stimmrechte im Unternehmen. Dies schränkt ihre Möglichkeiten ein, die Aktivitäten des betreffenden Schuldners in nennenswerter Weise zu beeinflussen, auch wenn der Vermögensverwalter in einigen Fällen die Gewährung eines Kredits davon abhängig machen kann, dass die Mittel für einen bestimmten Zweck verwendet werden; in diesen Fällen übt der Vermögensverwalter von vornherein Einfluss auf die Aktivitäten des Schuldners aus. Darüber hinaus können Anleihen verkauft werden, und ein weit verbreiteter Verkauf drückt ihren Preis, wodurch sich die künftigen Kreditkosten für den Schuldner erhöhen.

Eine wichtige Ausnahme betrifft den Markt für notleidende Kredite. Notleidende Schuldtitel sind Schuldtitel von Unternehmen, die sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befinden. Vermögensverwalter investieren in solche Schulden zum einen wegen der hohen Zinssätze, die sie häufig zahlen, zum anderen aber auch in der Erwartung, dass einige dieser Schuldner scheitern und Konkurs anmelden müssen.

Man kann zwischen verschiedenen Arten von Vermögensverwaltern unterscheiden, deren Geschäftsmodelle ihnen ein unterschiedliches Maß an Kontrolle über die Portfoliounternehmen ermöglichen. Am stärksten ist der Einfluss von Vermögensverwaltern dort, wo solche Investitionen eine Mehrheitsbeteiligung und damit formale Kontrolle mit sich bringen.

Der Grund, warum ein Private-Equity-Vermögensverwalter die vollständige Kontrolle über ein Unternehmen anstrebt, hat mit der Bedeutung der Erfolgsgebühren zu tun. Je rentabler das erworbene Unternehmen betrieben und vor allem später verkauft werden kann, desto größer ist der finanzielle Ertrag nicht nur für die Kunden des Vermögensverwalters, sondern auch für den Vermögensverwalter selbst. Wenn ein Vermögensverwalter glaubt, besser als die Führungskräfte eines übernommenen Unternehmens zu wissen, wie das Unternehmen betrieben werden sollte, um Gewinne und Marktwert zu maximieren (z. B. durch Lohnkürzungen oder Entlassungen), wird er nicht zögern, die Führungskräfte anzuweisen, den Kurs entsprechend zu ändern – oder sogar auf die Dienste dieser Führungskräfte zu verzichten, wenn sie dies nicht tun.

Im Bereich der Eigenkapitalinvestitionen ist die Kontrolle über die Portfoliounternehmen bei herkömmlichen Vermögensverwaltern, die Anteile an börsennotierten Unternehmen halten, am schwächsten. Diese halten stark diversifizierte Portfolios, die entweder – im Falle von Indexfonds – Indizes wie den S&P500 oder den MSCI World nachbilden oder sich eng an diese anlehnen. Die Kehrseite dieser Diversifizierung ist, dass die Beteiligungen an einzelnen Unternehmen in der Regel gering sind. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden die weltweit größten Vermögensverwalter, nämlich die bereits erwähnten Big-3, die aufgrund ihrer schieren Größe trotz ihrer vollständigen Diversifizierung erhebliche Beteiligungen halten. Doch selbst im Falle der USA bedeutet die Tatsache, dass die Big-3-Beteiligungen so groß sind, nicht, dass sie die Zügel in der amerikanischen Unternehmensführung in die Hand genommen haben. Ein weiterer Grund, warum die Big-3-Vermögensverwalter weniger Einfluss auf die Corporate Governance haben, als man erwarten könnte, ist, dass sie trotz ihrer Ähnlichkeiten nicht als einheitlicher Block abstimmen und sich auch nicht engagieren. Neben rechtlichen Hindernissen, die eine Koordinierung der Aktionärsrechte verhindern, können Vermögensverwalter auch vom Abstimmungs- oder Engagementverhalten ihrer unmittelbaren Konkurrenten abweichen, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Wenn die Vermögensverwaltung zu einem wichtigen Faktor der Kapitalakkumulation geworden ist und wenn Vermögensverwalter die wirtschaftlichen Aktivitäten anderer Unternehmensakteure beeinflussen, dann sind Vermögensverwalter zwangsläufig auch wichtige Akteure des Kapitalismus insgesamt. Es liegt auf der Hand, dass Vermögensverwalter die nationalen und supranationalen politischen Ökonomien auf unzählige verschiedene Arten beeinflussen. In der Tat ist die Vermögensverwaltungsbranche ein wichtiger Teil des zentralen Nervensystems des finanziellen Weltkapitals.

Die strukturelle Macht des finanziellen Kapitals wird auch mit der Logik des “Ausstiegs” in Verbindung gebracht – der Fähigkeit von Kapitalisten, Investitionen zurückzuhalten , mit negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung und damit für die Aussichten einer Regierung, an der Macht zu bleiben. Im Inland sind die Banken traditionell am besten in der Lage, einen solchen Investitionsstreik durchzuführen. Auf internationaler Ebene hingegen sind Vermögensverwalter die “Portfolio-Investoren” schlechthin, die Geld in und aus Ländern oder ganzen Regionen bewegen. Dieses Phänomen, das unter den Begriffen “globaler Finanzzyklus” und “internationale finanzielle Unterordnung” diskutiert wurde, schränkt den politischen Spielraum insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer stark ein, deren Wechselkurse und Zinssätze in einer Weise schwanken, die mehr mit der Suche globaler Vermögensverwalter nach Rendite als Reaktion auf geldpolitische Entscheidungen der USA zu tun hat als mit den politischen Entscheidungen ihrer eigenen Regierungen.

Die strukturelle Macht ist auf dem Markt für Staatsanleihen am stärksten ausgeprägt, wo Vermögensverwalter zusammen mit Rating-Agenturen und Indexanbietern als Schiedsrichter der Kreditwürdigkeit, Zahlungsfähigkeit und letztlich der Souveränität fungieren. In diesem Zusammenhang wurde die Wirksamkeit der Androhung des Ausstiegs in den letzten Jahrzehnten durch den Aufstieg der so genannten “Geierfonds” verstärkt. Das Geschäftsmodell dieser Hedge-Fonds-Manager besteht darin, Staatsanleihen, die sich in einer Notlage oder in Verzug befinden, zu stark reduzierten Preisen aufzukaufen, mit dem Ziel, das Kapital oder zumindest einen größeren Teil davon zurückzubekommen, als es der Markt erwartet. Rechtsstreitigkeiten vor ausländischen – aus Sicht des Schuldnerlandes – Gerichten sind fester Bestandteil dieser Strategie, oft mit dem Ziel, die Beschlagnahme von Vermögenswerten durchzusetzen (Potts, 2024).

Die Vermögensverwalter verfügen auch über eine beträchtliche infrastrukturelle Macht gegenüber den staatlichen Akteuren (Braun, 2020).  Das herausragende Unternehmen in Bezug auf diese infrastrukturelle Macht ist BlackRock, das von Regierungen auf der ganzen Welt nachgefragt wird.  BlackRock wird von Regierungen auf der ganzen Welt beauftragt und führt Stresstests für systemrelevante Finanzinstitute und nationale Bankensysteme durch (BlackRock, 2023b). Im März 2020, während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie, beauftragte die Fed BlackRock mit dem Kauf von Unternehmensanleihen und mit gewerblichen Hypotheken gesicherten Wertpapieren (Tett, 2020).

Ein ganz ähnlicher Mechanismus ist im Zusammenhang mit dem zunehmenden Vorstoß alternativer Vermögensverwalter in Immobilien- und Infrastrukturanlagen im Spiel, wobei in der Regel Anlagevehikel verwendet werden, die Strukturen und Vergütungsmechanismen von Private-Equity-Fonds nachbilden. Weltweit wurden die Regierungen zunehmend davon überzeugt – oder haben sich in einigen Fällen selbst davon überzeugt -, dass der enorme Bedarf an Investitionen in den Bau und die Nachrüstung von Wohnraum und Infrastruktur, nicht zuletzt zum Zwecke des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, nicht durch die Aufnahme von Krediten, Investitionen und den Besitz und Betrieb von Vermögenswerten durch den öffentlichen Sektor gedeckt werden sollte. Stattdessen wenden sich die Regierungen in den Ländern des globalen Südens wie des Nordens an den privaten Sektor im Allgemeinen und an Vermögensverwalter im Besonderen, um solche Investitionen zu tätigen. Dies hat zur Folge, dass der Staat bei der Bereitstellung grundlegender öffentlicher Güter wie Unterkunft, Strom oder Wasser immer mehr von Vermögensverwaltern abhängig ist (Christophers, 2023). Dies verleiht diesen Vermögensverwaltern eine tiefgreifende infrastrukturelle Macht: Staatliche Akteure können es sich oft nicht leisten, gegen die Interessen der betreffenden Vermögensverwalter zu handeln, allen voran Blackstone, das kanadische Unternehmen Brookfield Asset Management und das australische Unternehmen Macquarie.

Schließlich betreiben Vermögensverwalter auch direkte Lobbyarbeit bei Regierungen und üben so instrumentelle Macht aus. Auch hier sticht BlackRock durch seine Praxis hervor, sehr hochrangige ehemalige Zentralbankbeamte einzustellen, darunter den ehemaligen Vorsitzenden, den stellvertretenden Gouverneur und den stellvertretenden Vorsitzenden der Schweizerischen Nationalbank, der Bank of Canada bzw. der Federal Reserve (Braun, 2021: 292). Die Vertretung durch solch hochkarätige ehemalige Zentralbanker ist in regulatorischen Auseinandersetzungen sicherlich ein Vorteil.  In zunehmendem Maße betreiben Vermögensverwalter nicht nur Lobbying, um sich gegen Regulierungen zu wehren, sondern versuchen auch, die breitere regulatorische und politische Landschaft aktiv zu gestalten. So sind die Fachleute der Vermögensverwaltung beispielsweise tief in die regulatorischen Netzwerke im Bereich der europäischen nachhaltigen Finanzen eingebettet. Noch berüchtigter ist, dass Führungskräfte von Hedgefonds und Private Equity die britische Kampagne für den Brexit aktiv unterstützt haben, weil sie sich davon eine weniger strenge Regulierung und Besteuerung außerhalb der EU versprachen.

Daniela Gabor argumentiert, dass die Anlagepräferenzen großer institutioneller Kapitalpools ein globales politisches System geformt haben, das darauf ausgerichtet ist, die Welt für institutionelles Kapital sicher zu machen. Im Rahmen dieses “Wall-Street-Konsenses” setzen die Staaten ihre fiskal-, geld- und ordnungspolitischen Hebel ein, um Vermögenswerte zu “derisken”, damit ihre Risiko-Rendite-Profile den Anlagebedürfnissen der institutionellen Kapitalpools und ihrer Vermögensverwalter entsprechen (Gabor, 2021).

Eine weitere vorrangige politische Präferenz der Vermögensverwalter sind niedrige Zinssätze. Unter sonst gleichen Bedingungen führt eine Senkung des Leitzinses der Zentralbank zu einer höheren Bewertung von Vermögenswerten und damit zu einem direkten Anstieg der Gebühreneinnahmen der Vermögensverwalter. Gleichzeitig verringern niedrigere Zinssätze die Finanzierungskosten für Vermögensverwalter mit hohem Fremdkapitalanteil, wie z. B. Hedgefonds und Private-Equity-Unternehmen. In ihrer Vorliebe für niedrige Zinssätze unterscheiden sich die Vermögensverwalter von den Banken, die aufgrund ihres auf der Kreditvergabe basierenden Geschäftsmodells eher einen inflationshemmenden geldpolitischen Kurs bevorzugen. (Braun, 2021: 292).

BlackRock (2023a) 2022 annual report. Available at: https://s24.q4cdn.com/856567660/files/doc_financials/2

BlackRock (2023b) Our Clients—Financial Markets Advisory (FMA). BlackRock. Available at: https://www.blackrock.com/financial-markets-advisory/fma-clients/our-clients

Braun B (2020) Central banking and the infrastructural power of finance: The case of ECB support for repo and securitization markets. Socio-Economic Review 18(2): 395–418.

Braun B (2022a) Exit, control, and Politics: Structural power and corporate governance under asset manager capitalism. Politics & Society 50(4): 630–654

Christophers B (2023) Our Lives in Their Portfolios: Why Asset Managers Own the World. London

Gabor D (2021) The Wall Street Consensus. Development and Change 52(3): 429–459.

McKinsey (2022) The Great Reset: North American asset management in 2022.

Tett G (2020) Why the US Federal Reserve turned again to BlackRock for help. Financial Times.

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