Bankencrash?

Es zeigt sich, wenn man das System allein schon vor dem Hintergrund der Logik des finanziellen Kapitals im Rahmen der amerikanischen Boom-Bust-Bailout-Wirtschaft betrachtet, dass es für seinen Fortbestand der Ad-hoc-Interventionen der Staaten und Zentralbanken bedarf, wobei sich dieses Moment der Souveränität auch immer wieder als enttäuschend in seinen Erfolgen erweist. Das finanzielle Kapital zeigt weiterhin eine so extrem starke Dynamik, dass das Schmittsche Moment der Souveränität versagt, sodass die nächste Runde der Akkumulation eingeleitet wird, die ab einen gewissen Punkt wiederum der Ad-hoc-Interventionen bedarf. Unsicherheit könnte sich damit tatsächlich ins Katastrophische steigern.

Wie die insolvente Silicon Valley Bank (SVB) haben US-amerikanische und europäische Banken und Finanzinstitute lange Zeit Staats- und Unternehmensanleihen gekauft, die zu sehr niedrigen Zinssätzen ausgegeben wurden. Investoren (z. B. Milliardäre aus dem Silicon Valley, Vermögensverwalter, Hedgefonds, Private Equity usw.) erwarben diese Vermögenswerte und nutzten sie als Sicherheiten, um die Kreditaufnahme zu erhöhen.

Es ist immer derselbe Kreislauf. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Expansion der Kreditschöpfung durch die privaten Banken heute eine wichtige Ressource für das spekulative Kapital ist, welche die Derivatmärkte beflügelt und auch die Realökonomie befeuern kann, aber nicht muss. Die Ausweitung der Kreditvergaben führt zu erhöhten Geldanlagen in Derivate, deren Bewertung mit steigender Nachfrage zunimmt; die im Preis gestiegenen Derivate dienen dann wiederum als Sicherheiten für weitere Kredite, wodurch eine Rückkopplungsschleife in Gang gesetzt wird, in der die Kredite die positiven Bewertungen von Vermögenswerten steigern und gleichzeitig die Assets als Sicherheiten die Kreditvergaben erhöhen. Die Illusion der ewigen Ekstase der Liquiditätsausweitung impliziert, dass die Hebelwirkung (Leverage) von Geldkapital zum Kauf von Vermögenswerten, die als Sicherheiten für weitere Kredite dienen, das Nonplusultra für das fiktive und spekulative Kapital bleibt. Dabei müssen die Derivatmärkte für die Finanzunternehmen selbst profitabel, liquide und volatil genug sein, um spekulatives Kapital anzulegen, aber die Unternehmen müssen den Zeitpunkt zu verhindern wissen, an dem die Elastizität der Volatilität für sie selbst gefährlich werden kann: Derivatmärkte erzeugen quasi die Krankheit, gegen die sie sich immunisieren müssen.

Seit letztem Jahr haben die Zentralbanken die Politik des Quantitative Easing durch eine Straffung ersetzt. Die Fed befindet sich in einem Dilemma: Wenn sie die Geldpolitik zu sehr strafft und die Zinssätze zu schnell anhebt, könnte dies dazu führen, dass die Kosten für die Aufnahme von Krediten ansteigen, sodass die Neuinvestitionen in Technologien zurückgehen, die kreditierte Nachfrage der Konsumenten nach Produkten ins Stocken gerät und es zu einem allgemeinen Konjunktureinbruch kommt. Wenn die Zentralbank jedoch nicht handelt, das heißt, ihre Geldspritzen nicht reduziert und die Zinssätze nicht erhöht, dann ist die hohe Inflation möglicherweise gar nicht vorübergehend. Obgleich allein mit einer Erhöhung der Zinssätze die Inflation auch nicht bekämpft werden kann. Es sollte inzwischen hinreichend klar sein, dass jedes Geldschöpfungsprogramm, das zur Stützung des Finanzsektors dringend erforderlich ist, in Verbindung mit der Inflation zu einer weiteren Erosion der Kaufkraft führen kann, sodass neue kreative Methoden zur Kontrolle der verarmten Massen erforderlich werden. Die Alternative zum Szenario des billigen Geldes wäre, dass die Zentralbanken die Zinsen so lange erhöhen, bis die Marktblasen platzen. Das Ergebnis des Delirierens im Dilemma ist, dass die Fed nach einem Mittelweg sucht.  Das Gleiche gilt für die Bank of England und die Europäische Zentralbank.

Die Zentralbanken der Welt haben auf die Möglichkeit einer kommenden Krise, die durch die russische Invasion in der Ukraine und dann durch spekulative und inflationäre Entwicklungen an den globalen Energie- und Lebensmittelmärkten  positiv beeinflusst wurde, also mit einer weiteren Straffung reagiert, das heißt auch, dass sie die Zinssätze weiter anheben, womit die Wirtschaftstätigkeit (Beschäftigung, Investitionen etc. ) im Inland gedämpft, die Reallöhne gedrückt und eine Rezession ausgelöst wird, – in der Hoffnung, dass ein Einbruch der Wirtschaftstätigkeit im Inland die Inflation der Preise (die hauptsächlich aber auf den weitgehend deregulierten und spekulativen globalen Finanzmärkten festgelegt werden) senken wird.  Da eine inländische Reaktion auf ein globales Phänomen (Energiepreisinflation) nicht von den Zentralbanken geregelt werden kann, bewegten sich die Märkte für Staats- und Unternehmensanleihen sowie für Aktien im Jahr 2023 nach unten, da erkannt wurde, dass höhere Zinssätze nicht zu einer Senkung der weltweiten Energie- und Lebensmittelpreise, sondern eben in erster Linie zu einer Rezession im Inland führen. Es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass an den Finanzmärkten nicht nur die Volatilität die Illiquidität vorantreibt, sondern die Illiquidität beginnt, die Volatilität zu verursachen. Wenn beide Effekte gleichzeitig auftreten, kann es zu einem Kreislauf kommen, in dem die Volatilität ansteigt und die Liquidität zusammenbricht.

Professoren wie Larry Summers und Ken Rogoff behaupten, dass die Inflation alle anderen Bedrohungen übertrifft. Und dass die Inflation größtenteils durch steigende Löhne verursacht wird oder sogar durch die Erwartung, dass die Löhne steigen könnten. Um die Löhne und damit die Inflation zu unterdrücken, müssen die Zentralbanker die Geldmenge aggressiv erhöhen, auch wenn dies die Nachfrage drückt, die Arbeitslosigkeit erhöht und die Löhne weiter senkt. Die Inflation wird aber neben den Angebotsschocks in den globalen Lieferketten infolge von Corona vor allem durch Spekulationen auf dem Rohstoffmarkt und nicht durch Löhne verursacht. Wenn nun Arbeiter und Angestellte höhere Löhne fordern, um die inflationären Auswirkungen höherer Energie- und anderer Rohstoffpreise auszugleichen, so ist dies eine Folge, nicht die Ursache der Energiepreisinflation, die die Regulierungsbehörden nicht in den Griff bekommen.

Insofern die Inflation den Wert der Schulden senkt, geht man wohl davon aus,  die Interessen der Gläubiger gegenüber den Kreditnehmern verteidigen verteidigen zu müssen. Die Inflation ermöglicht es den Kreditnehmern, einen Kredit mit Geld zurückzuzahlen. Hohe Zinsen, die angeblich die Inflation bekämpfen, schmälern aber auch Einkommen der Schuldner können zu Zahlungsausfällen führen, die letztlich auch den Gläubigern schaden.

Letzte Woche ist es zu schweren Turbulenzen bei den Banken gekommen. Die amerikanische Silicon Valley Bank wurde insolvent und die Credit Suisse am Wochenende von der USB übernommen. Letztere wurde als „Too Big To Fail”-Bank sowohl vom Schweizer Staat als auch von einem privaten Konkurrenten der Bank vor dem Konkurs gerettet. Das Finanzsystem ist global. Eine Krise in Kalifornien kann Tausende von Kilometern entfernt zu Flächenbränden führen.

Die Zentralbanken scheinen bereit zu sein, Privatbanken und die globale Finanzstabilität zu opfern, um weiter die Zinssätze zu erhöhen, die Nachfrage zu drosseln, die Arbeiter zu disziplinieren und Einkommen zu verringern. Ann Pettifor schreibt, dass sie   den Klassenkampf der Finanzstabilität vorzögen. Versteht man die Zentralbanken als Instrumente der Klassenmacht, so ergibt sich mit ihrer Politik der Straffung in der Tat eine Logik:  Wenn der langfristige Trend in einer sinkenden Produktivität und Rentabilität besteht und die Unternehmen in einem Verdrängungswettbewerb stehen, um ihren Marktanteil in einem schrumpfenden Marktumfeld zu erhöhen, während gleichzeitig ein Potenzial für die Stärkung der Arbeiterklasse entsteht, dann ist das Auslösen einer Rezession, in der es schwer ist, Lohnerhöhungen durchzusetzen,  eine spezifisch politische Art, in diesen Konflikt einzugreifen. Allerdings ist das finanzielle Kapital der Hegemon der heutigen transnationalen Klasse, sodass seine Schwächung unweigerlich die Macht des Kapitals reduziert.

Was war passiert? Letzte Woche wurde die Silicon Valley Bank, das sechzehnt größte Bankinstitut mit intensiven Verbindungen zu Tech-Unternehmen in den USA insolvent und von den US-Aufsichtsbehörden geschlossen. Die Inflation treibt die Zinsen in die Höhe, was wiederum den Marktwert von Bankaktiva wie Anleihen verringert. Das Problem ist also, dass die Marktbewertung von Assets, Anleihen und Hypotheken aufgrund der gestiegenen Zinssätze gesunken ist. Die Zinsen für die vor einigen Jahren gekaufte Anleihen und Hypotheken sind nun viel niedriger als die für neue Hypotheken und neue Schatzanweisungen und Anleihen. Wenn die Zinssätze steigen, fallen die Preise dieser »alten Wertpapiere«. Wenn die Zinssätze steigen und die Anleihekurse fallen, folgen die Aktienkurse in der Regel. Staatsanleihen werden zu einem Marktwert gehandelt, der von ihrem Nennwert bei deren Emission abweichen kann. Zinsentwicklung und Marktwert der Staatsanleihen verhalten sich umgekehrt proportional. Bei sinkenden Zinsen steigen die Kurse der Anleihen. Bei einem steigenden Zinsniveau, bei dem die Anleihekurse sinken, ist es umgekehrt. Anleihen, die in einer Phase von Niedrigzinsen ausgegeben worden sind, verlieren aufgrund ihrer niedrigeren Verzinsung in einer Hochzinsphase an Marktwert. Und diese hohen Zinsen, die die Notenbanken zwecks angeblicher cInflationsbekämpfung eingeführt haben, hat zu einem massiven Preisverfall von Staatsanleihen geführt.

Wenn die Banken ihre Anleihen oder Hypothekenpakete jedoch einfach behalten, müssen sie den Marktpreis ihrer Vermögenswerte nicht entsprechend abwerten. Sie müssen den Marktwertverlust nur dann offenlegen, wenn die Einleger ihr Geld abziehen und die Bank diese Vermögenswerte tatsächlich verkaufen muss, um das Geld für die Auszahlung ihrer Einleger aufzubringen. Da die vielen Firmenkunden der SVB nicht durch die Einlagensicherung abgesichert waren und ein Eingreifen der Aufsichtsbehörden befürchteten, wurde Geld von dieser solventen Bank abgezogen und umgeschichtet. Die wachsende Kluft zwischen dem, was Anleger durch den Kauf von risikofreien Schatzpapieren verdienen können, und dem geringen Geld, den die Banken ihren Einlegern zahlten, veranlasste die wohlhabenderen Einleger, ihr Geld abzuziehen, um anderswo eine höhere Marktrendite zu erzielen. Den meisten Anlegern war klar, dass höhere Zinssätze den Kurs von Anleihen senken würden – am stärksten bei Anleihen mit langer Laufzeit. Die Vermögensverwalter vermieden solche Kursrückgänge, indem sie ihr Geld in kurzfristige Schatzanweisungen oder Geldmarktfonds umschichteten, während die Preise für Immobilien, Anleihen und Aktien fielen.

Um es noch einmal zu verdeutlichen: Wenn die Zentralbanken die Zinssätze anheben, werden neue Staats- und Unternehmensanleihen zu höheren Zinssätzen ausgegeben. Diese höheren Zinssätze erhöhen die Rendite der neu ausgegebenen Anleihen. Die Renditen dieser Anleihen sind umso höher, je weniger neue Anleihen auf den Markt kommen. Die neuen, höher bewerteten Anleihen sind dann für die Anleger rentabler als die vielen Anleihen, die unter niedrigeren Zinsen vor Jahren ausgegeben wurden. Infolgedessen werden ältere Anleihen verkauft, da kluge Anleger sich auf die höheren Renditen der knapperen, neueren Anleihen stürzen. Diese Preisverschiebung hat zur Folge, dass die Kurse von Niedrigzinsanleihen weiter fallen.

Dies spielt jedoch keine Rolle, wenn die Anleihen bis zur Fälligkeit gehalten werden und kein Druck zum Verkauf besteht. Mit der Zeit könnten die künftigen Zinssätze fallen und die Anleihekurse wiwswe steigen. Wenn jedoch Staatsnleihen als Sicherheiten verwendet wurden, werden die Kreditgeber feststellen, dass die Sicherheiten des Kreditnehmers an Wert verloren haben, und mehr Sicherheiten verlangen, um die (oft hohen) ausstehenden Schulden zu stützen. Es kommt dann zu einem Gerangel um den Verkauf oder um die Mobilisierung von mehr Kapital zur Befriedigung der Gläubiger.

Insbesondere kleinere US-Banken verzeichnen auch Verluste, die in die Milliarden gehen und sich auf Anleihen in ihren Portfolios beziehen. Nach der Finanzkrise von 2008 hatten die US-Aufsichtsbehörden den Banken auferlegt, mehr Staatsanleihen, das heißt liquide Vermögensgegenstände, in ihren Portfolios zu halten, deren Kurse nun infolge der Erhöhungen Leit-Zinsen durch Fed fielen und nun für (bisher nicht realisierte) Verluste in den Bilanzen der Banken mit verantwortlich sind. Auch in China sind die kleinen Banken in Gefahr und einige stehen bereits am Rande des Zusammenbruchs. In China liegt das wiederum an der Finanzierungsknappheit im Wettbewerb um Einlagen mit größeren Banken und an hohen Zahlungsausfällen bei lokalen Kreditnehmern aufgrund der wirtschaftlichen Abschwächung Chinas in den letzten Jahren. Auch die Credit Suisse bricht ein. Die Aktienkurse der krisengeplagten Credit Suisse brachen letzte Woche zweistellig ein. In ihrem Sog rauschen Bank-Aktien europaweit in die Tiefe. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), schnellten folgerichtig auf 574 Basispunkte hoch.

Die Frage, die die Märkte zu Beginn des Jahres 2023 beschäftigt, ist, was passiert, wenn die Zentralbanken die Zinsen als Reaktion auf den Inflationsanstieg weiter erhöhen und Staatsanleihen weiterhin verkaufen. Das Risiko besteht nicht darin, dass Staatsanleihen plötzlich wertlos werden, weil die US-Regierung zahlungsunfähig wird oder eine Hyperinflation entsteht, sondern vor allem darin, dass die Finanzmärkte nicht mehr funktionieren, da die Preise und Renditen anormal werden und Billionen von Dollars in den Portfolios umgewälzt werden, was eine Krise auslösen kann, da Hedge-Fonds, Banken und andere Anleger nun um Bargeld konkurrieren. Wenn die Märkte für Staatsschulden allerdings fragil werden, dann ist das nicht zu unterschätzen, da sie die verlässlichsten Sicherheiten darstellen. Staatsanleihen spielen eine wichtige Rolle in der Finanzsphäre, da die Staaten sich in den vergangenen Krisen immer weiter verschulden mussten, um mittels Konjunkturprogrammen und sonstiger Krisenmaßnahmen die Wirtschaft anzukurbeln. Der Markt für US-Treasuries leidet im März 2023 unter latentem Liquiditätsentzug und umfasst Papiere im Nennwert von rund 23,5 Billionen US-Dollar.

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